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Kein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich versäumter Klagefrist nach Bescheidzustellung an Aufnahmeeinrichtung

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VG Augsburg, Urteil v. 23.07.2019 – Au 6 K 17.34295 Titel:

Kein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich versäumter Klagefrist nach Bescheidzustellung an Aufnahmeeinrichtung

Normenketten:

AsylG § 3, § 4, § 10 Abs. 4 S. 4, § 74 Abs. 1 AufenthG § 60 Abs. 5, 7

VwGO § 60 Leitsatz:

Gilt die Zustellung eines Bescheids am dritten Tag nach dessen Übergabe an eine

Aufnahmeeinrichtung als bewirkt und befindet sich der Adressat zu dieser Zeit in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus, ohne Kenntnis hiervon zu haben, so ist er nicht ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert, wenn ihm der Bescheid noch einige Tage vor Ablauf dieser Frist ausgehändigt wird (Rn. 20 – 22). (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Türkischer Staatsangehöriger türkischer Volkszugehörigkeit, Ehemaliger Berufssoldat, Unbehelligte Aus- und Wiedereinreisen aus der Türkei und zurück 2016/2017 mit eigenem Reisepass und Visum, Einreise auf dem Luftweg, Zustellungsfiktion durch Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung, Keine Wiedereinsetzung wegen vor Ablaufs der Klagefrist beendeter stationärer Behandlung, Private Gewalt der Familie seiner geschiedenen Ehefrau, Behauptete Anzeige wegen Konto bei der Bank ... durch die Ehefrau,

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Ablauf der Klagefrist, Zustellungsfiktion durch Übergabe an Aufnahmeeinrichtung, stationäre Behandlung, wirksame Zustellung, Verschulden, türkischer Staatsangehöriger

Rechtsmittelinstanz:

VGH München, Beschluss vom 25.09.2019 – 9 ZB 19.33265 Fundstelle:

BeckRS 2019, 20017  

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand 1

Der seinem vorgelegten Reisepass zu Folge am ... 1972 in ... in der Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger türkischer Volkszugehörigkeit muslimischer Religionszugehörigkeit - er selbst bezeichnet sich als konfessionslos - und hielt sich vor seiner Ausreise zuletzt in der Türkei an verschiedenen Orten ohne festen Wohnsitz auf (BAMF-Akte Bl. 85). Er reiste nach eigenen Angaben und den Stempeln in seinem Reisepass bereits zwei Mal im Jahr 2016 und zuletzt am 5. Mai 2017 auf dem Luftweg aus der Türkei aus und mit Schengen-Visum am selben Tag nach Deutschland ein, wo er am 15. Mai 2017 förmlich Asyl beantragte.

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In seinem Nüfus ist als Religionsbekenntnis „Islam“ eingetragen (ebenda Bl. 56 f.; Übersetzung Bl. 60).

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In seiner auf Türkisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16. Juni 2017 gab der Kläger im Wesentlichen an (BAMF-Akte Bl. 83 ff.), er habe bereits in der

Aufnahmeeinrichtung Probleme mit kurdischen Leuten und mit der ehrenamtlichen Betreuung. Weil er vom Militär komme, werde er ignoriert und schikaniert; bei der Essensausgabe bekomme er nichts, die

Essensmarke werde aber markiert und es sei nach ... gemeldet worden, dass er Essen erhalten habe (ebenda Bl. 84). Der Kläger legte an Dokumenten einen Nüfus, einen Reisepass, einen Militärausweis und einen Führerschein vor; er habe immer in der Türkei gelebt, sei aber zuletzt mit einem Kleinbus unterwegs gewesen, zuletzt in ... und ohne festen Wohnsitz. Er werde von der Familie seine Ex-Frau bedroht, von der er geschieden sei; er habe das Personensorgerecht für die 2 Töchter, sie aber habe die Kinder entführt und er könne die Kinder nicht sehen, weil sie bei der Familie der Frau lebten, vor der er Angst habe und deshalb immer unterwegs sei (ebenda Bl. 85) Die Reise nach Deutschland habe er selbst organisiert, Flugtickets gekauft und das Visum selbst beantragt, es habe keine Schwierigkeiten oder Probleme gegeben (ebenda Bl. 86). Im Vorjahr sei er bereits in,, den Niederlanden und Frankreich wegen der Bedrohungen gewesen;

damals habe er aber keinen Asylantrag gestellt, sondern sei nur so unterwegs gewesen und zurück in die Türkei (ebenda Bl. 86). Die Reise habe er aus dem Verkauf seines Computers finanziert (ebenda Bl. 86).

Außer seiner Ex-Frau, seinen beiden Töchtern und ihrer Familie habe er keine Verwandten in einem anderen Land; er sei im Waisenhaus aufgewachsen; er habe 17 Jahre lang die Schule besucht und abgeschlossen und als Elektriker, Programmierer, Schneider, Schreiner, Maler gelernt, aber seit ungefähr 2015 nicht mehr arbeiten können, weil er bedroht worden sei (ebenda Bl. 87). Er habe von 1997-2012 Militärdienst geleistet als Zivilist und technischer Mitarbeiter dort (ebenda Bl. 87). Zuletzt habe er am 9. Juni 2017 Kontakt zu seinen Töchtern gehabt, aus Sorge um ihn hätten sie nur noch telefonischen Kontakt (Bl.

87). Zu seinen Ausreisegründen gab er an, er habe 1998 seine Exfrau geheiratet, ein Teil ihrer Familie sei jedoch gegen die Hochzeit gewesen, weil er sich um seine 20 Tage alte Tochter gesorgt habe, sei er schon mal verprügelt worden, denn seine Ex-Frau habe sich nicht um die Kinder gekümmert. Außerdem habe es Probleme wegen der Religion gegeben, denn er habe mit seinen Kindern über den Islam und das

Christentum gesprochen und sie auch in die Kirche gebracht, damit sie alles sehen könnten; seine Frau sei dagegen gewesen aus Angst, er bringe den Kindern eine andere Religion bei; sie habe das ihrer Familie erzählt; sie habe alle seine Daten weitergegeben, zum Beispiel dass er bei der Bank ... ein Depot für seine Kinder eröffnet und von 2007-2012 Geld für ihre Ausbildung einbezahlt habe, dass er dann aber nicht mehr von der Bank habe abheben können (ebenda Bl. 88). Auf Druck der Familie der Ehefrau hätten sie eine Eigentumswohnung gekauft, aber sie sei als Alleineigentümerin eingetragen worden, es habe immer wieder Streit gegeben (ebenda Bl. 88). Im November 2015 habe er sich von seiner Ehefrau scheiden lassen (hierzu legte er Unterlagen vor) und danach habe die Ex-Frau alles bei den Behörden weitergegeben, zum Beispiel die Bankverbindung und das Abonnement der Zeitschrift von FETÖ; der Kläger habe daraufhin die

Wohnung verlassen müssen, sie hätten ihm alles weggenommen, die Wohnung, 2 Autos, einen kleinen Bus, sein eigenes Auto, habe er stehlen müssen (ebenda Bl. 89). Er habe immer heimlich Kontakt zu seinen Töchtern aufgenommen, sei aber schon erwischt und verprügelt worden (ebenda Bl. 89). Soldaten seien dann gekommen und hätten diesen Familienangehörigen seiner Exfrau gesagt, dass sie nichts gegen ihn unternehmen, sondern lieber etwas heimlich gegen ihn machen solle, danach sei er nach ... geflohen (ebenda Bl. 89). Als er seine Töchter habe treffen wollen, habe die Familie der Exfrau ihn noch mal verprügelt, und ihm ein Holzstück in den Hintern gesteckt, gefilmt und seinen Töchtern gezeigt, die

daraufhin aus Sorge um ihn keinen Kontakt mehr zu ihm haben wollten; Nachweis über den Vorfall habe der Kläger nicht, er sei nicht zu einem Arzt gegangen (ebenda Bl. 89). Er sei danach zu Soldaten im Dorf gegangen um das anzuzeigen, sie hätten nur gesagt, dass er stinke und ihn wieder weggeschickt,

vermutlich habe die Familie sie schon informiert, am nächsten Tag nach dem Schichtwechsel der Soldaten sei nochmals hin und habe gemeldet, dass sein Hund gestohlen wurde, die seien dann zwar gekommen, hätten aber auch nichts unternommen, als sie gesehen hätten, dass er der Anzeigeerstatter gewesen sei (ebenda Bl. 89). Ein Freund habe ihm zunächst geholfen, ein paar Tage später eine Liste

herausgekommen, wer bei der Bank ... ein Konto gehabt habe, er sei auch auf der Liste gewesen, danach habe er nicht mehr geholfen. Sie hätten ihm auch seine 2 Autos weggenommen, für die er die Steuern bezahlt habe (ebenda Bl. 89). Auf Nachfrage, ob in der Türkei persönlich bedroht oder konkret gefährdet worden sei, bejahte er dies, er sei in Gefahr durch die Familie seiner Ex-Frau, sonst habe er mit niemand Streit oder Ärger (ebenda Bl. 89). Auf Frage, ob er in der Türkei bei der Polizei oder Behörden um Schutz oder Hilfe nachgefragt habe, bejahte er. Die Polizei habe ihm nicht geglaubt und gesagt, er sei ein

Pantoffelheld und normalerweise schlage der Mann die Frau, sie hätten ihm nicht geholfen (ebenda Bl. 90).

Er habe sich auch wegen der Töchter mehrmals bei der Staatsanwaltschaft beschwert, aber diese hätte

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nichts unternommen, außer die Anträge anzunehmen; als seine Töchter von der Mutter entführt worden seien, sei er ab dem 9. Mai 2016 dreimal dort gewesen und immer wieder abgewiesen worden (ebenda Bl.

90). Auf Frage, ob er Probleme in der Türkei mit der Armee, der Polizei oder Behörden gehabt habe, verneinte er, außer dass sie ihm nicht geholfen hätten (ebenda Bl. 90). Auf Frage, ob er nicht in einer anderen Stadt oder Provinz Schutz oder Arbeit hätte finden können, gab er an, er werde verfolgt von den Familienangehörigen seiner Ex-Frau und wolle nicht, dass sie den Kontakt zu seinen Töchtern verhinderten;

sie hätten ihn immer wieder erwischt, zum Beispiel in,, ... und, weil die Familienangehörigen anhand der Bilder, die er seinen Töchtern gemacht habe, feststellen konnten, wo er gewesen sei; das habe er aber erst zu spät bemerkt (ebenda Bl. 90). Auf Frage, was ihn bei der Rückkehr in der Türkei erwarte, gab er an, nicht mehr in die Türkei zu können und auch nicht dorthin zu wollen; seine Töchter hätten aufgegeben, ihn zu sehen; er habe dort keine Perspektive und werde immer noch durch die Familie seiner Exfrau bedroht, zudem müsse er, wenn er sich melden wolle, angeben, ob er Sunnit sei; er sei aber Atheist und würde das auch bleiben (ebenda Bl. 91).

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Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 26. Juli 2017 den Antrag auf Zuerkennung der

Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) sowie auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Nr. 4). Die Abschiebung in die Türkei wurde androht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen, weil der Kläger eine Verfolgung im Herkunftsstaat nicht habe glaubhaft machen können. Eine konkrete Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal habe er nicht erlitten. In der Türkei seien die türkischen Behörden und auch die Polizei sowohl willens, als auch in der Lage, dem Kläger Schutz zu gewähren. Er habe angegeben, er habe bei der Polizei um Schutz und Hilfe nachgefragt, sie habe ihm aber nicht geholfen, da sie ihm nicht geglaubt hätten. Da er aber nach seinen Angaben bereits seit 2015 von der Familie der Exfrau bedroht worden sei, sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger keine weiteren Versuche unternommen habe, bei der Polizei bzw. den türkischen Behörden Schutz zu erlangen bzw. dass er diese Familienmitglieder nicht angezeigt habe, der Kläger habe somit den Schutz des Staates nicht in Anspruch genommen. Insoweit er vortrage, er könne Probleme in der Türkei bekommen, da er Atheist sei, sei festzustellen, dass die türkische Verfassung in Art.

24 die Religions- und Gewissenfreiheit garantiere. Die individuelle Glaubensfreiheit sei in der Praxis weitestgehend gewährleistet. In diesem Zusammenhang sei auch festzustellen, dass er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2017 offensichtlich bezüglich seiner atheistischen Einstellung in der Türkei keine Probleme hatte, da diesbezüglich von ihm nicht vorgetragen wurde. Somit sei nicht ersichtlich, warum dieses bei einer Rückkehr in der Türkei nunmehr der Fall sein sollte. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des

subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Auch Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der Türkei würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung des erwerbsfähigen Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei angemessen. Schutzwürdige Belange seien nicht vorgetragen worden.

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Gegen diesen der Aufnahmeeinrichtung am 27. Juli 2017 übergebenen, ihm aber erst am 10. August 2017 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am 16. August 2017 Klage erheben mit dem Antrag:

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1. Der Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2017 wird aufgehoben.

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2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen.

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3. Weiter hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 4 AsylG vorliegen und subsidiären Schutz zu gewähren.

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4. Weiter hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben sind.

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5. Weiter hilfsweise wird beantragt, die Befristungsentscheidung aufzuheben, soweit mit ihr eine 6 Monate übersteigende Frist festgesetzt ist.

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Weiter ließ er zur Begründung ausführen, der Kläger habe sich vom 24. Juli 2017 bis zum 10. August 2017 in krankenärztlicher Behandlung befunden und sei nicht in der Aufnahmeeinrichtung gewesen, daher sei Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Klagefrist zu gewähren. Hierzu legte er eine Bestätigung der Bezirkskliniken ... vom 10. August 2017 vor. Zudem legte er in der mündlichen Verhandlung die Kopie eines Ausdrucks einer Beschwerdeschrift seines türkischen Rechtsanwalts gegen einen Haftbefehl gegen den Kläger vor, dem im Betreff u.a. zu entnehmen ist, der Kläger sei am 1. März 2017 verhaftet worden.

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Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

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Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

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Mit Beschluss vom 3. Juli 2019 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe 16

Die Klage ist unzulässig.

I.

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Die Klage ist unzulässig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist (§ 60 VwGO i.V.m. § 74 AsylG).

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1. Der Kläger hat die Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylG versäumt, da ihm der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juli 2017 durch Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung am 27. Juli 2017 als am 30.

Juli 2017 wirksam zugestellt gilt und die Klageerhebung am 16. August 2017 damit zu spät war. Ausweislich der Behördenakte hat die Beklagte den Kläger über seine Verpflichtungen auch hinsichtlich der Post ordnungsgemäß und auch in seiner Heimatsprache belehrt (BAMF-Akte Bl. 7 ff., 11) und ihm den Bescheid an die mitgeteilte Adresse in der Aufnahmeeinrichtung am 27. Juli 2017 zugestellt sowie ihm am 10. August 2017 ausgehändigt (ebenda Bl. 148).

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Die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 2 AsylG, wonach Zustellungen am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt gelten, sofern sie dem Adressaten - aus welchen Gründen auch immer - nicht innerhalb der ersten drei Tage nach Zuleitung an die Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können (vgl. OVG S-A, B.v. 13.9.2001 - 1 L 313/01 - juris Rn. 9; im Anschluss Bergmann in ders./Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 10 AsylG Rn. 21; Preisner in BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.5.2019, § 10 AsylG Rn. 36), greift hier ein. Eine spätere Übergabe an den Adressaten - wie hier an den Kläger - ändert am Eintritt der Fiktion nichts (vgl. OVG RhPf, B.v. 10.7.2002 - 10 A 10438/02 - BeckRS 2002, 17910, Rn. 3). Die Zustellung gilt somit am dritten Tag nach der Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung und damit am Sonntag dem 30. Juli 2017 als bewirkt, die zweiwöchige Klagefrist begann am Montag, dem 31. Juli 2017 0.00 Uhr zu laufen und endete am Montag, 14. August 2017 24.00 Uhr (Verschiebung wegen Fristende am Sonntag, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO,

§ 188 Abs. 2 und 3 BGB). Die Klageerhebung am 16. August 2017 war somit zu spät.

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2. Dem Kläger wird keine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO gewährt, denn er war nicht ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert. Zwar wusste er während seines stationären Aufenthalts nichts von der bereits erfolgten Zustellungsfiktion des Bescheids. Jedoch ist ihm der Bescheid zusätzlich noch in offener Klagefrist am 10. August 2017 ausgehändigt worden, so dass er die Klagefrist hätte wahren können.

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Der Kläger war nicht wegen stationären Aufenthalts in der Bezirksklinik an der Wahrung der Klagefrist gehindert. Ausweislich des Zustellungsnachweises wurde ihm der angefochtene Bescheid am Donnerstag, dem 10. August 2017, persönlich ausgehändigt, so dass er diesen Tag, den folgenden Freitag und den folgenden Montag zur Klageerhebung hätte nutzen können, sei es - wie geschehen - durch Einschaltung eines Bevollmächtigten oder durch Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten des

Verwaltungsgerichts.

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Über diese Frist ist er auch gegen Unterschrift am 10. August 2017 durch Übergabe einer Übersetzung u.a.

der Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheids in seiner Muttersprache Türkisch belehrt worden (BAMF-Akte Bl. 122 ff., 148). Daher war er nicht ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert.

II.

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Ob die Klage auch unbegründet wäre, braucht daher nicht entschieden zu werden.

24

Es kommt mangels materieller Prüfung des Schutzanspruchs des Klägers auch nicht mehr auf den bedingt gestellten Beweisantrag auf Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amts über ein gegen den Kläger anhängiges Strafverfahren bzw. einen gegen ihn vollstreckbaren Haftbefehl unter Zugrundelegung des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ausdrucks einer angeblichen Beschwerdeschrift an.

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Ebenso wenig braucht entschieden zu werden, ob dieses Vorbringen vorliegend prozessual präkludiert wäre und welche Folgen es für die Bewertung hat, dass der Kläger beim Bundesamt nichts von seiner Verhaftung erwähnt, dafür aber zwei Monate später legal und bis auf eine Befragung unbehelligt (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.7.2019) auf dem Luftweg aus der Türkei ausgereist ist und im Anschluss an seine Anhörung beim Bundesamt durch Unterschrift bestätigt hat, es habe keine

Verständigungsschwierigkeiten gegeben, das rückübersetzte Protokoll entspreche seinen Angaben und diese seien vollständig und entsprächen der Wahrheit (BAMF-Akte Bl. 5).

III.

26

Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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