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23. Sächsischer Ärztetag zur Opiatsubstitution

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Berufspolitik

Ärzteblatt Sachsen 9 / 2013 365

23. Sächsischer Ärztetag zur Opiatsubstitution

Am 21.06.13 nahm der 23. Sächsi- sche Ärztetag den Beschlussantrag 14 „Betäubungsmittelverschreibungs-

verordnung (BtMVV) und Substitu- tion – Qualitätssicherung und Pati- entenversorgung“ ohne Gegen- stimme an. Er bezog damit eine andere Position zu Substitutionsfra- gen im Vergleich zu den Beschlüssen des 116. Deutschen Ärztetages.

Der Beschlusstext wird hier bekannt- gemacht und erläutert:

„Der 23. Sächsische Ärztetag 2013 fordert die sächsische Landes- sowie Bundesregierung auf, die Qualität und Durchführung der substitutions- gestützten Behandlung Opiatabhän- giger zu sichern und zu verbessern

■ durch die Beibehaltung der bis- herigen Regelungsklarheit, insbe- sondere in § 5 BtMVV,

■ durch die weitere Vorrangigkeit des Abstinenzzieles,

■ durch klare Regelungen der Bei- gebrauchskontrollen mit laufen- den Anpassungen an die aktuelle Beigebrauchslage, sowohl im Um fang der erfassten Substan- zen, als auch deren Untersu- chungsfrequenz sowie der Ver- gütung durchgeführter Kontrol- len und

■ durch adäquate Berücksichtigung der Gesprächsleistungen bei der substitutionsgestützten Behand- lung Opiatabhängiger.“

Mit den seit Jahren bereits vorge- nommenen schrittweisen Verände- rungen der BtMVV erhöhte sich die niedrige Zahl substituierender Ärzte nicht. Es bleibt eine grobe Differenz zwischen qualifizierten und substitu- ierenden Ärzten bestehen. Aus Ge - sprächen mit potenziellen Neuein- steigern ist bekannt, dass sie klare Regeln erwarten, durch die zum Bei- spiel Regeldiskussionen über den Therapieablauf weitgehend entfallen, fordernde Drucksituationen von Ab - hängigen nicht aufkommen und eine gute Integration in die Praxis der

Niedergelassenen gelingt. Sonst wird eben Substitution erst gar nicht auf- genommen. Auch bleibt die hoheitli- che Aufgabe des Staates bestehen, für den Umgang mit illegalen Subs- tanzen und die Substitution den Rahmen zu setzen. Das kann nicht ins Belieben der ärztlichen Thera- piefreiheit gestellt werden, weil sich Ärzte so für die Sündenbockrolle prä- destinieren können. Bereits aus den praktischen Erfahrungen bestehen erhebliche Zweifel an der Effektivität eines Weges, zur Verbreitung einer sicheren Substitution für Patienten und Ärzte Regeln, also die Leitplan- ken des Handelns, zu demontieren.

Nun zur Vorrangigkeit des Absti- nenzzieles. Suchterkrankungen sind von chronisch-progredienten Verläu- fen gekennzeichnet. Wachsender Satisfaktionsverlust mit Dosissteige- rung und Tachyphylaxie, immer stär- kere Anstrengungen zur Vermeidung von Entzug und Aufrechterhaltung des Rauscherlebens begleiten diese Entwicklung und führen unter fixer Substitutionsdosis zum Beigebrauch anderer Substanzen, mündend in eine Polytoxikomanie. Umbenen- nende neue Sprachschöpfungen ver- ändern diese Abläufe nicht. Das illus- triert die Entwicklung der Opiatsubs- titution hierzulande in den letzten 20 Jahren gut. Gestartet war sie als temporäre Ausnahmebehandlung für drei Indikationen, nämlich die Pallia- tivbehandlung infauster Fälle, die Substitution gravider Opiatabhängi- ger und zur Überbrückung bis zum Antritt einer Drogenentwöhnungsbe- handlung (Rehabilitation). Klare und

sichere Indikationen noch heute.

Substituiert wurden 2012 nachge- wiesen mindestens 77.000 Fälle in Deutschland. Nachdem nun in meh- reren Schritten die Anforderungen für eine substitutionsgestützte Be - handlung Opiatabhängiger immer weiter reduziert wurden, kommt nun von anderer Seite die Forderung, allein die Diagnose der Opiatabhän- gigkeit genüge für die Inanspruch- nahme einer lebenslangen Substitu- tionsbehandlung.

Gerade diese Entwicklung der Opiat- substitution von einer sinnvollen temporären Therapie und Hilfsmaß- nahme hin zu einem koabhängig gestütztem Lebensstil macht deut- lich, dass nunmehr langsam über die Jahre all die Maßstäbe nivelliert wer- den, die aus Kenntnis des Krank- heitsverlaufes von Süchten ursprüng- lich gesetzt wurden.

Wenn dann noch Beigebrauch beschönigend umgetauft wird zu

„komorbidem Substanzgebrauch“, als hoffe man nebenbei Polytoxiko- manie aus den Kontraindikationen loswerden zu können, geht es weiter in die falsche Richtung. Nichts wird besser bei einer Mehrfachabhängig- keit. Trotzdem wurden 2012 sogar in einem nördlichen Bundesland Vorbe- reitungen getroffen, an Patienten in Substitution Benzodiazepine verord- nen zu können. Noch eine klassische Illustration für Suchtprogredienz und Iatrogenie. Der sicherste und beste Weg, eine Substanzabhängigkeit zu überwinden, bleibt Abstinenz. Auch

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wenn der Weg mühevoll ist und nicht alle das Ziel erreichen. Ver- gleichsweise käme kein Fachkollege wegen der schwierigen und nicht so erfolgreichen Behandlung nosokomi- aler Infektionen im Krankenhaus auf die Idee, die Hygiene zu suspendie- ren. Sehr zu denken geben auch die Vorwürfe Langzeitsubstituierter in Großbritannien gegenüber ihren Substitutionsärzten wegen der le - benslangen Ausweitung der Substi- tution. Letztere bekommen vorge- halten, die Patienten in der Abhän- gigkeit auf Dauer fixiert und am realen Lebensvollzug gehindert zu haben. Müssen wir Ärzte solche Wege gehen und so Vorwürfen An - satzpunkte geben? Welche Interes- sen fördern solches Handeln? Wich- tig ist, in Großbritannien läuft Opiat- substitution seit den sechziger Jah- ren, wobei auch Heroin eingesetzt wird.

Es geht kein Weg an der Erkenntnis vorbei, Suchterkrankungen verlaufen ohne Abstinenz regelhaft progre- dient. Aufweichungen der Behand- lungsmaßstäbe sind auf Dauer und ohne kritische Beobachtung wie Nachjustierung eher koabhängigem Nachgeben als einer avisierten Ver- besserung zuzuordnen. Es fällt sehr auf, dass Richt- und Leitlinien in allen Fachgebieten der Medizin im Zeitverlauf eher eine Ausgestaltung,

Differenzierung und Verschärfung entwickeln. Seltene Ausnahme bil- den die substitutionsbezogenen Richt- linien, die regelhaft hochschwellig die Zulassungshürden nehmen, um dann immer mehr Entgrenzung zu erfahren.

Der Beschluss fordert auch klare Regelungen und Verbesserungen der Beigebrauchskontrollen. Über die Funktionalität des Beigebrauches von Substanzen als elementares Kennzeichen der Suchtprogredienz mit dem Risiko der Mehrfachabhän- gigkeit wurde schon im voranstehen- den Abschnitt Ausführungen vorge- nommen. In der Praxis nötig sind Kontrollen, die unangekündigt, nicht in fixen Rhythmen stattfinden, aber dicht genug platziert sind, um mög- lichen Beigebrauch sicher zu erfas- sen.

Dazu ist ein regional differenziertes Substanzspektrum zu berücksichti- gen, das verpflichtend untersucht wird und nach Entwicklung der regi- onalen Beigebrauchslage von der zuständigen Behörde aktualisiert vor- gegeben wird. Die Vergütung der Bei- gebrauchskontrollen ist zu sichern.

Substitution auf Privatrezept darf kein abweichendes Procedere haben.

Die Umsetzung dieser Forderung ver- bessert die Behandlungsqualität und die Sicherheit der Substitution für Patienten und Ärzte.

Einer Drogenabhängigkeit liegen überaus häufig psychotherapiebe- dürftige Störungen zugrunde oder sind komorbid vorhanden. Die Subs- titution darf sich nicht mit der Stoffvergabe erschöpfen. Jeder der wöchentlichen Behandlungstermine ist für das ärztliche psychotherapeu- tische Gespräch zu nutzen und abge- stimmt mit der verpflichtend wahr- genommenen psychosozialen Beglei- tung zu gestalten. Ohne psychothe- rapeutische Einflussnahme kann es keine Substitution mit Qualitätsan- spruch geben. Hier liegt auch ein Grund der Limitierung der Fallzahl Substituierter auf 50 Patienten pro Arzt. Diese Gesprächsleistungen er - fordern angemessene Vergütung.

Eine Prognose für die weitere Ent- wicklung der Substitution in Sachsen ist aktuell schwierig. Crystalabhän- gigkeit nimmt exzessiv zu und ran- giert vor der Zahl der Opiatabhängi- gen, auch waren die Zahlen der Sub- stituierten seit 2008 (1.496 Fälle) bis 2012 (1.152 Fälle) klar rückläufig.

Die verbliebenen Patienten benöti- gen eine gute Behandlungsqualität, die mit den dargestellten Forderun- gen erreichbar ist.

Dr. med. Frank Härtel Suchtbeauftragter der Sächsischen Landesärztekammer

Berufspolitik

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