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„Entwicklungsland Europa? Vorschlag des DGB zur Förderung eines zukunftsfähigen Europas“

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Academic year: 2022

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DGB-Bundesvorstand Web: http://www.dgb.de

Claus Matecki

Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands

des Deutschen Gewerkschaftsbundes Rede

„Entwicklungsland Europa? Vorschlag des DGB zur Förderung eines zukunftsfähigen Europas“

DGB-Kundgebung 1. Mai 2013 in Bestwig

Es gilt das gesprochene Wort!

(2)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr verehrten Damen und Herren, Gute Arbeit – Sichere Rente – Soziales Europa.

Unter diesem Motto begehen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften den diesjährigen 1. Mai.

Im Jahr der Bundestagswahl fordern wir von der Politik ein rasches Umsteuern, damit gute Arbeit und eine sichere Rente endlich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Realität wird.

Prekäre und unsichere Beschäftigung muss endlich wirksam bekämpft werden.

Die Bundesregierung ist in der Pflicht zu handeln.

Wir fordern die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von anfangs 8,50 Euro pro Stunde und keine wirkungslosen, regional unterschiedlichen Lohnuntergrenzen.

Kolleginnen und Kollegen,

prekäre Beschäftigung muss zurückgedrängt werden.

Deshalb wenden wir uns entschieden gegen die Ausbreitung von Niedriglöhnen.

Wir wenden uns gegen den Missbrauch bei der Leiharbeit und bei Werkverträgen.

Und wir brauchen endlich eine neue Ordnung der Arbeit!

Kolleginnen und Kollegen,

eine sichere Rente muss gewährleistet sein!

Eine Rente, die zu einem auskömmlichen Leben im Alter reicht.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die notwendigen Schritte einzuleiten, damit für alle Menschen ein Ruhestand in Würde möglich wird.

Wir brauchen eine Rente, die die Lebensleistung der Menschen anerkennt!

Der DGB hat mit seinem Rentenkonzept Vorschläge gemacht.

Statt wie die Bundesregierung die Beitrage zu senken, gilt es jetzt eine Demografie- Reserve aufzubauen, die die Rentenkasse dauerhaft handlungsfähig macht und das Rentenniveau langfristig absichert.

Deshalb gilt: Die Rente muss zum Leben reichen.

Schluss mit Rentenkürzungsprogrammen.

Wir lehnen die Rente mit 67 ab.

Kolleginnen und Kollegen,

gute Arbeit, sichere Rente, soziales Europa und einen aktiven Staat.

Für diese Themen streiten wir im Wahljahr.

(3)

Jede Partei soll vor der Wahl wissen, welche Themen den DGB Gewerkschaften besonders am Herzen liegen.

Wir kämpfen für gute Arbeit und sichere Renten bei uns und auch in Europa!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Europa befindet sich am Scheideweg. Nicht nur heute am 1. Mai, am Tag der Gewerkschaften, am Tag der Arbeit steht die Zukunft Europas in Deutschland und den Ländern der europäischen Union im Mittelpunkt der politischen Forderungen!

Die Menschen leiden unter hoher Arbeitslosigkeit, und die Staaten ächzen unter dem Druck der Finanzmärkte.

Die Krise der Staatsfinanzen ist eine Folge der Banken- und Versicherungskrise. Sie ist die Folge der unverantwortlichen Zockerei der Spekulanten an den

Finanzmärkten.

Deshalb wenden wir uns auch an diesem 1. Mai entschieden gegen

Finanzspekulanten und Zocker, die mit dubiosen Finanzgeschäften ganze Staaten an den Rand des Zusammenbruchs gebracht haben.

Wir müssen die Krise in Europa bekämpfen und wir wollen Europa zukunftsfähig machen.

Dies kann nur gelingen, wenn umgesteuert wird und die europäische Krisenpolitik eine andere Richtung bekommt!

Kolleginnen und Kollegen,

was haben die europäischen Regierungen und die EU-Kommission gemacht?

Maßgeblich durch die deutsche Bundesregierung getrieben, haben sie mit einem harten Sparkurs versucht, die Haushalte in den Defizitländern zu stabilisieren.

Die Folgen sind dramatisch.

In Europa gibt es 26 Millionen Arbeitslose.

In den südeuropäischen Ländern sind 60 Prozent der jungen Menschen unter 25 Jahren arbeitslos.

Wir wenden uns entschieden gegen diese unsinnige Fiskalpolitik, die die private und öffentliche Nachfrage in Europa abwürgt und den Menschen ihre

Zukunftsperspektive raubt.

Statt die Volkswirtschaften kaputt zu sparen brauchen wir eine Investitionspolitik für die Menschen, für gute Arbeit und zwar in allen Ländern Europas!

Wir brauchen ein soziales Europa!

Wir brauchen ein Europa der Arbeitnehmerrechte und ein Europa, das Wirtschaftswachstum, soziale Sicherheit und lebenswerte Gesellschaften garantieren kann.

Wir wollen ein anderes Europa.

Wir wollen ein soziales Europa!

(4)

Kolleginnen und Kollegen,

die Eurokrise tobt seit Jahren. Seit dem Zusammenbruch der Lehman-Brothers- Bank im September 2008 hat die Austeritätspolitik die Krisenstaaten in die Rezession getrieben. Sinkende Einkommen,

zurückgehende Transferzahlungen

und fallende Nachfrage sind die fatalen Folgen.

All dies schwächt die Wirtschaftskraft. Die Spirale dreht sich immer schneller nach unten. Wir haben nicht mehr nur eine Finanzmarktkrise, wir haben eine soziale Krise.

Kolleginnen und Kollegen,

das Kürzen und Sparen trifft nicht die Zocker und die Finanzspekulanten, sie trifft diejenigen, die die Krise nicht verursacht haben. Es trifft die Beschäftigten, die Rentnerinnen und Rentner und die Arbeitslosen.

Mit Verarmung ganzer Teile Südeuropas muss Schluss gemacht werden.

EU-Kommission, EZB und der IWF müssen ihren Kurs ändern.

Der Angriff auf die Tarifautonomie wurde ins Visier genommen. Durch den

Fiskalpakt und das so genannte Sixpack kann die ganze Lohnentwicklung in Europa reglementiert werden.

Kolleginnen und Kollegen,

die DGB-Gewerkschaften werden einen Angriff auf die Tarifautonomie nicht tatenlos hinnehmen. Wir werden die Tarifautonomie und das Streikrecht in Deutschland und auch in Europa verteidigen.

Wenn man ein soziales Europa erreichen will, muss man jetzt in der Krise Geld in die Hand nehmen.

Wir müssen die private und öffentliche Nachfrage in Europa stärken.

Wir haben uns klar und unmissverständlich positioniert.

Wir wollen für Investitionen in Bildung, in nachhaltige Energien, in den

altersgerechten Umbau der Wohnungsinfrastruktur und der sonstigen Infrastruktur sorgen. Mit unserem Marshallplan für Europa, den wir heute noch diskutieren werden, haben wir ein konkretes Konjunktur-, Investitions- und Aufbauprogramm vorgeschlagen.

Dieses ambitionierte Konjunkturprogramm haben wir bewusst Marshallplan für Europa – in Anlehnung an den US-Marshallplan nach dem zweiten Weltkrieg für Europa – genannt.

Auch damals haben massive Investitionen geholfen, den Kontinent wieder aufzubauen. Aber heute glaubt die Politik, mit eiserner Sparsamkeit, die Länder wettbewerbsfähig machen zu können.

Das Gegenteil ist der Fall!

Täglich gehen tausende von Arbeitsplätzen verloren.

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Unternehmen schließen in Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, aber auch in Belgien und Frankreich.

Die Staatsdefizitquote steigt.

Die Arbeitslosigkeit erreicht immer gravierendere Höhen und es besteht die Gefahr, dass eine ganze Generation von jungen Menschen perspektivlos zurück bleibt.

Kolleginnen und Kollegen,

ein solches Europa lehnen wir entschieden ab.

Der Marshallplan ist die Antwort der deutschen Gewerkschaften auf die gegenwärtige Krise der Eurozone. Wir haben uns bei der Formulierung des Marshallplans von folgenden Grundsätzen leiten lassen:

Erstens: Wir wollen zukunftsfähige und hochwertige Arbeitsplätze in ganz Europa.

Zweitens: Wir wollen die ökologischen, sozialen und demografischen Herausforderungen annehmen und drittens: Wir wollen sie aktiv gestalten.

Der Marshallplan soll demokratisch kontrolliert werden. Hier sehen wir besonders das europäische Parlament in der Pflicht.

Der Marshallplan ist nicht nur ein deutsches Projekt. Der Marshallplan ist ein Projekt, das von allen Ländern in der Eurozone umgesetzt werden kann.

Wir fordern die Sozialpartner, die Politik und die Zivilgesellschaft auf, sich mit konkreten Vorschlägen und Ergänzungen zum Marshallplan an uns zu wenden.

Wir brauchen eine politische Strategie, die eine kurzfristige Krisenbekämpfung sicherstellt und auch langfristiges Wachstumspotenzial in der Eurozone generieren kann. Deshalb haben wir einen Mix aus:

• institutionellen Maßnahmen,

• direkten öffentlichen Investitionen,

• auch Investitionszulagen für Unternehmen,

• und die Konjunktur stabilisierende Konsumanreize vorgeschlagen.

Wir wollen die Städte und Gemeinden auf eine alternde Gesellschaft vorbereiten.

Wir wollen die Jugend besser ausbilden,

und die öffentliche Infrastruktur muss modernisiert werden.

Und wir wollen die industrielle Substanz in ganz Europa erhalten und modernisieren!

Kolleginnen und Kollegen,

wir wissen, dass dafür Geld nötig sein wird!

Modernisierte Energienetze, die altersgerechte Sanierung von Wohngebäuden, die Sanierung der übrigen Infrastruktur, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, all das wird Geld kosten.

Wir rechnen damit, dass ein jährlicher Finanzierungsbedarf von durchschnittlich 260 Milliarden Euro, das entspricht knapp 2 Prozent des europäischen BIPs, nötig sein wird. Wie kann das Geld beschafft werden?

Wir sind der Auffassung, dass starke Schultern auch mehr leisten müssen. Es gibt allein in Westeuropa ein Geldvermögen von ca. 27.000 Milliarden Euro.

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27.000 Milliarden Euro, privates Kapital, das nach sicheren Anlagemöglichkeiten sucht.

Deshalb wollen wir, dass ein europäischer Zukunftsfonds, eine so genannte New Deal-Anleihe ausgegeben wird.

So kann das Geld der privaten Anleger in sinnvolle Projekte investiert werden, anstatt am Finanzmarkt verspekuliert zu werden! Dass die Anleger eine sichere verzinste Anleihe erwerben können, ist ein positiver Nebeneffekt.

Die Zinsverpflichtungen für die New Deal-Anleihe können wir aus den Erträgen der Finanztransaktionssteuer finanzieren.

Darüber hinaus schlagen wir auch eine einmalige Vermögensabgabe vor, die wir in Deutschland bei 3 Prozent auf alle privaten Vermögen ab 500.000 bei Ledigen und einer Millionen Euro bei Verheirateten vorsehen.

Kolleginnen und Kollegen,

starke Schultern müssen mehr zum Gemeinwohl beitragen, als schwache. Deshalb die Vermögensabgabe. Die Abgabe und die New Deal-Anleihe werden das nötige Kapital aufbringen, um Europa zukunftsfähig zu machen.

Unser Marshallplan zeigt, dass nachhaltiges Wachstum, sichere Beschäftigung und Wohlstand angestoßen werden können! Durch die makroökonomischen Effekte des DGB-Marshallplans werden zusätzliche Wachstumsimpulse ausgelöst.

Jeder investierte Euro der öffentlichen Hand zieht Nachfolgeinvestitionen und

Arbeitsplätze nach sich. Diese wiederum generieren höheres Steueraufkommen und tragen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen bei.

Es wird Zeit, Europa wieder auf die Beine zu helfen.

Es wird Zeit, die Sparpolitik zu beenden.

Und es wird Zeit, die Handlungsfähigkeit der Staaten zu gewährleisten, der jungen Generation in Europa eine Perspektive zu geben.

Kolleginnen und Kollegen,

die Menschen merken auch in Deutschland, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat reihenweise Landtagswahlen verloren. Rot- Grün hat im Bundesrat eine satte Mehrheit. Auch hier in NRW regiert Rot-Grün.

Wir haben hier in NRW eine gute politische und wirtschaftliche Entwicklung.

Sicher, wir haben in NRW ein Vergabegesetz, welches einen Mindestlohn von über 8,60 Euro vorsieht. Das reicht aber nicht. Wir brauchen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro in ganz Deutschland.

Dafür kämpfen wir.

Wir kämpfen in Deutschland für gute Arbeit, sichere Renten und für ein soziales Europa.

Kolleginnen und Kollegen,

deshalb ist der 1. Mai 2013 ein wichtiger Tag. Wir wollen auch den Kolleginnen und Kollegen im Süden Europas zeigen, dass die deutschen Gewerkschaften gegen die

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Sparpolitik sind. Wir stehen für Mitbestimmung, Sicherung der Tarifautonomie und für die Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden Menschen!

Die deutschen Gewerkschaften stehen sowohl in Deutschland, in Europa und auch weltweit für die Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer,

für die Bekämpfung von prekärer Beschäftigung,

für Entgeltgleichheit, nicht nur für Frauen, sondern auch für Leiharbeiter und für eine solide Finanzierung eines aktiven Staates.

Dass der Kampf für Demokratie und Arbeitnehmerrechte nie aufgegeben werden darf, zeigt uns der Blick zurück in die Geschichte.

Kolleginnen und Kollegen,

die europäische Krisenpolitik ist auch deshalb so gefährlich, weil sie populistische Kräfte erstarken lässt. Politische Parteien, die die Demokratie ablehnen, die in ihrem Kern autoritär und anti-aufklärerisch sind, finden in vielen Ländern Zulauf. Die deutschen Gewerkschaften wissen, dass die Demokratie ein hohes Gut ist, das bewahrt werden muss.

Morgen jährt sich zum 80sten Mal die Zerschlagung der freien deutschen Gewerkschaftsbewegung durch die Nationalsozialisten am 2. Mai 1933. Die Gewerkschaftshäuser und die Büros des ADGB wurden besetzt, die Führung der deutschen Gewerkschaften wurde verhaftet, eingesperrt, ermordet.

Am 2. Mai 1933 zerschlugen die Nazis die deutsche Gewerkschaftsbewegung. Wir erinnern heute, einen Tag vor dem 2. Mai an unseren Kollegen Wilhelm Leuschner, der vor der Hinrichtung durch die Nationalsozialisten gerufen hat: „Schafft die Einheit!“. Diese Aufforderung, die Einheit der Arbeitnehmerschaft zu gewährleisten, bleibt uns Verpflichtung! Die deutschen Gewerkschaften stehen ein für

demokratische, freie, soziale und gerechte Gesellschaften. Deshalb müssen rechtsextreme Organisationen wie die NPD endlich verboten werden.

Kolleginnen und Kollegen, der 1. Mai ist unser Tag.

Wir wenden uns gegen Unternehmerwillkür.

Wir wenden uns gegen die unsoziale Sparpolitik in Europa.

Wir haben Vorschläge gemacht für ein soziales Europa.

Wir wenden uns gegen Ausgrenzung und Rassenhass und wir wenden uns gegen neue und alte Faschisten.

Der 1. Mai ist unser Tag.

Kolleginnen und Kollegen, Glück auf.

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