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Archiv "Bürokratensprache: Nachwirkung" (02.07.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

D

ie Weltdrogenkonfe- renz, die im Juni in Wien stattgefunden hat, war die erste in der Geschichte der Vereinten Nationen. Das letzte vergleichbare Ereignis soll vor achtzig Jahren in Schanghai stattgefunden haben. Es ist er- staunlich, wie lange es gedauert hat, international und offiziell eine solche Konferenz zustande zu bringen, beunruhigt das Dro- genproblem doch seit Jahrzehn- ten die Staaten in aller Welt. In Wien hat Professor Dr. Rita Süssmuth die Bekämpfung des illegalen Drogenanbaus und Drogenhandels als schwierigste Herausforderung für alle Regie- rungen bezeichnet. Schwierig, weil es sich um ein großes Ge- schäft, das von mächtigen, un- durchsichtigen Organisationen betrieben wird, handelt.

Schwierig auch deshalb, weil Anbau und Handel in einigen Ländern mit Duldung, ja unter dem Schutz des Staates gesche- hen. Frau Süssmuth, Vertrete- rin einer Regierung und spre- chend vor einer Konferenz der Regierungen, hat diesen Um- stand nur andeuten können:

„Leider wissen wir alle, daß nicht nur professionelle Drogen- händler, sondern in Ausnahme-

Weltdrogenkonferenz

Alltagsaufgabe

fällen

fällen auch politische und wirt- schaftliche Machtträger Geist und Buchstaben der Suchtstoff- übereinkommen mit Füßen tre- ten."

Frau Süssmuths Hoffnung auf internationale Solidarität wird von allen, die guten Wil- lens sind, geteilt. Gleichwohl wird die Drogenbekämpfung bis auf weiteres und vielleicht bis zum St.-Nimmerleins-Tag in er- ster Linie eine nationale Aufga- be bleiben. Und hier ist daran zu erinnern, daß mit Drogenab- hängigkeit nicht nur die Abhän- gigkeit von Heroin und Kokain gemeint ist, sondern auch die von Arzneimitteln. Daran ha- ben die Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit sowie die Bundes- ärztekammer anläßlich der Weltdrogenkonferenz erinnert.

Der Arzt kann in der alltäg- lichen Arbeit seinen Beitrag lei- sten, indem er

• bei der Verordnung häu- fig mißbrauchter Arzneimittel,

insbesondere von psychotropen Arzneimitteln, die Indikation streng stellt,

• die Verordnung sucht- stoffhaltiger Medikamente ohne persönliche Kenntnis des Pa- tienten ablehnt;

• suchtstofffreie Arznei- mittel verordnet, wenn dies für die adäquate Behandlung der Erkrankung ausreichend ist;

• nichtmedikamentöse Therapieformen nützt bei Krankheiten und Störungen des Befindens, wenn diese Thera- pien statt häufig mißbrauchter Medikamente eingesetzt werden können;

• bei bestehenden oder vorgetäuschten körperlichen und seelischen Entzugssyndro- men keine anderen Suchtstoffe als Ersatzmittel — zum Beispiel Leva-Methadon — verschreibt, sondern die ärztliche Überzeu- gungskraft und Autorität ein- setzt und den Drogenabhängi- gen einer Entzugsbehandlung mit dauerhaftem Erfolg zuführt;

• mit geeigneten Medika- mentenberatungsstellen zusam- menarbeitetet, damit die nach einer Entgiftung im Kranken- haus erforderliche Entwöh- nungsbehandlung möglichst lük- kenlos anschließen kann. DÄ

T

schernobyl hat so man- ches verdorben. Zum Beispiel die Sicherheit, es werde schon nichts passieren;

das Verhältnis zwischen man- chen Sozialdemokraten und manchen Gewerkschaftern ( „aussteigen" oder nicht?); die Einigkeit bei den Grünen; den Glauben, deutsche Politiker in Bund und Ländern seien beson- ders geeignet fürs Krisen-Ma- nagement (jedenfalls bei denen, die vor Tschernobyl daran ge- glaubt haben sollten — na ja, las- sen wir das).

Jetzt verdirbt Tschernobyl nachträglich auch noch die deut- sche Sprache. Eine Bundestags- abgeordnete wollte vom Um- weltminister wissen, ob Er-

Bürokratensprache

Nachwirkung

kenntnisse über den Gesund- heitszustand Neugeborener vor- liegen, die nach dem Kernkraft- werks-Unglück von Tschernobyl geboren wurden.

Antwort des Staatssekre- tärs: Nein — bloß, so klar drückt sich kein Politiker aus. Sondern:

„Über die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand Neuge- borener infolge des Reaktorun- falls . . ." ; „ infolge" ist schlicht falsch, es geht ja um die Auswir- kungen des Unfalls.

Weiter: Was nicht vorliegt, sind keineswegs „Erkenntnis- se" oder „Angaben" oder mei- netwegen auch „Daten". Son- dern es heißt: „ . . . liegt kein belastbares, statistisch signifi- kantes Aussagematerial vor".

„Aussagematerial"! Und was heißt eigentlich „belast- bar"? Was könnte man denn mit „Aussagematerial" anfan- gen, das zwar belastbar, aber statistisch nicht signifikant wä- re? Oder umgekehrt: Wohl sta- tistisch signifikant, aber doch nicht belastbar?

Hoffentlich sind wenigstens die nächsten Wahlergebnisse ebenso belastbar, wie es offen- bar die deutsche Sprache sein muß... gb

Dt. Arztebl. 84, Heft 27, 2. Juli 1987 (1) A-1869

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