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General-Gouverneur von Liv-, Esch- und Kurland.

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(1)

WH

Alexander Snworoui,

General-Gouverneur von Liv-, Esch- und Kurland.

1848-1861.

Erster Abschnitt.

Riga.

Als Manuscript gedruckt. ,

V. a. f.

^ ... ^ sLses. u,

— . QXV^. -

K i g a .

S t a d t b u c h d r u c k e r e i v o u W . F . H a c k e r . 1862.

(2)

Der Fürst Alexander Arkadiewitsch Jtaliiski, Graf Snworow Rymnikski wurde am 1. Januar 1848 zum General-Gouverneur von Liv-, Esth- und Kurland ernannt und trat im November 1861 sein jetzi­

ges Amt als Militär-General-Gouverneur der Residenz St. Petersburg an; seine Verwaltung der Ostseepro­

vinzen hat mithin fast volle vierzehn Jahre gedauert.

Eine Geschichte der Provinzen in diesem Zeit­

abschnitt zu geben, liegt nicht in der Absicht: der ver­

fügbare historisch-statistische Apparat ist noch zu dürftig, die ganze Periode zeitlich dem Betrachtenden zu nahe gerückt, daher für eine historische Darstellung mit be­

gründetem Anspruch auf diese Bezeichnung noch unreif.

Was aber die nachfolgenden Blätter beabsichtigen, ist eine gedrängte Aufzeichnung dessen zu bieten, was für die Provinzen i n jener Zeitperiode auf der »Bahn des Fortschritts erreicht, und zwar wesentlich durch die schaffende und för­

dernde Thätigkeit des Fürsten Suworow er­

reicht worden ist: sie wollen zugleich Zeuguiß ablegen und eine Schuld des Dankes abtragen. Es ist hierbei, im Interesse der Übersichtlichkeit und zur Bewältigung des überreichen Materials, eine wesentliche Vorbedin­

gung, die Darstellung nicht chronologisch sich abspinnen zu lassen, sondern ihr eine entsprechende Theilnng und Gliederung zu geben. Die Natur der zu behandelnden Gegenstände wird im allgemeinen das leitende Moment bilden und nach ihr werden Gruppen formirt, diesen Allgemeines vorausgeschickt, Besonderes, soweit ersorder-

(3)

lich, beigegeben werden können. Ebenso wird der innere Zusammenhang der einzelnen Gruppen mit einander die Ordnung ihrer Borführung nnd ihres Abschlusses be­

dingen müssen. Mit diesen leitenden Grundsätzen könnte denn freilich die erste Forderung an eine Arbeit vorlie­

gender Art, — die der Übersichtlichkeit und Klarheit, — soweit dies nach deren Form und Anlage möglich, be­

friedigt werden. Allein noch eine andere Theiluug ist ganz unvermeidlich und zwar eine räumliche, nicht auf die Natur der zu besprechende» Materien, sondern ans bestimmte Tätigkeitsgebiete gerichtete. Wir meinen die abgesonderte Behandlung der Stadt Riga. Sie in den Kreis der Gesammt-Darstellnng mit aufzunehmen, ergab sich deßhalb als unzweckmäßig, weil die mächtige EntWickelung dieser Handelsmetropole der baltischen Pro­

vinzen eine gar zu bedeutende Anzahl an sich überaus wichtiger Darstellungsgegenstände in Anspruch nimmt, so daß letztere, bei Verschmelzung mit der Schilderung der Erfolge anf dem ganzen übrigen Gebiet, der Pro- vinzial-Verwaltnng, der entsprechenden Würdigung dieser Eintrag thun müßten; wozu noch kommt, daß die Haupt­

momente persönlicher umfassendster Wirksamkeit des Für­

sten — die beiden Cholera-Perioden, die Kriegszeit, die Anwesenheit des Kaisers und des Großfürsten Thron­

folgers — sich fast ausschließlich auf Riga beziehen, und daß nur etwa iu Bezug auf Reval — bei Gele­

genheit der agrarischen Wirren in Esthland im 1.1858 — Aehnliches zu berichten ist, das sich aber in die Gesammt- Darstellnng gehörigen Orts ungezwungen wird einreihen lassen.

Riga, im October 1862. T .

(4)

Erster Mschmlt. Riga.

I. Mumcipal-Verfassung. Gemeinde-Verwaltung.

Seite 1—

Das Project der neuen Municipal-Verfassung 1.

Das Budget der städtischen Einnahmen und

Ausgaben 4.

Die St. Petersburger Budget-Commission 6.

Die Stadt-Güter 7.

II. Handel und Gewerbe. Communicationsmittel.

Bauten und Anlagen 9—

Die Hafenbauten an der Düna-Mündung . 10.

Die Zweigbahn nach Dünaburg .... 13.

Die Abtragung der Festungswerke ... 16.

M a ß r e g e l n i m I n t e r e s s e d e r H a n d e l s - S c h i s s s a h r t :

Der Winterhafen und der Patent-Slips . 19.

Die Riga-Petersburger Dampfschiffsahrts-

Gesellschaft 20.

Die Handelsschifffahrts-Schule und die Reor-

^ ganisation des Lootsen-Wesens ... 21.

Die Fluß-Lootsen und die Regulirung der Düna 23.

Das Krankenhaus für Seefahrer. ... 24.

(5)

Seite D i e p r o j e c t i r t e n n e u e n S c h i e n e n w e g e :

Von Riga über Witebsk nach Kursk . . 25.

Von Riga nach Mitan 26.

D i e S t a d t - E r w e i t e r u n g u n d d i e n e u e n A n l a g e n :

Die Austrocknung des sumpfigen Terrains in der Moskauer Vorstadt 29.

Die Entwässerung durch Drainröhren . . 31.

Der Neubau des Rising-Canals .... 31.

Das Gaswerk und die Wasserleitung . . 32.

Das Bassin für Seeschiffe bei der Karls­

pforte 36.

Die Verbindung des Bahnhofes mit dem Ufer vermittelst eines Schienenstranges . 37.

Die Verbindung des Stadt-Canals mit der Düna bei der Citadelle 38.

Die Erweiterung der Ladeplätze an der Düna 39.

Der neue Flachsmarkt mit den großen Waage-

Gebäuden 39.

III. Fortsetzung. Bauten. Verordnungen und In­

structionen 41—73.

B a u t e n :

Die neue Börse und der Umbau des Schwarz­

häupterhauses 41.

Der electro-magnetische Telegraph zwischen

Riga und Bolderaa 44.

Das neue Gilden-Gebäude 45.

Das neue Gebäude der Steuer-Verwaltung 47.

Die neue Stückgutswaage und die Erweiterung

der „Herings-Kaje" 48.

Die Herstellung der Düna-Uferbefestigungen

(6)

Seite zwischen dem Katharinen- und dem Vege-

sacksholmschen Damm 50.

Die neuen städtischen Bollwerke .... 51.

V e r o r d n u n g e n u n d I n s t r u c t i o n e n : Die Revision der baltischen Handelsord­

nungen 52.

Provisorische Organisation einiger Handels-

Institutionen Riga's 54.

Die Aushebung:

der Beschränkungen des Flachshandels 55.

des obligatorischen Zwischenhandels . 56.

des Privilegiums des Bötticher-Amts zur Anfertigung von Leinsaat-Tonnen 57.

des Privilegiums des Uebersetzer-Amts zur Stellung von Lichterfahrzeugen . 58.

des Privilegiums der Brauer-Compagnie 59.

des Reserve-Korn-Magazins ... 59.

Die Börsen-Bank 60.

Der städtische Hypotheken-Verein.... 61.

Die Verbesserung des Einquartierungswesens 62.

H a n d e l s - u n d G e w e r b e - P o l i z e i : Das neue Ambaren-Wach- und Brand-

Commando . 63.

Die Regelung des Ballast-Losch-Wesens . 64.

Die Verbesserung des Leucht-Wesens . . 65.

Die Verordnung über die öffentlichen Mieth-

suhrwerke . . 65.

Die neue Markt-Ordnung 67.

Die Brot- und Fleischtaxe 68.

Die öffentlichen Schlachthäuser .... 69.

Die Regelung des Brennholzverkaufs . . 70.

(7)

Seite.

Die Revision der Handwerks-Ordnung und die provisorischen Schrägen . . . . 71.

IV. Die Polhei im weitesten Sinne. Wohlfahrts­

polizei. Armen-Wesen. Gesundheitspflege.

Presse. Vereins-Wesen. Kunst. Kirchen.

Schulen 73—113.

W o h l f a h r t s p o l i z e i :

Die „Verschönerungs-Commission" ... 73.

Der Square vor dem Schloß .... 75.

Die Straßenpflasterung 75.

Die Wege im Patrimonialgebiet . . . 76.

Die Sandberge . 77.

Die neue Bau-Jnstrnction 77.

Brand-Assecurauz-Wesen 78.

Die Verlegung der Pulver-Magazine bei

der Moskauer Vorstadt 79.

Die Rettungs-Anstalten am Düna-Ufer . 80.

Die Fluß-Polizei 80.

Die Verbesserung der städtischen Polizei- Verwaltung und der Bau des Moskauer Polizei-Bureau's (Siege) . . . . '81.

Die Reorganisation des Nachtwächterdienstes 83.

A r m e n w e s e n :

Das Armendirectorinm und die neue Schen-

kerei-Ordnuug 84.

Die kirchliche Armenpflege 84.

Das Magdalenen-Asyl 85.

Der Hülss-Comit6 vom 12. November . 85.

G e s u n d h e i t s p o l i z e i : Bauten:

Die Reimers'sche Augenheilanstalt . . 87.

Die Mineralwasser-Anstalt .... 88.

(8)

Seite Verordnungen und Instructionen:

Der Comit6 zur Ueberwachung der

Prostitution 88.

Die Umgestaltung des Ammenbureau's 89.

Die projectirte Hundesteuer. . . . 89.

P r e s s e :

Die Rigasche Zeitung 90.

Die Rigasche Handelszeitung .... 90.

Die Baltische Monatsschrift .... 91.

V e r e i n s - W e s e n :

Der Schützen-Verein 92.

Der Thierschutz-Verein 92.

Der technische Verein 92.

K u n s t :

Der Verein für deutsche Prosa und Dicht­

kunst' 94.

Die musikalische Gesellschaft .... 94.

Die Liedertafel 94.

Der „Liederkranz" und der „Sängerkreis" 94.

Das erste baltische Sängerfest . . . 95.

Das neue Stadt-Theater 96,

K i r c h e n :

Die St. Gertrud-Kirche 99.

Die anglicanische Kirche 100.

Die griechische Arrestantenkirche in der

Sturmkaserne 102.

Die Martins-Kirche 102.

Der Umbau der katholischen Kirche . . 103.

Die Freistellung der Dom- und Petri-Kirche 104.

Die Capelle auf dem Petri-Kirchhof. . -105.

Der Allerheiligen-Kirchhof 105.

(9)

Die russische Elementarschule .... 106.

Das neue Gebäude der zweiten Kreisschule 107.

Die evangelisch-lutherischen Kirchenschulen 107.

Das Realgymnasium 106.

Die Gründung des Polytechnicums . . 109.

. Die Cholera-Epidemie. Der Kriegszustand.

Der Besuch des Kaisers Alexander II und des Großfürsten Thronfolgers ii3—

Die Cholera 114.

Die Kriegszeit (1854—56) . . . .119.

Der Besuch des Kaisers Alexander II

(1856) . 126.

Der Besuch des Großfürsten-Thronfolgers

(1860) 129.

(10)

General-Gouverneur von Liv-, Esth- und Kurland.

1848-1861.

I. Abschn. Riga.

(11)

W i g a .

I.

Municip al - Verfassung. Gemeinde - Verui altung.

^eit den Zeiten des Kaisers Paul I., welcher Das Project

die von der Kaiserin Catharina

II.

octroyirte Rigasche

Stadtverfassung aufhob und die angestammte alte Verfassung.

Verfassung wieder herstellte, ist die letztere nicht in so großer Gefahr gewesen, als unmittelbar vor dem Amts- Antritt des General-Gouverneurs Fürsten Snworow.

Eine Commission aus Beamten des Ministeriums des Innern hatte, unter'der Leitung des den Bewohnern Riga's noch Wohl erinnerlichen Staatsraths Chany- kow, mehrere Jahre an der Kritik der bestehenden Einrichtungen und an der Aufstellung eines neuen Verfafsnngsprojects auf demokratischer Grundlage ge­

arbeitet und war Anfang 1848 damit zu Stande 4

(12)

sterium an den Reichsrath, demnächst zur Allerhöchsten Sanction, endlich zur sofortigen Einführung gelangen.

Allein dem widersetzte der Fürst sich auf's entschiedenste.

Es ist bedeutungsvoll, wie gerade hier, unmittelbar nach seinem Eintritt in die Verwaltung*), in seinem Handeln eiu leitender Grundsatz sogleich zu Tage trat, dem er später immer treu geblieben und der zur festen Basis seines ganzen bewegten hiesigen Dienstle^ens geworden ist: nämlich der Grundsatz, die Dinge nicht von oben zu reformiren, sondern die I n i t i a t i v e überall den Provinzen selbst zu überlassen;

nur Hemmnisse zu beseitigen, anzuregen, zu überwachen, zu fördern und zu vertreten. Daß er auf Grund dieses leitenden Prineips die Zeit seiner Verwaltung mit einem in der Geschichte der Provinzen noch nie dagewesenen Glänze zu umgeben vermochte, ist zugleich ein ehrendes Zengniß für diese uud ein unwiderleglicher Beweis dafür, daß hier nur dann günstige Erfolge erzielt werden können, wenn ein wesentlich anderes Verwaltuugsprincip, als das bisher für das übrige Reich adoptirte, in Anwendung gebracht wird. — Der Fürst ver­

*) Der Fürst traf den 18. März 1848 in Riga ein. In demselben Jahre (December 1848) unterstützte er in St. Petersburg auf's energischste ein anderes Project von nicht geringerer Wichtigkeit — d i e neue livländische B a u e r n - V e r o r d n u n g . A b e r h i e r g e h ö r t e d i e Initiative der Provinz. (Vergl. unten Abschn. 2: „Die Pro­

vinzen.")

(13)

langte, vor allen Dingen über das Project gehört zu werden, und als ihm dies Allerhöchst gestattet war, (Augusts 1848), sprach er sich, unter Hinweis darauf, daß die Commission eine einseitig feindselige Kritik geübt, indem sie das Veraltete und Mangelhafte allein hervorgezogen und beleuchtet, ohne dem Trefflichen und Bewährten sein Recht zu gewähren, — entschieden gegen diese, das als gut und zweckmäßig Erprobte aus theoretischen Gründen ganz und gar ausschließende Auf­

stellung aus und proponirte eine neue Commission an Ort und Stelle, nm das Project unter seiner Aufsicht umzuarbeiten. Diese Redactions-Commission ward denn auch, trotz heftigen Widerspruchs von Seiten des Ministers des Innern, auf eine Jmmediat-Vorstellung an den Kaiser, Allerhöchst genehmigt und trat im August 1849 zusammen.*) Im Mai 1850 waren die Arbeiten beendigt und' das Resultat derselben — ein neues, zwar auf der historischen Basis ruhendes, indessen nament­

lich die Trennung der Justiz von der Verwaltung bean­

tragendes Project — wurde dem Ministerium vom Fürsten eingesandt, welcher sich im allgemeinen den

Sie bestand unter dem Vorsitze des ehem. Vice-Gouverneurs v. Cube und unter Zuziehung von Beamten des Ministeriums des Innern (v.Rudnicki und Beklemischew, später St ob eus) und des General- Gouverneurs (v. Walujew und v. Richter), aus Delegirten der drei Stände (Rathöherr W. v. Petersen, Aeltenn. gr. G. Lemcke, dim.

Rathsherr Tanck, später Nettester Butte, Aelterm. kl. G. Mein- Hardt und Bürger Begunow) und zwei Repräsentanten der nicht zur Gilde gehörigen Stadtbürger (Birkner und Bytschkow).

(14)

Vorschlägen günstig aussprach und nur — in Abweichung von der Meinung der Commission — die bisherige Lebenslänglichkeit der Rathsherru-Stellen und das Recht der Selbstergänzung des Rathes auch in Zukunft auf­

recht erhalten wissen wollte.

Seit jener Zeit und während der ganzen Dauer der Verwaltung des Fürsten ist diese Angelegenheit nicht wieder zur Sprache gekommen und die Erörterung, der sie in den Reichsbehörden etwa unterzogen worden, hat zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem General-Gouverneur nicht geführt. Dennoch ist dieses wesentlich negative Resultat von großer Wichtigkeit: es hat die Ansichten im Schooße der Stände selbst gereift und allen mit der Verfassung in Beziehung stehenden socialen und Berufs-Verhältnissen die Möglichkeit ge­

geben, sich in eiuem Grade zeitgemäß zu entwickeln, der es gegenwärtig schon kaum mehr zweifelhaft erscheinen läßt, daß die Regeneration der alten Muuicipal-Ver­

fassung von ihren Trägern selbstständig in die Hand genommen werden und unter günstigeren allgemeinen Conjuuctureu zur definitiven Prüfung und Bestätigung im Gesetzgebungswege gelangen wird.

' Das Budget Die kritische und reformatorische Thätigkeit jener

derstadtlscheil ministeriellen Commission unter der Leitung des Staats-

Emnahmcn ' " ^

und raths Chanykow sollte sich ursprünglich nur auf die

Ausgaben, ökonomische Administration Riga's erstrecken; sie hatte demgemäß, ehe sie an die Verfassung ging, die Ver­

waltung des Stadtvermögens bearbeitet und unter

(15)

wesentlicher Adoption eines im Stadt-Cassa-Colleginm angefertigten Normal-Budgets, das in seinen Haupt­

grundlagen noch gegenwärtig zur Richtschnur dient, bereits vor dem Amts-Antritt des Fürsten Snworow die An­

wendung der von.dem Ministerium Perowski für das Reich entworfenen Prüfungs-Grundsätze auf das Rigasche Budget durchgesetzt. Danach ward unter Anderem als zweckmäßig empfohlen, nach Anfertigung des Budgets und Durchsicht desselben in der Gouvernements-Regierung, noch vor weiterer Abfertigung an das Ministerium des Innern, die Arbeit durch eine besondere Commission unter persönlichem Vorsitz des General-Gouverneurs zu prüfen und mit seinem Seutimeut zu begleiten. Nur einmal, im Jahre 1847, kam dies zur Ausführung, und dem Beispiel des Generals Golowin ist der Fürst

— wie in seineu sonstigen Berwaltnngsgrnndsätzen — auch hier nicht gefolgt, zu wesentlichem Nutzen der Stadt-Verwaltung. War auch die Anwendung der Regeln des Ministeriums zur Prüfung des Budgets nicht mehr abzuwenden, ja konnte dieselbe sogar als Mittel zu größerer Specialisiruug und umfassenderer Prüfung der gesetzlichen Begründung der Einnahmen und der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausgaben eine gewisse Anerkennung in Anspruch nehmen, so war doch der Grundsatz der Einmischung in die verfassungs­

mäßige Autonomie der Stadt den Ansichten des Fürsten so zuwider, daß er zur Theiluahme an der Budget­

prüfung sich niemals herbeigelassen hat. Auch hier ist

(16)

mithin, wie" in fast allen Handlungen aus der ersten Zeit seiner Verwaltung, das Resultat ein zunächst nega­

tives, die Bevormundung von Seiten der Regierung unterbrechendes. Er wahrte sich die Freiheit der selbst­

ständigen Anregung und Vertretung, und als sieben Jahre später (1855) die Differenzen der städtischen und Gouvernements-Verwaltungen Liv-, Esth- und Kurlands mit dem Ministerium des Innern, in Folge rücksichts­

loser Anwendung der von diesem mittlerweile (1849)

Die St. emanirten allgemeinen Bndget-Jnstrnction, ihren Höhen-

^ Budget-^ Punkt erreicht hatten, konnte er, seinen Grundsätzen treu,

Commission hie directe Persönliche Betheiligung speeieller Delegirten

"^856^^ von Seiten der Städte*) an den Erörterungen des Ministeriums beantragen und die Annahme der von hier aus proponirten Prüfungs-Grundlagen befürworten und durchsetzen. Sie sind, was Riga betrifft, in dem vom , Ministerium genehmigten Journal der betreffenden ge­

mischten Commission vom 14. April 1856 niedergelegt und haben, als aus einem Compromiß hervorgegangen, den großen Vortheil, daß sie von beiden Seiten gern befolgt werden.

Als solche befanden sich im Jahre 1856 in St. Petersburg: von Seiten Niga's: der Bürgermeister Müller und der Rathsherr W.v. Pe­

tersen; von Seiten der übrigen Städte Livlands: der Arensbnrgsche Bürgermeister Grubert, der Dorpatsche Nathsherr Rohland, der Pernausche Syndikus Schmid, der Werrosche Stadt-Secretair Witt­

kowski von Seiten der kurländischen Städte: der Mitausche Bürger­

meister v. Zuccalmaglio und der Libausche Stadt-Aeltermann Mich; von Seiten der esthländischen Städte: der Revalsche Bürger­

meister Or. v. Bunge und der dortige Raths-Secretair Schütz.

(17)

K

Die Geneigtheit des Ministeriums Perowski, allge- Die Stadt­

meine für das übrige Reich beliebte Normen auf die baltischen Provinzen, ohne genaue Rücksichtnahme auf deren abweichende Rechts- und Berfassnngs-Verhältnisse, auszudehnen, hatte sich im Herbste 1847, bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Einziehung der Stadtgüter, besonders schroff herausgestellt. Da der Miuister-Comite bei Prüfung der Frage über die Eintreibung der Getränke­

steuer von den Stadtgütern der Bielostokschen Pro­

vinz gefunden, daß es überhaupt ungeeignet sei, Land­

güter mit leibeigenen Dauern in der Verwaltung der Städte zu lassen, es bielmehr angemessener erscheine, sie dem Domainen-Ressort unterzuordnen, und diese Frage den Ministerien des Innern und der Domainen zu näherer Erwägung ausgegeben hatte, so war von ersterem der General-Gouverneur der Ostsee-Provinzen zur Einsendung von Auskünften und gutachtlichen Vor­

schlägen über den wirtschaftlichen Zustand der Stadt­

güter der Ostseeprovinzen und die Modalitäten ihrer Abgabe an die Domainen-Verwaltuug aufgefor­

dert worden, und hatte die von dem Staatsrath Chany- kow geleitete Commission dem General Golowin sofort bezügliche Propositionen eingesandt. In dieser Lage fand der Fürst Snworow die Sache vor. Er sammelte zwar die gewünschten Auskünfte; bei ihrer Uebermittelnng an das Ministerium (19. Mai 1850) aber hob er die beabsichtigte schreiende Verletzung der bestehenden ver­

brieften Eigentumsrechte der baltischen Städte und die

(18)

zweifellose Unanwendbarkeit der in Rede stehenden Maß­

regel auf deren Landgüter so überzeugend hervor, daß der Plan seitdem gar nicht wieder zur Sprache gekom­

men und, wie es scheint, aufgegeben ist.

Es war bei so entschiedenem und erfolgreichem Auftreten gegen die Vorschläge und Tendenzen der soge­

nannten Chanykowschen Revisions-Commission und die leitenden Grundsätze des Ministeriums Perowski natür­

lich, daß die Thätigkeit und der Einfluß dieser Com­

mission sehr bald schwinden und dieselbe schließlich ohne greifbare positive Resultate sich auflösen mußte, nach­

dem sie während ihres mehr als zehnjährigen Bestehens der Stadt etwa 40,000 Rubel gekostet hatte. Mit jenem Zeitpunkte beginnt die schaffende selbstständige Thätigkeit der Behörden und Stände auf dem Gebiete der öffentlichen Interessen unter unausgesetzter Anregung und Förderung des Fürsten. Die Besprechung der wichtigsten Communal-Aulageu und Bauten, welche dem­

nächst in Angriff genommen wurden, ist indessen von der Schilderung der anderweitigen großen Unternehmungen und Maßregeln im Bereich der Handels- und Gewerbe- Interessen und der allgemeinen Wohlfahrt nicht Wohl zu trennen; es scheint daher zweckmäßig, beide in besonderer Darstellung zusammenzufassen.

(19)

Handel und Gewerbe.

Communicationsmittel. Bauten und Anlagen..

Wenn auch die ganze Verwaltungszeit des Fürsten Snworow von dessen unausgesetzter Thätigkeit im In­

teresse des Handels und Gewerbfleißes der alten Hansa­

stadt redendes Zengniß ablegt, so daß von der großen Masse des hierher Gehörigen füglich nur Einzelnes hervorzuheben möglich ist, — so darf doch behauptet werden, daß in dieser Beziehung weitaus die größte Wichtigkeit der Verbesserung des Dünahafens, dem Bau der Dünaburger Zweigbahn und der Abtragung der Festungswerke Riga's beigelegt werden, daß daher von ihnen vor allen Dingen die Rede sein muß. Diese drei Unternehmungen stehen untereinander in wesentlichem innern Zusammenhang;

sie ergänzen ^ und tragen sich gegenseitig. So sichert die erste dem Waaren-Abfluß und Zufluß bequemes Ein- und Ausladen und ungehinderten Ezc- und Im­

port zur See, während die zweite die Waareuzufuhr aus dem Innern steigert, das Handelsgebiet erweitert

(20)

und eine fernere Ausdehnung desselben in Aussicht stellt; die dritte endlich ermöglicht eine den beiden ersten entsprechende Entfaltung aller örtlichen Handels­

und Verkehrs-Anstalten und eine dem wachsenden Be- dürfniß angemessene Vergrößerung und Verschönerung der Stadt.

Die Hafen- In der That hat der Fürst dem Hasenbau, fast

der^Düna- unmittelbar nach seinem Eintritt in die Verwaltung

Mündung, und bis zur Vollendung der Arbeit im I. 1861, eine unermüdliche persönliche Sorgfalt zugewendet, welche diese große Unternehmung, die mehr als zwei Millionen N. S.

gekostet hat und von deren Gelingen die Zukunft des Rigafchen Handels in erster Reihe bedingt war, Wohl verdiente.

Dreiundzwanzig Jahre (seit 1825) hatte die stei­

gende Verschlimmerung des Hafens gedauert: das Seegatt und die Rhede waren versandet, vor den Zu­

gang in den Hafen hatte sich eine Sandbank in einer Breite von mehrern hundert Faden gelegt, die Fluß­

mündung war durch eine jährlich anwachsende Barre versperrt, den Schiffen blieb zuletzt nur ein schmales, gekrümmtes und äußerst gefährliches Fahrwasser von 8 bis 10 Fuß Tiefe übrig. Die vielfachen Klagen der Kaufmannschaft hatten zwar eine ganze Reihe von Untersuchungen und Projecten der Oberverwaltung der öffentlichen Bauten hervorgerufen, sie blieben indessen sämmtlich unbestätigt und ohne practischen Erfolg.

So groß war zuletzt die Bedrängniß, daß der Gedanke

(21)

und daß man anfing, sich an das anscheinend unver­

meidliche Schicksal einer gänzlichen Absperrung Riga's von seinem vielhundertjährigen mari­

timen Verkehr zu gewöhnen. Da erfolgte der Amts- Antritt des Fürsten Snworow und mit ihm nahm die Sache sogleich eine Wendung zum Bessern. Der Fürst verschaffte sich sofort durch Vermittelnng des Börsen-Comites und durch eigene Anschauung die ge­

naueste Kenntniß der Sachlage, die Kaufmannschaft erbot sich die Kosten des Baues durch eiue Abgabe vom Aus- und Einfuhrhandel zu decken, es ward ein umständlicher Plan der Arbeiten durch den Jngenienr- Obristen (gegenwärtig General-Major) Baron Nolcken entworfen und an die Oberverwaltung der Wegecom- mnnication zur Prüfung gebracht, deren Bedenken und Schwierigkeiten der Fürst durch unermüdliche persön­

liche Intervention endlich vollständig besiegte. Dies gelang mit dem Jahre 1850 und auf Grund der nun­

mehr erfolgenden Allerhöchsten Befehle vom 16. April und 30. Mai 1850, 29. April 1852, 6. April 1854, 22. Februar uud 29. März 1855, 12. Juni und 7. August 1856 und 25. März 1858 wurde zunächst die sofortige Inangriffnahme der Arbeiten angeordnet, die technischen Projecte und Voranschläge successiv be­

stätigt, der Börsen-Comite zur Contrahirnng der nöthi- gen Geld-Anleihen antorisirt und deren Verzinsung und Amortisation aus einer vom Ex- und Import zu er­

(22)

hebenden Steuer genehmigt. Die Arbeiten*) begannen im Juni 1850 und wurden im October 1861 been­

digt, nahmen mithin einen Zeitraum von mehr als zehn Iahren in Anspruch. Der Fürst widmete ihnen von Anfang bis zu Ende die angestrengteste Aufmerk­

samkeit und Sorgfalt. Nicht nur daß er selbst das Präsidium in dem Allerhöchst eonstitnirten Hafenban- Comite**) übernahm, er infpicirte auch den Gang der Arbeiten sehr häufig und wußte durch persönliche Ein­

wirkung alle Hemmnisse zu beseitigen und bei den Be­

theiligten den regsten Eifer immer wach zu erhalten.

Das Resultat dieser großen Unternehmung ist ein äußerst günstiges: statt des seichten, gekrümmten und

Sie bestanden nach Maßgabe der Pläne des Barons Nolcken:

1) in der Erbauung des großen sogenannten Magnusholmschen Seedam­

mes; 2) dem Bau eines Querdammes bei Wetzake; 3) der Befestigung eines Theils des Fort-Comet-Dammes; 4) der Befestigung des Kiepenholm- schen Dammes; 5) der Befestigung des Flugsandes bei Bolderaa. Die vier letztgenannten Arbeiten wurden schon 1851 zu Ende geführt. Der Schluß­

stein des großen Seedammes konnte erst im October 1861 gesetzt werden.

**) Dieser Comitc bestand, unter dem persönlichen Vorsitz des Fürsten,'ursprünglich aus folgenden Mitgliedern: dem Civil-Gouverneur v. Essen, dem Zollbezirks-Chef v. Hesse, dem Obristen (gegenw. Gen.- Maj.) v. Nolcken, dem Consul Schepeler als Präses des Börsen- Comitc's und den Kaufleuten Philipsen, Hernmarck und Stephany.

Allmählig traten v. Hesse, Schepeler, Stephany und Philipsen aus, so daß am Schluß 1861 im Comite saßen: der gegenwärtige Präses des Börsen-Comite's Cumming, die Kaufleute G. Brandt, I. Armit- stead und Commerzienrath Hernmarck; außer ihnen der Gouverneur, der General Nolcken und der Nachfolger v. Hesse's, der Zollbezirks-Chef Alfthan. Als Kanzleidirector fungirte Baron O. Budberg.

Die erste Sitzung des Comite's fand am 26. April 1850 statt.

(23)

Düna einlaufenden Schiffen ein breites, gerades und tiefes Seegatt. .Die Gefahr des Versandens ist der Gewißheit einer immer größeren Vertiefung des Fahrwassers gewichen.

Riga's maritime Zukunft hat nichts mehr zu befürchten.

Mit der im I. 1852 Allerhöchst anbefohleneu In- Die Zweig

angriffnahme der Petersburg-Warschauer Eisenbahnlinie waren die letzten Zweifel an der Zweckmäßigkeit des bereits sehr alten Projects einer Riga-Dünaburger Zweigbahn geschwunden. Der steigende Handel und Gewerbfleiß Riga's, die Notwendigkeit, dieser Stadt die prodNctive Thätigkeit des ganzen großen Binnenlan­

des zu erschließen, forderten gebieterisch den Anschluß au die Petersburg-Warschauer Linie und zwar in einer Richtung, die die Fortsetzung des Schienenweges bis in die fruchtbarsten innern Gouvernements des Reichs und damit die volle volkswirtschaftliche Function dieses Ver­

kehrsmittels möglich machte und anbahnte. Der Ri­

gasche Börsen-Comite uahm die Sache sofort in die Hand und hat sich während der ganzen Zeit der Vor­

arbeiten und bis zur Verwirklichung des Planes der ununterbrochenen thätigsten Förderung von Seiten des Fürsten zu erfreuen gehabt. Wenngleich auf Grund eines durch den Fürsten Snworow erwirkten Allerhöch­

sten Befehls vom 10. Mai 1852 die technischen Vor­

arbeiten sofort begannen und das detaillirte BaUproject im I. 1853 ausgearbeitet war, wenngleich ferner nach dem Allerhöchsten Befehl vom 18. Mai 1853 der

(24)

Börfen-Comite das Recht erhielt, eine Aktiengesellschaft mit einem Anlagecapital von 12 Millionen, einer Staats- Garantie von 4^"/<> und einer Exploitationsfrist von 56 Jahren zu gründen, und gemäß dem Allerhöchsten Befehl vom 15. August 1853 ein die Vorarbeiten lei­

tender Comite unter dem Vorsitz des Fürsten nieder­

gesetzt wurde*), — so erlitt die ganze Unternehmung doch einen beklagenswerthen Aufschub durch den Krieg (1854—1856) und die Sachlage veränderte sich nach Abschluß des Friedens zum Schlimmeren. Die Schwie­

rigkeiten, das zum Bahnbau erforderliche Capital aufzu­

bringen, waren gestiegen, die gewährte Staatsgarantie erwies sich bei der kurzen Exploitationsfrist als unge­

nügend, die Concnrrenz mit der unterdessen (1857) in's Leben getretenen großen französischen Eisenbahngesell­

schaft stellte dem Unternehmen neue Hindernisse in den Weg. Dazu kam, daß das ursprünglich auf 12 Mill.

Rubel berechnete Anlage-Capital auf 10,200,000 Rubel herabgesetzt wurde und alle Versuche, dasselbe auf die ursprüngliche Höhe zu steigern, bei der mittlerweile ein­

getretenen Veränderung in der Oberleitung der Wege- commnnicationen und öffentlichen Bauten scheiterten.

Den Abschluß der vielfachen, immer unter persönlicher, regster Theilnahme des Fürsten geführten Verhandlnn-

*) Dieser Comite bestand, unter dem persönlichen Vorsitz des Fürsten, aus dem ehem. livl. Vice-Gouverneur, wirkt. Staatsrath v. Cube (ssn.), dem Staatsrath v. Stöver, dem derzeitigen Präfiden­

ten des Börsen-Comite's H e r n m a r c k , den Rathsherren T h . P y c h l a u und T a n c k , und den Herren I . A r m i t s t e a d und G . B r a n d t .

(25)

den Jahren 1852 und 1853 erworbenen Rechte auf das nachdrücklichste vertrat, bildet eine im Winter 18ß-A in St. Petersburg unter Zuziehung des Fürsten abge­

haltene Eonserenz des Hauptcomite's der russischen Eisenbahnen. Hierbei gelang es endlich, wenn auch nicht die Restitution des 1852 und 1853 Gewährten, so doch die Ausdehnung der Exploitationsfrist auf 75 Jahre zu erwirken und damit die Wiederaufnahme der Arbeiten zu ermöglichen. Die Allerhöchste Bestätigung des Gesell- schasts-Statnts erfolgte den 23. Januar 1858. Die Subfeription auf Actieu wurde sofort eröffnet und hatte einen so günstigen Fortgang, daß schon den 29. März 1858 die constitnirende General-Versammlung der Ge­

sellschaft einberufen werden konnte. Der Bahnbau be­

gann den 8. Mai 1858 und ihre ganze 204 Werst lange Strecke wnrde dem Verkehr übergeben den 12. Sep­

tember 1861. Dieser Bahnlänge entsprechend, beträgt demnach das auf 75 Jahre mit 4^<>/<, garantirte Anlage- Capital 50,000 Rubel per Werst.

-Die Bahn erfreut sich seitdem einer zunehmenden Personen-Frequenz und eines steigenden Waarentrans- portes; sie hat ein doppeltes Geleise und ist mit allen Betriebsmitteln vollständig versehen. Mit der Eröff­

nung der ganzen Bahnstrecke zwischen Petersburg und Eidtknhnen hat sie eine Aussicht auf wesentliche Steige­

rung ihrer Einnahmen erhalten; ihre volle Bedeutung wird ihr indessen nur zu Theil werden, wenn es gelingt,

(26)

sie in das Innere des Reichs in der beabsichtigten Rich­

tung weiter zu führen.

Die Abtra- Bereits im Jahre 1853 hatte der Fürst Suworow

st"ungswer^e° ^ der Voraussicht, daß durch die damals schon im Princip gesicherten Unternehmungen des Hafenbaues und der Düna- bnrger Zweigbahn die beengenden Fesseln der Festnngs- wälle und des damit zusammenhängenden Verbots des Häuserbaues auf dem Glacis und der Steinbauten in dem Festungsrayon gesprengt werden mußten, wenn die freie EntWickelung der Handels- und Gewerbthätigkeit Riga's nicht auf's empfindlichste benachteiligt werden sollte, — diesen Gegenstand bei Sr. Majestät dem hoch­

seligen Kaiser Nikolaus I. zur Sprache gebracht; doch erlitt die Angelegenheit durch den orientalischen Krieg einen Aufschub. Zur Beseitigung der strategischen Be­

denken gegen die Aufhebung der Festung wurde indessen vom Fürsten unter Betheiligung des General-Adjutanten Todleben noch während des Krieges der Vorschlag einer Ersetzung der Festungswerke durch detachirte Forts zur höheren Erwägung, gebracht; unmittelbar nach Abschluß des Friedens aber nahm der Fürst die Angelegenheit, ganz unabhängig von diesem Plan, wieder auf und in Folge eines von ihm überreichten, die Nachtheile der Festung und die Zweckmäßigkeit der Freistellung der Stadt darlegenden untertänigsten Memoires ward end­

lich die Abtragung der Wälle, vorbehältlich der näheren Erörterung der Details, den 12. Februar 1856 Aller­

höchst genehmigt. Diese Erörterung ergab, daß die

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alten schwedischen Festungswerke mit allen dazu gehöri­

gen Gebäuden und dem ganzen Terrain bis zum 1.1811 Eigenthum der Stadtgemeinde waren, die sie hergestellt und erhalten hatte; daß in diesem Jahr der Staat die Festung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rück­

gabe derselben an die Stadt — beim etwaigen Ein­

gehen der Festung — übernahm, und daß mithin ge­

genwärtig der Zeitpunkt der Verwirklichung jenes Vor­

behalts eingetreten war. In Folge der Darlegung dieser Verhältnisse und der darauf gegründeten Bitte der Stadtverwaltung genehmigte Se. Majestät der Kai­

ser, auf Vorstellung des Fürsten, im August 1857 die Uebergabe der Festungswerke und des ganzen von ihnen eingenommenen Terrains so wie der Gebäude — mit Ausnahme indessen der Citadelle —- an die Stadt.

Am 5. November 1857 fand die Uebergabe statt und am 15. desselben Monats schon machte man mit der Abtragung den Anfang. In den -Besitz einer ausge­

dehnten und durch die obwaltenden Verhältnisse überaus werthvollen Baufläche gelangt, konnte die Stadt mit sicherer Aussicht auf volle Entschädigung alle Arbeiten der Abtragung und alle damit in Verbindung stehenden Anlagen übernehmen. Man schritt sofort zur Nieder­

setzung einer Commission aus Vertretern der Stadtge­

meinde*), die unter der persönlichen Leitung des Fürsten

*) Diese Commission bestand, unter dem Vorsitz des Bürgermeisters G r i m m , aus den Rathsherren B ö t h f ü h r , K r ö g e r , B e r g und H e r n - marck, dem Aelterm. gr. G. Lemcke, dem Aeltesten Stieda, dem Aelter-

2

(28)

die Sache energisch in die Hand nahm. Vom Frühjahr 1858 ab wurden die Arbeiten mit solchem Fleiße fort­

gesetzt, daß bis zum I. 1861 sämmtliche Wälle und Bastionen abgetragen und der Erde gleich gemacht wa­

ren*). Dies erforderte eine Erdbewegung von 75,200 Knbikfaden und den Abbruch von 2500 Knbikfaden alten Mauerwerks. Seit dem Beginn der Abtragungs- Arbeiten hat der Fürst sie keinen Augenblick aus dem Gesichte verloren; er nahm sie, während er in Riga war, fast täglich in Augenschein. Riga ist durch diese bedeutende und wohlthätige Unternehmung aus einer dumpfen, licht- und luftarmen Festung zu einer freien, offenen und gesunden Stadt geworden; es hat den Raum, dessen es für die freie Bewegung des Handels und der Gewerbthätigkeit bedurfte, gewonnen und seiner zunehmenden Population ist wieder Boden zur festen Ansiedelung gegeben, an dem es ihr gebrach. Die mit dem großen Werk der Festungs-Abtragung im Zusam­

menhang stehenden Anlagen und Bauten sind indessen von so großer Ausdehnung und Bedeutung, daß sie be­

sonderer, eingehender Besprechung bedürfen. (S. 27 u. fg).

mann kleiner Gilde Meinhardt, dem Aeltesten Kreusch, drei Kauf­

leuten und drei Bürgern. Die technische Oberleitung wurde dem Inge­

nieur W. Weir übertragen und ihm ein Bauführer in der Person des Architekten O. Dietze beigegeben. Endlich ward der Commission der Architekt der livl. Gouv.-Bau-Commission Hagen beigeordnet. Die Commission theilte sich demnächst in verschiedene Seetionen.

*) Die Bastion Scheere bildet die einzige Ausnahme. Sie wurde im I. t862 abgetragen.

(29)

Mit diesen drei großen Unternehmungen: dem Hafenbau, der Düuaburger Zweigbahn und der Wall­

abtragung stehen eine ganze Reihe secundärer Anlagen und Bauten in mehr oder weniger nahem Zusammen­

hang. Die Verbesserung des Hafens rief Maßregeln zur Förderung und zum Schutze der Seeschiff­

fahrt hervor; die Zweigbahn nach Dünaburg leitete auf den Gedanken anderweitiger Schieuen-Ver- bindnngen; die Abtragung der Wälle endlich eröffnete ein weites Feld für mannigfache Verbesserungen im In­

teresse sowol der freieren gewerblichen EntWicke­

lung als auch des Gemeinwohls und der öffent­

lichen Gesundheitspflege. An alle diese Dinge legte der Fürst die pflegende und fördernde Hand.

Es hatte bisher an einem sichern Schutz für die- Maßregeln

jenigen Schiffe, die in Riga — bei dem sogenannten ^ Durchbruch gegenüber der Stadt und an dem Fort- Schifffalirt.

Comet-Damm bei der Dünamünde — überwinterten, Der Winter­

gefehlt und bei jedem Eisgang hatten sie mehr oder

minder erhebliche Beschädigungen erlitten. Auf Bor- der Patent­

stellung des Börsen-Eomites ward daher schon seit dem I. 1848 der Plan zur Anlage eines bequemen und sichern Winterhafens in dem schon vorhandenen Wasserbecken hinter dem Fort-Eomet-Damm erwogen und vom Fürsten Snworow warm befürwortet. Es gelang ihm die Allerhöchsten Befehle vom 18. März 1849, 16. April 1850 und 15. Januar 1851 zu er­

wirken, durch welche dem Börsen-Comite die Ausführung 2*

(30)

der erbetenen Anlage gestattet und das hierzu erforder­

liche Areal in einer Ausdehnung von 10,525 LIZ Faden unentgeltlich von der Krone abgetreten wurde. Bereits im Juli 1850 begannen nun die Arbeiten und wurden, nach Ueberwindung mannigfacher Schwierigkeiten bei der Einrichtung der Hafeneinfahrt, am Schlüsse des Jahres 1852 vollendet. Seit dem I. 1853 haben alle bei Riga überwinternden Schiffe ihre Winterstation in die­

sem, vollkommen geschützten Hafen, der überdies als bequemer Holzhafen benutzt wird. Die Vortheile dieser Anlage werden in nächster Zeit voraussichtlich noch durch Einrichtung eines sogenannten Patent-Slips — einer Vorrichtung zum Hinaufziehen der Dampfschiffe auf's Trockene behufs deren Reparatur — erhöht werden.

Zur Herstellung dieser Vorrichtung hatte sich im 1.1861 eine Actiengesellschaft gebildet, deren Statuten-Entwurf vom Fürsten Suworow am 24. October 1861 höhern Orts zur Bestätigung dringend empfohlen worden ist.

Die Riga- Mit der Anlage des Winterhafens war der Riga-

D^ampsschiff^ Rhederei das Mittel zur selbstständigen Erweite-

fahrts-Ge- rnng ihrer Dampfschifffahrt geboten, da jetzt auch größere

sellschaft. Dampfschiffe hier bequem überwintern konnten. Der Umstand, daß seit dem I. 1857 die Fahrten der von der St. Petersburger Rhederei unterhaltenen Dampfer ihre Regelmäßigkeit verloren hatten, bot den nächsten Anlaß zur Gründung der hiesigen Actiengesellschaft für die Dampfschiff-Verbindung mit der Residenz und den wichtigsten baltischen Häfen, für welches Unternehmen

(31)

der Fürst unausgesetzt das lebhafteste Interesse an den Tag legte. Er erwirkte die Allerhöchste Bestätigung der Statuten der Gesellschaft (9. Mai 1858), sorgte für bequeme Landnngs- und Stapelplätze und wußte alle Hindernisse und Schwierigkeiten, auf die die Ge­

sellschaft stieß, glücklich aus dem Wege zu räumen.

Seit dieser Zeit wird^von der Gesellschaft eine regel­

mäßige Dampfschisfsahrts-Verbindnng durch ihre Schiffe Alexander II. (150 Pfkr.), Admiral (250 Pfkr.) und Leander (200 Pfkr.) zwischen Riga, Neval, Hapsal, Arensburg und St. Petersaurg unterhalten.

Es konnte indessen eine dauernde Verbesserung und Die Handels-

Erweiterung der Rigaschen Rhederei, trotz aller in ihrem Schlund Interesse ausgeführten practifchen Einrichtungen, nur die Reorga-

daun als gesichert gelten, wenn sie eine Pflanzschnle '"^tsen-^

tüchtiger Seefahrer besaß, um die Lücken zu ergänzen Wesens,

und die leitenden Functionen auf neuen Schiffen zu be­

setzen. Zu diesem Zwecke bedurfte es einer Reorgani­

sation der bestehenden Navigationsschule und dieser Ge­

genstand, von dem Börsen-Eomite in Anregung gebracht, beschäftigte den Fürsten seit dem I. 1851. Er er­

wirkte den Allerhöchsten Befehl vom 14. October 1852, wodurch gewisse von der Börsenkaufmannschaft darge­

brachte Geldmittel zum Bau und zur Einrichtung eines nenen Schulgebäudes bestimmt und der Anstalt der Name „Handels- und Schifffahrtsschule Sr. Kaiser­

lichen Hoheit des Großfürsten Nicolai Alexandrowitsch"

beigelegt wurde, — und ferner den durch Seuats-Ukas

(32)

vom 26. Juli 1854 publicirten Allerhöchsten Befehl vom 21. Juni 1854, demzufolge die Zöglinge dieser Schule während der Lehrzeit von der Rekrutirungsp flicht und nach bestandener Prüfung, wenn sie sich dem Schiff- sahrer-Bernfe widmen, fowol von der Rekrntirnngspflicht, als auch von körperlichen Strafen und von der Kopf­

steuer befreit sind. Damit waren die Mittel zur er­

weiterten Reorganisation der Schule und zu ihrem sichern und ersprießlichen Fortbestand gegeben; nach Er­

werbung eines entsprechenden Bauplatzes wurden denn auch die Arbeiten zur Herstellung der neuen Schulge­

bäude im Jahre 1852 begonnen und im Herbst 1853 zu Ende geführt, so daß die Vorlesungen schon am 11. November 1853 eröffnet werden konnten. Die Anstalt erfreut sich seitdem einer steigenden Blüthe und die aus ihr hervorgegangenen Zöglinge bewähren ihre Tüchtigkeit nicht nur in den theoretischen Prüfungen, sondern auch im Practifchen Schiffsdienste.

Zu den Lebensbedingungen der Rigaschen Rhederei und Seeschifffahrt gehörte endlich ein zweckmäßig orga- nisirtes Lootsenwesen, da bei der unregelmäßigen und

wechselnden Beschaffenheit des Dünabettes, bei den Frühjahrs- und Herbststürmen und bei den Eisgängen die Schifffahrt ohne zuverlässige Leitung überaus ge­

fährlich wird. Die Mängel der bestehenden Lootsen- Einrichtnng hatten sich schon im I. 1848 fühlbar ge­

macht, so daß der Börseu-Eomite auf deren gänzliche Umgestaltung anzutragen sich veranlaßt sah. Nachdem

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der Fürst Suworow die ganze Angelegenheit durch eine specielle Fach-Commission hatte Prüfen und ein ganz neues Lootfeu-Reglement hatte entwerfen lassen, erwirkte er dessep Allerhöchste Sanction (21. November 1854).

Dasselbe ward 1855 in volle Wirksamkeit gesetzt und die neue Organisation des Lootsen-Amtes hat sich seit­

her der vollen Zufriedenheit der den Rigaschen Hafen besuchenden Schiffer erfreut.

Die Benutzung des alten Wasserweges aus den Das Hluß-

inneren Provinzen nach Riga, — des Düna-Stroms — ^^d"die'^

erforderte überdies, bei zunehmendem Verkehr, die thun- Negulirung

lichste Beseitigung auch derjenigen Gefahren, welchen ^^üna-^

die Schifffahrt auf dem oberen Theil des Flusses Stromes,

ausgesetzt ist. Es bedurfte namentlich, um die Strusen (flachen Waaren-Kähne), Böte und Flösse, die den Strom Herabkommen, über die Untiefen und Strom­

schnellen sicher zu geleiten, eines wohlorganisirten Flnß- Lootsen-Wefens; dann aber kam es, um die Reguliruug des oberen Stromes wenigstens anzubahnen, darauf an, das Strombette in seiner ganzen schiffbaren Länge regel­

recht zu erforschen. In beiden Beziehungen hat der Fürst das Nöthige eingeleitet: auf seinen Antrag vom 21. September 1860 erfolgte die Untersuchung des Stromes von der Stadt Disna bis zur Mündung in einer Länge von 378 Werst durch Offiziere des Corps der Wasser- und Wege-Commuuication und die Anferti­

gung eines detaillirten Reguliruugsprojectes, welches gegenwärtig der Oberverwaltung der Wege und Bauten

(34)

zur Prüfung vorliegt; derselben Oberverwaltung hat der Fürst am 8. Mai 1861 umständliche Vorschläge über die Einrichtung eines Rigaschen Fluß-Lootfen-Amtes gemacht und es darf der bezüglichen Entscheidung in Bälde entgegen gesehen werden.

Das Für erkrankende Seefahrer bestand schon seit dem

Krankenhaus ^ besondere Heilanstalt, deren Zustand indessen

Seefahrer, mangelhaft war und die Aufmerksamkeit des Fürsten bei seinen häufigen persönlichen Besuchen auf sich zog. Der Börfen-Eomite beschloß 1851 die gänzlich neue Einrich­

tung dieser Anstalt, hauptsächlich durch den Fürsten bei seinen Juspectionen dazu angeregt. Das Gebäude des neuen Krankenhauses wurde auf einem freien Grund­

platze am Rankeschen Damm im I. 1853 in Angriff genommen und im Juni 1857 die Anstalt eröffnet, in welcher seitdem etwa 200 Kranke jährlich ver­

pflegt worden und die in jeder Beziehung trefflich ein­

gerichtet ist.

Die Was die durch die Anlage der Riga-Dünaburger Eisenbahn hervorgerufenen Projecte neuer Schienenwege Schienen- betrifft, so ist zwar keines von denselben bisher zur wege: Ausführung gelangt, doch sind zwei Vorschläge: die Verlängerung der Bahn von Dünaburg nach Witebsk 'und der Bau der Riga-Mitauer Bahn durch energische Einwirkung des Fürsten so weit gefördert worden, daß sie zur Kategorie der bloßen Projecte nicht mehr zu rechnen sind und deren Verwirklichung, durch besondere Ungunst der Verhältnisse bisher aufgehalten, in mehr

(35)

oder weniger entfernter Zukunft jedenfalls gesichert erscheint.

Die Riga-Düuaburger Zweigbahn ist, wie schon von Riga

oben bemerkt, nur der Beginn eines längeren, über

Witebsk in das Innere des Reichs bis Orel oder nach Kursk;

Kursk zu führenden und fuccessive herzustellenden Schie­

nenwegs; diese Idee lag der Unternehmung von vorn herein zum Grunde und erst bei ihrer vollständigen Verwirklichung wird die Bahn sich auf die Höhe fowol ihrer Rentabilität, .als auch ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung für die Belebung der Productiousthätigkeit des Reiches stellen können. Dem Fürsten waren diese Verhältnisse gleich vollkommen klar und schon am 18. Mai 1853 erwirkte er den Allerhöchsten Befehl, demzufolge der Rigafche Börseu-Comite das Recht er­

hielt, die Bahn bis Witebsk zu verlängern, unter der Bedingung jedoch, daß derselbe bis zum 1. Januar 1854 eine Erklärung darüber abgebe, ob er sich ver­

pflichten wolle, bis zum 1. Januar 1856 die Projecte und Kostenanschläge, sowie die Cantionssnmme mit 5"/<>

vom Anlage-Capital beizubringen. Die Kriegsverhält­

nisse traten dazwischen und wenngleich der Termin zur Abgabe der geforderten Erklärung, auf besondere Ver­

wendung des Fürsten, bis zum Ablauf eines Jahres nach erfolgtem Friedensschlüsse verlängert wurde, so war doch mittlerweile dieselbe Bahnlinie der großen russi­

schen Eisenbahn-Compagnie concedirt worden, so daß die Meldung des Rigaschen Börsen-Comite's, wenngleich sie

(36)

innerhalb der ihm anberaumten Frist erfolgte, von der Oberverwaltung der Wegeeommunieation zurückgewiesen wurde. Dennoch darf die Hoffnung nicht aufgegeben werden, daß diese große Unternehmung, den Wünschen des Fürsten gemäß, der Rigaschen Kaufmannschaft er­

halten bleiben wird, da die große Eisenbahngesellschaft den Bau dieser Bahnlinie neuerdings ganz aufgegeben hat und der alte Plan daher von hier aus aufs Neue in Aussicht genommen worden ist.

von Riga Mit Rücksicht auf den lebhaften Handels- und Mit?» Personenverkehr zwischen Riga und Mitan war schon im I. 1855 die Verbindung dieser Städte durch eine Eisenbahn in Anregung gekommen und der Fürst Su- worow unterstützte auf alle Weise den Plan, nachdem von einigen Privatpersonen die erforderlichen Unter­

suchungen veranstaltet, das Banprojeet nebst Kostenan­

schlag angefertigt und im Frühjahr 1856 der Oberver­

waltung der Wege-Communication vorgestellt, auch die Cautioussumme im Betrage von 5"/o des Bau-Capitals mit 100,000 Rubel beigebracht worden war. Es durfte eine baldige Bestätigung des Projectes mit um so größerem Rechte erwartet werden, als die Unternehmer dasselbe auf eigene Gefahr ausführen wollten und vom Staate keinerlei Garantie beanspruchten. Allein die Bedingungen, welche von Seiten der Oberdireetion der öffentlichen Bauten gestellt wurden, erwiesen sich als ganz unannehmbar und die Verhandlungen zogen sich, strotz der nachdrücklichsten Vertretung des Fürsten, so

(37)

sehr in die Länge, daß die ursprünglichen Unternehmer, nachdem endlich günstigere Bedingungen im I. 1858 erzielt waren, von dem Plane zurücktraten und ihre Rechte einem andern Unternehmer M. BeHagel von Adlerskron) abtraten, welchem denn auch die Bahn ge­

gen Ende 1859 Allerhöchst concedirt wurde. Das An- lage-Capital ward schließlich auf 1,918,000 Rubel fest­

gestellt, hat indessen, wegen der mittlerweile eingetrete­

nen höchst ungünstigen Geld- und Credit-Verhältnisse, bisher noch nicht beschafft und der Bahnbau noch nicht begonnen werden können.

In Betreff der Wall-Abtragung wurde schon oben Die Stadt­

bemerkt, daß mit diesem großen Werke eine ganze Reihe^^^

seeuudärer Bauten und Anlagen zusammenhängt. Sie tmrch sie

ermöglichte eine nach großartigem Plane angelegte Ber-""^^"

schönerung der Stadt, bot den Raum für bedeutende Anlagen,

öffentliche und Privatbauten, erlaubte eine rationelle Trockenlegung der sumpfigen Niederungen und Her­

stellung von Abzugskanälen, erleichterte die Durchführung des lange beabsichtigten Gas- und Wasserwerkes und gestattete die Anlegung geräumiger Auslade? und Stapel­

plätze und öffentlicher Märkte. In allen diesen Be­

ziehungen traten daher in directer Folge der Wall- Abtragung eine große Anzahl von Unternehmungen in's Leben, denen der Fürst, anregend und schützend, ununter­

brochene Sorgfalt zugewendet hat und deren gänzliche Vollendung zum Theil noch in seine Verwaltungs­

zeit fällt.

(38)

Die Projecte und Kosten-Anschläge der Stadt- Erweiternngs- und Verschönerungs-Arbeiten sind das verdienstliche Werk des Stadt-Architekten Felsco und des Architekten Dietze, und wurden später von den Ingenieuren Hennings und Weir modificirt, namentlich von Letzterem vervollständigt und im Detail ausge­

arbeitet, und nach erfolgter schließlicher Prüfung durch den Fürsten am 6. Juni 1858 zur Bestätigung an die Oberverwaltung der Bauten gesandt. Nach Maßgabe der Dringlichkeit dieser Arbeiten theilte man sie in zwei Kategorien, und bestimmte für die erste die Summe von 600,000 R., für die zweite 300,000 R., welche von der Stadt angeliehen und demnächst aus dem Ertrage der zu verkaufenden Bauplätze verreutet und getilgt werden sollten. Der Fürst Snworow erwirkte vor allem durch eine unmittelbare Vorstellung an Seine Majestät den Kaiser, daß der Oberdirection der Bauten die Durchsicht des Projects und der Anschläge bis zum 1. Juli 1858 aufgegeben wurde, wouächst dieselben denn auch am 17. Juli die Allerhöchste Bestätigung erhielten. Gleichzeitig ward der Stadt eine in 37 Jahren zu tilgende Anleihe aus den Fonds der Collegien allgemeiner Fürsorge im Betrage von 600,000 R. be­

willigt und die Ausführung aller Arbeiten unter die unmittelbare Leitung des General-Gouverneurs gestellt.

Seitdem sind die Arbeiten, unter beständiger persönlicher Direction und Anregung des Fürsten, mit überraschender Schnelligkeit vorgeschritten und haben jetzt schon die

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äußere Physiognomie der Stadt von Grund aus ver­

ändert. An Stelle des alten Festungsgrabens umgiebt die Stadt ein 70 Fuß breiter schiffbarer Canal, über welchen vier steinerne Brücken führen; an der Düna- Seite ist die Stadt mit einer Schutzmauer gegen Hoch­

wasser umgeben, in welcher an Stelle der fünf alten Thore sieben steinerne, zum Theil durch Ankauf und Abtragung von Privatbauten erweiterte Ausfahrten ange­

bracht sind; das ganze Düna-Ufer mit dem Bollwerk ist um zwei bis fünf Fuß erhöht und auf ein gleichmäßi­

ges Niveau gebracht; endlich sind eine Menge Pflaster- ' und Chaussee-Arbeiten ausgeführt und geschmackvolle

Promenaden und Baumpflanzungen um die Stadt ange­

legt worden.*)

Mit den Zwecken der Stadterweiterung und Ver- Die

schönerung standen von Anfang an Zwecke der Sanitäts- Austrocknung

Pflege in Verbindung, die im Laufe der Jahre zu sumpfigen

gebieterischen Forderungen geworden waren. Die Auf- ^^kauer"

merkfamkeit des Fürsten lenkte sich besonders auf die Vorstadt.

Trockenlegung der sumpfigen Niederung in der Moskauer

Die mit der Wall-Abtragung zunächst in Zusammenhang stehenden Arbeiten der Jahre 1858 — 1861 lassen sich folgendermaßen specialisiren: 1) Vier über den Stadtcanal führende steinerne Brücken:

Die Nicolai-, Alexander-, Marien- und Suworow-Brücke; 2) die Wallmauern am Düna-Ufer zum Schutz gegen Hochwasser in einer Länge von 180 Faden; 3) sieben steinerne Ausfahrten aus diesen Mauern: die Schloß-, Stifts-, Neustraßen-, Sünder-, Schwimm-, Marstall- und Karls - Ausfahrt; 4) der Stadtcanal, 70 Fuß breit und 600 Faden lang; er ist auf beiden Seiten durch Pfahlwerk befestigt

(40)

Vorstadt, die durch die sogenannte Sose-Weide und den Speckgraben bisher zu einem Reservoir stagnirenden faulen Wassers gedient und die umliegenden Ansiedelungen ungesund gemacht hatte. Es ward nun beabsichtigt, nicht allein die Sose-Weide trocken zu legen, sondern auch dem Speckgraben, welcher bisher in den Stadtgraben mündete, durch einen unterirdischen gemauerten Canal einen directen Abfluß in die Düna zu geben und sein Niveau um etwa vier Fuß zu senken. Das ursprüng­

liche Project ward zwar am 15. November 1858 bestä­

tigt, indessen im December 1859, auf specielleu Antrag des Fürsten, dahin erweitert, daß, unter Herbeiziehung der allgemeinen Stadtmittel zu der für den vorliegenden Zweck in Anspruch genommenen Summe der Wall- Abtragungs-Commission, sämmtliche Niederungen der Moskauer Vorstadt trocken gelegt werden sollten. In dieser Gestalt erhielt der zweite Plan am 3. November 1861 die Bestätigung des Fürsten; zu dessen voll­

ständiger Ausführung sind die Verhandlungen mit der

gepflastert und mit Rasen belegt und durch Ausbaggerung von 2000 Kubik- faden Schlamm gereinigt und vertieft; 5) die gleichmäßige Erhöhung des Düna-Ufers und Vollwerks vor der Stadt um 2—5 Fuß; 6) die Erweiterung der Stifts- und Neustraßen-Ausfahrt durch Ankauf und Abtragung von Privathäusern; 7) die Anlegung von 16,300 Quadrat­

faden Straßenpflaster und von 1200 Quadratfaden Chaussee, und die Umpflasterung von 5500 Quadratfaden Straßenraums; 8) die Anlegung steinerner Trottoire in einer Längen-AuSdehnung von 350 Faden; 9) die Herstellung von Promenaden und Baumpflanzungen in einer Längen- AuSdehnung von 1350 Faden; endlich 10) die Herstellung ausgedehnter Garten-Anlagen auf einem Terrain von 15,000 Quadratfaden.

(41)

Stadtverwaltung im Gange. Mittlerweile ist der unter­

irdische Canal zur Ableitung des Speckgrabens im Jahre 1859 vollendet und sind die damit beabsichtigten Zwecke vollständig erreicht worden.

Auch in andern Gegenden der Stadt, wo das Die

Bedürsniß einer Entwässerung dringend geworden war,

wurde derselbe Erfolg durch ein vom Fürsten geneh- weitiger Nie-

migtes und durch die Wall-Abtraguugs-Commission in

Ausführung gebrachtes System von Drain-Röhren erreicht Drainröhren,

und alle gesundheitsschädlichen Folgen der Ansammlung stagnirenden Wassers beseitigt. Namentlich kamen diese Arbeiten in den Iahren 1858—1861 in den angebauten und stark freqnentirten Straßen und Ausfahrten der Düna-Seite, sowie an einigen Stellen der Snworow- nnd Marienstraße und des Thronfolger-Boulevards zur

Ausführung.*)

Eine der wichtigsten hierher gehörigen Maßregeln Der

im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege war der

Neubau des sogenannten Rising-Canals, einer durch den Canals.

südöstlichen Theil der ganzen Stadt in einer Ausdehnung von 500 Faden führenden unterirdischen Abzugsröhre, an welche sich bei den Einwohnern Riga's von jeher der Begriff des Gegentheils alles dessen knüpfte, was eine civilisirte Stadt an äußerer Reinlichkeit und Ordnung zu bieten Pflegt. Bisher hatte der Rising-Canal allen

*) Es sind 1266 Fuß gemauerte Abzugs - Canäle und 42 Einfall- und Verschluß-Schachte hergestellt nnd 3200 Fuß Drainröhren gelegt

worden.

(42)

obrigkeitlichen Anordnungen zu dessen Reinigung und Instandhaltung widerstanden, und da man sich an ihn, als an ein unvermeidliches Nebel, gewöhnt hatte, bedurfte es der ganzen Energie des Fürsten, um den Plan seines Neubaues rasch und mit Erfolg durchzuführen. Dieser ward der Wall-Abtraguugs-Commissiou übertragen und das von dem Ober-Ingenieur Weir entworfene Project, nach welchem der alte Rising verschüttet und statt seiner ein gemauerter unterirdischer Canal hergestellt werden sollte, am 18. Juni 1861 bestätigt und noch im Laufe desselben Jahres vollständig in Ausführung gebracht.

Der neue Canal kostete 31,000 Rubel, welche Summe von der Stadtverwaltung auf wiederholtes Andringen des Fürsten budgetmäßig assignirt wurde. Er hat eine Ausdehnung von 485 Faden, nimmt das ihm zufließende Wasser aus zweiundzwanzig in den angrenzenden Straßen angebrachten Einfallschachten auf und ist, bei einer innern Höhe von 5^ Fuß, mit fünfzehn Einsteigeschachten ver­

sehen, kann mithin zu jeder Zeit bequem gereinigt wer­

den. Alle mit dem alten Rising verbunden gewesenen Uebelstände sind seitdem verschwunden, so daß die neue Anlage unbedingt als eine der wohlthätigsten für Riga bezeichnet werden darf. —

Das Gas- An der Spitze der für das Gemeinwohl der

^Wasser ^ Gefammteinwohnerfchaft Riga's wichtigen Unternehmungen

Leitung, stehen indessen das Gas-Werk und die Wafser-Lei- tung, — beide zwar längst in der Idee angeregt, aber in der practifchen Durchführung vornämlich Schöpfungen

(43)

des Fürsten. Die Bedingung des Erfolgs war nämlich erst mit der Genehmigung zur Schleifung der Festungs­

werke gegeben, da diese den schon seit dem Jahre 1844 im Schooße der Gemeinde und der Behörden statt­

gehabten Verhandlungen über das Gaswerk und der Ausdehnung der Wasserleitung auf die Vorstädte bisher unübersteigliche Hindernisse entgegengestellt hatten. Schon im Jahre 1857 wurde vom Fürsten das gesammelte Material über die Gaseinrichtung einer ständischen Com­

mission zugewiesen, welche von dem bewährten Ingenieur Kühuell in Berlin ein Project nebst Kosten-Anschlägen ausarbeiten ließ. Obgleich die Angelegenheit, in Folge zu Tage getretener Meinungsverschiedenheit der Stände über die Art und Weise der Ausführung des Plaues, einigen Aufschub erlitt, so gelang es doch, der Ansicht des Rathes, welche das verfassungsmäßige Schiedsgericht adoptirte und der der Fürst sich anschloß, Geltung zu verschaffen, und so ward denn im Jahre 1860 definitiv festgestellt, daß die Herstellung und der Betrieb des Gaswerkes von den Ständen selbst und nicht von einer Compaguie übernommen werden sollte.

Der Fürst befürwortete nun die technischen Projecte und die zur Ausführung derselben projectirte Finanz- Operation mit großem Nachdruck. Es dauerte indessen bis Anfang 1861, ehe die Prüfung der Reichsbehörden vollendet und die mittlerweile aufgetauchten mannigfachen Bedenken beseitigt waren. Indessen darf dieser Zeit­

verlust als ein geringer und die Verwendung des Fürsten 3

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