Im Zeichen von Dialog und Veränderungswissen:
„Pädagogik der Autonomie“
revisited.
Prof. Dr. Thomas Eppenstein
(Seniorprof. Goethe Universität Frankfurt am Main Institut für Erziehungswissenschaften)
15.01.2021 Salzburg
„Im Dialog erkennen“
“Meine Aufgabe besteht (…) darin, ein kritischer Geist zu sein, neugierig, unruhig, ständig auf der Suche – ebenso wie auch der Leser, der die Mühe meines Suchens neu auf sich nehmen muß, der einzige Unterschied zwischen mir und meinem Leser besteht darin,: während ich davorstehe und mit seiner Klärung beschäftigt bin (…), steht zwar auch der Leser davor – zugleich steht er aber auch vor meinem Verständnis des Themas (…). Das heißt aber nicht (…), daß sich der Leser damit abfinden muß (…). Seine
Bemühung ist vielmehr in gewisser Hinsicht größer als die meine, weil er in das Thema selbst und in meine Auffassung davon
gleichzeitig einzudringen hat.“ ( Freire Waxmann 2007. Unterdrückung u.
Befreiung, Kapitel: „Im Dialog erkennen“S.28)
3 Fragestellungen bei der Relektüre von
„Pädagogik der Autonomie“ (P.F.1996)
1 Saberes (Wissen)Leitura da palavra, leitura do mundo (Lektüre des Wortes, Lektüre der Welt) Welche Aspekte des Bildungs- und Lehr/Lernverständnisses von P.F. erscheinen unvermindert tragfähig?
2. Autonomia. Wie hat sich Verständnis und gesellschaftliche Funktion von „Autonomie“ verändert ? (Freiheitsoption? Bedroht durch autokratische, antidemokratische Politiken; Opportun im Neoliberalen Denken? Verteidigungswürdiger Wert?)
3. Transformacao Was hat sich seit P. Freires Tod verändert und wie hat sich Veränderung verändert? Eigene Überlegungen vom Veränderungswissen zum Veränderungsverstehen und
Veränderungslernen (und vielleicht Veränderungen, von denen Freire noch nichts wissen konnte).
2. Autonomia. Wie hat sich Verständnis und gesellschaftliche Funktion von „Autonomie“
verändert ?
„Und mit ihr, der Freiheit, füllt die nun mühevoll entstehende Autonomie jenen Raum, den zuvor die Abhängigkeit ‚bewohnt‘
hatte. Es bildet sich eine Autonomie, die sich auf Verantwortung stützt.“ (S. 87)
3. Transformacao
Was hat sich seit P. Freires Tod verändert und wie hat sich Veränderung verändert? Eigene Überlegungen zumVeränderungswissen
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„Lehren erfordert die Überzeugung, dass Veränderung möglich ist“ (P.F. Kap.2.8)
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„Unsere Lernfähigkeit, die nicht nur der Anpassung dient, sondern vor allem dazu, die Wirklichkeit zu verändern, um in sie einzugreifen und sie uns neu zu erschaffen, ist Ausdruck unserer Bildungsfähigkeit (…)“ (64).
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„Ich kann nicht in der Welt mit Handschuhen an den Händen
leben, in der ich alles nur zur Kenntnis nehmen kann.“ (72)
P.F.: „Ich war nie ein leidenschaftlicher Technikfan“ (…) „weder vergöttere noch verteufele ich die Technik. Deshalb konnte ich
mich immer gut mit ihr auseinandersetzen.“(80)
Digitale Modernisierung:
Digitale Veränderung, digitalisierte Veränderung?
Was wird aus den Leitvokabeln der Pädagogik Paulo Freires?
Ø Solidarität durch Vernetzung oder Vernetzung statt Solidarität ?
Ø Programmieren statt Verändern oder Verändern durch Programmieren?
Ø Digitales Bewusstsein, digitalisiertes Bewusstsein?
Eigene Überlegungen zu ÄNDERUNGSWISSEN
• Wissen im Vollzug verändernder Praxis
• Wissen anhand empirisch belegten Veränderungen
• Wissen um Historizität von Veränderungswissen
(Modisches Change-Mangement, Lineare Geschichtsphilosophie im marxistischer Tradition,marktförmige Selbstregulation im Neoliberalismus sind überholt)