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© 2016 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1617-9439/15/0303-3 Physik Journal 15 (2016) Nr. 3 3 M E I N U N G

T

schernobyl, Fukushima, Sella­

field, Hiroshima, Nagasaki – wir blicken auf 70 Jahre Erfah­

rung im Umgang mit Nuklear­

katastrophen zurück. Da stellt sich die Frage, wie wir mit solchen Situationen verantwortungsvoll umgehen – wir, die Repräsentanten der Physik, die wesentlichen Anteil hatten und haben an den Entwick­

lungen nuklearer Technologien.

Nuklearkatastrophen treten extrem selten auf. Deshalb mag die Frage erlaubt sein, ob es über­

haupt nötig ist, Vorsorge zu treffen, die Schutz und Sicherheit der im Katastrophenfall betroffenen Men­

schen „garantiert“. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Nuklear­

katastrophen passieren können.

Allein diese Tatsache begründet die Notwendigkeit zur Vorsorge, auch wenn diese Schutz und Sicherheit nicht „garantieren“ kann. Ziel muss es vielmehr sein, im Ereignisfall die Konsequenzen auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Dies setzt ei­

nen aktiven Dialog zwischen den verantwortlichen Organisationen, der Wissenschaft, der Industrie und der Bevölkerung voraus sowie die Bereitschaft jedes Einzelnen, angemessen Vorbereitungen für den eigenen Schutz zu treffen.

Die Auswirkungen von Nuklear­

katastrophen auf die menschliche Gesundheit und die Gesellschaft beschränken sich nicht auf die Wir­

kung ionisierender Strahlung: Die Situation in Japan hat in den letzten Jahren erneut gezeigt, dass auch die Angst vor möglichen Gefahren der Strahlung krank machen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt destabilisieren kann.

Diese negativen Erfahrungen sind wesentlich auf mangelnde Vorsorge und Planung von Schutz­

maßnahmen sowie die begrenzte psychische Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft zurückzu­

führen. In der Folge wurden die

Grundlagen menschlichen Lebens und sozialer Strukturen immer wieder nachhaltig erschüttert und das Vertrauen in Wissenschaft, In­

dustrie und in die politisch Verant­

wortlichen massiv gestört.

Die fachlichen Grundlagen zum Schutz von Mensch und Umwelt bei Nuklear katastrophen liegen vor.

Die praktische Umsetzung verlangt, dass menschliche und technische Ressourcen verfügbar sowie die für die Gefahrenabwehr etablierten Organisationseinheiten erfahren sind. Zudem muss die betroffene Bevölkerung bereit und in der Lage sein, bei der Bewältigung der Kata­

strophensituation mitzuwirken.

Obwohl umfangreiche Maßnah­

men getroffen wurden, zeigten sich immer wieder Defizite:

n Schutzmaßnahmen wie die schnelle Evakuierung großer Men­

schenmengen sind mit Mortalitäts­

risiken verbunden – in Fukushima starben nach der Evakuierung viele ältere Menschen, für die aufgrund ihres Alters ein strahlenbedingtes Krebsrisiko nicht gegeben war.

n Dekontaminationsmaßnahmen in hoch exponierten Lebensbe­

reichen produzieren Abfälle – ein fundiertes Konzept zum Umgang mit solchen radioaktiv belasteten Materialien besteht aber nicht.

n Die vorliegenden Schutzkon­

zepte sehen vor, dass die aus hoch exponierten Gebieten umgesie­

delten Menschen nach erfolgter Dekontamination in ihre Heimat zurückkehren dürfen – verbind­

liche Strahlenschutzkriterien hier­

für fehlen jedoch.

n Die über ihre Gesundheit be­

sorgten Menschen konsultieren Ärzte ihres Vertrauens – leider fehlt es bei vielen von ihnen aber an hin­

reichendem Fachwissen über die Risiken ionisierender Strahlung.

Die derzeit laufenden Vorberei­

tungen zur Umsetzung einer EU­

Richtlinie zur „Festlegung grund­

legender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung“ in nationales Recht sowie die vielfältigen fachlichen Empfehlungen der Strahlenschutz­

kommission bieten die einmalige Gelegenheit, um die bestehenden Defizite zu beheben.

Was bleibt zu tun? Wir müssen akzeptieren, dass Nuklearkatastro­

phen geschehen können. Das gilt auch für Staaten, die kein Nuklear­

programm haben oder einen Aus­

stiegsbeschluss gefasst haben. Man stelle sich ein solches Ereignis in Europa mit seinen vielen national­

staatlich unterschiedlichen Regula­

rien zum Schutz der Menschen vor!

Dennoch sollte man nicht in Panik oder Depression verfallen, sondern sich auf allen Handlungsebenen mit den denkbaren Gefahren sol­

cher Ereignisse und den Schutz­

möglichkeiten auseinander setzen und entsprechend Vorsorge treffen.

Hier sind die etablierten Stellen der Gefahrenabwehr, die Wissenschaft und die Gesellschaft insgesamt gefordert. Wir müssen Methoden entwickeln, um radio logische Situationen charakterisieren und korrekt einschätzen zu können.

Als Physiker sollten wir die zu­

ständigen Organisationen fachlich unterstützen und die Menschen in unserem Umfeld kompetent bera­

ten. Damit können wir einen wich­

tigen Beitrag zum verantwortlichen Umgang mit künftigen Nuklear­

katastrophen leisten.

Verantwortungsvoller Umgang

Auch wenn Nuklearkatastrophen extrem selten eintreten, ist es dringend erforderlich, Schutzmaßnahmen für den Katastrophenfall zu ergreifen.

Wolfgang Weiss

Meinung von Wolfgang Weiss, ehemaliger Vorsitzender des wissenschaftlichen Komitees der Vereinten Nationen UNSCEAR (Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation)

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