A 2518 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 50|
17. Dezember 2010STUDIENFÄCHER
Auswahl nach Neigung und Fähigkeiten
Vom Arbeitskräftemangel im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich sollten Abiturienten sich bei der Wahl des Studium nicht beeinflussen lassen.
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ie Zahl der Akademiker in Deutschland steigt so lang- sam, dass der Mangel an Arbeits- kräften immer bedrohlicher für die Wirtschaft wird – vor allem im na- turwissenschaftlichen, mathemati- schen und technischen Bereich.Zwar ist die Anzahl der Studienan- fänger dank verschiedener Maßnah- men von 26 Prozent eines Jahrgangs im Jahr 1996 auf 36 Prozent 2008 angestiegen (OECD-Studie „Bil- dung auf einen Blick 2010“). Den- noch prognostiziert Dieter Ecker- Lasser von der Bundesagentur für Arbeit allein für die Region Berlin/
Brandenburg: „Wenn sich am Markt nichts dreht, können in drei Jahren 300 000 bis 400 000 qualifizierte Arbeitsplätze nicht besetzt werden.“
Sollten Abiturienten deshalb nun ihr Studienfach nach den Notwen- digkeiten der Wirtschaft oder nach persönlicher Neigung wählen? Die- se Frage diskutierten Vertreter der Wirtschaft und Mitarbeiter von Stu- dienberatungsstellen staatlicher Uni- versitäten unter anderem bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Messe „Einstieg Abi“ (Kasten) in Berlin. Dr. Michael Winteroll, Stu- dienberatung der Technischen Uni- versität (TU) Berlin, warnt die zu- hörenden Schüler beispielsweise davor, einfach ein Fach zu studie- ren, „das einem eingeredet wird“.
„Die Abbrecherquoten sind sehr hoch, weil viele Studenten nicht ge- nau schauen, was sie wollen.“ Als abschreckendes Beispiel nennt er den Fall einer Studentin, die nach bestandenem Bauingenieurstudium den Berufsalltag kennenlernte, sich dem rauen Ton auf der Baustelle und dem Umgang mit Handwerkern nicht gewachsen fühlte und einen ganz neuen sprachlich orientierten Studiengang wählte. „So etwas soll- te nicht passieren“. Thomas Klose, Studienberatung der Friedrich- Schiller-Universität Jena, empfiehlt,
„sich zu überlegen, was Sie später den ganzen Tag machen wollen“.
Man solle vor allem „bei sich selbst bleiben“. Auch für Sozial- und Geisteswissenschaftler gebe es im- mer noch gute Berufsaussichten.
„Eine reine Marktorientierung, ohne auf die eigenen Fähigkeiten zu ach- ten, macht keinen Sinn“, warnt Klo- se. Der Vertreter der Bundesagentur, Ecker-Lasser, warnte indes davor, das Studienfach rein nach Neigung zu wählen. „Mit einem Abschluss in Philosophie hat man nur sehr weni- ge Möglichkeiten. Neigung, Eig- nung und Marktsituation sollten zu- sammen reflektiert werden.“
Die Siemens AG beugt dem Fachkräftemangel bereits seit zehn Jahren vor, indem sie betriebseige- ne duale Studiengänge anbietet, zum Beispiel einen Bachelor in Ma- schinenbau, Elektrotechnik oder Betriebswirtschaftslehre. Ein Hoch- schulstudium wird dabei kombi- niert mit einer strukturierten prakti- schen Berufsausbildung. „Wer bei uns anfängt, wird an die Hand ge- nommen und bekommt jegliche Unterstützung.“
Ein Hochschulstudium lohnt sich in jedem Fall – darin waren sich al- le einig. Akademiker verdienen am meisten und sind am seltensten von Arbeitslosigkeit betroffen – ihr An- teil an der Arbeitslosenzahl macht nur sechs Prozent aus. Die Studien- berater empfehlen außerdem, sich auch kleine ostdeutsche Städte wie Greifswald, Chemnitz oder Magde- burg anzuschauen. Für manche Stu- denten, die sich an den Massenunis westdeutscher Großstädte oder Ber- lins verloren fühlen, können die übersichtlichen Universitätsstädte im Osten eine echte Alternative sein.
„In manchen Fächern hat man dort fast Privatunterricht“, schwärmt TU-Mitarbeiter Winteroll. Sein Sohn hat in Chemnitz studiert. ■
Petra Bühring
Die „Einstieg Abi“ ist eine Messe zur Zukunfts- planung für Abiturienten, die mehrmals im Jahr in verschiedenen deutschen Städten organisiert wird. Zwei Tage lang informieren Unternehmen, staatliche und private Hochschulen, private Aus- bildungsanbieter, Anbieter von Au-pair, Work- and-Travel sowie Sprachreisen über Möglichkei- ten nach dem Abitur. Auch Anbieter von Studien- krediten und Studienplatzklagen gehören zu den Ausstellern. Zahlreiche Vorträge zu den Themen Berufsorientierung, richtige Bewerbung, Selbst-
präsentation und Karriereplanung runden das Angebot ab. Die Messe richtet sich an Jugendli- che der Jahrgangsstufen 11 bis 13, an Eltern und Lehrer.
Bei der gut besuchten Messe in Berlin waren circa 300 Aussteller am Start. Vor allem Schüler zog es in die Messehallen. Die Einstieg GmbH ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das vor zehn Jahren in Köln gegründet wurde.
Informationen und die nächsten Messetermine im Internet: www.einstieg.com.
CHANCENMARKT
Oberstufenschüler auf der Messe
„Einstieg Abi“ in den Berliner Messe - hallen
Foto: Einstieg GmbH