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Steigerung der Kältetoleranz von Eberspermatozoen durch Modifikationen im Prozessablauf der Tiefgefrierkonservierung

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Steigerung der Kältetoleranz von Eberspermatozoen

durch Modifikationen im Prozessablauf der Tiefgefrierkonservierung

INAUGURAL – DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

( Dr. med. vet. )

vorgelegt von Jana Schäfer

Prenzlau

Hannover 2017

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Dagmar Waberski

Reproduktionsmedizinische Einheit der Kliniken Tierärztliche Hochschule Hannover

PD Dr. Martin Schulze

Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere Schönow e.V.

1. Gutachter/in: Prof. Dr. Dagmar Waberski PD Dr. Martin Schulze

2. Gutachter/in: Prof. Dr. Maike Heppelmann

Tag der mündlichen Prüfung: 09.05.2017

Eine Arbeit aus dem Virtuellen Zentrum für Reproduktionsmedizin Niedersachsen.

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Meiner Familie

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Auszüge aus der vorliegenden Arbeit wurden bereits in Form einer Veröffentlichung der Öffentlichkeit vorgestellt:

J. Schäfer; M. Jung; D. Waberski; M. Schulze (2017):

Improving cryopreservation success of shipped boar semen.

Reproduction in Domestic Animals 52 (Special Issue: 50th Annual Conference of Physiology and Pathology of Reproduction and 42nd Mutual Conference on Veteri- nary and Human Reproductive Medicine, Munich, Germany, 15th - 17th February 2017.): 46.

(5)

Inhaltsverzeichnis

I

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

... 1

2 Literaturübersicht

... 2

2.1 Die Kältesensitivität der Eberspermatozoen ... 2

2.1.1 Schädigung durch Kühlung im Vorfeld des Einfrierprozesses ... 2

2.1.2 Schädigung durch den Tiefgefrier- und Auftauvorgang ... 5

2.2 Charakterisierung kryoprotektiver Stoffe bei der Tiefgefrierkonservierung von Spermatozoen ... 7

2.2.1 Eidotter und dessen Substitute ... 8

2.2.2 Saccharide ... 11

2.2.2.1 Laktose ... 11

2.2.2.2 Trehalose ... 12

2.2.3 Glycerol ... 14

2.2.4 Orvus ES Paste... 16

2.3 Halte- und Äquilibrierungszeiten als Einflussfaktoren auf die Spermaqualität nach dem Auftauen ... 16

2.3.1 Haltezeit des vorverdünnten Eberspermas bei 15 bis 17 °C ... 16

2.3.2 Äquilibrierungszeit im Kühl- oder Gefrierverdünner bei 2 bis 5 °C ... 19

2.4 Die Bedeutung von Zink für Spermatozoen ... 22

2.4.1 Rolle bei der Spermatogenese ... 22

2.4.2 Bedeutung für reife Spermatozoen ... 23

2.4.3 Zusatz für die Kryokonservierung... 25

3 Material und Methoden

... 27

3.1 Grundsätzlicher Arbeitsablauf ... 27

3.2 Versuchsübersicht ... 28

3.2.1 Einfluss verschiedener Haltezeiten bei 17 °C auf die Qualität von Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 1) ... 28

3.2.2 Einfluss verschiedener Kühl- und Gefrierverdünner auf die Qualität von Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 2) ... 29

3.2.3 Einfluss verschiedener Äquilibrierungszeiten bei 5 °C auf die Qualität von Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 3) ... 29

3.2.4 Einfluss von Zinksulfat-Heptahydrat im Kühl-, Gefrier- und Auftauverdünner auf die Qualität von Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 4) ... 30

3.3 Verbrauchsmaterialien und Geräte ... 30

(6)

Inhaltsverzeichnis

II

3.4 Lösungen und Chemikalien ... 30

3.5 Herstellung und Versand der Spermaproben ... 30

3.5.1 Tiere ... 30

3.5.2 Spermagewinnung, -aufbereitung und -versand ... 31

3.6 Verarbeitungsschritte und Tiefgefrierkonservierung des vorverdünnten Spermas ... 33

3.6.1 Haltezeit vorverdünnter Proben bei 17 °C ... 33

3.6.2 Zentrifugation bei 17 °C ... 33

3.6.3 Verdünnung mit Kühl- & Gefrierverdünner ... 34

3.6.4 Äquilibrierung im Kühlverdünner bei 5 °C ... 35

3.6.5 Konfektionierung ... 37

3.6.6 Gefrierkonservierung und Lagerung ... 37

3.6.7 Auftauen ... 39

3.7 Untersuchung der Spermaproben ... 40

3.7.1 Temperatur und Volumen eingesandter Proben ... 40

3.7.2 Spermienkonzentration ... 41

3.7.2.1 Methodik ... 41

3.7.2.2 Durchführung ... 42

3.7.3 Computerassistierte Spermienanalyse (CASA) ... 43

3.7.3.1 Methodik ... 43

3.7.3.2 Durchführung ... 44

3.7.4 Spermienmorphologie ... 45

3.7.5 Durchflusszytometrie ... 46

3.7.5.1 Mitochondrienaktivität ... 47

3.7.5.2 Plasmamembran- und Akrosomintegrität ... 48

3.7.5.3 Chromatinstabilität ... 51

3.8 Statistische Auswertung ... 52

4 Ergebnisse

... 53

4.1 Einfluss verschiedener Haltezeiten bei 17 °C auf die Qualität von Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 1) ... 53

4.1.1 Computergestützte Spermienmotilität ... 53

4.1.2 Durchflusszytometrie ... 55

4.1.3 Akrosomintegrität ... 56

(7)

Inhaltsverzeichnis

III

4.2 Einfluss verschiedener Kühl- und Gefrierverdünner auf die Qualität von

Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 2) ... 57

4.2.1 Computergestützte Spermienmotilität ... 58

4.2.2 Durchflusszytometrie ... 59

4.2.3 Akrosomintegrität ... 61

4.3 Einfluss verschiedener Äquilibrierungszeiten bei 5 °C auf die Qualität von Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 3) ... 62

4.3.1 Computergestützte Spermienmotilität ... 62

4.3.2 Durchflusszytometrie ... 66

4.3.3 Akrosomintegrität ... 67

4.4 Einfluss der Zugabe von Zinksulfat-Heptahydrat zum Kühl-, Gefrier- und Auftauverdünner auf die Qualität von Ebersperma nach dem Auftauen (Versuch 4) ... 68

4.4.1 Computergestützte Spermienmotilität ... 68

4.4.2 Durchflusszytometrie ... 70

4.4.3 Akrosomintegrität ... 71

5 Diskussion

... 72

6 Zusammenfassung

... 82

7 Summary

... 84

8 Literaturverzeichnis

... 86

9 Anhang

... 101

9.1 Ergebnistabellen ... 101

9.1.1 Versuch 1 ... 101

9.1.2 Versuch 2 ... 107

9.1.3 Versuch 3 ... 113

9.1.4 Versuch 4 ... 119

9.2 Abbildungen ... 125

9.2.1 Auswahl des Verdünnungsfaktors zur Konzentrationsbestimmung ... 125

9.3 Motilitätsparameter des AndroVision® ... 126

9.3.1 Entscheidungsbaum für die Einstufung der Spermienmotilität ... 126

9.3.2 Definition von Kinematikparametern ... 127

9.4 Mindestanforderungen an die Spermaqualität nach ZDS-Richtlinie (2005) ... 128

9.5 Laborbedarf ... 129

(8)

Inhaltsverzeichnis

IV

9.5.1 Geräte ... 129

9.5.2 Verbrauchsmaterial ... 131

9.6 Lösungen und Chemikalien ... 132

9.7 Rezepte ... 133

9.7.1 spezielle Verdünnermedien ... 133

9.7.2 Lösungen für die Durchflusszytometrie ... 134

9.7.3 sonstige Lösungen ... 136

10 Abbildungsverzeichnis

... 137

11 Tabellenverzeichnis

... 139

(9)

Abkürzungsverzeichnis

V

Abkürzungsverzeichnis

°C Grad Celsius

A Androstar® CryoPlus

Aqua bidest. aqua bidestillata (doppelt destilliertes Wasser) BSP Bovine Seminalplasmaproteine

BTS Beltsville Thawing Solution

CASA computer-assisted semen analysis (Computer-gestützte Sperma- analyse)

CCD charge-coupled device (ladungsgekoppeltes Bauteil) DF dilution factor (Verdünnungsfaktor)

DFI DNA-Fragmentations-Index

DNA Desoxyribonukleinsäure

EDTA Ethylen-Diamin-Tetraacetat FITC Fluorescein isothiocyanate

FSC forward scatter (Vorwärtsstreuung)

g Erdbeschleunigung

h Stunde

HDS high DNA stainability (stark anfärbbare DNA) HSP heat shock protein (Hitzeschockprotein)

IFN Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere Schönow e.V.

KbE Kolonie bildende Einheiten

L Laktose

LED light emitting diode (Leuchtdiode)

LDL low density lipoproteins (Lipoproteine geringer Dichte) LN2 liquid nitrogen (flüssiger Stickstoff)

min Minute

NaCl Natriumchlorid

p-NaCl Phosphat-gepufferte Salzlösung

PNA lectin from Arachis hypogaea (peanut) (Lektin der Erdnuss) PSA lectin from Pisum sativum (pea) (Lektin der Erbse)

PI Propidiumjodid

R123 Rhodamin 123

ROS reactive oxygen species (reaktive Sauerstoffgruppen) SSC side scatter (Seitwärtsstreuung)

T Trehalose

TCF Tris-Zitronensäure-Fruktose

TG- Tiefgefrier-

ZnR Zinkrezeptor

ZnSO4 7H2O Zinksulfat-Heptahydrat

(10)
(11)

1 Einleitung

1

1 Einleitung

Die Tiefgefrierkonservierung von Spermatozoen bietet die Möglichkeit der Etablierung weltweiter Zucht- und Handelsprogramme auf höchstem Niveau. Sie ermöglicht die dauerhafte Aufbewahrung wertvoller Genressourcen und somit den Erhalt der Bio- diversität auch innerhalb einer Spezies. Der Umfang der Nutzung dieser Technologie für das Schwein ist jedoch stark limitiert. Weltweit werden nur 1 % der Sauen mit kryo- konserviertem Sperma besamt (BENSON et al., 2012). Dies ist in dem starken Spermaqualitätsabfall sowie dem im Vergleich zur Flüssigspermaproduktion hohen ökonomischen Aufwand des Verfahrens begründet. Die Fruchtbarkeit bleibt im Allge- meinen hinter jener flüssigkonservierten Eberspermas zurück, obwohl bei ovulations- naher Besamung gleichwertige Fertilitätsraten erreichbar sind (WABERSKI et al., 1994, ERIKSSON et al., 2002).

Bereits seit der ersten erfolgreichen Beschreibung der Tiefgefrierkonservierung von Ebersperma durch POLGE nach Zugabe von Glycerol im Jahr 1957 wird intensiv daran gearbeitet, die durch das Verfahren bedingten Schäden an Spermatozoen und insbe- sondere an ihren Plasmamembranen zu reduzieren. Da sich tierartspezifisch sowohl die Anteile an Spermatozoen, welche generell eine Gefrierkonservierung überleben, als auch subletale Reaktionen gegenüber konservierungsbedingten Stressoren unter- scheiden, lassen sich kaum speziesübergreifende Verfahren etablieren. Schäden durch Kryokonservierung müssen als ein multifaktorielles Problem betrachtet werden.

Neben dem Verdünner sind auch unterschiedliche Tiefgefrierprotokolle, Rassen und individuelle genetische Differenzen als veränderliche Einflussparameter auf die Auf- tauqualität zu berücksichtigen (THURSTON et al., 2002, MOCE et al., 2010).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, durch eine Modifikation einzelner kritischer Faktoren im Prozessablauf der Kryokonservierung die Kältetoleranz von Eberspermatozoen zu steigern und so eine erhöhte Auftauqualität zu gewährleisten. Dabei soll die Verwen- dung von vorverdünntem Sperma, welches dezentral auf Besamungseberstationen gewonnen und über Nacht (ca. 20 Stunden) zum weiterverarbeitenden Labor trans- portiert wird, ein praxistaugliches Verfahren ermöglichen.

(12)

2 Literaturübersicht

2

2 Literaturübersicht

2.1 Die Kältesensitivität der Eberspermatozoen

Die ausgeprägte Empfindlichkeit von Eberspermatozoen gegenüber Niedrigtempera- turen führt zur Schädigung und damit zur Verminderung der Qualität ebendieser. Es werden Schäden durch Kühlung, die auch bei einer Niedrigtemperaturlagerung flüs- sigkonservierten Spermas entstehen, und Schäden durch das Tiefgefrieren sowie das sich anschließende Auftauen unterschieden.

2.1.1 Schädigung durch Kühlung im Vorfeld des Einfrierprozesses

Die Absenkung der Temperatur im Vorfeld der Tiefgefrierkonservierung nimmt erheb- lichen Einfluss auf die Integrität und den Metabolismus der Spermatozoen.

Insbesondere Eberspermatozoen sind hoch sensibel gegenüber einem als „cold shock“ (Kälteschock) bezeichneten Phänomen.

Der Begriff „cold shock“ wurde im Jahr 1987 von WATSON und MORRIS geprägt. Er beschreibt einen durch ein plötzliches Absenken der Temperatur auftretenden Zell- schaden, der je nach Zelltyp unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Temperatur, bei welcher Kälteschock bei Eberspermatozoen auftritt, wird von beschreibenden Autoren unterschiedlich angegeben. DROBNIS et al. (1993) nennen mit 30 °C, 18 °C und 9 °C drei kritische Temperaturpunkte, welche mittels Fourier-Transformations-Infrarot- Spektroskopie ermittelt werden konnten. Besonders bei Temperaturen unterhalb von 10 °C erleiden die Spermatozoen nach dieser Studie irreversible Schäden, die mit ei- nem starken Kaliumverlust einhergehen.

Bereits ein schnelles Abkühlen der Ejakulate von Körpertemperatur auf 15 °C bewirkt laut JOHNSON et al. (2000) Kälteschock. Da es zwischen Ebern deutliche Unter- schiede bezüglich der Toleranz gegenüber Niedrigtemperaturen gibt, sind diese festen Werte jedoch kritisch zu beurteilen (PAULENZ et al., 2000). Selbst bei einer 5 °C-La- gerung über einen längeren Zeitraum zeigen sich deutliche Einzeltierunterschiede, welche auf individuell ausgeprägte Resistenz gegenüber Kälteschock hinweisen (DZIEKONSKA u. STRZEZEK, 2011). SCHMID et al. (2013b) beschreiben sogar eine

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2 Literaturübersicht

3

Heterogenität von Spermienpopulationen gegenüber Kältetoleranz innerhalb von ein- zelnen Ejakulaten.

Zudem muss beachtet werden, dass der Verdünner einen protektiven Einfluss gegen- über Temperaturschwankungen ausüben kann. Es gibt eine Fülle von Produkten auf dem Markt, die sich in dieser Fähigkeit unterscheiden und damit zu verschiedenen kritischen Temperaturschwellen führen (SCHMID et al., 2013b). So zeigen ALTHOUSE et al. (1998), dass sich erst bei einer Lagertemperatur von unter 12 °C für mit Androhep® verdünnte Spermatozoen ein signifikanter Einfluss auf die Spermien- motilität ergibt. Eine 48-stündige Lagerung bei 8 °C bleibt in dieser Studie ohne Effekt auf die Akrosomintegrität. Von DZIEKOŃSKA et al. (2015) wird beschrieben, dass die Auswahl des Vorverdünners Einfluss auf die Qualität nach dem Auftauen hat.

Die bei Spermatozoen durch Temperatureinflüsse am stärksten geschädigte Struktur ist die Plasmamembran (SCHMID et al., 2013a). So zeigen HOLT et al. (1988) mittels Kryomikroskopie das Auftreten asymmetrischer Membranschäden mit Vesikelbildung und Protrusionen vor allem bei der Plasmamembran am Endstück von Schafbocksper- matozoen nach schneller Kühlung von Raumtemperatur auf 8°C. Auch DE LEEUW et al. beschreiben in einer 1990 publizierten Studie Membranveränderungen während des Abkühlens von 38 °C auf 0 °C und während der Wiedererwärmung. Durch Gefrier- bruchelektronenmikroskopie ist hier bei einer Temperatur von 38 °C eine gleichmäßige Verteilung von Membranproteinen sichtbar, wohingegen es bei 0 °C insbesondere am Spermienkopf zu Aggregatbildungen kommt. Beim anschließenden Erwärmen erfolgt nach DE LEEUW et al. (1990) die Wiederherstellung der ursprünglichen Struktur. Als Auslöser für die beobachteten Veränderungen wird die laterale Phasenseparation be- nannt. Generell kommt es durch eine Abkühlung zu einer Umstrukturierung der Phospholipidmembran, welche Veränderungen der Funktionalität verursacht (BUHR et al., 1994).

Ein mit dem Membranumbau einhergehendes Problem sind sogenannte kapazita- tionsähnliche Veränderungen. Nach VADNAIS et al. (2005) verlieren Spermatozoen während der Phasentransition sie bedeckende Seminalplasmaproteine und somit ihren Schutz vor vorzeitiger Akrosomreaktion. Durch ein Kühlen der Spermatozoen auf 5 °C kommt es zu einer erhöhten Induzierbarkeit der Akrosomreaktion sowie zu einem

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2 Literaturübersicht

4

Anstieg im Level der Protein-Tyrosin-Phosphorylierung spezifischer Spermienproteine (VADNAIS u. ROBERTS, 2007, VADNAIS u. ALTHOUSE, 2011). Auch WATERHOUSE et al. (2004) benennen diese Problematik. Laut GUTHRIE und WELCH (2005a) hingegen bewirken weder die hypotherme Lagerung von flüssigkon- serviertem Ebersperma noch die Kryokonservierung eine vorzeitige Kapazitation oder Akrosomreaktion. Im Vergleich zu Frischsperma zeigen jedoch sowohl hypotherm (17 °C) gelagerte Proben als auch kryokonserviertes Sperma eine gestörte Kapazita- tionsantwort auf Bikarbonat (GUTHRIE u. WELCH, 2005a). Die Kalziumhomöostase der Spermatozoen scheint aufgrund einer erhöhten Membranpermeabilität und durch eine Modifizierung von Ionenkanälen gestört, wodurch auch eine verringerte Antwort auf Kapazitationsstimuli auftritt (SCHMID et al., 2013a).

Insgesamt kann es durch auftretende Schäden zu einer Einschränkung der Fertilisa- tionskapazität der Spermatozoen kommen (WATSON u. MORRIS, 1987, DROBNIS et al., 1993, SCHMID et al., 2013a). Das generelle Ausmaß der Schädigung ist abhängig von der Zusammensetzung der Zellmembran, welche sich nicht nur zwischen Spezies, sondern auch zwischen Einzeltieren unterscheidet (WATSON u. MORRIS, 1987, WATERHOUSE et al., 2006).

Ein wichtiger Aspekt zur Beurteilung der Membrananfälligkeit gegenüber Kältestress ist das Verhältnis von Membrancholesterol zu Membranphospholipiden. Da Cho- lesterol Plasmamembranen bei niedrigen Temperaturen stabilisiert, ist ein hohes Verhältnis vorteilhaft (MOCE et al., 2010). PARKS und LYNCH vergleichen in einer im Jahr 1992 publizierten Studie die Zusammensetzung der Plasmamembranen von Spermatozoen verschiedener Spezies. Im Vergleich zu Bullen- oder Hengstspermato- zoen haben Eberspermatozoen ein hohes Protein/Phospholipid-Verhältnis (Bulle = 0,80 und Hengst = 0,86 gegenüber dem Eber mit 1,26) bei besonders niedri- gem Cholesterol/Phospholipid-Verhältnis (Bulle = 0,45 und Hengst = 0,36 gegenüber dem Eber mit 0,26). Eine relativ hohe Proteinkonzentration in der Plasmamembran könnte dazu beitragen, dass es zu Fehlern in der Membranstruktur beim Umbau der Phospholipidmembran während der Phasenänderung kommt (PARKS u. LYNCH, 1992). Der Lipidgehalt von Spermatozoen verschiedener Eber variiert nach CEROLINI et al. (2001) stark. Die von den Autoren ermittelten Werte reichen von 236 µg bis

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2 Literaturübersicht

5

1400 µg Gesamtlipidgehalt pro 109 Spermatozoen. Die Lipidzusammensetzung ist je- doch mit 75 bis 78 % Phospholipiden und 24 % freiem Cholesterol ähnlich (CEROLINI et al., 2001).

Nach WATERHOUSE et al. (2006) enthält die Plasmamembran von Eberspermato- zoen im Vergleich zu somatischen Zellen einen besonders hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren. Dies sind vor allem Docosapentaensäure (DPA, 22:5, n-6) und Docosa- hexaensäure (DHA, 22:6, n-3). Die Autoren zeigen eine positive Korrelation zwischen dem Quotienten aus 22-C-Fettsäuren und allen übrigen gegenüber der Plasma- membranintegrität nach dem Auftauen der Spermatozoen. Die Neuorganisation der Phospholipidmembran durch Tiefgefrierkonservierung und Auftauen schließt auch eine Änderung der Lipidkomposition mit ein. So lässt sich bei aufgetauten Proben ein verringerter Anteil an mehrfach ungesättigten langkettigen Fettsäuren und Cholesterol feststellen (CEROLINI et al., 2001, MALDJIAN et al., 2005, VADNAIS u. ALTHOUSE, 2011). Der Gesamtgehalt an Lipiden ist jedoch, insbesondere bei qualitativ hochwerti- gen Ejakulaten, nach dem Auftauen erhöht. Dies weist nach CEROLINI et al. (2001) auf einen aktiven Lipidmetabolismus hin. Während der Lagerung werden laut den Au- toren aus dem Verdünner vor allem Triacylglycerol und Phospholipide aufgenommen, welche zur Stabilisierung der Membran beitragen könnten.

2.1.2 Schädigung durch den Tiefgefrier- und Auftauvorgang

Sowohl das Einfrieren als auch das Auftauen von Zellen wirkt sich negativ auf deren Überlebensfähigkeit aus (MAZUR et al., 1972, MAZUR, 1984). Es gibt jedoch eine optimale Einfriergeschwindigkeit, bei der negative Effekte auf die Spermatozoen mini- miert werden können. Diese muss vor allem eine ausreichende Dehydratation der Spermatozoen gewährleisten und somit intrazelluläre Eisbildung verhindern.

MAZUR (1972) erklärt die Problematik in seiner Zwei-Faktoren-Hypothese: Generell gefriert das extrazellulär vorhandene Wasser früher als jenes in den Spermatozoen.

Bei einem zu langsamen Einfriervorgang (< 10 °C / min) kommt es daher aufgrund der osmotischen Verhältnisse zu einem vermehrten Verlust von Wasser aus den Sperma- tozoen. Somit werden Lösungseffekte wie Hypertonie, Dehydratation und pH-Wert- Veränderungen hervorgerufen, welche die Zelle schädigen. Bei einem sehr schnellen

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2 Literaturübersicht

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Einfriervorgang (> 100 °C / min) hingegen kann das Wasser die Zelle nicht rechtzeitig verlassen. Das Equilibrium wird durch intrazelluläre Eisbildung erreicht.

Die Bildung von intrazellulärem Eis ist bei Eberspermatozoen bisher nur bei sehr schnellen Einfrierraten (-1200 °C/min) nachgewiesen worden (EKWALL, 2009).

Hengst- und Humanspermatozoen hingegen scheinen selbst bei Einfrierraten von -3000 °C/min nicht davon betroffen zu sein (MORRIS, 2006, MORRIS et al., 2007).

Optimale Einfrierraten von -50 bzw. -70 °C/min führen nach (EKWALL et al., 2007) und (HERNANDEZ et al., 2007a) bei Eberspermatozoen nicht zur Bildung von intrazellulä- rem Eis.

Die Absenkung der Temperatur bis weit unter den Gefrierpunkt bewirkt nach DROBNIS et al. (1993) einen Phasenwechsel der Membran. Diese geht von einem flüssig-kristallinen Zustand in einen Gelzustand über. Dabei ist hervorzuheben, dass die enthaltenen Lipiddomänen verschiedene Transitionstemperaturen aufweisen und die Membran als Gesamtheit die Phasentransition über einen langen Zeitraum erfährt, in welchem sie höchst permeabel ist (DROBNIS et al., 1993). In dieser Phase können Ionen eindringen oder wichtige Zellkomponenten verloren gehen. Sobald der Gelzu- stand erreicht ist, tritt wieder Stabilität ein. Die Phospholipidsäureketten sind gestreckt, die Membran ist steifer und Lipid- und Proteinbewegungen sind eingeschränkt.

Während der Phasentransition kann es zu Packfehlern, Aggregatbildung oder Fehlein- schlüssen von Proteinen kommen (AMANN u. PICKETT, 1987, WATSON u. MORRIS, 1987, DROBNIS et al., 1993). Ein einfaches Beispiel hierfür zeigen WATERHOUSE et al. (2004) anhand der Lokalisation der Membranphospholipide. Bei intakten Ebersper- matozoen kommen Phosphatidylserin und Phosphatidylethanolamin lediglich auf der Membraninnenseite vor (KURZ et al., 2005). Sphingomyelin ist nur an der Außenseite der Phospholipidmembran zu finden, Phosphatidylcholin hingegen sowohl innen als auch außen (EDER et al., 2016). Nach WATERHOUSE et al. (2004) ist nach der Tiefgefrierkonservierung Phosphatidylserin auch auf der Membranaußenseite der Spermatozoen vorhanden.

Beim Auftauvorgang sind die Spermatozoen plötzlich einer anisoosmotischen Umwelt ausgeliefert. Starker Wassereinstrom kann eine irreversible Zerstörung der Phospholi- pidmembran herbeiführen (HOLT, 2000) .

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2 Literaturübersicht

7

Bezüglich der Tiefgefrierkonservierbarkeit von Spermatozoen zeigt sich, wie auch bei der Kältesensitivität, eine starke Heterogenität zwischen einzelnen Ebern. Diese Eber- spezifität beinhaltet sowohl Unterschiede in der allgemeinen Toleranz gegenüber Schäden durch Kryokonservierung als auch gegenüber speziellen Einfrierprotokollen und Auftaustrategien. Generell lassen sich Eber spermatologisch laut PARKS und LYNCH (1992) in gute, moderate und schlechte Tiefgefrier-Eber (TG-Eber) eingrup- pieren. Diese Einteilung ist nur schwer bis gar nicht anhand von Qualitätsparametern vor dem Einfrieren vorzunehmen. Auffällig ist, dass Spermatozoen guter TG-Eber Variationen im Einfrierprotokoll eher tolerieren als jene von schlechten. Es ist möglich, durch leichte Modifikationen im Protokoll, vor allem in Hinblick auf Glycerolkonzentra- tion und Auftaurate, bessere Ergebnisse bei moderaten und schlechten TG-Ebern zu erzielen (PARKS u. LYNCH, 1992).

Nach CASAS et al. (2009) zeigen schlechte TG-Eber nach einer 30-minütigen Äquili- brierung bei 5 °C einen höheren Anteil an hyperaktiv motilen Spermatozoen. Dies könnte als möglicher Parameter dienen, um die Einfriertauglichkeit von Ejakulaten zu bestimmen. Zudem ist die Expression des Heat Shock Proteins (HSP) 90AA1 bei 17 °C und 5 °C geringer als bei guten TG-Ebern, was auf eine verminderte Resistenz gegenüber oxidativem Stress und mangelhaften Schutz gegenüber Temperatur- schwankungen hinweist CASAS et al. (2010). Weiterhin beschreiben die Autoren bei Spermatozoen schlechter TG-Eber eine höhere Expression der Kupfer-Zink-Super- oxiddismutase nach dem Auftauen als bei jenen von guten. Dies deutet nach CASAS et al. (2010) auf verstärkten oxidativen Stress oder eine geringe Enzymeffizienz bei diesen Ebern hin.

2.2 Charakterisierung kryoprotektiver Stoffe bei der Tiefgefrierkonservie- rung von Spermatozoen

Um die Überlebensfähigkeit von Spermatozoen unter den beschriebenen Umständen bei der Kühlung und Tiefgefrierkonservierung zu verbessern, werden spezielle Ver- dünnermedien entwickelt. Diese enthalten verschiedene kryoprotektive Stoffe.

Kryoprotektive Stoffe sind Substanzen, deren Zusatz vor dem Gefrierprozess eine hö- here Überlebensrate der Zellen nach dem Auftauen gewährleistet (KAROW, 1969,

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2 Literaturübersicht

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FULLER, 2004). Es gibt zwei Klassen von Kryoprotektiva: Zellen permeierende Sub- stanzen wie Dimethylsulfoxid und Glycerol sowie nicht permeierende Substanzen wie Hydroxyethylstärke oder verschiedene Zucker (KARLSSON u. TONER, 1996). Kryo- protektive Stoffe, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll, sind Eidotter, die Disaccharide Laktose und Trehalose, der Zuckeralkohol Glycerol und das Surfactant Orvus ES Paste.

2.2.1 Eidotter und dessen Substitute

Erstmals erwähnt wird Eidotter als Verdünnerzusatz in einer Publikation von PHILLIPS und LARDY im Jahr 1939. Die Autoren verwenden ein Medium aus drei Teilen Eidotter und zwei bis drei Teilen Phosphatpuffer, um Bullensperma zu verdünnen und bei 10 °C für bis zu 150 h zu lagern (PHILLIPS, 1939, PHILLIPS u. LARDY, 1940). Auch andere Autoren beschreiben den besseren Erhalt der Motilität und der Befruchtungsfähigkeit von Spermatozoen nach der Lagerung in Eidotterverdünnern im Vergleich zu eidotter- freien Medien (DUNN et al., 1950). Eidotter ist heute fester Bestandteil der meisten Kühl- und Gefrierverdünner für kryokonserviertes Ebersperma.

Nach Analysen des United States Department of Agriculture (USDA, 2015) ist der Eidotter von Hühnern (Gallus gallus domesticus) aus 52,3 % Wasser, 26,5 % Fett, 15,9 % Protein, 3,6 % Kohlenhydraten, 1,7 % Rohasche und 0,56 % Zucker zusam- mengesetzt. Als Produkt tierischer Herkunft unterliegen diese Werte jedoch natürlichen Schwankungen. Laut PACE und GRAHAM (1974) ist Eidotter der Haupt- schutzstoff für Gefrierkonservierung von Sperma. Die Autoren zeigen einen synergistischen Effekt bei gemeinsamem Einsatz von Eidotter und Glycerol. Glycerol ohne Eidotterzusatz hat nach ihren Ergebnissen keine kryoprotektive Wirkung.

Problematisch erscheint der Einsatz von Eidotter als tierischem Produkt aufgrund einer potentiellen Erregerübertragung. BOUSSEAU et al. (1998) beschreiben vor allem die mögliche Übertragung von Bakterien oder Mykoplasmen als besorgniserregend. So- wohl für den Dotter von Frischeiern, in besonders hoher Menge aber für flüssigen oder auch pulverförmigen Industriedotter, geben die Autoren eine hohe bakterielle Konta- mination von bis zu 106 koloniebildenden Einheiten / ml (KbE / ml) an. Damit ist die

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2 Literaturübersicht

9

Gefahr einer Beeinträchtigung der Fertilisationskapazität des Spermas und einer Ge- fährdung der Gesundheit des besamten Tieres gegeben (BOUSSEAU et al., 1998).

MARCO-JIMENEZ et al. (2004) beschreiben für Schafbockspermatozoen eine ähnli- che Auftauqualität, wenn diese mit pasteurisiertem, pulverförmigem Eidotter tiefgefrierkonserviert wurden wie mit Frischeidotter. Trotz vorheriger Behandlung sind allerdings auch in dieser Studie die mikrobiellen Kontaminationen von bis zu 200 KbE / ml zwischen frischem und einem pasteurisierten Dotter nicht signifikant ver- schieden voneinander. Der Zusatz von Antibiotika zum eidotterhaltigen Gefrier- verdünner ist daher ratsam (MARCO-JIMENEZ et al., 2004)

Die genaue Funktionsweise des Schutzmechanismus durch Eidotter ist bisher nicht aufgeklärt. Wichtigste Komponente hierbei scheint jedoch die low density Fraktion der Lipoproteine (LDL) des Eidotters zu sein (PACE u. GRAHAM, 1974, BERGERON et al., 2004, BERGERON u. MANJUNATH, 2006). BERGERON et al. (2004) beschreiben bei Bullenspermatozoen eine komplexe Interaktion der LDL mit bovinen Seminalplas- maproteinen (BSP). Diese binden nach der Ejakulation bei Kontakt von Spermatozoen und Seminalplasma an die Phosphatidylcholine der Plasmamembran und bewirken dort einen Efflux von Cholesterol und Phospholipiden. Eine Langzeitexposition für 24 Stunden gegenüber BSP führt in der beschriebenen Studie zeit- und konzen- trationsabhängig zu negativen Effekten auf die Qualität flüssigkonservierten Bullenspermas und auf dessen Tiefgefrierkonservierbarkeit.

Die LDL aus dem Eidotter enthalten ebenfalls Phosphatidylcholine. Die Bindung von BSP an LDL erfolgt nach BERGERON et al. (2004) schnell und mit hoher Bindungs- kapazität. So binden bei Verwendung eines Verdünners auf Eidotterbasis oder mit LDL-Zusatz 50 bis 80 % weniger BSP an die Spermatozoen. Der Anteil an Cholesterol und Phospholipiden in der Membran wird, offenbar durch eine Stimulation durch das LDL-haltige Medium, während einer 24-stündigen Inkubation bei 4 °C sogar noch er- höht (BERGERON et al., 2004, BERGERON u. MANJUNATH, 2006).

Da BSP jedoch auch an Kapazitationsvorgängen der Spermatozoen im weiblichen Genitaltrakt beteiligt sind, ist die Bindung an LDL nicht nur positiv zu betrachten. Auch nach dem Auftauen kryokonservierter Proben kann die Bindung von BSP an LDL nach- gewiesen werden. Dieser Verlust von spermatozoengebundenem BSP ist laut den

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Autoren ein möglicher Faktor für die reduzierte Fertilität von kryokonserviertem Bullen- sperma.

BSP-Homologe scheinen bei allen Säugern vorzukommen, sind jedoch in unterschied- licher Konzentration im Seminalplasma vorhanden. Der Schutzmechanismus von LDL durch Bindung membrandestabilisierender Seminalplasmaproteine scheint daher uni- form (BERGERON et al., 2004, BERGERON u. MANJUNATH, 2006). Zu beachten ist jedoch, dass die Ejakulate von Ebern vor der Tiefgefrierkonservierung zentrifugiert und vom Seminalplasma abgeschieden werden. Damit steht ein Großteil der Proteine nach Ablauf der Haltezeit bei 17 °C nicht mehr für Interaktionen mit den Spermatozoen oder mit LDL zur Verfügung.

Eine Studie von JIANG et al. (2007) zeigt, dass LDL in einer 9 %igen Konzentration im Medium geeignet sind, um Eberspermatozoen erfolgreich zu kryokonservieren. Im Vergleich zur eidotterhaltigen Kontrollgruppe erreichen Spermatozoen der 9 % LDL- Gruppe in dieser Studie höhere Motilitätswerte. Ein Verdünner auf Eidotterbasis, wie beispielsweise Triladyl®, enthält etwa 6 bis 7 % LDL (MOUSSA et al., 2002). Der tier- artspezifische Vergleich des LDL aus Hühnereiern gegenüber jenem von Ente (Anas platyrhynchos domesticus), Taube (Columba livia forma domestica), Wachtel (Co- turnix coturnix) und Strauß (Struthio camelus) erbringt die höchsten Motilitätswerte nach dem Auftauen für mit Tauben-LDL eingefrorene Eberspermatozoen (WANG et al., 2014).

Im Allgemeinen scheint ein Ersatz von Eidotter durch LDL möglich. Problematisch ist derzeit allerdings noch der zeitintensive Gewinnungsprozess von LDL aus Eidotter, welcher das Verfahren wirtschaftlich uninteressant macht (MOUSSA et al., 2002).

Ein weiterer möglicher Ersatz für Eidotter im Verdünnermedium stellen Liposomen dar.

Liposomen sind bestehen aus einer doppelten Phospholipidmembran, welche eine innere wässrige Phase umgrenzt. Die Phospholipidmembran kann aus verschiedenen Lipiden zusammengesetzt sein und in ihrer Struktur und Zusammensetzung klar defi- niert werden (PILLET et al., 2012). Es ist möglich, Liposomen zu sterilisieren und einem Verdünner in Pulverform zuzufügen. Interaktionen zwischen Liposomen und der Plasmamembran von Spermatozoen können einen Membranumbau und damit auch

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die Kryotoleranz fördern (RÖPKE et al., 2011). PILLET et al. (2012) führen E80-Lipo- somen in einer Konzentration von 4 % als geeignet an, um Hengstspermatozoen erfolgreich zu kryokonservieren. Die Fertilitätsrate von so verarbeiteten Besamungs- portionen bleibt jedoch mit 55 % noch hinter jener von mit Eidotter eingefrorenen Pro- ben mit einer Fertilitätsrate von 68 % zurück. RÖPKE et al. (2011) beschreiben die Möglichkeit, Bullenspermatozoen bei Ersatz von Eidotter durch bestimmte Liposom- mischungen zu kryokonservieren. Zwar ist auch hier der Anteil progressiv motiler Spermatozoen nach dem Auftauen mit 43 % bei Einsatz von Liposomen gegenüber dem konventionellen Verfahren mit Eidotter (59 % progressiv motile Spermatozoen) unterlegen, die Möglichkeit einer Optimierung der Zusammensetzung der Liposomen eröffnet allerdings eine attraktive Alternative zu Eidotter.

2.2.2 Saccharide

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts werden Mono- und Disaccharide als kryoprotektive Stoffe für Spermatozoen getestet und genutzt (POLGE u. SOLTYS, 1960). GOMEZ- FERNANDEZ et al. (2012) beschreiben, dass Disaccharide wie Laktose und Trehalose einen höheren kryoprotektiven Effekt als Monosaccharide, wie Glukose oder Fruktose, ausüben. Zucker diffundieren nicht durch die Phospholipidmembran und bewirken durch ihre osmotische Wirksamkeit eine Dehydratation der Spermatozoen und damit eine Reduktion der intrazellulären Eisbildung. Dieser Schutzeffekt ist jedoch nicht, wie bisher angenommen, nur vom Molekulargewicht, sondern auch von der Zusammen- setzung der Substanzen abhängig. Disaccharide, die Glukose enthalten, liefern eine bessere Spermaqualität nach dem Auftauen (GOMEZ-FERNANDEZ et al., 2012). Da- bei ist es nicht wichtig, wie die einzelnen Bestandteile untereinander verbunden sind.

So erbringen die Disaccharide Laktose und Melibiose, die beide verschieden aus Glu- kose und Galaktose zusammengesetzt sind, nach GOMEZ-FERNANDEZ et al. (2012) ähnliche Resultate.

2.2.2.1 Laktose

Nach erfolgreichen Studien von WESTENDORF et al. (1975) wird heute weltweit Lak- tose eingesetzt, um mit dem bisher bestmöglichen Erfolg Ebersperma einzufrieren

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2 Literaturübersicht

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(GOMEZ-FERNANDEZ et al., 2012). Das Disaccharid wird als 11 %ige Lösung (ent- spricht 310 mM) in bidestilliertem, keimfreiem Wasser angesetzt und dient so als Basismedium, zu welchem je nach Protokoll weitere kryoprotektive Stoffe zugesetzt werden (FRASER et al., 2007, DE MERCADO et al., 2009, MALO et al., 2010, BURANAAMNUAY et al., 2011).

Laut GOMEZ-FERNANDEZ et al. (2012) und CROWE et al. (1985) kommt es durch die Interaktion der Disaccharide Laktose und Trehalose mit polaren Kopfgruppen der Phospholipidmembran zu Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen und somit zur Stabilisierung der Membran. Studien von OLDENHOF et al. (2010, 2013) belegen je- doch, dass während des Tiefgefrierens selbst eine derartige Interaktion nicht vorhanden ist. Nichtsdestotrotz kommt es durch den Einsatz nicht permeierender hochmolekularer Substanzen wie Laktose und Trehalose zu einer Erhöhung der En- thalpie der Membran und zum Erhöhen der Glasübergangstemperatur, sodass ein stabilerer Glasstatus erreicht wird als ohne Disaccharide (CROWE et al., 1985, OLDENHOF et al., 2013). Dieser stabile Glasstatus ermöglicht eine Lagerung bei tieferen Temperaturen und gewährleistet eine höhere Sicherheit während problema- tischer Prozesse wie zum Beispiel dem Transport von kryokonservierten Besamungsportionen (OLDENHOF et al., 2013).

2.2.2.2 Trehalose

Trehalose kommt hoch konzentriert in anhydrobiotischen Organismen vor, wo sie tro- ckene Phospholipidmembranen stabilisiert (CROWE et al., 1984). Es ist bekannt, dass Trehalose, zusätzlich zu den in Kapitel 2.2.2.1 beschriebenen Mechanismen, stabili- sierend auf Proteine und Phospholipidmembranen wirkt, in welche sie auch eingebaut werden kann (ABOAGLA u. TERADA, 2003). Anhand von in-vitro-Studien an künstli- chen Phospholipidmembranen konnten verschiedene Autoren zeigen, dass Trehalose spezifisch mit Dipalmitoylphosphatidylcholin reagiert (CROWE et al., 1984, CROWE et al., 1985, RUDOLPH u. CROWE, 1985, STRAUSS et al., 1986).

Es gibt vielfältige, jedoch uneinheitliche Studien zum Einsatz von Trehalose bei der Tiefgefrierkonservierung von Spermatozoen. Dabei ist zu beachten, dass einige Auto- ren eine Trehaloselösung als Basisverdünner wählen (ABOAGLA u. TERADA, 2003,

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AISEN et al., 2005, GUTIERREZ-PEREZ et al., 2009, MALO et al., 2010, MALO et al., 2011), während andere Trehalose lediglich zum Gefrierverdünner (Tris-Eidotter oder Tris-Zitronensäure-Fruktose) zugeben (HU et al., 2009, KONG et al., 2012, ATHURUPANA et al., 2015).

Sowohl für Ziegen- (ABOAGLA u. TERADA, 2003) als auch für Schafspermatozoen (AISEN et al., 2005) erweist sich ein auf Trehalose basierender Verdünner als vorteil- haft im Vergleich zu einem Tris-Zitronensäure-Fruktose (TCF)- oder EDTA-basierten Verdünner. AISEN et al. (2005) vermuten eine mit Calcium im Zusammenhang ste- hende erhöhte antioxidative Aktivität des Trehaloseverdünners und schließen auch eine zusätzliche Funktion als Radikalfänger nicht aus. Diese Annahme beruht auf der Beobachtung, dass der Schutz vor Peroxidation durch Trehalose bei Zusatz des Calciumfängers EDTA verringert wurde. Nach GUTIERREZ-PEREZ et al. (2009) ge- währleistet die Kryokonservierung von Ebersperma in einem Medium mit 250 mM Trehalose und 1 % Glycerol mehr befruchtungsfähige Spermatozoen als in einem Glu- kosemedium mit 4 % Glycerolzusatz. Trehalose kann demnach genutzt werden, um die nötige Menge an Glycerol zu senken und so dessen negativen Einfluss auf sensi- tive Eberspermatozoen abzumildern. MALO et al. (2010) vergleichen die kryoprotektiven Eigenschaften von einem 310 mM Laktose- und Trehalose-Verdünner für Ebersperma miteinander. Der Einsatz von Trehalose liefert in dieser Studie signifi- kant bessere Ergebnisse für die Motilität, Viabilität, Plasmamembran- und Akrosom- integrität der Spermatozoen sowie eine höhere Penetrationsrate und Monospermie nach in vitro-Fertilisation.

Als Zusatz zu einem TCF-Verdünner wird die beste Trehalosekonzentration für Eber von HU et al. (2009) mit 100 mM und 3 % Glycerolzusatz, von KONG et al. (2012) mit 200 mM und 2 % Glycerolzusatz angegeben. ARTHURUPANA et al. (2015) beschrei- ben sogar die Möglichkeit, Glycerol in einem Modena-Verdünner komplett durch 100 mM Trehalose zu ersetzen, wobei die Werte für Motilität, Mitochondrienmembran- potential und Akrosomintegrität sowie die in-vitro-Penetrationsraten sogar noch verbessert werden.

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2 Literaturübersicht

14 2.2.3 Glycerol

Bei Glycerol handelt es sich um einen dreiwertigen Zuckeralkohol, der als kryoprotek- tives Agens dem Gefrierverdünner von Spermatozoen zugesetzt wird (KARLSSON u.

TONER, 1996). Glycerol ist hygroskopisch und stark viskös. Durch seine Hydroxyl- gruppen besitzt Glycerol eine hohe Wasserbindungskapazität. Zudem senkt der Zusatz von Glycerol zum Verdünner den Gefrierpunkt der Flüssigkeit und, aufgrund seiner Permeabilität durch Phospholipidmembranen, auch jenen der Spermatozoen selbst.

Die protektiven Eigenschaften von Glycerol sind erstmals 1946 von ROSTAND vorge- stellt und seit 1949 systematisch von POLGE et al. untersucht worden. Der genaue Wirkmechanismus ist bisher nicht aufgeklärt (ZENG et al., 2014). Als permeierender kryoprotektiver Stoff ist Glycerol selbst osmotisch inaktiv, da es im Intra- und Extrazel- lularraum gleichmäßig verteilt ist (SIEME et al., 2016). Durch einen Einbau von Glycerol in die Phospholipidmembran kann die Membranfluidität verändert werden (PETTITT u. BUHR, 1998, HOLT, 2000, BUHR et al., 2001).

PETTITT et al. schildern in einer 1998 veröffentlichten Studie die unterschiedliche Re- aktion von Membrandomänen auf Veränderungen im Konservierungsprotokoll von Spermatozoen. Diese Domänenspezifik, die mit variierender Änderung der Fluidität bei steigender oder abnehmender Glycerolkonzentration einhergeht, wird auch von BUHR et al. (2001) beschrieben. Durch die Beeinflussung der Fluidität nimmt Glycerol starken Einfluss auf die Membranstruktur. Dies geht sogar so weit, dass Membranstrukturen aufgebrochen werden können (HOLT, 2000), was wiederum Einfluss auf die Funktion membranständiger Enzyme und die Signaltransduktion nehmen kann. Als permeieren- der kryoprotektiver Stoff führt Glycerol zu einem Anstieg der intrazellulären Viskosität und beeinflusst damit auch den Metabolismus der Spermatozoen (HOLT, 2000).

Glycerol kann zwar eine durch den Einfriervorgang hervorgerufene Dehydratation der Spermatozoen nicht völlig verhindern, verlangsamt diese jedoch (OLDENHOF et al., 2010). Durch eine Erhöhung der Membranpermeabilität für Wasser ist die Reaktion auf osmotische Stimuli über einen längeren Zeitraum gegeben. Somit kann kontrolliert langsam Wasser aus den Spermatozoen abgegeben werden und die Gefahr einer

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2 Literaturübersicht

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intrazellulären Eisbildung sinkt. Resultierend daraus steigt die Überlebensrate der Spermatozoen an (OLDENHOF et al., 2013).

Die Toxizität von Glycerol scheint für Eberspermien besonders ausgeprägt zu sein (WILMUT u. POLGE, 1974). Bereits bei der Zugabe entsteht initial ein osmotischer Stress, da Glycerol die Phospholipidmembran langsamer permeiert als Wasser. Somit kommt es zunächst zu einer Dehydratation der Spermatozoen, welche von einem Ein- strom von Glycerol und somit auch Wasser gefolgt ist (SIEME et al., 2016).

Die Schädigung durch Glycerol ist bei kryokonservierten Eberspermatozoen tempera- tur- und zeitabhängig. Nach POLGE und WILMUT (1974) führt eine 6-stündige Inkubation mit 5 % oder 10 % Glycerol bei 20 °C vor der Tiefgefrierkonservierung zum Verlust der Befruchtungsfähigkeit. Nach 6 Stunden bei 5 °C oder 30 Minuten bei 20 °C ist die Befruchtungsfähigkeit hingegen unbeeinflusst. ARENAS NUNEZ et al. (2013) beschreiben die Erhöhung des Anteils an Spermatozoen mit geschädigter sub- oder postakrosomaler Membran nach 10- oder 30-minütiger Inkubation mit 2 % oder 4 % Glycerol. Die Lagerung bei 5 °C mit 5 % oder 10 % Glycerol führt nach MURDOCH und JONES (1978) zur Schädigung der akrosomalen Membranen durch Ausbildung von Vesikeln. Die Motilität von Eberspermatozoen ist, im Gegensatz zu jener von Humanspermatozoen, durch 10%igen Glycerolzusatz scheinbar nicht beeinträchtigt (WILMUT u. POLGE, 1974, MURDOCH u. JONES, 1978, CRITSER et al., 1988).

Die Konzentration, ab welcher negative Effekte auf die Spermatozoen durch den Zu- satz von Glycerol zum Gefrierverdünner auftreten, variiert tierartspezifisch sehr stark.

Beim Bullen ist der Einsatz von 4 bis 8 % Glycerol üblich, für den Eber favorisiert HOLT (2000) eine maximale Konzentration von 3 %. Noch darunter liegen die publizierten Maximalwerte für die Kryokonservierung der Spermatozoen von Mäusen (Mus muscu- lus) mit 1,75 % und wesentlich höher jene für Spermatozoen des Koalas (Phascolarctos cinereus) mit 15 bis 20 %. Eine Publikation aus dem Jahr 1988 von ALMLID und JOHNSON beschreibt, dass ein Medium mit 3 bis 4 % Glycerol beste Viabilität nach Kryokonservierung von Eberspermatozoen gewährleistet. Nach BUHR et al. (2001) und FISER et al. (1993) verhalten sich die Spermienqualitätsparameter Motilität und Akrosomintegrität bei verschiedenen Glycerolkonzentrationen konträr.

Bei einer Menge von 3 % Glycerol bietet sich demnach die derzeit beste Möglichkeit

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2 Literaturübersicht

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zur Kryokonservierung unter Berücksichtigung beider Faktoren. Auch ZENG et al.

(2014) geben die für Eberspermatozoen optimale Glycerolkonzentration mit 2 bis 3 % an. Die Expression von Apoptosegenen nach der Kryokonservierung ist laut den Au- toren in diesem Bereich signifikant geringer als bei Einsatz von 0, 5, 7, 10 oder 15 % Glycerol im Verdünnermedium.

2.2.4 Orvus ES Paste

Der positive Einfluss von Orvus ES Paste auf die Auftauqualität von Ebersperma ist erstmals im Jahr 1971 von GRAHAM et al. beschrieben worden. Bei Orvus ES Paste handelt es sich um ist ein synthetisch hergestelltes Surfactant (PURSEL et al., 1978).

Es ist ein alkyl-ionisches Detergens und bindet daher hochaffin an Phospholipid- membranen (PETTITT u. BUHR, 1998). Der Wirkmechanismus von Orvus ES Paste ist nicht aufgeklärt. Es wird vermutet, dass es als Lösungsvermittler fungiert und so einen besseren Kontakt zwischen Verdünner- und Eidotterbestandteilen mit den Sper- matozoen ermöglicht. Damit wird die Resistenz gegenüber Kälteschock gesteigert (BURANAAMNUAY et al., 2009). Die optimale Konzentration von Orvus ES Paste in der zu konservierenden Probe wird je nach Autor zwischen 0,25 % und 1,5 % ange- geben (PURSEL et al., 1978, PETTITT u. BUHR, 1998, BURANAAMNUAY et al., 2009, WU et al., 2013, FRASER et al., 2014).

2.3 Halte- und Äquilibrierungszeiten als Einflussfaktoren auf die Sper- maqualität nach dem Auftauen

2.3.1 Haltezeit des vorverdünnten Eberspermas bei 15 bis 17 °C

In einer 1973 veröffentlichten Publikation beschreiben PURSEL et al. einen positiven Einfluss einer 6-stündigen Haltezeit auf unverdünntes Sperma im Vergleich zu 0,25 bis 7,25 Stunden bei einer Umgebungstemperatur von 24 bis 26 °C. Die Spermienmo- tilität und Akrosomintegrität nach angeschlossener Lagerung verdünnter Ejakulate bei 5 °C bleiben in dieser Studie signifikant besser erhalten. Da es nach heutigen Erfah- rungen sehr schnell zu einem Abfall der Spermienqualität in nativen Ejakulaten kommt, werden diese verdünnt, bevor sie eine bestimmte Haltezeit durchlaufen. Als Haltezeit

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2 Literaturübersicht

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wird jene Zeitspanne bezeichnet, in welcher vorverdünntes Sperma (1+1 bis 1+3 (v/v)) bei 15 bis 17 °C vor der weiteren Verarbeitung gehalten wird. Empirisch ermittelte Hal- tezeiten zwischen 2 und 24 Stunden sind systematisch in alle derzeit gebräuchlichen Einfrierprotokolle für Ebersperma implementiert.

Der genaue Mechanismus, mit welchem eine Haltezeit die Kältetoleranz von Ebersper- matozoen erhöht, ist nicht geklärt. TAMULI und WATSON (1994) vermuten, dass eine Änderung der Lipidzusammensetzung mit Einfluss auf die Plasmamembranfluidität der Spermatozoen stattfindet. Auch CASAS und ALTHOUSE (2012) geben an, dass es durch Interaktionen mit Seminalplasmakomponenten nach einer Haltezeit von 24 Stun- den zu einer geringeren Plasmamembranfluidität und somit einem besseren Erhalt der Lipidstruktur kommt.

WEBER et al. (1989) beschreiben, dass der positive Einfluss der Haltezeit unabhängig vom Kontakt zum Seminalplasma der Eber ist. In der genannten Studie wurde auch bei Durchführung einer Haltezeit im Medium ohne Seminalplasma ein positiver Ein- fluss auf die Auftauqualität festgestellt. JUAREZ et al. (2011) hingegen vermuten Interaktionen mit Proteinen und anderen Bestandteilen im Seminalplasma als Haupt- ursache für eine gesteigerte Kältetoleranz. Einen Beleg dafür liefern YESTE et al.

(2014) mit dem Nachweis der vermehrten Serinphosphorylierung des Heat Shock Pro- teins (HSP) 70 nach verlängerter Haltezeit von 24 Stunden. Da Spermatozoen ihre Genexpression nicht regulieren können, stellen die Phosphorylierung und Dephospho- rylierung von Proteinen wichtige Mechanismen zur Stressanpassung dar. Wie genau die gesteigerte Serinphosphorylierung des HSP70 die Stresstoleranz von Spermato- zoen verbessern könnte, ist noch nicht aufgeklärt.

In der vorliegenden Literatur werden häufig kontroverse Ergebnisse erzielt, wenn der Einfluss von Haltezeiten auf die Spermaqualität nach dem Auftauen überprüft wird.

Eine 1997 von MAXWELL und JOHNSON publizierte Studie belegt, dass eine Halte- zeit von 3,5 Stunden im Gegensatz zur direkten Weiterverarbeitung zur Kryokon- servierung eine protektive Wirkung auf die Plasmamembran ausübt.

Ambivalent sind dagegen die Ergebnisse von ERIKSSON et al. (2001) zum Vergleich einer 3- gegen eine 10- und eine 20-stündige Haltezeit mit gepoolten Ejakulaten bei

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17 °C. Die Plasmamembranintegrität bleibt nach 10 und 20 Stunden zwar besser er- halten als nach 3 Stunden, eine 20-stündige Haltezeit führt jedoch zu einem signifikanten Abfall der Spermienmotilität. Die in-vitro-Fertilisationsrate wird laut ERIKSSON et al. (2001) durch die Haltezeit nicht beeinflusst.

GUTHRIE und WELCH (2005b) vergleichen eine Haltezeit von 3 Stunden gegenüber einer Haltezeit von 24 Stunden. Dabei können keine positiven Effekte zugunsten der verlängerten Haltezeit ausgemacht werden. Spermatozoen zeigen in dieser Publika- tion nach 24-stündiger Haltezeit verglichen mit einer 3-stündigen Haltezeit eine Minderung der kinematischen Parameter Geschwindigkeit über den gesamten Weg (velocity curved line, VCL), Linearität (linearity, LIN) und Geißelschlagfrequenz (beat cross frequency, BCF). Ebenso verringert sich nach GUTHRIE und WELCH (2005b) die Anzahl von Embryonen am Tag 23 nach der Besamung von Sauen mit TG-Sperma, welches im Prozessablauf der Kryokonservierung eine Haltezeit von 24 Stunden durchlaufen hat. Die Autoren können keine signifikanten Effekte der verlängerten Hal- tezeit auf die Plasmamembran- und Akrosomintegrität oder Trächtigkeitsrate nachweisen.

Dagegen zeigen JUAREZ et al. (2011), dass grundsätzlich nach einer 24-stündigen Haltezeit für 1+1 (v/v) mit BTS vorverdünnte Ejakulate ein sehr schnelles Abkühlen (1,5 °C/min) von 17 °C auf 5 °C ohne negativen Effekt auf Motilität und Plasmamem- branintegrität möglich ist.

Nach KONG et al. (2012) hat die Variation zwischen einer Stunde und vier Stunden Haltezeit keinen Einfluss auf die Auftauqualität kryokonservierten Spermas von Bama- Miniaturschweinen (Sus scrofa domestica). Auch Versuche von TOMÁS et al. (2014) zeigen keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Erhalt der Motilität, der Plas- mamembran- und Akrosomintegrität bei einer Haltezeit von 2, 8 und 24 Stunden.

Ebenso berichten GALE et al. (2014) von fehlenden Qualitätsunterschieden bei einer 2- oder 24-stündigen Haltezeit.

Konträr dazu stehen die Ergebnisse von CASAS und ALTHOUSE (2012). Die Autoren beschreiben, dass eine 24-stündige Haltezeit dazu führt, dass anschließend für 24 Stunden bei 5 °C gelagerte Spermatozoen ihre Motilität besser erhalten können als ohne Haltezeit.

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Auch YESTE et al. (2014) zeigen, dass Eberspermatozoen bei einer 24- statt 3-stün- digen Haltezeit eine bessere Toleranz gegenüber Schäden durch Kryokonservierung aufweisen. Die verlängerte Haltezeit führt in der Studie zu einer gesteigerten Motilität, Plasmamembranintegrität, Membranlipidstabilität und DNA-Integrität.

Insgesamt lassen sich die Unterschiede zwischen den Ergebnissen dieser Studien durch allgemeine Variationen im Einfrierprotokoll und durch Variationen im Versuchs- design, wie der Anzahl oder der Rasse der Eber, sowie individuenspezifische Resistenzen gegenüber Kältestress erklären.

2.3.2 Äquilibrierungszeit im Kühl- oder Gefrierverdünner bei 2 bis 5 °C

Die Äquilibrierungszeit schließt sich im Verfahren der Tiefgefrierkonservierung der Zu- gabe des Kühlverdünners an. In gängigen Protokollen für Ebersperma wird eine Äquilibrierung von 2 h bei 5 °C durchgeführt (ERIKSSON et al., 2001, YESTE et al., 2014, ATHURUPANA et al., 2015). WESTENDORF et al. (1975) beschreiben, dass es bei Eberspermatozoen, welche zusätzlich zu einer 30-minütigen Abkühlung auf 8 °C im Gefrierverdünner eine 60-minütige Äquilibrierung bei 5 °C durchlaufen haben, zu einer deutlichen Erhöhung der Motilität und Akrosomintegrität nach dem Auftauen kommt. Der ursprüngliche Gedanke der Äquilibrierung war, während dieser Zeit eine Anpassung an Glycerol zu ermöglichen. Dieses penetriert Bullenspermatozoen in ei- ner Konzentration von 7 % selbst bei einer niedrigen Temperatur von 5 °C nach BERNDTSON und FOOTE (1972) allerdings bereits innerhalb von 5 bis 7 min. Zusätz- lich wird während der Äquilibrierung der Spermienmembran eine Adaptation an die verringerten Temperaturen ermöglicht.

Nach CEROLINI et al. (2001) ist es wahrscheinlich, dass es auch noch während der Äquilibrierungszeit bei 5°C zu einem aktiven Lipidmetabolismus der Spermatozoen kommt. Aufgetautes Ebersperma weist durch Assimilation aus dem eidotterhaltigen Verdünner einen höheren Lipidgehalt auf als Frischsperma. Dies betrifft vor allem qua- litativ hochwertige Ejakulate mit hoher Viabilität. Die Menge an Phospholipiden und Triacylglycerol steigt an, wohingegen freies Cholesterol verloren geht.

Eine Publikation von SVETLICHNYY et al. (2014) behandelt die Aufnahme von Linol- säure aus dem Verdünnermedium durch Eberspermatozoen und deren anschließende

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Metabolisierung zu Diacylglycerol und Glycerophospholipiden. Die Autoren beschrei- ben zudem die Absorption einiger freier Fettsäuren durch Eberspermatozoen. Diese findet sowohl bei 17 °C als auch bei 6 °C statt, wobei der Vorgang bei 6°C weniger stark abläuft (SVETLICHNYY, 2013). Proben, welche mit freien Fettsäuren supple- mentiert wurden, zeigen nach 48-stündiger Lagerung bei 6°C eine signifikant höhere Motilität als jene ohne Zusatz.

Auch BERGERON et al. (2004) geben an, dass die Aufnahme von Lipiden aus einem eidotterhaltigen Verdünnermedium bei 4 °C wesentlich langsamer stattfindet als bei 37 °C. Gleichsam wird laut den Autoren bei dieser geringen Temperatur aber auch der Verlust von Fettsäuren über die Zeit verringert. Grund dafür ist die Phasentransition, welche die Membran weniger flexibel werden lässt und einen Umbau erschwert (BERGERON et al., 2004).

Die empfohlene Dauer einer Äquilibrierung ist tierartspezifisch und wird von Autoren unterschiedlich empfohlen. Eine Publikation aus dem Jahr 1957 von POLGE be- schreibt, dass Spermatozoen vom Bullen, Schafbock, Eber und Hengst nach einer 18-stündigen Äquilibrierung bei 2 °C im Gefrierverdünner mit Eidotter und 7,5 % Gly- cerol höhere Motilitätsraten nach dem Auftauvorgang zeigen. Entgegen dazu steht eine 1966 publizierte Studie von KING et al., in welcher nach 4-stündiger Kühlung auf 5 °C für die Qualität von Eberspermatozoen kein Unterschied zwischen einer Äquili- brierung unter 7,5 % Glyceroleinfluss von 2 und 6, wohl aber 18 Stunden angegeben wird.

Unter Einfluss von 2 bis 3 % Glycerol werden für Eberspermatozoen von YI et al.

(2002) 2 bis 3 Stunden als optimale Äquilibrierungszeit bei 5 °C nach vorheriger Ab- kühlung auf diese Temperatur genannt. Diese Versuchsgruppen erzielen in der beschriebenen Studie höhere Motilitätswerte als jene mit 0, 1, 4 oder 5 Stunden Äqui- librierung unter Einfluss von Glycerol.

ALMLID et al. (1988) geben an, dass eine Äquilibrierung im 3 bis 4 % glycerolhaltigen Medium bei 5 °C für bis zu 75 Minuten keinen negativen Einfluss auf die Viabilität von Eberspermatozoen hat. CORCUERA et al. (2007) beschreiben hingegen ein von der Glycerolkonzentration abhängiges Verhalten der Spermaqualität bei verschiedenen Äquilibrierungszeiten. Ein Gefrierverdünner, welcher hohe Mengen (8 bis 10 %) an

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Glycerol enthält, bewirkt bereits nach 30 Minuten Äquilibrierungsdauer bei 5 °C einen Abfall der Motilität. Bei einer Konzentration von 4 % Glycerol im Gefrierverdünner kommt es nach 30 Minuten nicht zu signifikant negativen Auswirkungen (CORCUERA et al., 2007).

Für die TG-Konservierung von Bullensperma werden sowohl Verdünner mit Eidotter wie Biladyl® oder eidotterfreie Verdünnermedien wie Andromed® verwendet. Es wird deutlich, dass eine verlängerte Äquilibrierungsdauer nicht in jedem Medium auch zu einer verbesserten Qualität nach dem Auftauen führt. BERGERON et al. (2004) beschreiben, dass bei der 4 °C-Lagerung von Bullensperma über 24 Stunden bei Verwendung eines eidotter- und glycerolhaltigen Verdünnermediums die Spermien- motilität besser erhalten bleibt als mit einem Tris-Glucose-Verdünner mit Glycerol.

Auch MUINO et al. (2007) weisen darauf hin, dass bei einer Äquilibrierung von Bullen- spermatozoen für 18 Stunden bei 4 °C eidotter- und glycerolhaltige Verdünnermedien gegenüber Verdünnern auf Sojabasis mit Glycerolzusatz im Hinblick auf den Qualitäts- erhalt nach dem Auftauen überlegen sind. Eine Ausdehnung der Äquilibrierungszeit von 4 auf 24 Stunden führt nach RÖPKE (2011) bei Einsatz eines eidotter- und glycerolhaltigen Verdünners zu einem besseren Erhalt der Plasmamembranintegrität und Motilität von Bullenspermatozoen.

Letztlich ist es bei Bullensperma sogar möglich und offenbar auch von Vorteil für die Auftaumotilität, die Äquilibrierung in einem eidotterhaltigen Medium über 24 Stunden hinaus auszudehnen. Diese Produktionsweise ermöglicht den Besamungsstationen eine direkte Kopplung der Spermaverarbeitung an geregelte Wochenarbeitszeiten.

Nach TAKAHASHI et al. (2012) kann die Motilität kryokonservierter Bullenspermato- zoen nach dem Auftauen durch eine verlängerte Äquilibrierung von 30 statt 4 Stunden bei 4 °C signifikant verbessert werden. Dieser Effekt ist vor allem bei schlecht zur TG- Konservierung geeigneten Bullen ausgeprägt. Die verlängerte Äquilibrierungszeit übt in der genannten Studie jedoch keinen signifikanten Effekt auf die in vitro oder in vivo Fertilität dieser Bullen aus.

Eine noch längere Äquilibrierung von Bullensperma bei 4 °C im eidotterhaltigen Triladyl®-Verdünner wird von GRIGA (2008) beschrieben. Hier kommt es zu einer deut- lichen Verbesserung der progressiven Spermienmotilität nach dem Auftauen von

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18,4 % (1 Stunde) über 28,5 % (3 Stunden), 45,0 % (24 Stunden) bishin zu 52,4 % nach 48 Stunden Äquilibrierungszeit. Auch der Anteil plasmamembranintakter und mitochondrienaktiver Bullenspermatozoen wird durch die Äquilibrierung laut GRIGA (2008) positiv beeinflusst. FLEISCH et al. (2017) beschreiben eine verdünner- abhängige Verbesserung von Motilität, Viabilität und Plasmamembranintegrität bei Bullenspermatozoen mit steigender Äquilibrierungszeit von bis zu 72 Stunden. Neben dem eidotterhaltigen Triladyl®-Verdünner zeigte auch der eidotterfreie Verdünner OPTIXcell® guten Motilitätserhalt nach langer Äquilibrierung. Das Optimum der meisten Spermienqualitätsparameter wird in dieser Studie nach 24-stündiger Äquili- brierung erreicht. Eine auf 72 Stunden verlängerte Äquilibrierung bei 5 °C zeigt nach den Ergebnissen der genannten Veröffentlichung allerdings keinen Einfluss auf die Befruchtungsergebnisse der Bullen im Feld gegenüber einer 4-stündigen Äquili- brierung.

2.4 Die Bedeutung von Zink für Spermatozoen 2.4.1 Rolle bei der Spermatogenese

Das essentielle Spurenelement Zink ist für die Aktivierung von mehr als 300 Enzymen notwendig und unabdingbarer Bestandteil von über 2000 Transkriptionsfaktoren (PRASAD, 2014). Daher wird es auch als Vitalstoff bezeichnet. Etwa 10 % aller Prote- ine im menschlichen Genom haben die Fähigkeit, Zink zu binden (FUKADA u. KAMBE, 2011).

Neben seiner großen Bedeutung für ein intaktes Immunsystem (NISHIDA, 2013) und den Metabolismus einzelner Zellen, aber auch des Gesamtorganismus (BELL u.

VALLEE, 2009) spielt Zink eine herausragende Rolle in der Reproduktionsphysiologie von Säugetieren (BEDWAL u. BAHUGUNA, 1994). Nach HIDIROGLOU und KNIPFEL (1984) bedingt nutritiver Zinkmangel eine fehlerhafte Hodenentwicklung, eine herab- gesetzte Spermatogenese und Sterilität. Bei Ratten (Rattus norvegicus) ist Zink im Zytoplasma und endoplasmatischen Retikulum von Spermatogonien und Spermato- zyten aller Entwicklungsstadien sowie in Leydigzellen nachweisbar (SORENSEN et al., 1998). Nach ELGAZAR (2005) akkumuliert Zink in späten Stadien der Entwicklung,

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wie Spermatiden, in hohem Maße. Zinkregulierende Proteine wie ZnT-1 sind bei Mäu- sen (Mus musculus) in Sertolizellen und luminalen Spermatozoen nachweisbar;

Metallothionein I und II sind in Spermatozyten vorhanden (ELGAZAR et al., 2005).

Beim japanischen Aal (Anguilla japonica) löst die Gabe von humanem Choriongona- dotropin die Spermatogenese aus und führt damit nach YAMAGUCHI et al. (2009) zu einer Zinkakkumulation im Hoden. In der zugrundeliegenden Publikation kommt es vor allem in den Mitochondrien der Spermienvorläuferzellen zu einer starken Anreicherung von Zink. Ein künstlich hergestellter Zinkmangel bedingt nach YAMAGUCHI et al.

(2009) bei Keimzellen eine Hemmung der DNA-Synthese und Apoptose. Zudem kommt es bei Spermatozoen zu einer Verringerung der Motilität.

Bei somatischen Zellen ist Zink maßgeblich an der Regulation von DNA-Reparatur- mechanismen, Zellproliferation, Differenzierung und Apoptose beteiligt (SHARIF et al., 2011). Es ist essentieller Co-Faktor oder sogar Strukturbestandteil wichtiger antioxida- tiv wirksamer Proteine und DNA-Reparatur-Enzyme und somit unabdingbar für die Aufrechterhaltung der genomischen Integrität (PRASAD, 2014). Ein Zinkmangel kann DNA-Schäden begünstigen, jedoch führt auch die exzessive Aufnahme von Zink zu DNA-Schäden (SHARIF et al., 2011). So kommt es bei Zusatz von 250 ppm statt der empfohlenen 25 ppm Zinkmethionat zum Eberfutter nach GARCIA-CONTRERAS et al. (2010) zu einer erhöhten DNA-Fragmentation der Spermatozoen. Die Autoren ver- muten, dass dies auf die exzessive Anreicherung von Zink in den Spermatozoen und eine damit verbundene Destabilisierung des Spermienchromatin zurückzuführen ist.

2.4.2 Bedeutung für reife Spermatozoen

Die Bedeutung von Zink für reife Spermatozoen ist unzureichend geklärt. Zur genauen Menge von Zink im Ejakulat, beziehungsweise in den Spermatozoen oder im Seminal- plasma des Ebers finden sich unterschiedliche Angaben. Als durchschnittliche Konzentration von Zink im kompletten Ejakulat slowakischer Large White Eber geben MASSANYI et al. (2003) 172 ± 65 mg / kg an. In einer 1980 von ARVER und ELIASSON veröffentlichten schwedischen Studie wird eine Zinkkonzentration von etwa 16,9 nmol in 108 Spermatozoen benannt. Der zugehörige Wert im Seminalplasma liegt bei ca. 0,7 mM (ARVER u. ELIASSON, 1980). Eine 2010 veröffentlichte Studie

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von GARCIA-CONTRERAS et al. (2010) beschreibt für York-Landrasse-Kreuzungs- eber eine Zinkakkumulation von 902 ppm in Spermatozoen, welche 50-fach höher als im Seminalplasma mit 17 ppm und 10 bis 13-fach höher als im Nebenhoden mit 70 ppm ist.

Innerhalb von Spermatozoen ist Zink hauptsächlich im Bereich des Flagellums lokali- siert, wo es indirekt über Sulfhydrylgruppen auf die Funktion der Mikrotubuli und somit auf die Motilität Einfluss nimmt (BRAMER et al., 2017). Während der Reifung im Ne- benhoden wird die Zinkmenge jedoch stark reduziert. Nach HENKEL et al. (1999) ist eine hohe Zinkkonzentration im Flagellum von Humanspermatozoen negativ mit der Spermienmotilität korreliert. Dies wird damit begründet, dass die hohe Zinkmenge zu einer geringeren Festigkeit der Mikrotubuli führt und somit ein kräftiges Schlagen der Geißel verhindert.

Generell stabilisiert Zink Zellmembranen durch seine Bindung an Phospholipide, Lipo- proteine und membrangebundene Metalloenzyme sowie durch die Reaktion mit Sulfhydrylgruppen (CHAI et al., 1999). Da Zink nur als zweiwertiges Ion existiert, kann es nicht an Redoxreaktionen teilnehmen. So wirkt der Austausch von Eisen-Ionen gegen Zink-Ionen antioxidativ und schützt vor der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (CHAI et al., 1999). Zink bindet zudem an polare Kopfgruppen von Phospholipiden sowie an ungesättigte Fettsäuren wie Arachidonsäure und verhindert dort eine eisen- induzierte Oxidation (ANDREWS et al., 1994). Gerade im Hinblick auf den hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren in der Membran von Eberspermatozoen stellt dies einen sehr interessanten Fakt dar.

Nach ANDREWS et al. (1994) ist es möglich, dass der Entzug von Zink einen notwen- digen Schritt für die Spermienkapazitation darstellt. In der beschriebenen Studie verzögert bei Mäusen (Mus musculus)der Zusatz von 250 µM Zinkchlorid zum Ejaku- lat die Spermienkapazitation um bis zu fünf Stunden. Unter Kapazitationsbedingungen beobachten die Autoren in der akrosomalen Region eine signifikante Reduktion der Zinkmenge. Der Gesamtgehalt an Zink im Spermium wird so um bis zu 44 % reduziert (ANDREWS et al., 1994). Eine 2014 von MICHAILOV et al. durchgeführte Studie weist das Vorhandensein eines Zinkrezeptors (ZnR) des Typs GPR39 an Spermien- membranen von Bullen nach. Extrazelluläres Zink reguliert über diesen ZnR viele

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verschiedene Signalwege und bewirkt so über die Proteinkinase A und die Tyrosin- kinase die Kapazitation und, über die Phosphatydil-Inositol-3-Kinase, auch die Akrosomreaktion (MICHAILOV et al., 2014).

Das Seminalplasma von Ebern enthält Zink-bindende Proteine, welche durch Bildung hochmolekularer Aggregate zu einer Stabilisierung der Plasmamembran führen und so die Spermatozoen vor Kälteschock schützen können (MOGIELNICKA- BRZOZOWSKA et al., 2011). Die Lagerung von Ebersperma bei niedrigen Tempera- turen beeinflusst den Zinkgehalt der Spermatozoen (BOURSNELL et al., 1977). Bei Eberspermatozoen, die unverdünnt mit ihrem Seminalplasma für 30 Minuten bei 4 °C gelagert wurden, ist dieser laut den Autoren gegenüber einer gleich langen Lagerung bei Umgebungstemperatur von 20 bis 26 °C um das 2,3-fache erhöht. Sowohl in Na- tivejakulaten als auch nach Zentrifugation und Resuspension von Ebersperma erfolgt bei Umgebungstemperatur und bei 4 °C zudem eine Aufnahme von als Zinkacetat zu- gegebenem Zink in die Spermatozoen (BOURSNELL u. NOBLE, 1975). Da die größte Aufnahme zwischen 10 und 20 °C stattfindet, scheint ein Zusammenhang mit der Membranphasentransition der Eberspermatozoen wahrscheinlich. Die Zentrifugation übt gleichfalls einen Einfluss auf den Zinkgehalt des verbleibenden Pellet aus. Durch eine zweimalige Zentrifugation bei 400 g für 20 Minuten gehen nach ARVER und ELIASSON (1980) 40 % Zink aus den Spermatozoen verloren. Sowohl die Akkumula- tion von Zink bei 4 °C als auch der Zinkverlust durch Zentrifugation deuten auf die hohe Bedeutung einer intakten Phospholipidmembran für den Zinkmetabolismus der Sper- matozoen hin.

2.4.3 Zusatz für die Kryokonservierung

Der Zusatz von Zink zum Gefrierverdünner ist in der gängigen Literatur bisher für Eber- spermatozoen nicht beschrieben worden. Es findet sich allerdings jeweils eine Studie, die die Wirkung des Einsatzes bei kryokonserviertem Wasserbüffel- (Bubalus bubalis) (DOROSTKAR et al., 2014) und Humanspermatozoen (KOTDAWALA et al., 2012) be- schreibt.

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2 Literaturübersicht

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Bei der Kryokonservierung der Ejakulate von Wasserbüffeln wirkt sich der Zusatz von 100 µM / ml Zinksulfat zum Gefrierverdünner positiv auf den Erhalt der Motilität, Viabi- lität, Membran- und DNA-Integrität der aufgetauten Spermatozoen aus. Zudem zeigen diese eine höhere antioxidative Kapazität. Erhöhte Dosen von 200 µM und 400 µM der gleichen Substanz beeinflussen die genannten Qualitätsparameter jedoch negativ (DOROSTKAR et al., 2014).

Auch bei Humanspermatozoen kann nach KOTDAWALA et al. (2012) durch eine Zu- gabe von 100 µM / ml Zinksulfat zu einem Glycerol-Eidotter-Zitrat-Verdünner eine Steigerung der Spermienqualitätsparameter DNA-Integrität, Mitochondrienfunktion und progressive Motilität nach dem Auftauen erreicht werden. Die Autoren beschrei- ben zudem eine durch die Zinksupplementation erhöhte Fähigkeit zur Kapazitation und Akrosomreaktion. Konzentrationen von 10 µM, 50 µM, 250 µM, 500 µM oder 1000 µM Zinksulfat im Verdünner zeigen hier aber keinen signifikanten Effekt auf die Sper- maqualität.

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3 Material und Methoden

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3 Material und Methoden

3.1 Grundsätzlicher Arbeitsablauf

Zunächst soll der grundlegende Ablauf für die vorliegende Arbeit erläutert werden. Die- ser ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Das Probenmaterial wurde auf einer Eberstation gewonnen und vor dem anschließenden Versand vorverdünnt. Alle weite- ren Arbeitsschritte fanden am Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere Schönow e.V. (IFN) statt.

Abbildung 1: Darstellung des Ablaufes der Kryokonservierung von Ebersperma. Auf der linken Bildseite sind die wichtigsten Verarbeitungsschritte und rechts daneben je- weils maßgebende Detailangaben aufgeführt. Zusätzlich ist die räumliche Trennung in Eberstation (oben) und IFN (unten) dargestellt. IFN = Institut für Fortpflanzung land- wirtschaftlicher Nutztiere Schönow e.V., BTS = Beltsville Thawing Solution, LN2 = flüssiger Stickstoff.

Referenzen

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