Solidarisch stark
Eckpunkte der Gewerkschaften
für den Politikwechsel in Schleswig-Holstein
Das Ergebnis der Landtagswahl ist eine Chance für Schleswig-Holstein, die Zukunft des Landes nachhaltig und gerecht zu gestalten. Der DGB Nord erwartet von der neuen Landesregierung, dass sie die Interessen der arbeitenden Menschen und ihrer Familien in das Zentrum des politischen Handelns stellt. Zu diesem Zweck hat der DGB Nord bereits im Frühjahr 2012 eine umfangreiche Positionsbestimmung vorgelegt. Das nun vorliegende Eckpunktepapier benennt vor den Koalitionsverhandlungen zusammenfassend einige politische Anliegen, die für den DGB Nord und die Gewerkschaften insgesamt von besonderer Bedeutung sind. Sie dienen dem Ziel, das Land gemeinsam nach vorne zu bringen und solidarisch stark zu machen. Die neue schleswig-holsteinische Politik zeigt damit auch Alternativen zum Kurs der Bundesregierung auf.
Gute Arbeit, faire Löhne.
„Gute Arbeit“ muss eine Leitlinie der Politik der neuen Landesregierung werden.
Schleswig-Holstein braucht
• ein „Sofortprogramm Faire Löhne“ mit einem Landesvergabegesetz, das die Tarifbindung von Unternehmen vorschreibt, die öffentliche Aufträge erhalten, und sie verpflichtet, Gehälter von mindestens 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen, sowie einer Bundesratsinitiative für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Öffentliche Vergabe darf nicht dem Ziel der Lohnsenkung dienen,
• mehr sozialversicherungspflichtige und unbefristete Arbeitsverhältnisse und keine Förderung von atypischer und prekärer Beschäftigung wie Zeit- und Leiharbeit oder Werkverträge mit EU-, Bundes- oder Landesmitteln,
• die Rücknahme aller in der 17. Legislaturperiode vorgenommenen
Verschlechterungen am Mitbestimmungsgesetz für den öffentlichen Dienst,
• bessere Arbeitsbedingungen auch im öffentlichen Dienst, beispielsweise durch die Einführung eines verbindlichen Betrieblichen Gesundheitsmanagements und die Wiederherstellung der 40-Stunden-Woche für Beamte. Die Leitlinie „Gute Arbeit“
muss für alle Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte sowie die Auszubildenden in Schleswig-Holstein gelten.
• einen jährlichen Landesbericht zum „Index Gute Arbeit“ in Schleswig-Holstein,
• die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau in der Arbeitswelt – vom Betrieb, über Verwaltung und öffentlichen Unternehmen bis zur Landesregierung.
Beschäftigung, Wachstum, Energiewende.
Die Politik der künftigen Landesregierung muss die wirtschaftliche Basis stärken und tarifgebundene, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fördern. Das neue Wachstum soll allen zu Gute kommen.
Schleswig-Holstein braucht:
• den planmäßigen Atomausstieg und die beschleunigte Nutzung regenerativer Energien, um wieder eine bundesweite Vorreiterrolle einzunehmen,
• einen Energieentwicklungsplan und Masterplan, der die ökologische Energiewende mit einer Beschäftigungsstrategie verknüpft und der unter Beteiligung von
Arbeitgebern und Gewerkschaften erstellt wird,
• abgesicherte, tarifgebundene Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft und in energieintensiven Wirtschaftsbereichen,
• eine neue aktive Ostsee-Strategie, um die Zusammenarbeit im nordosteuropäischen Raum auszubauen,
• mehr Zusammenarbeit mit den anderen norddeutschen Ländern insbesondere in Fragen von Wirtschaft, Arbeit und Beschäftigungsförderung,
• die Aufwertung von Tourismus, Logistik, Pflegeberufen und Gesundheitswirtschaft in der Wirtschaftsförderung (Dienstleistungscluster),
• ein stärkere industrielle Kompetenz des Landes durch eine forcierte Clusterpolitik (Maritime Wirtschaft, Erneuerbare Energien, Medizintechnik, Maschinen- und Anlagebau, Nahrungs- und Genussmittel, Zulieferindustrie Luftfahrt und chemische Industrie),
• die Verabschiedung einer verfassungsgemäßen Bäderregelung in Abstimmung mit den Gewerkschaften und den Landeskirchen, in der die Interessen der Beschäftigten gewahrt und der Sonntagsschutz verankert sind,
• die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur durch den Ausbau der Eisenbahn- Verbindungen, die Schließung der Elektrifizierungslücken, die Erweiterung des S- Bahnnetzes in der Metropolregion, den Ausbau der Verbindung Lübeck – Bad Kleinen, den Weiterbau der A 20 und die Hinterlandverbindung der Fehmarnbelt- Querung. Ein Schwerpunkt muss hierbei auf den ÖPNV gelegt werden.
Den Norden klüger machen.
Bildung, Ausbildung und Hochschulen entscheiden über die Zukunft der Menschen und des Landes. Die Schwerpunkte und Investitionen müssen so gesetzt werden, dass die Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen und die Gesellschaft mit gestalten können.
Schleswig-Holstein braucht:
• ein Bildungssystem, das durchlässiger wird und gleiche Chancen eröffnet - unabhängig vom Einkommen der Eltern. Kein Kind bleibt ohne Schulabschluss,
• den Ausbau ganztägiger durchgehender Kinderbetreuung, die nicht zu Lasten der Erzieherinnen und Erzieher gehen darf,
• als ersten Schritt hin zu einer „Schule für alle“ ein neues Schulgesetz, in dem Gemeinschaftsschulen mit und ohne Oberstufe und Gymnasien gleichberechtigt nebeneinander stehen,
• den Verbleib aller durch den Schülerrückgang frei werdenden Stellen im
Bildungssystem, um so qualitative Verbesserungen zu erreichen. Dazu zählen zum Beispiel Absenkung der maximalen Klassengrößen, schrittweise Reduzierung der Lehrerarbeitszeit sowie der Ausbau von auf Dauer angelegter Schulsozialarbeit und die Reduzierung von Gruppengrößen in den Kindertagesstätten,
• einen besseren Übergang von der Schule in den Beruf,
• eine Landesinitiative, um die Qualität der dualen Berufsausbildung zu heben und die Ausbildungsbedingungen durch die zuständigen Behörden besser zu kontrollieren,
• das Recht auf eine berufsqualifizierende mindestens dreijährige Ausbildung für alle Jugendlichen,
• ein „Bündnis für Fachkräfte und Ausbildung“ unter gleichberechtigter Beteiligung der Sozialpartner,
• eine Bestandsgarantie und damit Planungssicherheit für die einzelnen Hochschulen und ihre Standorte als Körperschaften des öffentlichen Rechts,
• der Verbleib der Hochschulen in unmittelbarer Zuständigkeit des Landes und der Verzicht auf Stiftungslösungen,
• die Schaffung zusätzlicher Studienplätze mit der dazugehörigen Infrastruktur,
• den Erhalt des hochwertigen und breiten Kulturangebotes der Theater mit tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen für die Beschäftigten,
• ein novelliertes Weiterbildungsgesetz, um die Weiterbildungsbereitschaft zu erhöhen, die Weiterbildungsstrukturen zu stärken und die Qualität der Angebote zu sichern.
Hier muss neben der beruflichen Weiterbildung auch die politische Bildung einen höheren Stellenwert erhalten,
• einen Sonderfonds für die außerschulische politische Jugendbildungsarbeit der Jugendverbände in Höhe von mindestens 100.000 Euro.
Öffentliche Einnahmen stärken.
Kaputtsparen kann kein Ziel von Regierungshandeln sein. Die Einnahmen müssen so gestärkt werden, dass der Staat seinen Aufgaben nachkommen kann. Die Vermögenden sind dabei stärker als bisher an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen.
Leistungsfähige Kommunen gewährleisten die öffentliche Daseinsvorsorge und sichern durch die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung die demokratische Teilhabe der Bürger vor Ort. Bei allen notwendigen Veränderungen im öffentlichen Dienst und in der Verwaltung müssen die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben gesichert, die Interessen der Beschäftigten gewahrt und die Dienstleistungen für die Bürger gewährleistet werden.
Schleswig-Holstein braucht:
• Haushaltsmehreinnahmen durch qualitative Wachstumsimpulse, die durch Investitionen gesetzt werden,
• handlungsfähige Kommunen, die finanziell angemessen und verlässlich ausgestattet werden,
• die Rücknahme der Kürzung der Landeszuweisung an die Kommunen aus dem Jahr 2007 und eine grundlegende Veränderung des Kommunalhaushalts-
konsolidierungsgesetzes,
• die Beteiligung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst bei allen
Modernisierungsmaßnahmen und Schritten hin zu einer Funktionalreform,
• Bundesratsinitiativen des Landes zur Stärkung der Einnahmebasis, beispielsweise durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, höhere Steuern auf große Erbschaften, die Anhebung des Spitzensteuersatzes und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer,
• mehr Steuerprüfungen bei hohen Vermögen und Einkommen.
• den Verzicht auf die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Landeseinrichtungen.
Rechte Gewalt stoppen.
Der DGB regt an, dass die neue Landesregierung während der gesamten Legislaturperiode engagierte Zeichen im Kampf gegen den Rechtsextremismus setzt.
Schleswig-Holstein braucht:
• das bundesweite Verbot der NPD und anderer rechtsextremer Organisationen.
Demokratische Organisationen und Bündnisse, Initiativen von Jugendlichen und Künstlern gegen den Rechtsextremismus sind zu fördern.
Der DGB und die Gewerkschaften appellieren an die Verhandlungspartner, die Anliegen der Gewerkschaften im Koalitionsvertrag zu berücksichtigen und einen nachhaltigen
Politikwechsel in Schleswig-Holstein einzuleiten.
Für den DGB und die Gewerkschaften
Uwe Polkaehn
Vorsitzender DGB Bezirk Nord Mai 2012