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Archiv "Ersatzanspruch der verletzten Hausfrau: Die ärztliche Einschätzung der konkreten Behinderung" (25.01.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

AKTUELLE MEDIZIN

Ersatzanspruch

der verletzten Hausfrau

Die ärztliche Einschätzung der konkreten Behinderung

Günther Hierholzer und Elmar Ludolph

D

er Ersatzanspruch der verletzten Hausfrau führt zu der Frage nach der Bewertung der Ar- beit im Haushalt und bei gegebener Zuständigkeit der Haftpflichtversicherung zu der Frage nach dem konkreten Schaden. Kann aus ärztlich-gutachterlicher Sicht da- zu eine Art „Einschätzungstabelle", also eine Art „Hausfrauentabelle", angeboten werden? Welche Hilfe- stellung geben die Rechtsgebiete, die tabellarisch zum Beispiel nach den

„Anhaltspunkten" oder der „Glie- dertaxe" entschädigen?

Orientierungspunkte

Das Recht der gesetzlichen Un- fallversicherung steht für den Begriff

„abstrakter Schadensausgleich" (4).

Der genaue Wortlaut bedarf beson- derer Aufmerksamkeit, denn ab- strakt erfolgt nur der Ausgleich des materiellen Schadens. Die Rente wird unabhängig davon gezahlt, ob der Versicherte tatsächlich einen Verdienstausfall erleidet, insofern ist der konkrete Schaden nicht rele- vant.

Die Einschätzung der verlet- zungsbedingten Funktionseinbuße in bezug auf den allgemeinen Arbeits- markt, der Minderung der Erwerbs- fähigkeit (MdE), der Behinderung, erfolgt dagegen im Recht der Gesetz- lichen Unfallversicherung konkret, besser individuell (9). Es gibt also

Nach einem Vortrag auf dem 27. Deutschen Verkehrsgerichtstag 1989 in Goslar

Der Ersatzanspruch der verletzten Hausfrau wird durch das Haft- pflichtrecht reguliert, eine tabella- rische Bewertung von Körperver- letzungen ist dabei nicht üblich.

Andere Rechtsgebiete kennen entsprechende Aufstellungen, und es lassen sich zum Beispiel dem Sozialrecht dafür Anhalts- punkte entnehmen. Für die Aufga- be ist der ärztliche Gutachter ge- fordert. Eine „Hausfrauentabelle"

mit Richtwerten setzt als Vorgabe die Einigung über den Bezugs- punkt „Haushalt" voraus.

keine verbindliche „Knochen- oder Gliedertaxe". Vielmehr wird in je- dem Einzelfall eingeschätzt, wie sich die Unfallfolgen auf die individuelle Leistungsfähigkeit auswirken. Den- noch haben sich aber ebenso wie im Versorgungsrecht und Schwerbehin- dertenrecht seit Jahrzehnten be- stimmte Richtwerte ausgebildet, die in einer Art sozialem Konsens Orientierungspunkte für die ärzt- liche Einschätzung darstellen.

Die Private (Allgemeine) Unfall- versicherung entschädigt als Sum- menversicherung abstrakt. Verein- bart sind nach festen Invaliditätsgra- den und Versicherungssummen be- stimmte Beträge für bestimmte Ver- letzungen — unabhängig von der indi- viduellen Gesamtfunktionseinbuße und dem verletzungsbedingten Ver-

mögensschaden. So wird zum Bei- spiel der Verlust eines Armes im Schultergelenk mit 70 Prozent der Versicherungssumme entschädigt, unabhängig davon, ob der Gliedma- ßenverlust eines paarigen Organs den Versicherungsnehmer deshalb besonders trifft; weil der andere Arm vorgeschädigt ist.

Ganz anders entschädigt die Haftpflichtversicherung. Der konkrete Schaden ist zu beweisen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Gründe für die- se Unterscheidung zu erörtern. Die- ser Hinweis ist auch keine Kritik, denn jedes der drei Rechtsgebiete ist

— gemessen an seiner Zielsetzung — ausgeglichen und erscheint als Rechtsnorm „gerecht". Will man aber aus ärztlicher Sicht zur Lösung des Problems „Ersatzanspruch der verletzten Hausfrau" beitragen, dann muß dieser Hintergrund be- dacht werden.

Grundsätzlich sind Richtwerte nicht „ungerecht", denn Gerechtig- keit ist mehr als Schadensausgleich im Einzelfall. Gerechtigkeit ist das Ziel, alle Dinge mit dem richtigen Maß zu messen. Insofern ist Einzel- fallgerechtigkeit begrenzt durch Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, zwei Punkte, denen die Entschädi- gungspraxis nach Verletzung der Hausfrau noch nicht befriedigend Rechnung trägt (1, 2). Dieser Schluß muß zumindest aus der aktuellen Diskussion gezogen werden.

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg-Buchholz (Direktor:

Professor Dr. med. Günther Hierholzer) A-216 (50) Dt. Ärztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990

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Bezugspunkt „Haushalt"

Anhaltspunkte oder Tabellen zur Ermittlung des konkreten Scha- dens nach Verletzung der Hausfrau setzen zunächst eine Einigung über den Bezugspunkt „Haushalt" voraus.

Zur Erläuterung: In der gesetzlichen Unfallversicherung wird der Funk- tionsausfall eingeschätzt bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Für die Einschätzung der verletzungsbe- dingten Funktionseinbuße der Haus- frau ist der Haushalt Bezugspunkt.

Anders als der allgemeine Arbeits- markt ist der Haushalt oder die Haushaltsführung ein so intimer, in- dividuell gestalteter Bereich, daß dieser Berechnungspunkt bereits ei- nen Konsens erfordert.

Was gehört unter den Gesichts- punkt eines materiellen Schadens- ausgleiches zum Haushalt (3)? In Zeiten wirtschaftlichen Wohlstandes propagiert man in besonderem Maße die Freiheit des Individuums Unsere Gesellschaft rückt teilweise ab vom herkömmlichen Rollenverständnis, von Wertvorstellungen über Ehe und Familie, die eng mit dem Bezugs- punkt „Haushalt" verbunden sind.

Inwieweit kann der „gläserne" Haus- halt Voraussetzung von Schadenser- satzansprüchen sein?

Es muß zur Diskussion gestellt werden, ob arbeitsanalytische Gut- achten „über den Wert der hausfrau- lichen Tätigkeit von Frau X" zur Vortrags- und Beweislast der verletz- ten Hausfrau gehören und welchen Beweiswert sie haben. Diese Gut- achten bewerten ohne Einbeziehung des ärztlichen Sachverstandes die konkrete verletzungsbedingte Behin- derung in der Haushaltsführung und bedienen sich zumindest teilweise rein subjektiver Angaben der verletz- ten Hausfrau zu ihren Beschwerden.

Der arbeitswissenschaftliche Bewer- tungsansatz der beiden in der Litera- tur und in der Rechtsprechung be- kannten unterschiedlichen Verfah- ren (5, 6, 8, 11) kann aber ohne die ärztliche Einschätzung der verlet- zungsbedingten Funktionseinbuße nicht ausreichend sein.

Aus unserer Sicht beschränkt sich die arbeitswissenschaftliche Aufgabe zunächst auf die Erstellung eines Arbeitsprofils. Das Arbeitspro-

fil „Haushalt" stellt aber nur einen Teil der erforderlichen Vorgaben und Bewertungsdaten dar.

Als Hypothese ist die Bewertung der Funktionseinbuße, bezogen auf den Haushalt, analog derjenigen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu prü- fen, wie er in der gesetzlichen Unfall- versicherung fiktiv zugrunde gelegt wird. Dieser Vorschlag bedarf des Kommentars. Er steht ausdrücklich nicht im Widerspruch zu der Aufga- be der Haftpflichtversicherung, den konkreten Schaden zu ermitteln. Im Hinblick auf die praktische Durch- führung der Aufgabe und auf den anzustrebenden Konsens erscheint es vorteilhaft, den Begriff „Haus- halt" zunächst abstrakt und pau- schaliert bei der ärztlichen Einschät- zung der Funktionseinbuße zugrun- de zu legen. Unter Zuhilfenahme ei- ner tabellarischen Richtlinie erleich- tert ein so ermittelter Annäherungs-

Bewertung von

Kompensationsmöglich- keiten -

e clerliche Vorgaben

Ersetzt wird im Haftpflichtversi- cherungsrecht der konkrete Scha- den. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn durch besondere An- strengung ein meßbarer Schaden nicht entsteht, wenn also Verlet- zungsfolgen im Einzelfall durch be- sondere Anstrengung kompensiert werden? Zur Erläuterung: In der ge- setzlichen Unfallversicherung wird der Verlust eines Beines im Unter- schenkel bei guten Stumpfverhältnis- sen und freier Beweglichkeit der an- grenzenden Gelenke mit einer MdE von 40 Prozent eingeschätzt. Einem Teil der Versicherten gelingt es, nach Versorgung mit einer Prothese ohne Gehhilfe zu laufen und so zum Beispiel auch einer körperlich bela- stenden Arbeit als Polier oder Bin- nenschiffer nachzugehen. Andere Versicherte mit dem gleichen Erst- schaden werden, unterstützt von ei- ner übervorsorglichen Umgebung, fast zu Pflegefällen, die eine Prothe- se nicht akzeptieren und sich müh- sam mit Hilfe von zwei Unterarm- gehstützen oder im Rollstuhl fortbe- wegen. Welche Anstrengungen zur

wert dem Versicherungsgeber und gegebenenfalls der Rechtsprechung, die Umstände eines speziellen Haus- haltes zu berücksichtigen und den konkreten Schaden festzulegen.

Aus arbeitsmedizinischer und sozialmedizinischer Sicht sind gewis- se Annäherungswerte der fiktiven Begriffe „allgemeiner Arbeitsmarkt"

und „Haushalt" zu erkennen. Abwei- chungen und eine dynamische Fort- entwicklung des Begriffes lassen sich auf diesem Fundament diskutieren und begründen. Der Vorschlag einer zunächst abstrakten Betrachtung des Begriffes Haushalt trägt in Verbin- dung mit der Zuordnung gewisser Haushaltstypen dem verständlichen Wunsch nach Einzelfallgerechtigkeit Rechnung. Soll aber eine „Hausfrau- entabelle" den obengenannten For- derungen gerecht werden, so ist ein Konsens über den Bezugspunkt

„Haushalt" vorzugeben.

Schadensminderung werden ge- schuldet? Wann sind diese überobli- gationsmäßig?

Im Haushalt sind technische Hilfsmittel, wie sie zum Beispiel bei der Rehabilitation Schwerverletzter eingesetzt werden, zahlreich. Sie führen zwar selten zu einer Einspa- rung von Arbeitszeit, erleichtern aber die Arbeit. Die Kompensation von Behinderung wird dadurch er- leichtert, daß der Haushalt eine ei- genverantwortliche, selbstbestimmte Tätigkeit ist, die nicht der strengen Abstimmung mit anderen Arbeitsbe- reichen bedarf, wie dies zum Beispiel im Erwerbsleben die Regel ist. Die Arbeitsphasen und die Pausen kön- nen ebenso wie sitzende, stehende und gehende Tätigkeiten abgewech- selt werden. Dadurch kann Rester- werbsfähigkeit genutzt werden, die im Erwerbsleben nicht mehr wirt- schaftlich verwertbar ist. Geringe Behinderungen können vollständig kompensiert werden.

Es ist aus sozialmedizinischer Sicht nicht richtig, daß Behinderun- gen sich deshalb stärker auswirken, weil Leitung und Ausführung der Haushaltsarbeit in einer Hand liegen (11). Diese Gesichtspunkte sind bei einer tabellarischen Bewertung ein- zelner Verletzungsfolgen vor dem Dt. Ärztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990 (53) A-217

(3)

Hintergrund der Ermittlung des kon- kreten Schadens nicht zu vernachläs- sigen.

Akzeptiert man diese Überle- gungen, so erscheint eine Lösung über eine Tabelle in Anlehnung an die Einschätzung der MdE in der Gesetzlichen Unfallversicherung konsequent. Sie hat den Vorteil, daß über „MdE-Tabellen" eine große Er- fahrung besteht. Es ist aus sozialme- dizinischer Sicht zweifelhaft, daß ähnlich fundierte Werte über den Weg der Erhebungen zum verlet- zungsbedingten Mehraufwand an Arbeitszeit erzielt werden können.

Die Tabelle dient der Befriedung, weil subjektive Datenverzerrungen ausgeschlossen sind. Sie hat wie jede Tabelle den Nachteil, daß sie dem Einzelfall unter Umständen nicht ge- recht wird.

Einschätzungstabelle Der Anstoß zu einer „Hausfrau- entabelle" ging aus von Reichenbach und Vogel (7, 10). Dieser im Jahre 1978 erfolgte, mutige, sachgerechte Beginn ist fortzuentwickeln. Die Ta- belle Reichenbach/Vogel ist durch die Aufteilung in neun verschiedene Tätigkeitsbereiche in ihrer Einschät- zung vorbildlich durchsichtig. Die Tabelle enthält teilweise jedoch Ver- letzungen, deren funktionelle Aus- wirkung im einzelnen zur benannten Verletzung nicht in Relation gesetzt werden kann. Die Annäherung an den konkreten Schaden muß über die Einschätzung der geistigen und körperlichen Funktionseinbuße er- reicht werden. Insofern ist eine an- dere Gewichtung zu versuchen. Die von uns vorgestellte Tabelle ist als Diskussionsbeitrag und als ein Ver- such der Weiterentwicklung zu ver- stehen. Ein fertiges Konzept kann schon wegen der fehlenden Vorga- ben nicht vorgelegt werden. Die Ta- belle enthält folgende Merkmale:

0

Tabellarisch erfaßt werden nur Fixpunkte, also Verletzungsfol- gen, die klar definiert sind und zu ei- ner konkret sich auswirkenden Be- hinderung führen. Eine zu weite Auffächerung täuscht Genauigkeit vor. Sie verschafft einen Vorwand für den Verzicht auf eine Prüfung

und Bewertung des individuellen Funktionsverlustes. Die Funktion zum Beispiel der unteren Gliedma- ßen beurteilt sich nicht nur nach der verletzten Struktur, sondern nach dem Grad der anatomischen Aushei- lung, die sich objektiviert in den Be- wegungsausmaßen der Gelenke, der Durchblutung, dem Zustand der Muskulatur, der Beschwielung, der Schwellneigung usw. Für die oberen Gliedmaßen gilt dies entsprechend.

Nicht in die Tabelle aufgenom- men werden können zum Beispiel Verletzungen wie Wirbelbrüche, weil die im konkreten Fall mit einem Wirbelbruch einhergehende Funk- tionseinbuße ganz unterschiedlich sein kann. Ein harmloser Deckplat- teneinbruch eines Wirbelkörpers oder eine Abstauchung einer Wir- belvorderkante gehören zur Verlet- zungsart „Wirbelbruch", bedingen aber keine Funktionseinbuße, wäh- rend ein Verrenkungsbruch eine

MdE von zum Beispiel 30 Prozent bedingen kann. Derartig divergie- rende Schäden an einem bestimmten Organ sind sinnvollerweise nicht un- ter eine Rubrik tabellarisch einzu- ordnen. Fixpunkte sind der Verlust von Gliedmaßen und Sinnesorganen, vollständiger Ausfall bestimmter Nerven oder die Versteifung von Ge- lenken. Aus den genannten Ge- sichtspunkten ist es auch nicht sinn- voll, die Instabilität eines Gelenkes tabellarisch aufzunehmen.

Unter dem Oberbegriff „Ein- schätzung der konkret sich auswir- kenden Behinderung" bedürfen haus- haltsspezifische Defizite besonderer Bewertung. Im Haushalt wird über- durchschnittlich der Einsatz der obe- ren Gliedmaßen - Finger, Hände, Arme - abverlangt. Unterdurch- schnittlich dagegen ist der Einsatz der unteren Gliedmaßen, wobei die Richtwerte - bezogen auf den allge- meinen Arbeitsmarkt - der Überprü- Tabelle: Einschätzung der konkreten Behinderung der verletzten Hausfrau (E. Ludolph und G. Hierholzer)

Konkrete Behinderung (Funktionseinbuße) Hausarbeit in %

1. Augenverlust (einseitig) 0

2. Augenverlust (beidseitig) 100

3. Querschnittlähmung (Tetraplegie) 100

4. Querschnittlähmung (Paraplegie) 80

5. Oberarmverlust im Schultergelenk 70 (Exartikulation)

6. Oberarmverlust (mittleres Drittel) 60 7. Unterarmverlust (mittleres Drittel) 50

8. Handverlust 50

9. Verlust des Daumens 20

10. Verlust sämtlicher Langfinger (2-5) 40

11. Verlust aller Finger (1-5) 40

12. Schulterversteifung (günstigste Stellung) 25 13. Ellenbogenversteifung (günstigste Stellung) 25 14. Handgelenksversteifung (günstigste Stellung) 25

15 Lähmung des Speichennerven 20

16. Oberschenkelverlust (beiderseits) 80 17. Oberschenkelverlust (mittleres Drittel) 50

18. Unterschenkelverlust 30

19. Hüftversteifung (günstigste Stellung) 25 20. Knieversteifung (günstigste Stellung) 25

21. Totalprothese Hüfte 0

(einwandfreie Funktion)

22 Lähmung des Wadenbeinnerven 10

A-218 (54) Dt. Ärztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990

(4)

fang bedürfen. Der einseitige Au- genverlust bedingt einen verhältnis- mäßig geringen Schaden der Haus- frau, wenn das andere Auge voll funktionstüchtig ist. Ganz anders ist aber einzuschätzen, wenn nach Ver- lust des ersten paarigen Organs das zweite Auge oder der zweite Arm unfallbedingt geschädigt wird. Zwar darf der unfallfremde Schaden, der Vorschaden, nicht vernachlässigt werden, also der Verlust des zweiten Armes nicht mit einer MdE von 100 Prozent bewertet werden. Der kon- krete Schaden liegt aber deutlich über dem Schaden nach Verlust ei- nes Armes und Funktionstüchtigkeit des zweiten Armes.

Eine weitere Problemgruppe stellen die Verletzungen dar, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur deshalb zur „Funktionseinbuße"

führen, weil bestimmte Tätigkeiten unter dem Gesichtspunkt der Ge- sundheitsgefährdung verschlossen sind. So führt zum Beispiel der total- prothetische Ersatz eines Hüftgelen- kes mit einwandfreier Funktion zu keiner gegenwärtigen konkreten Be- hinderung — bezogen auf den Haus- halt. Die Tätigkeit im Haushalt ist in der Regel ohne Gefährdung des künstlichen Hüftgelenkes zumutbar.

Soll aber eine Einschätzung Funda- ment für eine Abfindung sein, dann ist die prognostische Entwicklung mit einzubeziehen. Prognosen tabel- larisch zu erfassen, ist jedoch nicht praktikabel. Dies bedarf detaillierter Angaben. Tabellarisch nicht zu er- fassen sind unseres Erachtens Funk- tionseinbußen unter 20%. Sie erfül- len nicht den Sinn von Richtwerten.

Dies schließt nicht aus, eine Funk- tionseinbuße von unter 20 Prozent im Einzelfall zu berücksichtigen. In verschiedenen Fällen ist von der Kompensierbarkeit der Behinderung auszugehen.

Eine haushaltsbezogene und gewissermaßen pauschalierte MdE- Tabelle hat nicht die Aufgabe, ver- schiedene Haushaltstypen zu be- rücksichtigen. Für diesen Teil des Bewertungsansatzes würde eine zu weitgehende Differenzierung nur Genauigkeit vortäuschen. Der ermit- telte Richtwert einer Funktionsein- buße allerdings kann dann über arbeitswissenschaftlich ermittelte

Haushaltstypen umgesetzt werden, die einen gesellschaftspolitischen Konsens erfordern und zugleich praktikabel sein müssen. Der jeweili- ge Haushaltstyp findet seinen Nie- derschlag in spezifischen Anforde- rungen und im Zeitaufwand. Diese beiden Merkmale prägen die Höhe der Vergütung, nach der die Ent- schädigung zu berechnen ist. Der Haushaltstyp findet auf diesem Weg angemessenen Eingang in die Be-

Schlußbemerkung

Wer ist sachverständig für die Bewertung der konkreten Behinde- rung in der Haushaltsführung? Bis- her wurde die Beantwortung dieser Fragen mit Ausnahme der Tabelle von Reichenbach/Vogel weitgehend Arbeitswissenschaftlern überlassen.

Deren Sachverstand zum Arbeitsan- fall ist nicht in Zweifel zu ziehen.

Zur Einschätzung der Funktionsein- buße ist dagegen der ärztliche Gut- achter sachverständig. Nur dieser kann feststellen, welche Tätigkeiten 1. Anlehnung an die Einschät- zung der Funktionseinbußen in der gesetzlichen Unfallversicherung (allgemeiner Arbeitsmarkt),

2. Begrenzung der Tabelle auf Fixpunkte

(Verletzungen mit klar zu definie- renden Behinderungen),

Literatur

1. ADAC-Fachgespräch „Schadenersatz für Hausfrauentätigkeit" am 14. März 1986 in München

2. Eckelmann, H.; Nehls, J.: Schadensersatz bei Verletzung und Tötung. ADAC Verlag München (1987)

3. Ellwanger, K.; Bausieger-Arkomanis, S.;

Ott-Gerlach, G.: Frauen im Erwerbsleben:

Sozial- und Arbeitsmedizinische Aspekte.

Öffentl. Gesundh.-Wes. 50 (1988) 1-78 4. Hierholzer, G.; Ludolph, E.: Gutachtenkol-

loquium 2. Springer-Verlag Berlin/Heidel- berg/New York/London/Paris/Tokyo (1987) 5. Landau, K.; Deist, H.; Stübler, E.: Bewer- tung der Arbeit im Haushalt, Verlag Karl M. Lipp München (1984)

6. Landau, K.: Arbeitswissenschaftliche Be- wertung der Haushalts- und Familienarbeit.

Forschungsbericht (1987)

7. OLG Frankfurt/M vom 14. 7. 1981 in:

VersR 39 (1982) 981-984

8. Schneider-Böttcher, Weinberger: Bewer- tung von Haushalts- und Familienarbeit.

Teilbericht Januar 1988, Bayerische Lan- desanstalt für Ernährung, Abt. Hauswirt- schaft

wertung. Die individuelle Funktions- einbuße ist weniger geeignet, diesen Merkmalen Rechnung zu tragen.

Orientierungspunkt für die EinsChätzung ist die verletzungsbe- dingte Verlängerung der Arbeitszeit, der Verlust an zusammenhängender Freizeit. Berücksichtigt ist außerdem die größere Anstrengung, die eine körperliche Arbeit mit einer Behin- derung und mit Schmerzen erfor- dert.

verletzungsbedingt nicht mehr ver- richtet werden können. Der Arbeits- wissenschaftler hat das Arbeitsprofil vorzugeben, der ärztliche Gutachter die Funktionseinbuße einzuschät- zen.

Die Festlegung des konkreten Schadens für eine verletzte Hausfrau erfüllt sich nicht nur über die Ermitt- lung einer Ersatzkraft, sie muß die körperliche und geistige Funktions- einbuße berücksichtigen. Aus der ärztlichen Sicht werden zur Bewer- tung der konkreten Behinderung fol- gende Grundsätze vorgeschlagen:

3. Wegfall der geringen Behin- derungen (Kompensierbarkeit) und 4. Höherbewertung der oberen Gliedmaßen im Vergleich zu den un- teren Gliedmaßen,

5. Ergänzung der abstrakt er- mittelten Richtwerte durch Berück- sichtigung von Haushaltstypen.

9. Schönberger, A.; Mehrtens, G.; Valentin:

Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Erich Schmidt Verlag Berlin (1988) 4. Aufl.

10. Vogel, K.: Die Beurteilung der Behinderung der Hausfrau im Haftpflichtanspruch.

VersR 33 (A) (1981) 810-813

11. Schulz-Borck, H.; Hofmann, E.: Schadener- satz bei Ausfall von Hausfrauen und Müt- tern im Haushalt. Verlag Versicherungs- wirtschaft Karlruhe (1987)

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. Günther Hierholzer Ärztlicher Direktor der Berufsge- nossenschaftlichen Unfallklinik Grossenbaumer Allee 250 4100 Duisburg 28

Ltd. Arzt Dr. Elmar Ludolph Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik

Grossenbaumer Allee 250 4100 Duisburg 28

A-220 (56) Dt. Ärztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990

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