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Archiv "Zahnärztestreit um Honorarbudgets: Seehofer untersagt Zahnärzten Behandlungsaufschub" (04.11.1994)

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POLITIK LEITARTIKEL

Zahnärztestreit um Honorarbudgets

Seehofer untersagt Zahnärzten Behandlungsaufschub

Als sich die Delegierten der Kassenzahnärztlichen Bundesverei- nigung am 21. Oktober im Ulmer Maritim-Hotel zu ihrer ordentlichen Vertreterversammlung trafen, war die Spannung förmlich mit Händen zu greifen. In den Tagen und Wo- chen zuvor hatten die Zahnärzte nämlich die Hauptrolle bei den ge- sundheitspolitischen Schlagzeilen der Medien gespielt. Es war die Re- de von Behandlungsboykott, die Kassen drohten mit dem Entzug von Zulassungen, und das Bundesge- sundheitsministerium kündigte auf- sichtsrechtliche Schritte an.

All dem war eine Pressemittei- lung der KZBV vorausgegangen, deren Überschrift lautete: „Wegen begrenzter Mittel nur noch einge- schränkte Behandlungen von Pati- enten in diesem Jahr möglich". Der Vorsitzende der Kassenzahnärztli- chen Bundesvereinigung, Dr. Karl Horst Schirbort, bezieht sich darin auf das gesetzlich vorgegebene Ho- norarbudget, das von vornherein nur einen begrenzten Behandlungs- rahmen eröffne.

Wenn dieser Rahmen aber von den Patienten überschritten werde, müsse der Zahnarzt kostenlos be- handeln. Schirbort wörtlich: „Das kann man keinem zumuten. Folg- lich müssen wir alle nicht akuten Behandlungsfälle in den nächsten Budgetzeitraum, also in das nächste Jahr, verschieben. Die zahnärztli- chen Körperschaften werden für ei- ne ausreichende Notfallbereitschaft dennoch Sorge tragen."

Aus dieser Formulierung leite- ten die Kritiker des KZBV-Vor- stoßes den Aufruf zu einem Be- handlungsboykott ab und reagier- ten entsprechend heftig. Unmittel- bar vor der Bundestagswahl stan- den die Zahnärzte am Pranger. Zu

Im Streit um die Konsequenzen aus Bud- getüberschreitungen kann der Vorstand der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung auf die Rückendeckung der Vertreterver- sammlung bauen. Mit großer Mehrheit for- derten die Delegierten das Führungsgremi- um der KZBV auf, weiterhin öffentlich zu erklären, daß mit begrenzten Mitteln nicht unbegrenzte Leistungen finanziert werden können. Unterdessen hat Bundesgesund- heitsminister Horst Seehofer die KZBV auf- gefordert, binnen weniger Tage seine an- derslautende Rechtsauffassung allen Kas- senzahnärzten bekanntzugeben. Seehofer sagt: Kein Zahnarzt dürfe Behandlungen unter dem Hinweis auf ausgeschöpfte Ho- norarbudgets ins nächste Jahr verschieben.

Unrecht, wie sie selbst meinen, denn Dr. Karl Horst Schirbort be- streitet, zu irgendeinem Zeitpunkt zum Boykott aufgerufen zu haben.

Vor den Delegierten in Ulm und wiederholt vor den Vertretern der Medien wies Schirbort auf das eigentliche Anliegen der Kassen- zahnärzte hin. Danach wolle man sowohl der Politik als auch der Öf- fentlichkeit klar machen, daß das Instrument der Honorarbudgetie- rung in die Irre führe. Tatsächlich sei bereits jetzt bei etwa zehn Pro- zent der Zahnarztpraxen das Be- handlungsbudget erschöpft. Anfang Dezember werde dieselbe Situation bei rund der Hälfte aller Kassen- zahnärzte eingetreten sein.

Als Gründe für das vorzeitige Versiegen der Honorartöpfe führte Schirbort die wachsende Zahl von Vorsorgeuntersuchungen und die Niederlassungswelle bei den Zahn- ärzten an. Beides sei durch das Ge- sundheitsstrukturgesetz bedingt.

Für den KZBV-Vorsitzenden ist die Budgetierung insgesamt Ausdruck

einer dirigisitischen und letztlich planwirtschaftlichen Politik, die das Krankheitsrisiko allein den Ärzten aufbürde.

Die Krankenkassen und auch das Bundesgesundheitsministerium halten den Zahnärzten indessen ent- gegen, daß die Budgetüberschrei- tungen in den betroffenen Praxen auf die „hausgemachte" Honorar- verteilung der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zurückzuführen sei.

Im Gegensatz zu den Kassenärzten haben die Zahnärzte nämlich ein in- dividuelles, auf den einzelnen Arzt zugeschnittenes Honorarbudget ge- bildet. Danach wird ein Mehr an Leistungen nicht durch fallende Punktwerte kompensiert — ein Ver- fahren, das Schirbort für die zahnärztliche Versorgung für denk- bar ungeeignet hält.

Im übrigen, so die Auffassung des KZBV-Vorstandes, könne die Gestaltung des Honorarverteilungs- maßstabes lediglich über die Art der Kontingentierung, nicht aber

„über das Grundproblem der Ra- tionierung" selbst entscheiden. Will heißen: Wenn zu wenig Geld da ist, hilft auch eine gleichmäßig geringe- re Verteilung nicht weiter. Allen- falls könne auf diese Weise das Fiasko der Budgetierungspolitik ei- ne Zeitlang verschleiert werden.

In Ulm erhielt Dr. Schirbort Applaus für seine entschiedene Po- sition. Nur vereinzelt gab es Kritik am „ungeschickten Vorgehen des KZBV-Vorstandes in der Öffent- lichkeit". Während einige Delegier- te beklagten, daß das Ansehen der Zahnärzte erneut Schaden genom- men habe, hieß die Mehrheit der Vertreterversammlung das Vorge- hen des Vorstandes gut. So bekräf- tigten die Zahnärzte in einer Reso- lution ihre Auffassung, „daß kein

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 44, 4. November 1994 (19) A-2991

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POLITIK LEITARTIKEL / AKTUELL

47. Bayerischer Arztetag

Der 47. Bayerische Ärztetag — vom 7. bis 9.

Oktober in Rosenheim — beschäftigte neben einer Vielzahl bayerischer Themen auch die nächste Stufe der Gesundheitsreform.

Z

iemlich friedlich, zumindest was die innerärztlichen Ange- legenheiten angeht, verlief der 47. Bayerische Ärztetag. Vor vier Jahren, als die Delegiertenver- sammlung sich in neuer Zusammen- setzung präsentierte und den neuen Vorstand wählte, hatte manch einer befürchtet, der Übergang von der

„Ära Sewering" zu neuen Verhält- nissen werde nicht so reibungslos vonstatten gehen. Es kam anders.

Das liegt zum einen an der vermit- telnden Art des 1991 gewählten Präsidenten Dr. med. Hans Hege, aber auch am guten Willen der übri- gen Beteiligten, und das liegt nicht zuletzt an einer gut funktionieren- den Verwaltung.

In Rosenheim beschäftigten sich die Delegierten vorwiegend mit innerbayerischen, zum Teil auf die kommenden Wahlen Anfang De- zember zielenden Fragen. Unter den auch überregional interessan- ten Beschlußfassungen fallen einige zur Allgemeinmedizin auf. Das Be- streben des Ärztetages ist es, das Fach Allgemeinmedizin an den Hochschulen besser zu verankern und die Allgemeinmedizin in der ärztlichen Weiterbildungsordnung weiter aufzuwerten. Der Bayerische Ärztetag sprach sich dafür aus, für den Facharzt für Allgemeinmedizin nun doch eine vierjährige Weiterbil- dung einzuführen. Hervorgehoben seien zwei weitere zeitgemäße Ent- schließungen: Die bayerischen Ärz- te verurteilen Fremdenfeindlich- keit, Rassismus und Antisemitis- mus, sie mahnen zu Toleranz und Menschlichkeit. In einer weiteren Resolution würdigte der Ärztetag die Hospizbewegung. Er appellierte daran, die Zusammenarbeit mit den Hospizgruppen zu pflegen.

Die öffentliche Veranstaltung der Bayerischen Ärztetage beschäf- tigt sich regelmäßig auch mit bun- despolitischen Fragen — gesehen und kommentiert aus bayerischer Sicht. Gewöhnlich hält einer der bayerischen Minister, die von Amts wegen für die Ärzteschaft zuständig sind, ein aktuelles Referat. Diesmal war das der bayerische Sozialmini- ster Dr. phil. Gebhard Glück. Der ist inzwischen von Stoiber aufs Al- tenteil geschickt worden. Beim 47.

Bayerischen Ärztetag, am 7. Okto- ber amtete er jedoch noch als Staatsminister. Glück gehörte von Anfang an zu den überzeugten Ver-

Zufrieden nach einem friedlichen Ärztetag: Dr. Hans

Hege Foto: Jürgens

teidigern des GSG. Das gilt für die gesamte bayerische Staatsregie- rung, was auch kaum verwunderlich ist: Bayern (und/oder die CSU) läßt Horst Seehofer (CSU) nicht im Stich. Die Delegierten der Bayeri- schen Ärztetage hörten sich Glücks frühere Lobreden auf das GSG mit süßsaurer Miene an. In diesem Jahr bekräftigte Glück noch einmal sei- ne und der Staatsregierung Hal- tung: Dank des GSG sei die gesetz- liche Krankenversicherung nun- mehr kein Treibsatz mehr für die Lohnzusatzkosten, die Krankenver- sicherung sei wieder auf Erfolgs- Zahnarzt in einem Rechtsstaat ge-

zwungen sein könne, Behandlungen zu eigenen Lasten zu erbringen".

Auch sei die Zahnärzteschaft nicht bereit, „ sich durch Schweigen zum Komplizen einer verfehlten Ge- sundheitspolitik" machen zu lassen.

Schirbort selbst ging noch einen Schritt weiter und sah die Zahnärz- teschaft in einer Art Vorreiterrolle:

„Wenn wir jetzt den Finger in die Wunde legen, haben künftig viel- leicht auch die anderen Berufsgrup- pen im Gesundheitswesen den Mut, sich zu Wort zu melden."

Mit der Ulmer Vertreterver- sammlung ist die Frage nach dem weiteren Verhalten der Zahnärzte jedoch keineswegs entschieden. Be- reits drei Tage später mußten Ver- treter der KZBV im Bundesgesund- heitsministerium zu einer „auf- sichtsrechtlichen Beratung" antre- ten.

. . . nur nicht darüber reden

Dort reduzierte sich der Streit nach Darstellung der Kassen- zahnärztlichen Bundesvereinigung auf einen einzigen Punkt. In einer Gesprächsnotiz der KZBV liest sich das Fazit der „Beratung" so: „Der Zahnarzt kann Urlaub machen, kann seine Behandlung einteilen, wie er will, und verschiebbare Be- handlungen ins nächste Jahr verle- gen — er darf nach Ansicht des BMG nur nicht darüber reden."

Die offizielle Stellungnahme des Ministeriums klingt hingegen anders. Darin wird die KZBV auf- gefordert, „unsere Antwort auf die öffentliche Diskussion zu den Fol- gen der Budgetierung in der Ge- sundheitspolitik" binnen einer knappen Woche an alle Zahnärzte schriftlich und unkommentiert auf den Weg zu bringen.

Die Antwort lautet: Der Ver- tragszahnarzt ist verpflichtet, dem Versicherten die ihm zustehende zahnärztliche Behandlung umfas- send und zeitnah zu erbringen. Er ist nicht berechtigt, Leistungen un- ter Hinweis auf die Budgetierung in das jeweils nächste Abrechnungs- jahr zu verschieben. Josef Maus

Angst vor Rationierung

A-2992 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 44, 4. November 1994

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