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I. BEZUGNAHME AUF STELLUNGNAHME ZUM DISKUSSIONSENTWURF VOM II. BETRACHTUNGSPERSPEKTIVE DER KÜNSTLER... 2

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ass. jur. Markus Hassold, Stuttgart

(Der Autor ist als Musiker, Musikproduzent und freier Dozent tätig – er war von 1996 bis 2006 als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Urheberrechts tätig).

Stellungnahme zum Referenten-Entwurf [Stand: 13. Oktober 2020] des

Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Entwurf eines

Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“

Inhaltsverzeichnis

I. BEZUGNAHME AUF STELLUNGNAHME ZUM DISKUSSIONSENTWURF VOM 24.06.2020 ... 1

II. BETRACHTUNGSPERSPEKTIVE DER KÜNSTLER ... 2

1. EINFÜHRUNG EINER NEUEN URHEBERRECHTSSCHRANKE ... 2

2. RECHTSPRECHUNG DES EUGHS ZU DEN IN ART.5ABS.3 LIT. K.RICHTLINIE 2001/29/EG GENANNTEN SCHRANKEN ... 3

3. WERKABSTAND ALS KRITERIUM ... 5

4. UMGANG DES EUGH MIT DEM INTERESSENAUSGLEICH ... 6

5. SCHRANKENNUTZUNG MIT PAUSCHALER KOMPENSATION? ... 8

6. KENNZEICHNUNG ERLAUBTER NUTZUNGEN ... 8

7. LIZENSIERUNG UND VERGÜTUNG ... 9

I. Bezugnahme auf Stellungnahme zum Diskussionsentwurf vom 24.06.2020

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat am 24.06.2020 einen ersten Diskussionsentwurf vorgelegt, zu dem ich bereits mit Schreiben vom

27.07.2020 Stellung bezogen habe.

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Ich nehme auf diese Stellungnahme Bezug und möchte diese nicht in allen Punkten wiederholen. Die Veränderungen am nun vorliegenden Referentenentwurf sind zum großen Teil bloß redaktioneller Natur. Es wurden Schreibweisen an die in der

bisherigen Gesetzgebung verwendeten Begrifflichkeiten angepasst und vereinzelte Formulierungen geändert.

Weiterhin versucht der Gesetzesentwurf die Natur des Urheberrechts als ein Rechtsgebiet, das zwischen Lizenzgebern einerseits und Lizenznehmern oder Personen, deren Handlung einer Lizenz bedürfen, andererseits vermittelte, nun auf einen Aspekt des Verbraucherschutzes auszudehnen, ohne den Begriff des

Verbrauchers näher zu differenzieren.

II. Betrachtungsperspektive der Künstler

Aus Sicht der Inhaber von Urheberrechten oder urheberrechtlichen Nebenrechten – Komponisten, Autoren, Produzenten, Filmhersteller, ausübender Künstler etc. – ist dieser Entwurf immer noch unannehmbar.

Die mit Art. 17 der der DSM-Richtlinie geplante teilweise Rücknahme der mit dem in Art. 14 (1) der Richtlinie 2003/31/EC (in Deutschland umgesetzt in § 10 TMG)

enthaltenen Haftungsprivilleg aufgeworfenen Friktionen versucht man mit einem deutschen Sonderweg erstaunlicherweise zu erhalten.

Die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz hat sich in der Öffentlichkeit sehr weit aus dem Fenster gelehnt, als sie in diversen Interviews von einer großen Zustimmung der Künstler ausgegangen ist. Eine solche Zustimmung kann sich nur auf den an sich erfreulichen Umstand bezogen haben, dass die DSM-Richtlinie nun endlich umgesetzt wird – aber die Pläne wie sie umgesetzt werden soll, scheint dabei noch niemand verinnerlicht zu haben.

Es ist eine einzige Katastrophe!

1. Einführung einer neuen Urheberrechtsschranke

Der neu zu fassende § 51a lautet im Entwurf:

Karikatur, Parodie und Pastiche

Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung

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einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Besonders gefährlich aus Sicht der Urheber in der Musikwirtschaft (und sicher nicht nur für diese) ist hiermit eine Erlaubnis, auch durch verwandte Schutzrechte

geschützte Vervielfältigungen zum Zwecke des „Pastiche“ zu verwenden.

Der Begriff „Pastiche“ indes bleibt ungeklärt und der Rechtsprechung überlassen.

Die Begründung des Diskussionsentwurfs geht hier aber sogar so weit, auch

„insbesondere an Praktiken wie Remix, […..] oder Sampling zu denken.“1 Dies ist abzulehnen!

2. Rechtsprechung des EuGHs zu den in Art. 5 Abs. 3 lit. k.

Richtlinie 2001/29/EG genannten Schranken

Zu diesen Schranken aus Art. 5 Abs. 3 lit. k. Richtlinie 2001/29/EG hatte sich der EuGH bereits in einer Entscheidung Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen2 geäußert und dort festgestellt, dass gerade bei der Anwendung der Schutzschranke der Parodie in einem konkreten Fall stets ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG

genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden muss.

Dies bedeutet, dass die Nutzung fremder Werke für Memes oder anderen

parodistischen UGC nicht in jedem Falle lizenzfrei vonstattengehen muss und auch nicht kann. Wenn die Güterabwägung zu Gunsten des Original-Urhebers ausfällt, ist somit auch für die Nutzung für Memes eine Lizenzpflicht möglich.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in der Folgezeit auch schon mit dem Begriff der Parodie befasst und diese vom EuGH aufgestellten Grundsätze hier umgesetzt3. Die Rechtsprechung des EuGHs wird sich auch in Zukunft – und selbstverständlich auch zum Begriff Pastiche – an diesen Regeln orientieren, da die DSM-Richtlinie hierzu selbst keine neuen Inhaltlichen Vorgaben macht. Die Rechtmäßigkeit eines Uploads eines neuen Werkes (hergestellt unter Nutzung vorbestehenden Werkes, oder von Teilen hiervon zu den privilegierten Zwecken) soll nach Art. 17 Par. 7 Abs.

1 Diskussionsentwurf Seite 64

2 EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 34 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.

3 BGH Urteil vom 28. Juli 2016, I ZR 9/15

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2 b) der DSM-Richtlinie nur beim Upload auf diese Zwecke gestützt werden und so diese Zwecke auch beim Rechtsschutz gegen eine etwaige Filterung unter Berufung auf die fehlende Lizenz und den geäußerten entgegenstehenden Willen des

Original-Rechteinhabers, Berücksichtigung finden. Genau genommen ist der Zweck dieser Regelung also nur, dass ein etwaiger technischer Filter treffsicher arbeiten muss und auch Schrankennutzungen erkennen soll. Nicht jedoch wird hier die Schranke selbst durch diese Regelung determiniert.

Es geht auch aus Art. 17 Par. 7 der DSM-Richtlinie in keiner Weise hervor, dass eine solche Schrankennutzung in jedem Falle unentgeltlich oder auch in jedem Fall ohne vorherige Genehmigung zu erfolgen hat. Die Grundsätze der zitierten Entscheidung des EuGHs in Sachen Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen4gelten auch hier und können nicht ohne Verstoß gegen Art. 2 der Richtlinie 2001/29 (INFOSOC) übergangen werden.

Die Bewertung dieser Frage – auch durch den Bundesgerichtshof – erfolgte jedoch unter dem Aspekt der tatrichterlichen Würdigung einer freien Benutzung, nicht hingegen unter dem Aspekt der Auslegung des Anwendungsbereichs einer

Schrankennutzung. Das Problematische an der Einordnung als Schranke ist, dass es bei der Frage, ob eine Nutzungshandlung sich zu Recht einer Schranke bedient oder ob vielmehr ein Nutzungsrecht zu erwerben wäre, objektiv nur von der Erfüllung des Tatbestands der Schranke abhängt. Auf dieser Ebene lassen sich allenfalls – wie etwa bei der Privatkopie – Auslegungsspielräume der Gerichte erkennen, dass ein Rahmen der Schrankennutzung definiert wird, der sich jedoch am Schrankenbegriff orientieren muss, nicht etwa an der Abwägung beidseitiger Interessen des

Rechteinhabers und des Schrankennutzers. Denn diese Abwägung hätte der Gesetzgeber bei der Einführung einer Schranke bereits vorweggenommen.

Daher muss das Augenmerk darauf gelegt werden, inwieweit der Begriff “Pastiche”

einer tatricherlichen Auslegung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH überhaupt noch zugänglich ist, wenn bereits die Autoren des Gesetzentwurfs in der

Entwurfsbegründung ausdrücklich die Begriffe „Sampling“ und „Remix“ dem Begriff der Pastiche zuordnen.

Eine teleologische oder historische Auslegung der neuen nationalen Regeln käme hier nämlich möglicherweise – insbesondere wegen des ausdrücklichen Einbezugs der Nutzung von Vervielfältigungen unter dem Schutz verwandter Schutzrechte in der konkreten Schrankennorm – zu einem von der bisherigen Rechtsprechung des EuGHs abweichenden Ergebnis. Es obläge dann also erneut den geschädigten Künstlern in einem jahrelangen und wirtschaftlich riskanten Verfahren beim EuGH ihr Recht zu suchen. Dies kann nicht der Sinn der Umsetzung der Richtlinie sein.

4 EuGH, GRUR 2014, 972 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.

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Andererseits haben die bisherigen Regelungen die Entwicklung von 40 Jahren HipHop und Elektronischer Musik nicht verhindert. Kunstfreiheit als einen Zwang zu stilisieren, ein Recht auf Remix zu schaffen ist daher höchst albern.

Die vielfältigsten Nutzungen verschiedenster Samples im Bereich der Musik lassen sich auch im Internet gut dokumentiert auffinden. Auf der Website whosampled.com werden über 687.000 Songs aufgelistet, die sich nachweisbar der Technik des

Samplings bedienen. Diese Seite führt in einer Datenbank hierzu annähernd 350.000 Samples, also digitale Aufzeichnungen der Tonträger anderer Rechteinhaber (bzw.

Ausschnitte davon) auf, die hierbei verwendet wurden. Die Seite bezeichnet sich als

„Es ist die weltweit umfassendste, detaillierteste und genaueste Datenbank mit Samples, Coversongs und Remixes, die die gesamte Musikgeschichte von über 1000 Jahren abdeckt und alle faszinierenden musikalischen Zusammenhänge auf diesem Weg dokumentiert“5.

Angesichts dieser Tatsachen von Einschränkungen oder Hemmnissen für eine neue Kunstform zu sprechen, ist grotesk.

3. Werkabstand als Kriterium

Die geplante Neuregelung des § 23 Abs. 1 enthält nun aber noch eine

Formulierung, die durch die DSM-Richtlinie überhaupt nicht vorgegeben ist: Eine Bearbeitung oder Umgestaltung soll nicht von der Genehmigung des

Originalurhebers abhängig sein, wenn diese „einen hinreichenden Abstand zum verwendeten Werk“ wahrt.

Hinzu kommt, dass dieser Abstand bei Werken der Musik nur dann nicht gewahrt sei, wenn Melodien erkennbar entnommen sind.

Dies ist nur scheinbar eine Übernahme der Formulierung aus § 24 UrhG a.F., denn hier ging es um freie Nutzung eines Werkes und nicht um die Nutzung einer Vervielfältigung – möglicherweise einer unter vorheriger Entstehung von Leistungsschutzrechten entstandener Bild- oder Tonaufnahme.

Im Zusammenhang mit der Neufassung des § 51a UrhG betrachtet jedoch, der zu den dort privilegierten Zwecken auch „die Nutzung einer [….] sonstigen

Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch [….] ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist“ nennt, ist auch zu § 23 UrhG n.F. kritisch zu fragen, ob hier nicht durch einen nationalen Alleingang des Deutschen

5 https://www.whosampled.com/about/

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Gesetzgebers der Schutz der Tonträgerhersteller ausgehebelt werden soll, den der EuGH ja gerade in der Entscheidung Pelham./. Hutter (Metall auf Metall) eindeutig bejahte – und zwar ausdrücklich in Kenntnis der Notwendigkeit, den bisherigen § 24 UrhG unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 3 lit. k. der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen6.

Zur Auslegung der Frage, ob Tonträger hier gemeint sein können, ist Art. 9 Abs. 3 der RBÜ heranzuziehen7,die alle Mitgliedstaaten der EU ebenfalls gezeichnet haben.

Danach gilt jede Aufnahme auf einen Bild- oder Tonträger als Vervielfältigung.

Das Ergebnis des EuGHs, dass auch eine noch so kleine Nutzung eines fremden Tonträgers – sofern diese wiedererkennbar ist – einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellt und damit eine Lizenzpflicht auslösen kann, hatte dem in Teilen der Politik – in erster Linie Piraten aber auch in einem Querschnitt durch viele andere Parteien – geäußerten Gedanken, die Trittbrettfahrerei durch Sampling als neue Kulturform zu überhöhen und von wirtschaftlichen Notwendigkeiten

befreien zu wollen, empfindlich gestört. Die in der Musikbranche etablierte Praxis, erkennbare Samples aus anderen Tonträgern zu deren Nutzung zu lizenzieren (sog.

Sample-Clearing) hatte durch diese jüngere Entscheidung nun hingegen eine erhebliche Stärkung erfahren.

4. Umgang des EuGH mit dem Interessenausgleich

Wie der EuGH in der Sache Pelham u.a../.Hutter u.a. erkannt hatte, stehen die Interessen von Künstlern denen anderer Künstler gegenüber, und es erscheint schnell folgerichtig, dass die Schöpfung eines neuen Werkes nicht unmöglich ist, ohne einen anderes vorbestehendes Werk zu nutzen – und dass die Nutzung eines solchen Werkes in die Rechte des Inhabers eines vorbestehenden Werkes eingreifen kann.

Gleichwohl ist der Europäische Gesetzgeber mit dem Begriff der Pastiche davon ausgegangen, dass es Übernahme-Techniken geben muss, die hinzunehmen und anzuerkennen sind. Hierzu erwähnt der EuGH in der Entscheidung ausdrücklich,

„dass die Technik des ’Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten’ (Sampling), bei der ein Nutzer – zumeist mit Hilfe elektronischer Geräte – einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung eines neuen Werks nutzt, eine künstlerische Ausdrucksform ist, die unter die durch Art. 13 der Charta geschützte

6 Urteil des EuGH vom 29.07.2019 (Pelham u.a ./. Hütter u.a.) C-476/1 7 RBÜ Art. 9 (3) Jede Aufnahme auf einen Bild— oder Tonträger gilt als Vervielfältigung im Sinne dieser Übereinkunft.

(7)

Freiheit der Kunst fällt.“8 Die Freiheit, ein solches Audiofragment zu nutzen und dabei so zu verfremden, dass es nicht wieder erkannt werden kann, wird hierbei ausdrücklich betont.9, allerdings wird außerhalb dieser Freiheit festgestellt, dass das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers, die Vervielfältigung seines

Tonträgers zu erlauben oder zu verbieten, ihm gestattet, sich dagegen zu wehren, dass ein Dritter ein – auch nur sehr kurzes – Audiofragment seines Tonträgers nutzt, um es in einen anderen Tonträger einzufügen, es sei denn, dass dieses Fragment in den anderen Tonträger in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt wird10. Somit ist sehr fraglich, ob die Beantwortung dieser Fragen nicht als eine Auslegungsregel zu § 23 UrhG sinnvoller eingeordnet wäre, als durch eine starre Schranke, deren systematische Einordnung im Abschnitt 6,

Unterabschnitt 1 des Gesetzes zum Schutze der Urheber eine unbedingte und möglicherweise nicht mehr in allen Aspekten der tatrichterlichen Abwägung unterworfene Nutzungsbefugnis einräumen würde. Insbesondere, dass dort im Entwurf eindeutig – und gegen die zitierte Rechtsprechung des EuGH – erklärt wird, dass der Schutz durch ein verwandtes Schutzrecht, namentlich das

Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers, hier ignoriert werden dürfe, stört gewaltig.

Somit ist festzuhalten, dass eine vergütungsfreie Nutzung von Samples nur in dem Fall stattfinden soll, in dem ein Sample nicht wiederzuerkennen ist. Dies könnte dem Kriterium des Werkabstandes entsprechen – leider bezieht sich dieses aber auf ein Werk als Ganzes und nicht auf einen – möglicherweise nur untergeordneten – Teil der Werkausführung. Für einen solchen Teil andererseits die Vergütungspflicht auf solche Übernahmen zu beschränken, die sich einer ganzen Melodie (oder eines Teils davon) bedienen, verkennt das Wesen des Tonträgerhersteller-Rechts ebenso, wie das Wesen der durch Samples möglichen Ausnutzung eines

Wiedererkennungswertes.

Die Einordnung der Freiheit ein Pastiche zu fertigen in ein Schrankenrecht verlagert die Auseinandersetzung unnötig – und entgegen der Rechtsprechung des EuGHs – weg von der Auseinandersetzung zwischen zwei Werkschöpfern, von denen der eine sich des Werks des anderen in transformativer Weise bedienen will und sich über einen Ausgleich der beiderseitigen Interessen Gedanken machen muss, hin zu einem Recht für jedermann, sich einfach alles zu nehmen, ohne jemanden zu fragen.

Damit wird die Kunstfreiheit der ernsthaften und professionellen Künstler - und deren darin beinhaltete vitale wirtschaftliche Interessen - aber auch für die Hobby- Freiheit der Amateure zu Grabe getragen. Dies darf nicht der Sinn des

Urheberrechts sein.

8 Urteil des EuGH vom 29.07.2019 (Pelham u.a ./. Hütter u.a.) C-476/1 Rdnr. 35

9 EuGH vom 29.07.2019 C-476/1 Rdnr. 36

10 EuGH vom 29.07.2019 C-476/1 Rdnr. 39

(8)

5. Schrankennutzung mit pauschaler Kompensation?

Der § 7 Abs. 2 des neu zu schaffenden Gesetzes über die urheberrechtliche

Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (UrhDaG) aus dem Referenten-Entwurf sieht nun eine pauschale Kompensation der Urheber für die dort in § 5 Nr. 2 ausdrücklich erwähnten Schrankennutzungen vor.

Die hier vorgeschlagene Neuregelung will ein „Recht auf Remix“, nun als erlaubnisfreie aber von Dritten zu vergütende Nutzungshandlung einführen.

Auch einer solchen Lösung hat EuGH ausdrücklich eine Absage erteilt, wenn man die zitierte Rechtsprechung richtig versteht.

Diese Schranke stellt somit einen Eingriff in Grundrechte der Urheber dar (Kunstfreiheit im Sinne der Wirkfreiheit und Eigentum), die nicht allein mit den gegenüberstehenden Grundrechten auf freie Meinungsäußerung oder Kunstfreiheit gerechtfertigt werden können, weil letztere ja auch jederzeit ohne eine

transformative Werknutzung ausgeübt können.

Insofern ist an der Begründung des Referenten-Entwurfs auch zu kritisieren, dass sie in der Einleitung zwar unter den betroffenen Rechten zwar Artikel 17 Abs. 2 der EU- Grundrechtecharta nennt, jedoch das Urheberpersönlichkeitsrecht, das auf Art. 2 Abs. 1 GG beruht, ebenso außer Betracht lässt, wie die Formulierungen der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN.

6. Kennzeichnung erlaubter Nutzungen

Der Entwurf schlägt in § 8 Abs. 1 Nr. 2 UrhDaG immer noch vor, „es dem Nutzer hierbei zu ermöglichen, die Nutzung als vertraglich oder gesetzlich erlaubt zu kennzeichnen“, sowie bei einer nicht offensichtlich unzutreffenden Kennzeichnung die Sperrung oder Entfernung eines Uploads nach § 8 Abs. 2 UrhDaG zu verbieten.

Diese Regelung steht nach § 12 UrhDaG-E noch in einem Zusammenhang mit einer willkürlichen und nicht nachvollziehbaren Übereinstimmung von „mindestens 90 Prozent“ mit Informationen, die der Plattformbetreiber vorab von Rechteinhabern erhalten hat.

Hierzu ist anzumerken, dass der Entwurf noch immer in keiner Weise adressiert, dass die Uploader sich gegenüber den Plattformen nicht persönlich identifizieren müssen.

Ein Upload geschützter fremder Inhalte macht dann zwar für einen Uploader keinen Sinn, der sich der Monetarisierungs-Mechanismen der Plattformen bedienen will –

(9)

jedoch gibt es auch Uploader, die sich selbst verwirklichen wollen, oder welche, die meinen, Werke fremder Urheber „befreien“ zu müssen und damit in die

Verwertungskette der Original-Rechteinhaber eingreifen und hier möglicherweise auch empfindliche Schäden anrichten können.

In den zuletzt genannten Fällen wäre die alte Rechtslage des Katz und Maus-Spiels mitsamt der tatsächlichen Folgen des Value-Gap durch einen Mausklick des

anonymen Uploaders wieder hergestellt und etwaige Einnahmen aus einer erweiterten kollektiven Lizensierung wären für den Rechteinhaber die einzige mögliche Kompensation denkbarer einzutretender Schäden. Der Rechteinhaber könnte in solchen Fällen die Plattform nur als Störer in die Zukunft gerichtet in Anspruch nehmen – wäre aber durch die Anonymität des Uploaders wie gehabt nicht in der Lage, dessen Rechtsverletzung als Schädiger zu verfolgen11 – ganz abgesehen vom stets zu beachtenden Delkredere-Risiko, das in solchen Fällen auch eine Rolle spielt. Dass ein zu identifizierender Schädiger nicht vermögend ist und die Schäden dabei unkompensiert bleiben, ist denkbar und wahrscheinlich.

Ein solches „Pre-Flagging“ wurde zwar im Vorfeld vielfach vorgeschlagen12, jedoch wurde darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Anregung zur Überprüfung bzw. zum Abgleich mit vorhandenen Lizenzen seitens der Plattformen handeln sollte13. Die nun im Gesetzesentwurf vorgeschlagene Lösung, nach der der Uploader selbst bestimmen sollte, dass die Inhalte keinerlei Lizenz Dritter bedürften, ist daher befremdlich. Denn einerseits kann ein Uploader nicht wissen, auf welche kollektiven Lizenzerwerbe seitens der Plattformen er seinen Upload stützen könnte, andererseits kann diese Person auch nicht rechtssicher beurteilen, ob seine mögliche

transformative Werknutzung im Sinne einer Kritik, Karikatur, Parodie, Pastiche in einem erforderlichen Interessenausgleich als lizenzfrei beurteilt werden würde.

Die Regelung des § 8 UrhDaG zur Kennzeichnung erlaubter Nutzungen ist daher abzulehnen.

Auch die in den §§ 9, 10 UrhDaG-E enthaltenen Regelungen würden nur das System des Notice & Takedown erneut aufleben lassen.

7. Lizensierung und Vergütung

11 Hierzu das in Fn. 1 zitierte Urteil des EuGH vom 09.07.2020, dass die Anonymität der Täter quasi zementiert.

12 Vgl. Spindler, CR 2019, 290; Kaesling, JZ 2019, 590; Gerpott, MMR 2019, 422 13 So z.B. Kaesling, JZ 2019, 590; hierzu zusammenfassend auch im Rahmen der Konsultation durch das BMJV: Error 404 - Stellungnahme zur Konsultation des Bundesjustizministeriums zur Urheberrechtsrichtlinie (EU) 2019/790 (DSM-RL) vom 06.09.2019, S. 22/23

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Die Plattformen werden im vorgeschlagenen § 4 UrhDaG verpflichtet, Lizenzen für alle Werkarten zu erwerben, die auf der Plattform typischerweise hochgeladen werden, soweit sich die Bedingungen der Lizenzvereinbarungen im Rahmen des Angemessenen befinden.

Der Diskussionsentwurf stellt diese Pflicht unter den Vorbehalt, dass die Rechteinhaber in Bezug auf die Werke „ein erhebliches Repertoire umfassen.

Das ist so nicht mit der DSM-Richtlinie in Einklang zu bringen!

Die Forderungen der Künstler sind:

- Verantwortung der Uploadplattformen in einem Digitalen Europäischen Binnenmarkt nach Maßgabe der DSM-Richtlinie auch in Deutschland

- kein neues Notice & Take Down (§§4, 10 Abs. 1 UrhDaG-E, Erwägungsgründe S. 47)

- keine Bagatell-Schranke (§6 UrhDaG-E)

- keine allgemeine User Generated Content-Schranke durch die Hintertür (§51a UrhG-E, Erwägungsgründe S. 96; §§ 8, 12 UrhDaG-E)

Stuttgart, 06.11.2020 Markus Hassold

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