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ir bieten der Bundesregierung uneingeschränkt unsere kon- struktive Zusammenarbeit in allen Fragen der Arzneimittelversor- gung an“, betonte der Präsident der ABDA – Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände, Hans-Günter Frie- se, zum Auftakt des Deutschen Apothe- kertages am 10. Oktober in Berlin.Gehör muss sich der Verband verschaf- fen, will er sein zentrales Anliegen – den Erhalt des Versandhandelsverbots für Arzneimittel – gegen allen Widerstand doch noch durchsetzen. In diesem Punkt hat die Wiederwahl der rot-grünen Ko- alition den Apothekern das Leben nicht erleichtert. Um die steigenden Arznei- mittelausgaben in den Griff zu bekom- men, stehe der Arznei-Versandhandel nach wie vor auf der Tagesordnung, wie die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Gudrun Schaich-Walch, bekräftigte.
Der Bezug von Medikamenten aus dem EU-Ausland könne in der Praxis nicht unterbunden werden. „Deshalb beab- sichtigen wir, zum Internet-Handel mit Arzneimitteln in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission Regelungen zu schaffen, die ein hohes Maß an Verbrau- cherschutz, Arzneimittelsicherheit und faire Wettbewerbsbedingungen enthal- ten“, so Schaich-Walch.
Für die Apotheker hingegen ist die Versandhandelsdiskussion eine Existenz- frage. „Fakt ist, dass der Versandhandel das Ende der zuverlässigen und wohnort- nahen Arzneimittelversorgung einläutet, weil er sich auf das eine Prozent der Ver- sicherten konzentrieren würde, auf die 20 Prozent der Arzneimittelausgaben ent- fallen“, sagte ABDA-Präsident Friese.
Fakt sei weiterhin, dass man die fach- lichen und sozialen Leistungen einer
Apotheke nicht versenden könne. Be- stätigt sieht sich Friese in dieser Auffas- sung durch den überwältigenden Erfolg der „Initiative Pro Apotheke“, bei der sich 7,7 Millionen Apothekenkunden mit ihrer Unterschrift gegen den Versand- handel ausgesprochen hatten.
Vermutlich im nächsten Jahr wird der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden, ob das deutsche Versand- handelsverbot mit europäischem Wett- bewerbsrecht vereinbar ist. In diesem Zusammenhang appellierte ABDA- Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Rainer
Braun an die Bundesregierung, nicht in vorauseilendem Gehorsam bewährte Strukturen zu verändern, sondern zu- nächst einmal das Urteil abzuwarten.
Braun betonte, dass es den Apothekern bei der strikten Ablehnung des Ver- sandhandels nicht in erster Linie um die eigenen Umsätze gehe. Mit einer EU- weiten Aufhebung des Versandhandels- verbots fänden vielmehr die unter- schiedlichsten Apothekenrechtsstruktu- ren Eingang in den deutschen Markt.
Das bedeute, dass Apotheken in Fremd- und Mehrbesitz, Ketten und Kapitalgesellschaften in Deutschland tätig werden könnten. In einer Resolu- tion hat der Apothekertag deshalb die Bundesregierung aufgefordert, die Ver- sandhandelsdebatte zu beenden und sich für den Erhalt der mittelständischen, freiberuflich geführten Apotheke einzu- setzen. Es gehe um die Existenz von 21 500 Apotheken mit etwa 140 000 wohnortnahen Arbeitsplätzen.
Verbandspräsident Friese wehrte sich gegen Vorwürfe, die ABDA betrei- be Blockadepolitik. Der Verband habe ein Konzept vorgelegt, das die Ziele des Versandhandels integriere, ohne die be- währte Versorgung zu gefährden. Die Vorschläge sähen unter anderem ein Homeservice-Konzept vor, in dessen Rahmen die pharmazeutische Betreu- ung bis ans häusliche Krankenbett gesi- chert sei.Als pharmazeutische Betreuer wollen die Apotheker zudem in die Programme für chronisch Kranke einge- bunden werden.
Nach Ansicht von ABDA-Haupt- geschäftsführer Braun greift die derzei- tige gesundheitspolitische Diskussion ohnehin zu kurz, in der die steigenden Arzneimittelausgaben für die Finanzmisere der Ge- setzlichen Krankenversi- cherung (GKV) verant- wortlich gemacht werden.
Die Ausgaben für Arznei- mittel lägen im jahrzehn- telangen Durchschnitt bei 14 bis 16 Prozent der GKV- Gesamtausgaben. Die Kas- sen hätten in erster Li- nie ein Einnahmeproblem.
Dennoch wollen die Apo- theker zur Reduzierung der Ausgaben beitragen.
Ihr Vorschlag zielt auf eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. Durch eine Anhebung der Preise für rezept- freie Medikamente und eine Senkung der Preise für Innovationen lassen sich nach Berechnungen der ABDA inner- halb von vier Jahren mehr als drei Milli- arden Euro sparen. Frieses Fazit am En- de der Eröffnungsfeier: „Es lohnt sich, sich für diesen schönen Beruf einzubrin- gen, Schlechtes zu benennen und Gutes zu bewahren.“ Heike Korzilius P O L I T I K
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A2750 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4218. Oktober 2002
Deutscher Apothekertag 2002
Schlechtes benennen, Gutes bewahren
In einer Resolution fordern die Apotheker die Regierung auf, die mittelständische, freiberuflich geführte Apotheke zu erhalten und die Diskussion um den Arzneiversand zu beenden.
Der Schein trügt. Mit ihren Plänen zum Arzneiversand erregte Staatssekretärin Schaich-Walch heftige Proteste.
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