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Archiv "DDR: Probleme beim „Hausarzt-prinzip“" (10.03.1988)

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rhebliche Ausfallzeiten bei Sprechstunden der Allge- meinärzte in staatlichen Gesundheitseinrichtungen wurden bei einer Ubersicht über die Entwicklung von Konsultationen und Hausbesuchen in den letzten 15 Jahren festgestellt. Bei der Untersu- chung (aus dem Institut für Sozialhy- giene und Organisation des Gesund- heitswesens "Maxim Zetkin", Ost- berlin) ergab sich statistisch eine be- trächtliche Verbesserung der ambu- lanten Versorgung der Bevölkerung von 1970 bis 1985:

~ Die Zahl der ambulant täti- gen Ärzte im staatlichen Gesund- heitswesen stieg von 10 687 auf 18 384 (bei gleichzeitig leicht abneh- mender Bevölkerungszahl);

~ Die Zahl der Konsultationen erhöhte sich von 111,9 auf 150,5 Mil- lionen (das heißt von 6,5 auf 9 je Bürger). Ein Teil der Zunahme er- klärt sich daraus, daß im Berichts- zeitraum 1386 noch in eigener Praxis tätige Ärzte aus Altersgründen ihre Tätigkeit aufgaben. Mehr als die Hälfte aller Konsultationen wird von Allgemeinärzten durchgeführt;

~ Die Zahl der Hausbesuche stieg zunächst von 7,3 auf 8,2 Millio- nen (1976), ging dann aber auf 6,9 Millionen zurück. Hier ist aber zu bemerken, daß Mitte der siebziger Jahre der "Dringliche Hausbesuchs- dienst" der "Schnellen Medizini- schen Hilfe" hinzukam, über den nur Schätzungen vorliegen (in den obigen Zahlen nicht enthalten; ein Teil der dringlichen Einsätze sind im Grunde genommen Hausbesuche).

Dementsprechend haben von 1970 bis 1985 die Zahlen der auf je- den Allgemeinarzt entfallenen Kon- sultationen und Hausbesuche erheb- lich abgenommen. Als man jedoch der Frage nachging, ob sich , ,dieses gewachsene Arbeitszeitvermögen'' auch in , ,direkter patientenwirksa- mer Arbeitszeit'' niedergeschlagen hat - ob also für den einzelnen Pa- tienten mehr Zeit zur Verfügung steht -, stellte sich heraus: dies ist keineswegs der Fall.

Bei Stichproben in drei Kreisen der DDR wurde ermittelt, daß nicht selten 40 Prozent der im Stellenplan von Polikliniken, Ambulatorien und Staatlichen Arztpraxen geführten

Allgemeinmediziner noch in der Weiterbildung sind. Allein die damit verbundenen Hospitationen in klini- schen Einrichtungen führen zu Re- duzierungen der Arbeitszeit um 20 Prozent und mehr. Weitere rund 20 Prozent der Arbeitszeit gehen - wie dies in der Volkswirtschaft der DDR allgemein üblich sei- durch "sozial- politische Maßnahmen" verloren;

damit sind gemeint die Vergünsti- gungen bei Mutterschaft, Familien mit mehreren Kindern, Schichtar- beit, Haushaltstage, Urlaub usw.

Hinzu kommen weitere Tätig- keiten, die gerade Allgemeinärzte vom eigentlichen Arbeitsplatz fern- halten: Teilnahme an der , ,Schnel- len Medizinischen Hilfe'', Kommis-

DDR:

Probleme beim

Hausarzt-

" p . ip"

sions- und Leitungssitzungen, Fort- bildung, politische und gesellschaft- liche Verpflichtungen, Betreuung von Massenveranstaltungen, Kin- der- und Alteneinrichtungen, Mu- sterungen und ähnliches. Für die Stadt Leipzig sind allein die Ausfälle durch derartige Tätigkeiten - ein- schließlich der Qualifizierung, aber ohne die oben erwähnten sozialpoli- tischen Maßnahmen - auf mehr als ein Viertel der Sprechstunden der Allgemeinärzte beziffert worden.

Die Untersuchung kommt zu drei wesentlichen Schlußfolgerun- gen:

~ Die Leiter ambulanter Ein- richtungen und die Kreisärzte haben , ,mit wenigen Ausnahmen'' keinen Überblick über die tatsächlichen Leistungen der Ärzte oder über die Ausfallzeiten.

~ Es fehlt an methodischen Grundlagen, um die Leistung ambu- lant tätiger Ärzte zu messen und zu beurteilen.

~ Die Tätigkeit der Ärzte au- ßerhalb der Sprechstunden- und Hausbesuchszeiten müsse auf das

wirklich notwendige Maß begrenzt werden.

Aus dieser Untersuchung wird erst richtig verständlich, warum DDR-Politiker immer wieder for- dern, das "Hausarztprinzip" müsse überall in der DDR "durchgesetzt"

werden. Seit im Jahre 1973 dieser Begriff in die Gesundheitspolitik der DDR eingeführt wurde, hat man ihn im Westen immer wieder als Widerspruch zu dem Staatlichen Ge- sundheitssystem der DDR empfun- den.

Es handelt sich aber offenbar wirklich um den Versuch, ein so

"personalisiertes" Element ärzt-

licher Betreuung wie den Hausbe- such einem auf Institutionalisierung gestützten Gesundheitswesen aufzu- pfropfen. Naturgemäß machen Ideologie, die sogenannten gesell- schaftlichen Verpflichtungen und die Bürokratie dabei Schwierig- keiten. Im Rahmen der zitierten Un- tersuchung wurden auch Ärzte und andere Mitarbeiter der Gesundheits- einrichtungen nach ihrer Meinung gefragt, warum die Hausbesuche zu- rückgegangen sind. Als Gründe wurden unter anderem genannt technische Mängel an Fahrzeugen und Benzinknappheit, aber eben auch Mängel in der Leitungstätigkeit und ein zu geringer Einfluß der Lei- tungen auf Kontrolle, Verlegung oder Vertretung bei Sprechstunden und Hausbesuchen.

Recht deutlich sprach Oberme- dizinalrat Dr. Edgar Harig, Stellver- treter des Ministers für Gesundheits- wesen, in einer Veröffentlichung die Probleme des Hausarztprinzips an.

Es habe sich als günstig erwiesen, wenn der Arzt in unmittelbarer Nä- he der von ihm betreuten Bürger wohne und arbeite. Auch aus die- sem Grunde bevorzugten viele Bür- ger kleinere Ambulatorien mit drei bis fünf ärztlichen Arbeitsplätzen und einer Gemeindeschwesternsta- tion in räumlicher Nähe ihrer Woh- nung.

Im übrigen soll nach Dr. Harig das Fachgebiet Allgemeinmedizin

"durch planmäßige Zuführung von

Kadern" so gestärkt werden, daß bis zum Jahr 1990 in jedem Kreis ein Allgemeinarzt für je 2100 Bürger zur

Verfügung steht. gb

Dt. Ärztebl. 85, Heft 10, 10. März 1988 (31) A-583

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