Der WWF Deutschland ist eine der nationalen Organisationen des WWF – World Wide Fund For Nature – in Gland (Schweiz).
Hintergrundinformation
Januar 2007Arctostaphylos uva-ursi Echte Bärentraube
Blätter für die Blase
Ihren Namen hat die Echte Bärentraube wohl der Beobachtung zu verdanken, dass Bären ihre Früchte sehr gerne fressen. Aber auch der Mensch weiß die Bärentraube zu schätzen: Arctostaphylos uva-ursi wird seit Jahrhunderten in der traditionel- len europäischen Medizin (und der Volksmedizin) genutzt. In Deutschland findet man sie heute in zahlreichen Produkten in Apotheken, Drogerien sowie in Reformhäusern. Wirksam gegen Blasen- und Nierenbeschwerden ist der Inhaltsstoff Arbu- tin der Bärentraubenblätter. Nach dem Europäi- schen Arzneibuch muss die getrocknete Droge mindestens 7.0 Prozent Arbutin enthalten.
Portrait
Bärentraube kommt im Prinzip in fast ganz Europa vor, ist aber überall an bestimmte Standortbedin- gungen gebunden, denn sie bevorzugt trockene, sonnige Zwergstrauchheiden, Bergwälder und geschützte Felsnischen. Die Pflanze der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae) stellt im nördlichen Verbreitungsgebiet eine häufige Art
dar, in Mittel- und Südeuropa ist die Verbreitung vor allem auf Bergregionen beschränkt. Die Bä- rentraube ist eine langsamwüchsige Pionierart, sie findet gute Wachstumsbedingungen auf Rohbö- den, auf Felsblöcken, nach Brand oder Holzein- schlag. Die Blätter sind immergrün, die Blüten weiß bis rötlich, die Beeren von roter Farbe. Die Samen werden durch Beeren fressende Vögel verbreitet. Die einzelnen Pflanzen können bis zu 100 Jahre alt werden.
Bedrohungsfaktoren
Arctostaphylos uva-ursi ist durch ihre Standort- und Klimaansprüche an spezielle Lebensraumty- pen gebunden und besonders in Mittel- und Süd- europa durch Lebensraumverlust zurückgegangen.
Der internationale Handel mit Bärentraube und die Übernutzung der Vorkommen haben in weiten Teilen Europas dazu geführt, dass die Art heute stark gefährdet ist und in vielen Ländern des Verbreitungsgebietes in den Roten Listen geführt wird. In Deutschland steht sie unter Naturschutz1. Arctostaphylos uva-ursi ist außerdem auf Anhang D der EG-Verordnung 1332/2005 zum Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Stand 18.12.2005) gelistet. Entsprechend dieser Verord- nung sind Einfuhren in die EU meldepflichtig.
Lediglich in Russland und anderen osteuropäi- schen Staaten gibt es noch stabile Populationen, die bei entsprechenden Konzepten auch nachhaltig genutzt werden könnten.
1 Anlage 1 der Bundesartenschutzverodnung
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Sammlung
Die Nachfrage nach Bärentraube wird allein durch Wildsammlung gedeckt, Anbaumaßnahmen sind nicht bekannt. Der Großteil der nach Deutschland importierten Ware stammt dabei aus Russland.
Doch wie genau sieht es am Herkunftsort der Bä- rentraube aus und wie wird die Sammlung durch- geführt? Diesen Fragen sind der WWF, das Arten- schutzprogramm TRAFFIC, und Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau zusammen mit der Firma Martin Bauer in einem gemeinsamen Projekt nachgegangen. 2004 besuchten Wissen- schaftler eine der wichtigsten Sammelregionen in Sibirien. Ziel war, die Nachhaltigkeit der Bären- traube-Nutzung in diesem Gebiet zu untersuchen.
Durch Gespräche mit Sammlern und Behördenver- tretern sowie Feldbesichtigungen verschafften sie sich einen Eindruck der Pflanzenbestände und der Sammeltechniken. Schon im Vorfeld des Besuchs wurde vorhandene Literatur gesichtet und im In- ternet recherchiert. Bis in die 1980er Jahre ist auch eine umfassende Dokumentation der russi- schen Forst-Behörden zu finden, die ebenfalls herangezogen wurde. Von speziellem Interesse waren die Untersuchung der Biologie der Bären- traube (Vermehrung, Wachstum), die Ansprüche an Klima und Bodenbedingungen, und der Popula- tionsstatus der Bärentraube, sowie Handelszahlen.
Dieses Wissen ist eine wichtige Voraussetzung für die spätere Einschätzung nachhaltiger Erntemen- gen. Ebenso wichtig sind die Bedingungen vor Ort, die angewandten Sammeltechniken und natür- lich auf welchen Flächen die Sammlung stattfin- det.
Im besuchten Gebiet in Sibirien ist die Sammlung auf eine bestimmte Zeit im Jahr begrenzt. Dann ziehen die Sammler für mehrere Wochen in die Wälder und übernachten während dieser Zeit auch dort. Heute ist die Sammlung für die meisten nur noch ein Zubrot, zu Sowjetzeiten hingegen war Heilpflanzensammlung für viele Menschen das Haupteinkommen.
Da das Gebiet auch von der staatlichen Holzwirt- schaft genutzt wird, finden sich viele freie Flä- chen, auf denen die Bärentraube gut gedeiht. Etwa zwei Drittel der Fläche eines Kissens werden von den Sammlern mit spitzen Hacken geerntet. Der Hauptstamm bleibt bestehen, geerntet werden nur die jüngeren Seitentriebe. Die Pflanze bleibt also im Boden und kann über die Jahre nachwachsen.
Nach etwa drei bis fünf Jahren hat die Pflanze wieder ihre ursprüngliche Größe erreicht und erst dann kommen die Sammler auf die Fläche zurück.
Das Wachstum der einzelnen Bärentraube- Pflanzen ist stark altersabhängig, junge Pflanzen wachsen deutlich schneller nach.
Nach der Sammlung werden die Blätter direkt vor Ort getrocknet. Alte Blätter und Äste werden gleich entfernt. So bleibt nach der Trocknung von einem Kilogramm Ernte im Schnitt nur noch etwa ein Drittel des ursprünglich geernteten Gewichtes übrig.
Arctostaphylos uva-ursi, Sammlung.
Foto: Dr. Dagmar Lange
Arctostaphylos uva-ursi, Sibirien, Russland.
Foto: Dr. Dagmar Lange
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Ausblick
Die Versorgung der Nachfrage nach Arctostaphy- los uva-ursi durch Pflanzenmaterial aus Anbau ist derzeit nicht möglich und auch auf absehbare Zeit nicht wahrscheinlich, da die Lebensraumansprü- che der Art die Inkulturnahme erheblich erschwe- ren. Da Arctostaphylos uva-ursi eine Pionierart und Rohbodenkeimer ist, wird die Regeneration durch Bodenverletzungen gefördert. Grundsätzlich regenerieren die Bestände auf offenen Böden, wie sie auch bei der Sammlung entstehen. Um die Arterhaltung im Verbreitungsgebiet zu gewähr- leisten, sollten Methoden der kontrollierten und nachhaltigen Wildsammlung entwickelt und durchgesetzt werden.
Die Ergebnisse des in 2004 erfolgten Besuches im russischen Sammelgebiet der Bärentraube sind nicht nur aus Sicht des Artenschutzes interessant.
Auch gerade Unternehmen des „Bio-Marktes“
versuchen, dem Wunsch ihrer Kunden nach öko- logisch verträglich gewonnenen Produkten gerecht zu werden. Die amerikanische Firma Traditional Medicinals®, Hersteller traditioneller pflanzlicher Arzneimittelprodukte, gehört zu den ersten Ab- nehmern der Bärentraube aus Sibirien. Die Firma interessiert sich nicht nur für Heilkräuter in Arz- neibuchqualität, sie legt auch Wert darauf, dass die pflanzlichen Rohstoffe aus kontrolliert- biologischer Wildsammlung stammen. Ihr reicht es aber nicht, zu wissen, dass die Sammlung zur Zeit als nachhaltig gilt, sondern sie wird in einem
nächsten Schritt prüfen, wie eine kontrollierte und nachhaltige Wildsammlung auch längerfristig die Bestände erhält und den Sammlern ein Einkom- men bietet. Dieses soll auf Basis der Kriterien des Internationalen Standards zur nachhaltigen Wild- sammlung von Heilpflanzen (ISSC-MAP) gesche- hen (www.floraweb.de/MAP-pro).
Weiterführende Literatur und Informationen:
- Lange, D. (1998): Europe’s medicinal and aromatic plants: Their use, trade and conserva- tion. TRAFFIC International, Cambridge.
- Kupke, J., Schwierz, Dr. A. & Niefind, B.
(2000): Arznei- und Gewürzpflanzen in Osteu- ropa – Anbau, Verarbeitung und Handel in 18 ausgewählten MOE-Ländern; Materialien zur Marktberichterstattung Band 34; ZMP Zentra- le Markt- und Preisberichtstelle GmbH, Bonn - Lange, D. (1998): Europe’s Medicinal and
Aromatic Plants: Their Use, Trade and Con- servation; TRAFFIC International, Cambridge.
- Lange, D. (2005): Präsentation der Ergebnisse der Studie „Nachhaltige Nutzung von pflanzli- chen Rohstoffen: Untersuchungen der Nut- zung von Arctostaphylos uva-ursi: Handels- analyse und Ermittlung nachhaltiger Ernte- mengen in Russland“. Studie unveröffentlicht.
- www.wwf.de/heilpflanzen/
- www.floraweb.de/MAP-pro
- wwf-arten.wwf.de/detail.php?id=236 Weitere Informationen:
Fachbereich Biodiversität, Artenschutz und TRAFFIC beim WWF Deutschland,
Tel.: 069/79144-212, -122
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Arctostaphylos uva-ursi, Trocknung Foto: Dr. Dagmar Lange