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arktmacht ist nur über einheitli- ches Handeln zu erreichen – so lautet die Devise, nach der der Vorsitzende der Kassenärztlichen Ver- einigung (KV) Nord-Württemberg, Dr.med. Werner Baumgärtner, den Ausbau des Medi-Verbundes als einer gewerk- schaftlichen Interessenvertretung der Ärzte in seinem Sprengel (in Ansätzen auch schon über dessen Grenzen hin- aus) vorantreibt. Wie dies funktioniert, wurde am Beispiel der Vertragsab- schlüsse mit den Krankenkassen zum Modellversuch Akupunktur vorge- führt. Den Bestrebungen der Kranken- kassen, auf der Basis von Einzelverträ- gen eine ausreichend große Zahl von Ärzten für den Modellversuch zu ge- winnen, war die Forderung nach Ver- tragsabschlüssen mit dem Medi-Ver- bund entgegengesetzt worden.
Erfolgreich konnte die ärztliche Ba- sis mobilisiert werden, eine Teilnahme am Modellversuch Akupunktur so lan- ge zu verweigern, bis eine Einigung mit Medi-Verbund zustande kam. Inzwi- schen liegen Vertragsabschlüsse mit den meisten Krankenkassen vor. Die- jenigen Ersatzkassen, die weiterhin auf Akupunktur-Einzelverträge setzen, werden dabei zukünftig ohne Medi- Ärzte, die in Nord-Württemberg rund zwei Drittel der niedergelassenen Ärzte stellen, auskommen müssen. Den weni- gen Medi-Ärzten, die nicht bereit wa- ren, aus ihren Einzelverträgen mit den Ersatzkassen auszusteigen, soll nach ei- nem Ausschlussverfahren die Medi- Mitgliedschaft entzogen werden.
Für Baumgärtner hat die Auseinan- dersetzung um die Akupunktur einen sehr hohen Stellenwert, weil hier das Me- di-Prinzip „entweder alle oder keinen“
exemplarisch hätte umgesetzt werden
können.Bei zukünftigen Konflikten,zum Beispiel bei Durchführung der Disease- Management-Programme (DMP), hält er den Medi-Verbund für bestens gerü- stet. Die Ersatzkassen, die Akupunktur- Verträge mit Medi weiterhin ablehnen, sollen noch verstärkt unter Druck gesetzt werden, indem Medi-Ärzte eine Teilnah- me an deren DMP verweigern.
Bei der Delegiertenversammlung der Vertragsärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg – nach dem Aus- scheiden der KV nunmehr alleinige Ge- sellschafterin des Medi-Verbundes – am 20. November in Stuttgart betonte Baumgärtner, dass die Kassenärztli- chen Vereinigungen für ihn keinen Selbstzweck darstellten. KVen seien für Ärzte nur so lange akzeptabel, wie sie deren Interessenvertretung überneh- men können. Er sei nicht dazu bereit, sich mit einer KV auf reine Ordnungs- funktionen zu beschränken.
Verschärfter Widerstand
Mit der beabsichtigten Verlagerung fachärztlicher Leistungen in die Kran- kenhäuser habe die Politik die nieder- gelassenen Fachärzte ins Visier genom- men und indirekt zur Aushebelung der KVen angesetzt. Für die Fachärzte sei es höchste Zeit, sich zu organisieren und für politischen Druck zu sorgen. Baum- gärtner kündigte an, der Medi-Verbund werde gegenüber den Krankenhäusern, die verstärkt in die ambulante Versor- gung einsteigen wollen, sein Droh- potenzial voll ausspielen. Die Ver- tragsärzte seien zumindest in den Städ- ten durchaus in der Lage, den Patien- tenstrom an bestimmten Krankenhäu- sern vorbeizusteuern, sodass es sich die
Krankenhäuser zweimal überlegen würden, diesen Konflikt auszutragen.
Überzeugt ist Baumgärtner davon, dass KVen nur dann eine Zukunfts- chance haben, wenn sie starke Parallel- organisationen aufbauen. Für eine schlagkräftige gewerkschaftsähnliche Interessenvertretung sei die Mitglied- schaft von mindestens 50 Prozent der Vertragsärzte erforderlich – eine Quote, die in Nord-Württemberg mittlerweile weit überschritten ist. Sollten die KVen vom Gesetzgeber abgeschafft oder in ih- rer berufspolitischen Funktion noch mehr eingeschränkt werden, hat Baum- gärtner deshalb keine Zweifel, mit dem Medi-Verbund eine flächendeckende ambulante Versorgung und Interessen- vertretung der Ärzte und Psychothera- peuten organisieren zu können. „Wir sind vorbereitet, und wir sind konflikt- bereit“, so Baumgärtners Fazit – nicht zuletzt angesichts der vom Bundestag mit rot-grüner Mehrheit beschlossenen Null-Runde für das Jahr 2003.
Positiv überrascht zeigten sich die Delegierten der Vertragsärztlichen Vereinigung von der Konfliktbereit- schaft, die wenige Stunden zuvor bei ei- ner Kundgebung von rund 1 500 Ärzten gegen das Vorschaltgesetz zum Aus- druck gekommen war. Eine hohe Ak- zeptanz für verschärfte Formen des Wi- derstands, etwa nach dem Vorbild der französischen Ärzte, sei deutlich spür- bar gewesen. Falls die Bundesregierung ihren gegen die Ärzte gerichteten Kurs fortsetze, würden die nord-württem- bergischen Ärzte auf jeden Fall weitere Aktionstage mit vorübergehenden Pra- xisschließungen folgen lassen. Auf der Kundgebung der Vertragsärztlichen Vereinigung hatte der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württem- berg, Prof. Dr. med. Friedrich-Wilhelm Kolkmann, angekündigt, dass die Lan- desärztekammer „Maßnahmen des zi- vilen Ungehorsams nach Kräften un- terstützen“ werde. Wie diese genau aussehen könnten, blieb nach der Dis- kussion in der Delegiertenversamm- lung noch offen. Allerdings schließt Baumgärtner eine Rückgabe der Kas- senzulassung durch die Ärzte als Kampfmaßnahme für die Zukunft nicht mehr aus. Nord-Württemberg sei derzeit die einzige Region, in der so et- was funktionieren würde. Thomas Gerst P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 496. Dezember 2002 AA3303