P 111/2008 FIN 27. August 2008 FIN C Postulat
1408 Scherrer, Biel (FPS)
Weitere Unterschriften: 10 Eingereicht am: 07.04.2008
Anpassung der Eigenmietwerte an die Renteneinkommen
Der Regierungsrat wird eingeladen, die Eigenmietwerte von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern dem verminderten Einkommen von Rentnern anzupassen. In diesen Fällen sollen die Eigenmietwerte von den amtlichen Werten abgekoppelt werden. Die Regelung soll ausschliesslich für Erstwohnungen gelten.
Begründung
Beim Eintritt ins Rentenalter wird in der Regel ein deutlich tieferes Einkommen erzielt.
Während die Lebenshaltungskosten in praktisch allen übrigen Bereichen dem verminderten Einkommen angepasst werden können, verharren die Eigenmietwerte auf demselben, im Kanton Bern besonders hohen Niveau. Diese stellen aber ein rein fiktives Einkommen dar, welches in der Realität nicht erzielt wird.
Da die Eigenmietwerte, besonders bei in den letzten 10-15 Jahren erbauten Wohnungen und Häusern, im Kanton Bern praktisch dem Marktwert entsprechen, schlagen sich diese in einer erheblichen Steuerbelastung nieder. Für nicht wenige Wohneigentümer ist diese Belastung wegen des tieferen Renteneinkommens nicht mehr tragbar. Als Folge sind sie gezwungen, das Eigentum, für welches sie Jahrelang gearbeitet und gespart haben, zu veräussern.
Diese Tatsache ist umso mehr stossend, als in der Bundesverfassung die Förderung des privaten Wohneigentums explizit festgehalten ist.
Die Reduktion der Eigenmietwerte im Rentenalter stellt sicher, dass auch der dritte Lebensabschnitt in den eigenen vier Wänden verbracht werden kann.
Antwort des Regierungsrates
Das Postulat lädt den Regierungsrat ein zu prüfen, ob die Eigenmietwerte von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern (im Falle von Erstwohnungen) an die verminderten Einkommen von Personen im Rentenalter anzupassen sind, bzw. ob diesfalls die Eigenmietwerte von den amtlichen Werten abgekoppelt werden sollten.
Aktuelle Erhebungen belegen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Schweizer Rentnerinnen und Rentner gut ist. Eine umfassende Studie hat die wirtschaftliche Situation von nahezu 1,5 Millionen Personen zwischen 25 und 99 Jahren in der Schweiz untersucht.
Sie zeigt deutlich, dass es der grossen Mehrheit von Rentnerinnen und Rentnern heute
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wirtschaftlich gut geht und nur sehr wenige (rund 6%) von Armut betroffen sind1. Es besteht daher kein entsprechender, genereller Handlungsbedarf.
Im Steuerrecht gilt der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Er verlangt, dass jede Person nach Massgabe der ihr zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen Mittel und ihrer persönlichen Verhältnisse besteuert wird. Vor diesem Hintergrund wurde der im alten Steuergesetz (bis 2001) noch vorgesehene Abzug für Personen im Rentenalter bewusst aufgehoben (vgl. ausführlich die Antwort des Regierungsrates vom 8. Mai 2002 auf die Motion 226/2001 Boss, Seftigen [SP] „Rentner-, Alters- und Gebrechlichenabzug“ vom 21. November 2001). Als Ersatz wurde mit Artikel 40 Absätze 6 und 7 des Steuergesetzes vom 21. Mai 2000 (StG; BSG 611.11) neu ein genereller Abzug für bescheidene Einkommen eingeführt. Hievon profitieren all jene (auch Rentnerinnen und Rentner), deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ein bestimmtes Niveau nicht erreicht. Damit trägt diese Regelung zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Einkommen bei (vgl. hierzu Antwort des Regierungsrates vom 3. August 2005 auf die Motion 052/2005 Gagnebin, Tramelan [SP] „Besteuerung von Altersrenten“ vom 21. Februar 2005).
Das für den abgeschafften Alters- und Gebrechlichenabzug Gesagte gilt analog für das Begehren des Postulanten. Ein über Artikel 40 Absätze 6 und 7 StG hinausgehender Abzug für Rentnerinnen und Rentner würde eine ungerechtfertigte Bevorzugung bedeuten, welche mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen im Steuerrecht im Widerspruch stünde. Es besteht auch kein Anlass, Wohneigentum weitergehender zu entlasten als Mietverhältnisse, wie es der Postulant wünscht. Im Falle von Wohneigentum können Schuldzinsen, Unterhalts- und Verwaltungskosten zum Abzug gebracht werden, weshalb es in der Regel nicht stärker belastet ist als Mietverhältnisse. Kommt hinzu, dass der Eigenmietwert im Kanton Bern durchschnittlich 60 Prozent des Marktmietwertes (Kantons- und Gemeindesteuern) bzw. 70 Prozent des Marktmietwertes (Bundessteuer) beträgt, womit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wohneigentumsförderung hinreichend Rechnung getragen wird.
Im Sinne obenstehender Ausführungen beantragt der Regierungsrat deshalb Ablehnung des Postulats.
Antrag: Ablehnung
An den Grossen Rat
1 Medienmitteilung des Bundesamtes für Sozialversicherung vom 10.04.2008:
http://www.bsv.admin.ch/aktuell/medien/00120/index.html?lang=de&msg-id=18050