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«Integration statt Rente» - ohne Arbeitgeber geht es nicht | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Wirtschaftspolitische Stellungnahmen

29 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2005

Das hoch gesteckte Ziel der 5. IVG-Revisi- on kann nur erreicht werden, wenn Mitarbei- tende mit Leistungseinschränkungen ihre Arbeitsplätze behalten können. Deshalb müs- sen Arbeitgeber bei der Weiterbeschäftigung leistungseingeschränkter Mitarbeitender von einer unabhängigen, qualifizierten Stelle un- terstützt werden.

Arbeitsunfähige Leute – teuer für Sozialstaat und Unternehmen

Das haben Grossunternehmen seit einiger Zeit gemerkt und professionelle Absenzenma- nagements eingeführt. Bleibt jemand dem Arbeitsplatz häufig fern, wird gemeinsam mit dem Arbeitnehmer nach Ursachen geforscht.

Ein wegen Arbeitsunfähigkeit ausscheidender Mitarbeiter ist auch für ein Unternehmen ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor: Die Prämien für die Krankentaggeldversicherung des Betriebs können wegen einer Neuein- schätzung des Risikoverlaufs sofort auf das Doppelte ansteigen. Wird eine IV-Rente ge- sprochen, muss auch die betriebseigene Pensi- onskasse eine Rente bezahlen, was oft höhere BVG-Beiträge – für Arbeitnehmende und Ar- beitgeber – zur Folge hat. Müssen Mitarbei- tende ersetzt werden, verliert das Unterneh- men auch bedeutendes Know-how.

Dass die IV unter diesen Umständen ein Modell zur Früherfassung Arbeitsunfähiger einführen will, ist nichts anderes als konse- quent. Allerdings wirft die Ausgestaltung des Systems einige Fragen auf; zudem sind Zweifel an der praktischen Durchführbarkeit ange- bracht. Wer nicht mehr zu 100% arbeitsfähig ist, kann ohne sein Einverständnis der IV-Stel- le gemeldet werden. Fordert die Früherfas- sungsstelle nach einer ersten Abklärung die versicherte Person auf, sich offiziell bei der IV anzumelden, und kommt diese der Aufforde- rung nicht nach, muss sie später ohne War- nung Leistungskürzungen in Kauf nehmen.

Arbeitsplätze und qualifiziertes Personal als Voraussetzungen

Ziel der Reform ist «Integration statt Ren- te». Ohne Arbeitgeber kann dieses Ziel nie er- reicht werden. Integration ist nur möglich, wenn Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Des- halb ist es von zentraler Bedeutung, dass die

IV-Stellen die Arbeitgeber zweckmässig über alle möglichen Leistungen wie z.B. Einarbei- tungszuschüsse, begleitende Beratung am Ar- beitsplatz oder Umschulungen informieren.

Die in der 5. IVG-Reform vorgesehenen Frühinterventionsmassnahmen wie Ausbil- dungskurse, Arbeitsvermittlung, Berufsbera- tung, sozialberufliche Rehabilitation – z.B.

zum Aufbau der Arbeitsmotivation – oder Beschäftigungsmassnahmen sind ausgezeich- nete Hilfen zur Arbeitsintegration. Sie werden aber erfolglos bleiben, wenn nicht genügend qualifiziertes Fachpersonal zur Verfügung steht, um Arbeitsunfähige sofort und indivi- duell zu begleiten.

Unterstützung durch unabhängige Stellen

Das angestrebte Ziel der aktuellen 5. IVG- Revision, die Anzahl Neurenten bis ins Jahr 2025 um 20% zu reduzieren, lässt sich nur er- reichen, wenn Personen, die in ihrem Aufga- bengebiet nicht mehr zu 100% arbeitsfähig sind, dennoch den Arbeitsplatz behalten kön- nen. Da ist die Verantwortung der Arbeitgeber gefragt! Damit sie diese wahrnehmen können, sind sie auf fachliche Unterstützung angewie- sen. Vor allem KMU, die keinen eigenen Per- sonal- und Sozialdienst haben, sind mögli- cherweise beim Arbeitsplatzerhalt für einen Mitarbeiter mit gesundheitlicher Beeinträchti- gung bald einmal überfordert. Deshalb braucht es unabhängige Coachs, die beratend zur bes- ten Lösung führen. Selbstverständlich muss der Arbeitsplatzerhalt für Arbeitnehmende und Arbeitgeber einen Nutzen bringen.

Die Stiftungen «Intégration pour tous»

(IPT) in der Romandie und «Profil – Arbeit und Handicap» in der Deutschschweiz leisten dabei gute Dienste. Leider lässt die finanzielle Lage dieser privaten Organisationen es nicht zu, flächendeckend in der gesamten Schweiz präsent zu sein. Ein Ausbau solcher qualifi- zierter Stellen mit langjähriger und breiter Erfahrung in der Arbeitsplatzerhaltung und Arbeitsintegration – IPT ist seit 1972 tätig – in Kombination mit Kompensationsleistungen für Arbeitgeber, die Menschen mit Leistungs- einschränkungen beschäftigen, wäre mögli- cherweise rascher, kostengünstiger und kun- dennäher umzusetzen als die vorgeschlagene Aufstockung des Verwaltungsapparates.

«Integration statt Rente» – ohne Arbeitgeber geht es nicht

Kernstück der 5. IVG-Revision sind Früherfassung und Frühin- tervention. Die Erfahrung lehrt:

Wer zu lange aus der Arbeitswelt ausgeschieden ist, ist weg vom Fenster. Die Reintegration ist schwierig – nicht nur vom fach- lichen, sondern auch vom per- sönlichen Aspekt her. Deshalb braucht es ein Instrument, das voraussichtlich für längere Zeit arbeitsunfähige Leute möglichst früh identifiziert und Stellen, die dazu beitragen, dass sich die dauerhafte Arbeitsintegration für Arbeitnehmende und Arbeit- geber auszahlt.

Simone Leuenberger Agile – Behinderten- selbsthilfe Schweiz, Bern

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