6 Grenzwert und Stetigkeit
Grundlegend f¨ur das gesamte Kapitel sind Grenzwerte von Zahlenfolgen. Auf dieser Grundlage baut die Konstruktion des Funktionsgrenzwertes auf, der wiederum f¨ur den Begriff der Stetigkeit ben¨otigt wird. Etwas lax formuliert sind die stetigen Funktionen die Funktionen, die bei einem zusammenh¨angenden Definitionsbereich keine Sprungstelle aufweisen, d.h. ohne Unterbrechung gezeichnet werden k¨onnen. F¨ur diese stetigen Funk- tionen werden wir das Bisektionsverfahren einf¨uhren, um numerisch die Nullstellen dieser Funktionen zu bestimmen.
6.1 Reelle Zahlenfolgen
6.1In den meisten Tests zur Erfassung der Denkf¨ahigkeit von Sch¨ulern und Stu- denten kommt eine Aufgabenstellung der Form vor: Gegeben ist
−1 2, 1
4,−1 6, 1
8, ...
Man m¨oge vier weitere Glieder dieser Folge angeben. Gemeint ist nat¨urlich
−101, 121,−141, 161.Etwas schwieriger ist die Aufgabe, eine Gesetzm¨aßigkeit zu finden, um das 100. Glied der Folge zu bestimmen. Hierbei ist dann nach der Formel(−1)n21n gefragt, in die man anschließendn= 100einsetzt. Eventuell wird auch gefragt, welchem Wert die Folgenglieder f¨ur großen beliebig nahe kommen. Dann ist der Grenzwert der Folge gesucht. Wir definieren verallge- meinernd:
Definition: (Zahlenfolge). Unter einer reellen Zahlenfolge versteht man eine geordnete Menge reeller Zahlen, indiziert mit 1, 2, 3,. . ..
Notation:(an)n=a1, a2, a3, . . . , an, . . . .
Die Zahlena1,a2, . . .heißenGliederder Folge,andasn-te Gliedbzw. das allgemeine Gliedder Folge(Bildungsgesetz).
Beispiele 6.1:
1 (an)n = 1,2,3,4, . . . , n, . . .; an =n.
2 (an)n = 1, 12, 13, 14, . . . , 1n, . . .; an =n1. 3 (an)n =−1,+1,−1,+1,−1,+1, . . .; an = (−1)n. 4 (an)n =−12, 14,−16, 18,−101, . . .; an = (−1)n 21n. 5 (an)n = 0.1,0.11,0.111, 0.1111, . . .; a1= 0.1und
an =an−1+ 10−n f¨urn≥2.
Eine Zahlenfolge kann alsdiskrete Funktion F :IN→IR mitn7−→a(n) = an aufgefasst werden. Die Funktion F ordnet jeder nat¨urlichen Zahl n genau eine reelle ZahlF(n) =an zu. Hierbei tritt die Variablen als Index auf; die Funktionswerte sind nummeriert.
Darstellung von Zahlenfolgen:Die Glieder einer Folge sind darstellbar auf der reellenZahlengeraden. Z.B. f¨uran= 2n−11 erhalten wir die Folge
(an)n= 1, 1 2, 1
4, 1 8, 1
16, 1 32, . . .
die unten auf dem Zahlenstrahl dargestellt ist. Gem¨aß der Interpretation als diskrete Funktion k¨onnen Folgen auch ¨uber den Funktionsgraphen (siehe rechte Abb.) dargestellt werden. Da die Funktion nur f¨urn∈IN definiert ist, d¨urfen die Punkte nicht verbunden werden!
Folge auf reellem Zahlenstrahl Folge als diskrete Funktion
Grenzwert einer Folge
Um das Verhalten der Folgean = 1−n1(n∈IN) f¨ur große nzu diskutieren, erstellen wir eine Wertetabelle
n 1 2 3 4 · · · 10 · · · 100 · · · 1000 · · · 10000 an 0 12 23 34 · · · 0.9 · · · 0.99 · · · 0.999 · · · 0.9999 .
Die Eigenschaften dieser Folge sind, dass
Abb. 6.1.Grenzwert der Folge 1− 1
n
alle Gliederankleiner als1sind und dass mit wachsendem n die Glieder an sich an die Zahl1 ann¨ahern. Damit wird der Abstand zwischen den Folgengliedernan
und dem Wert1mit wachsendemnklei- ner:
|an−1| →0 f¨ur n→ ∞.
Die Zahl1wird alsGrenzwertder Folgean= 1−n1 bezeichnet.
6.1 Reelle Zahlenfolgen 225 Visualisierung mit Maple: Auf der Homepage befindet sich ein Worksheet, bei dem man selbst Folgen spezifiziert und diese Folgen dann - sofern sie einen Grenzwert besitzt - in Form einer Animation dargestellt werden.
Definition: (Grenzwert)
(1) Eine reelle Zahl a heißt Grenzwert oder Limes der Zahlenfolge (an)n∈IN, wenn es zu jedem ε > 0 eine nat¨urliche Zahl n0 gibt, so dass f¨ur alle n > n0stets gilt
|an−a|< ε.
(2) Eine Folge heißt konvergent,wenn sie einen Grenzwert besitzt. Wir verwenden dann die Notation
an
n→∞−→ a oder lim
n→∞an=a.
(3) Eine Folge heißt divergent,wenn sie keinen Grenzwert besitzt.
Definition (1) besagt, dassader Grenzwert einer Folge ist, wenn der Abstand von Folgengliedern zum Grenzwert, |an−a|, beliebig klein (ε) gew¨ahlt wer- den kann und alle Folgenglieder an abn0 einen noch kleineren Abstand zum Grenzwertabesitzen. Anschaulich formuliert bedeutet dies:
Folgerung:Eine Folge an konvergiert, wenn es einen Grenzwert agibt, so dass der Abstand
d=|an−a| →0 f¨ur n→ ∞.
Bemerkungen:
(1) Konvergiert eine Zahlenfolge gegen einen Grenzwert a, dann h¨angt der Indexn0 von der Wahl des Abstandesεab.
(2) Der Grenzwert einer Zahlenfolge ist eindeutig.
(3) Divergiert eine Folge, so muss nicht notwendigerweisean→ ±∞gelten.
(4) Wir werden S¨atze kennen lernen, mit denen man den Grenzwert einer Fol- ge direkt berechnen kann, ohne auf die obige Definition zur¨uckgreifen zu m¨ussen.
(5) Der Grenzwert einer Folge wird in der Regel nie von den Folgengliedern erreicht.
Beispiele 6.2:
1 Die Folge
(an)n= 1
n
n
= 1, 1 2, 1
3, 1 4, . . . konvergiert gegen den Grenzwert 0 : lim
n→∞an= lim
n→∞
1 n = 0.
Man bezeichnet Folgen, die gegen den Grenzwert0konvergieren, alsNull- folgen.
2 Die Folge (an)n =
1 + 1
2n
n
= 1.5, 1.25,1.125,1.0625,1.03125, . . .
konvergiert gegen1,da f¨ur den Abstand der Folgengliedernan zu1 gilt d=|an−a|=
1 + 1 2n −1
= 1 2n
n→∞−→ 0.
3 Die Folge
(an)n= (n)n= 1, 2,3,4, . . . ist unbeschr¨ankt wachsend und daher divergent.
4
4
! Die Folge(an)n= ((−1)n)n=−1,1,−1,1,−1, . . .
hat zwei sog. H¨aufungspunkte, n¨amlich 1 und −1. Sie konvergiert aber nicht gegeneinenGrenzwert. Daher ist sie divergent.
5 x∈IR fest.
(an)n = (xn)n=x, x2, x3, x4, x5, . . . , xn, . . . .
F¨urx-Werte mit−1< x <1konvergiert die Folge gegen Null, f¨urx= 1 gegen 1,f¨ur anderex-Werte divergiert die Folge.
Um nachzupr¨ufen, dass Zahlenfolgen konvergent sind, muss nach der Defi- nition von Konvergenz der Grenzwert bereits bekannt sein, da der Abstand d=|an−a| bestimmt werden muss. Das folgendeMonotoniekriteriummacht eine Aussage ¨uber die Konvergenz einer Folge, ohne dass der Grenzwert be- kannt ist. Es besagt, dass eine monoton wachsende Folge, die nach oben hin beschr¨ankt ist, stets einen Grenzwert besitzt. Eine Folge, die monoton f¨allt und nach unten beschr¨ankt ist, besitzt ebenfalls einen Grenzwert.
6.1 Reelle Zahlenfolgen 227
Monotonie-Kriterium:
(1) Sei(an)n eine Folge mit den Eigenschaften
(i) an≤an+1 (Monotonie), (ii) an≤A (Beschr¨anktheit), dann konvergiert die Folge gegen einen Grenzwert a≤A.
(2) Sei(an)n eine Folge mit den Eigenschaften
(i) an≥an+1 (Monotonie), (ii) an≥A (Beschr¨anktheit), dann konvergiert die Folge gegen einen Grenzwert a≥A.
Beispiel 6.3 (Exponentialfolge, mitMaple-Worksheet): Die Folge
an=
1 + 1 n
n
ist konvergent, da sie eine monoton wachsende Folge darstellt, die nach oben durch 3 beschr¨ankt ist (ohne Beweis):
n 1 101 102 103 104 105
an 2 2.59374 2.70481 2.71692 2.71814 2.71826 Der GrenzwerteheißtEulersche Zahl
e= 2.71828 18284 59045 23536 0287. . . .
Wir stellen den Grenzwert zusammen mit einer ε-Umgebung als Funktions- schaubild f¨ur die Folge(1 + n1)n graphisch dar.
Abb. 6.2.Zum Grenzwert der Folge (1+1n)n
Die Eulersche Zahletritt in vielen naturwissenschaftlichen Zusammenh¨angen auf. Aus mathematischer Sicht ist sie eine der bedeutsamsten reellen Zahlen.
Die Exponentialfunktion basiert aufeals Basis. Wir werden im Kapitel Taylor- Reihen in Beispiel 9.33 eine alternative Methode kennen lernen, um die Zahle
durch eine schneller konvergente Folge zu bestimmen:
e=
∞
X
n= 0
1
n! = 1 + 1 + 1 2!+ 1
3!+ 1
4!+. . .+ 1
n! +. . . .
Beispiel 6.4 (Babylonisches Wurzelziehen, mit Maple-Worksheet):
Dierekursiv definierte Folge
a0=a , an+1 =12
an+ a an
(∗)
ist f¨ur jedes a >0 eine monoton fallende Folge, die nach unten durch√ abe- schr¨ankt ist (ohne Beweis).
Der Grenzwert der Folge bestimmt sich aus der Definitionsgleichung von an (∗), indem auf beiden Seiten der Gleichung der Limesn→ ∞gebildet wird. Sei der Grenzwert der Folgeb:= lim
n→∞an = lim
n→∞an+1, so folgt f¨urb mit den Limesrechenregeln
n→∞lim an+1 = lim
n→∞
1 2
an+ a
an
⇒ b = 12 b+a
b
. L¨ost man diese Gleichung nachbauf, folgt
b2=a ⇒ b=√ a.
Somit stellt obige Folge ein N¨aherungsverfahren zur Berechnung von Qua- dratwurzeln dar, das schon den Babyloniern bekannt war. Tats¨achlich ist dies ein Spezialfall des Newton-Verfahrens, das wir in 7.9 einf¨uhren wer- den.
Die folgende Wertetabelle verdeutlicht die schnelle Konvergenz der Folge f¨ura= 2:
n 1 2 3 4 5
an 1.5 1.416666666 1.414215686 1.414213562 1.414213562 Nach 4 Iterationen ist√
2 = 1.414213562bis auf 9 Stellen genau!
Das Monotonie-Kriterium sichert zwar die Konvergenz einer Folge, aber es lie- fert nicht den Grenzwert. Die Limesrechenregeln bei Folgen bieten eine M¨og- lichkeit, den Grenzwert einer Folge f¨ur viele aber nicht alle F¨alle zu berechnen:
6.2 Funktionsgrenzwert 229
Limesrechenregeln bei Folgen:
Seien (an)n und (bn)n konvergente Folgen mit lim
n→∞ an = a und
n→∞lim bn=b.Seic∈IR.Dann gilt (L1) lim
n→∞c an = c lim
n→∞an =c·a
(L2) lim
n→∞(an±bn) = lim
n→∞an± lim
n→∞bn =a±b (L3) lim
n→∞(an·bn) = lim
n→∞an· lim
n→∞bn =a·b (L4) lim
n→∞
an bn
= lim
n→∞an/ lim
n→∞bn =a
b, fallsbn, b6= 0.
Beispiele 6.5 (Ermittlung von Grenzwerten):
1 an= 4n3−6
6n3+ 2n2 = 4n3−6 6n3+ 2n2 ·
1 n3
1 n3
=4−n63
6 + 2n
n→∞−→ 4 6 = 2
3. 2 an= n−1
2n2+ 1 = n−1 2n2+ 1·
1 n2
1 n2
=
1 n−n12
2 +n12
n→∞−→ 0 2 = 0.
3 an= 3n+1+ 2n
3n+ 1 = 3n+1+ 2n 3n+ 1 ·
1 3n
1 3n
=3 + 23n
1 + 13n
n→∞−→ 3 1 = 3, da 23n
→0und 13n
→0f¨urn→ ∞nach Beispiel 6.25.
Tipp: Bei den Beispielen wird der Quotient mit dem Kehrwert des f¨uh- renden Terms erweitert und dann eine der Regeln angewendet. Diese Um- formungen sind notwendig, damit die Limesrechenregeln f¨urkonvergente Folgen angewendet werden k¨onnen.
6.2 Funktionsgrenzwert
6.2In Abschnitt 6.1 werden Grenzwerte von Zahlenfolgen (xn)n∈IN untersucht.
Dieser Begriff wird nun direkt auf Funktionsgrenzwerte ausgedehnt, indem Folgen der Form(f(xn))n∈INbetrachtet werden. Zur Einf¨uhrung untersuchen wir das Verhalten der Funktionf(x) =x2 an der Stellex0= 2.Dazu w¨ahlen wir die Folge
(xn)n = 1.9, 1.99,1.999,1.9999, . . .n→∞−→ 2 und berechnen zu jedem Folgenglied den Funktionswert
(f(xn))n = 3.61,3.9601,3.996,3.9996, . . .n→∞−→ 4. DieFolge der Funktionswertekonvergiert gegen den Wert 4.
Um den Funktionsgrenzwert zu gegebener Funktion f an einer Stelle x0 zu erhalten, w¨ahlt man sich eine Zahlenfolgexn n→∞−→ x0 aus dem Definitionsbe- reich vonf und wendet die Funktion f auf xn an. Dann untersucht man die Konvergenz der Folge (f(xn))n (= Grenzwertuntersuchung der Funktion an der Stelle x0). In unserem Beispiel gilt auch f¨ur jede andere Folge(xn)n, die gegen den Wert 2 konvergiert, dassf(xn)n→∞−→ 4.Man schreibt daher:
n→∞lim f(xn) = lim
x→2 (x<2)
f(x) = lim
x→2 (x<2)
x2= 4.
Da die Folgenglieder x < 2, nennt man diesen Grenzwert den linksseitigen Grenzwertvonf(x) =x2an der Stellex0= 2.
Beispiel 6.6 (Mit Maple-Worksheet). Man kann diesen Sachverhalt an- schaulich darstellen, indem sowohl die Folge(xn)nals auch die Funktionsfolge (f(xn))n in ein Schaubild gezeichnet werden. Zur ¨ubersichtlicheren Darstel- lung w¨ahlen wir nun die Folgexn= 2−n12
n→∞−→ 2:
Abb. 6.3.Linksseitiger Funktionsgrenzwert beix0= 2
Man erkennt, dass diexn-Werte sich der Zahl2von links ann¨ahern; die Funkti- onswertef(xn)demy-Wert4. Analog erh¨alt man denrechtsseitigenGrenzwert der Funktion beix0= 2,indem man als Zahlenfolge z.B.
(xn)n= 2.1,2.01,2.001,2.0001, . . .→2 w¨ahlt. Dazu ist die zugeh¨orige Funktionsfolge
(f(xn))n= 4.41,4.041,4.004,4.0004, . . .→4.
Auch hier gilt allgemeiner, dass der Funktionsgrenzwert unabh¨angig von der gew¨ahlten Zahlenfolge xn ist.Man schreibt f¨ur den rechtsseitigen Grenzwert
n→∞lim f(xn) = lim
x→2 (x>2)
f(x) = lim
x→2 (x>2)
x2= 4.
F¨ur die Funktion f(x) =x2 existieren beix0= 2also sowohl der linksseitige als auch der rechtsseitige Grenzwert der Funktion und beide sind gleich 4.
6.2 Funktionsgrenzwert 231
Definition: (Funktionsgrenzwert). Eine Funktion f sei in einer Um- gebung vonx0definiert. Gilt f¨urjedeim Definitionsbereich der Funktion liegende Folge (xn)n,die gegenx0konvergiert, stets
n→∞lim f(xn) =g∈IR, so heißtg derGrenzwertvonf(x)f¨ur xn
n→∞−→ x0.
Schreibweise: lim
n→∞f(xn) = lim
x→x0
f(x) =g,wennxn
n→∞−→ x0.
Bemerkungen:
(1) Es wirdnichtgefordert, dassx0 aus dem Definitionsbereich der Funktion ist.
(2) Der Grenz¨ubergang x→ x0 bedeutet, dass xder Stelle x0 beliebig nahe kommt,ohneden Wert x0 anzunehmen!
(3) Es kann der Fall eintreten, dass, obwohlx0 ∈/ID,der Funktionsgrenzwert existiert, d.h. der linksseitige mit dem rechtsseitigen Grenzwert ¨uberein- stimmt.
(4) Derlinksseitige Grenzwert wird auch oftmals bezeichnet mit gl:= lim
x→x0
(x<x0)
f(x) = lim
h→0f(x0−h) und derrechtsseitige Grenzwert mit
gr:= lim
x→x0
(x>x0)
f(x) = lim
h→0f(x0+h) .
Beispiele 6.7:
1 DieHeaviside-Funktion:
f :IR→IR mitf(x) =
0 f¨ur x <0 1 f¨ur x≥0
Die Heaviside-Funktion ist die Funktion, die f¨ur negativex-Werte Null und f¨ur positivex-Werte den Funktionswert 1 besitzt. Sie wird in den Anwen- dungen auch oftmals mit SprungfunktionS(x)bzw. als Einschaltfunktion bezeichnet. Die Heaviside-Funktion besitzt beix0= 0keinenGrenzwert,
da der rechtsseitige Grenzwert nicht mit dem linksseitigen ¨ubereinstimmt:
gl= lim
h→0f(x0−h) = lim
h→0f(−h) = lim
h→00 = 0, gr= lim
h→0f(x0+h) = lim
h→0f(h) = lim
h→01 = 1.
2 F¨ur die Funktion
f :IR\ {2} →IR mitf(x) = x2−2x x−2
existiert der Funktionsgrenzwert an der Stellex0= 2,obwohlx0∈/ID:
gl= lim
x→x0
(x<x0)
f(x) = lim
x→2 (x<2)
x2−2x x−2 = lim
x→2 (x<2)
x= 2,
gr= lim
x→x0
(x>x0)
f(x) = lim
x→2 (x>2)
x2−2x x−2 = lim
x→2 (x>2)
x= 2.
Der Faktor (x−2) ist im Z¨ahler und Nenner enthalten und kann damit gek¨urzt werden.
3 Die Funktion
f :IR\ {0} →IR mitf(x) = 1 x besitzt inx0= 0 keinenGrenzwert, denn
gl= lim
h→0f(x0−h) = lim
h→0=−1
h → −∞, gr= lim
h→0f(x0+h) = lim
h→0= 1
h→+∞.
Nicht f¨ur alle Funktionsgrenzwerte ist die Frage der Konvergenz so einfach zu beantworten wie in den obigen Beispielen. Man braucht dann in der Regel zu- s¨atzliche geometrische ¨Uberlegungen.
6.2 Funktionsgrenzwert 233
Beispiel 6.8. lim
x→0
sin (x)
x =?
Geometrisch entspricht der Grenzwert der Funktion f(x) = sinx
x an der Stelle x0 = 0der Tatsache, dass im Einheitskreis f¨ur0< x < π2 gilt: tanx > x >sinx
⇒ 1
cosx > x
sinx >1⇒cosx < sinx x <1
⇒1 = lim
x→0cosx≤lim
x→0
sinx x ≤1.
Man erh¨alt also insgesamt
x→0lim sinx
x = 1
Beispiel 6.9.Ahnliche geometrische ¨¨ Uberlegungen f¨uhren auf die Formel
x→0lim ex−1
x = 1.
Denn f¨ur kleine, positivex-Werte ist
1 +x < ex<1 +x+x2.
Damit istx < ex−1< x(x+1)bzw.1< exx−1 < x+1. Der Grenz¨ubergang x→0liefert dann die behauptete Formel.
Verhalten der Funktion f¨ur Folgen x → ±∞: Gilt f¨ur jede Fol- ge (xn)n∈IN aus dem Definitionsbereich von f mit xn
n→∞−→ ∞, dass f(xn) n→∞−→ g konvergiert, so heißt g der Grenzwert der Funktion f¨ur x→ ∞:
x→∞lim f(x) =g.
Um die Funktionsgrenzwerte zu berechnen, sowohl f¨ur xn → x0 als auch f¨ur xn→ ±∞, gelten dieselben Rechenregeln wie f¨ur reelle Zahlenfolgen:
Rechenregeln f¨ur Funktionsgrenzwerte: Unter der Voraussetzung, dass die Grenzwerte lim
x→x0
f(x)und lim
x→x0
g(x)existieren, gelten folgende Regeln:
(F1) lim
x→x0
c f(x) = c lim
x→x0
f(x).
(F2) lim
x→x0
(f(x)±g(x)) = lim
x→x0
f(x)± lim
x→x0
g(x).
(F3) lim
x→x0
(f(x)·g(x)) = lim
x→x0
f(x)· lim
x→x0
g(x).
(F4) lim
x→x0
f(x)
g(x) =
x→xlim0
f(x)
x→xlim0g(x), falls lim
x→x0
g(x)6= 0.
Bemerkungen:
(1) Die Regeln gelten auch f¨ur Grenzwerte von Funktionen f¨urx→ ±∞,falls die Grenzwerte lim
x→±∞f(x)und lim
x→±∞g(x)existieren.
(2) F¨ur Grenzwerte vom Typ 00 und ∞∞ gelten die Regeln von l’Hospital,auf die in Abschnitt 7.7.3 n¨aher eingegangen wird!
Beispiele 6.10:
1 lim
x→0
x2−2x+ 5 cosx =
x→0lim x2−2x+ 5
x→0lim cosx =5 1 = 5.
2 lim
x→∞
2x2+ 4 x2−1 = lim
x→∞
2x2+ 4 x2−1 ·
1 x2 1 x2
= lim
x→∞
2 + x42
1−x12
=2 1 = 2.
3 lim
x→1
x−1 x2−1 = lim
x→1
x−1
(x−1) (x+ 1) = lim
x→1
1 x+ 1 =1
2.
4 lim
x→∞
4 + 2x x2+ 1 = lim
x→∞
4 + 2x x2+ 1 ·
1 x2 1 x2
= lim
x→∞
4 x2 +x2 1 +x12
=0 1 = 0.
5 lim
x→0
√x+ 1−1
x = lim
x→0
√x+ 1−1 √
x+ 1 + 1 x √
x+ 1 + 1
= lim
x→0
(x+ 1)−1 x √
x+ 1 + 1= lim
x→0
√ 1
x+ 1 + 1 = 1 2.
6.3 Stetigkeit einer Funktion 235
6.3 Stetigkeit einer Funktion
6.3Eine Funktion f :IR → IR heißtstetig, wenn der Graph keine Spr¨unge auf- weist. Mit dieser Erkl¨arung hat man sich lange Zeit begn¨ugt, und f¨ur die meis- ten Anwendungen reicht diese anschauliche Interpretation aus. Die Funktion f :IR →IR mitf(x) =x2 ist demnach stetig. Um auch Grenzf¨alle wie z.B.
die Funktionf :IR\ {π2+k π , k∈ZZ} →IR mitf(x) = tanxklassifizieren zu k¨onnen, ben¨otigt man die folgende pr¨azise Definition:
Quadratfunktion Tangens
Definition: (Stetigkeit). Ist x0 ∈ ID und ist die Funktion f in einer Umgebung vonx0definiert. Die Funktionf heißtstetig inx0, wenn der Funktionsgrenzwert in x0 existiert und mit dem Funktionswert f(x0) ubereinstimmt.¨
kurz:f ist inx0∈IDstetig,wenn lim
h→0f(x0+h) = lim
h→0f(x0−h) =f(x0).
Bemerkungen:
(1) Die Stetigkeit im Punktex0 setzt voraus, dassx0∈ID. Stellen, an denen f nicht definiert ist, sindDefinitionsl¨ucken.Dort wird die Stetigkeit nicht untersucht.
(2) Istf in jedem Punktx∈ID stetig, so nennt man f einestetige Funktion.
(3) Man kann die Stetigkeit einer Funktion beix0 auch umformulieren:
x→xlim0
f(x) =f
x→xlim0
x
=f(x0).
Bei Stetigkeit d¨urfen Grenzwertbildung und Funktionsauswertung vertauscht werden.
Beispiele 6.11:
1 Polynomef :IR→IR mitf(x) =a0+a1x+. . .+anxn sind in jedem Punkt x∈IRstetig.
2 Die Betragsfunktion f :IR→IR mitf(x) =|x|
ist auch bei x0= 0stetig, da
h→0lim f(x0+h) = lim
h→0f(h) = lim
h→0h= 0
h→0limf(x0−h) = lim
h→0f(−h) = lim
h→0|−h|= 0
f(0) = 0.
3 Die Sprungfunktion (Heavisidefunktion), die zur Beschreibung von Einschaltvorg¨angen dient,S :IR→IR mit
S(x) =
1 f¨ur x≥0 0 f¨ur x <0
ist beix0= 0nicht stetig, da sie einen Sprung aufweist:
h→0lim f(x0+h) = lim
h→0S(h) = 1,
h→0lim f(x0−h) = lim
h→0S(−h) = 0.
4 DieVorzeichenfunktion (Signumfunktion) sign:IR→IR mit
sign(x) =
1fur x >¨ 0 0fur x¨ = 0
−1fur x <¨ 0
ist an der Stellex0= 0nicht stetig.
6.4 Intervallhalbierungs-Methode 237
5 Die Funktion f :IR\ {2} →IR
mit f(x) =x2−2x x−2
hat an der Stellex0 = 2eine Definitionsl¨ucke. Nach Beispiel 6.72 exis- tieren inx0= 2der rechtsseitige und linksseitige Grenzwert und stimmen
¨uberein. Man definiert diestetige Erweiterungvonf: f˜:IR→IR mit f˜(x) =
f(x) f¨ur x6= 2 2 f¨ur x= 2 .
Dann ist die Funktion f˜in x0 stetig und damit f¨ur alle x ∈ IR stetig.
Oftmals verzichtet man auf die Notationf˜und verwendet als Bezeichnung f¨ur die stetige Erweiterung wieder den Funktionsnamenf.
6.4 Intervallhalbierungs-Methode
6.4Grundlage f¨ur eine einfache numerische Methode zur Bestimmung von Nullstel- len einer Funktion bildet der folgende, anschauliche Satz: Jede stetige Funktion, die auf einem Intervall[a, b]einen Vorzeichenwechsel hat, besitzt in diesem In- tervall eine Nullstelle (siehe Abb. 6.4):
Abb. 6.4.Intervallhalbierungs-Methode
Zwischenwertsatz:Seif : [a, b]→IR eine stetige Funktion mit (f(a)<
0 und f(b) > 0) oder (f(a) > 0 und f(b) < 0). Dann existiert eine Zwischenstelle ξ∈(a, b)mit der Eigenschaft
f(ξ) = 0.