Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 33½½½½17. August 2001 AA2136
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rstmals haben Richter verbindlich festgeschrie- ben, was Mobbing ist. Un- ter dem Vorsitz seines Vize- präsidenten Dr. jur. Peter Wickler stellte das Landesar- beitsgericht Thüringen unter anderen folgende Leitsätze auf (Az.: 5 Sa 403/00):❃Der Arbeitgeber ist ver- pflichtet, das allgemeine Per- sönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeits- oder Freiheitssphäre zu verletzen, einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die Arbeitneh- merpersönlichkeit zu fördern.
❃Eine Verletzung des Per- sönlichkeitsrechts kann nicht nur im Entzug der Beschäfti- gung, sondern auch in einer nicht arbeitsvertragsgemäßen Beschäftigung liegen.
❃Aus dem Um- stand, dass bloß für einen vorüberge- henden Zeitraum in das allgemeine Persönlichkeits-
recht des Arbeitnehmers eingegriffen wird oder dem Arbeitnehmer dadurch keine finanziellen Nach- teile entstehen, kann kein diesen Eingriff rechtfertigendes, überwiegend schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers hergeleitet wer- den.❃ Bei dem Begriff „Mob-
bing“ handelt es sich um einen eigenständigen juristischen Tatbestand. Die juristische Bedeutung der durch den Be- griff gekennzeichneten Sach- verhalte besteht darin, der Rechtsanwendung Verhaltens- weisen zugänglich zu machen, die bei isolierter Betrachtung der einzelnen Handlungen nicht oder nicht in einem der Tragweite des Falles ange- messenen Umfang erfüllen können.
❃Ob ein Fall von „Mobbing“
vorliegt, hängt von den Um- ständen des Einzelfalles ab. Da- bei ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umgang
im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzuneh- menden Verhalten er- forderlich. Im arbeits- rechtlichen Verständ- nis erfasst der Begriff
„Mobbing“ fortge- setzte, aufeinan- der aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schika- ne oder Diskriminie- rung dienende Ver- haltensweisen, die nach Art und Ab- lauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeck- ten Zielordnung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Ge- samtheit das allgemeine Per- sönlichkeitsrecht oder andere geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.
❃Die vielfach dadurch ent- stehende Beweisnot des Be- troffenen, dass dieser allein ohne Zeugen Verhaltenswei- sen ausgesetzt ist, die in die Kategorie Mobbing einzustu- fen sind, ist durch eine den Grundsätzen eines fairen und auf Waffengleichheit achten- den Verfahrens auszuglei- chen. Dabei muss die im Zwei- fel erforderliche Anhörung ei- ner Partei bei der gerichtli- chen Überzeugungsbildung berücksichtigt werden. EB S T A T U S
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www.aerzteblatt.de Grundsatzurteil
Mobbing am Arbeitsplatz
Der zeitliche Aufwand für die DRG-Dokumentation ist für viele Klinikärzte ein Ärgernis. Inwieweit die Dokumentation eine ärztli- che Tätigkeit ist, wird im Forum „Ausbeutung“ dis- kutiert. Ein Forumsteilneh- mer schreibt:„
Hatte mich gestern mit einem Juristen über die DRGs unterhalten. Auf die Frage, inwieweit ich denn zu solcher stumpfsinniger Arbeit verpflichtet sei, meinte er, es käme darauf an: Grundsätzlich sei es zu- mutbar, dass Ärzte ihre Ar- beit dokumentieren – das könnte man als Teil der ärztlichen Aufgaben anse- hen. Allerdings gibt es da wohl noch die Frage der Verhältnismäßigkeit. Wenn die Verschlüsselei einen un- verhältnismäßig großen Teil der täglichen Arbeits- zeit beanspruche, müsste man eigentlich entspre- chend qualifizierte Kräfte dafür einstellen. Das Ganze verhält sich dann so, wie wenn man einen Arzt ein- fach so ins Archiv versetzte, dagegen könnte er klagen, weil er dafür nicht einge- stellt wurde.“
Fotos:
Hahne