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Archiv "Williams-Beuren-Syndrom" (12.05.1995)

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Tabelle 1:

Klinische Merkmale beim WBS

Früh- und unspezifische Merkmale Prozentuale Häufigkeit

Ernährungsschwierigkeiten 70

Gedeihstörung 81

Erbrechen 40

Obstipation 43

Koliken 67

Nabelhernie 14

Leistenbruchhernie 38

Hyperkalzämie 67

Haupt- und häufige Merkmale Prozentuale Häufigkeit

Supravalvuläre Aortenstenose 64

Supravalvuläre Pulmonalstenose 24

Typische Facies und charakteristisches

Verhaltensmuster 67

Lernschwäche 97

Geistige Retardierung 97

Malokklusion 85

Zahnschmelzhypoplasie 48

Microdontie 55

Weitere Merkmale

Ventrikelseptumdefekt Ductus arteriosus persistens Hypoplasie der Aorta Strabismus convergens Irisdysplasie

Hypermetropie Chronische Otitis media Enuresis

Fehlbildungen der Nieren

Eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke Fehlstellung der Wirbelsäule

Prozentuale Häufigkeit 12

5 18 50 50 24 43 52 41 50 50 Aus Colleen A. M.: The Journal of Pediatrics 1988, verändert

MEDIZIN KURZBERICHT

Williams-Beuren-Syndrom

Neue

molekulargenetische Möglichkeiten

Franco A. Laccone

D

as Williams-Beuren-Syndrom (WBS) ist bei voller Ausprä- gung ein charakteristisches Krankheitsbild mit typischer Facies, supravalvulärer Aortensteno- se (SVAS), Pulmonalstenose und Ventrikelseptumdefekt sowie geisti- ger Retardierung (IQ zwischen 50 und 80) (1, 12). Häufig werden bei den Patienten während der ersten zwei Lebensjahre eine Hyperkalz- ämie und deren Symptome beobach- tet (Anorexie, Obstipation, Gedeih- störungen, häufiges Erbrechen). Die Wachstumskurve zeigt während der ersten vier bis fünf Jahre einen deutli- chen Rückstand. Die Patienten errei- chen eine Endgröße, die an der unte- ren Grenze des Normbereichs liegt.

Der Gesichtsausdruck wird in der englischsprachigen Literatur als El- fen-Gesicht bezeichnet (Abbildung 1). Neurologisch ist ein etwas unsiche- rer breitbeiniger Gang zu beobach- ten. Die Stimmlage ist oft tief und rauh (Tabelle 1).

Die Kinder zeigen ein typisches Verhaltensmuster. Sie sind zutraulich, fröhlich, redselig. Als bezeichnend bei den Kindern mit WBS ist die soge- nannte „cocktail party speech". Unter dieser Beschreibung versteht man die exzessive Benutzung von Stereo- typsätzen und KlicMs. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen diesen gut erhaltenen Sprachfähigkeiten und weiteren kognitiven Fähigkeiten. Be- schrieben sind bei Patienten mit WBS auch Ureterenstenosen und Nieren- fehlbildungen, Divertikulose der Bla- se und vescicoureteraler Reflux.

Laborchemisch kann eine Hy- perkalzämie sowie eine gesteigerte Sensitivität gegenüber Vitamin D und bei einigen Patienten ein erniedrigter Serum-Calcitonin-Wert beobachtet werden (7).

Fast alle Erwachsenen mit WBS zeigen eine zunehmende Bewegungs- einschränkung, insbesondere im Be- reich der Gelenke der unteren Extre- mitäten, sowie eine Kyphoskoliose und/oder Lordose und Osteosklerose.

Die Hälfte der Erwachsenen mit WBS leidet an Obstipation, Diverti- culosis coli und teilweise Choleli- thiasis. Symptome einer wiederkeh- renden Hyperkalzämie sind auch bei Erwachsenen beschrieben worden.

Die Diagnosestellung erfolgt im

Institut für Humangenetik (Direktor: Prof. Dr.

med. Wolfgang Engel) der Universität Göt- tingen

Durchschnitt im Alter von 6,4 Jahren (8). Aufgrund der Variabilität der Er- krankung ist es möglich, daß einige Patienten mit WBS nicht als solche er- kannt werden.

Genetik

Beim WBS handelt es sich von wenigen Fällen abgesehen um eine sporadisch vorkommende Erkran- kung. Die Inzidenz des Syndroms wird auf 1/10 000 geschätzt (4). Die SVAS, die auch als isolierte Fehlbil- dung vorkommen kann, stellt eines der häufigsten Symptome beim WBS A-1382 (46) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995

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MEDIZIN KURZBERICHT

(etwa 50 bis 80 Prozent) dar. Die ge- netische Ursache der isolierten SVAS und des WBS blieb bislang unbe- kannt. Zahlreiche Familienbeobach- tungen haben gezeigt, daß die isolier- te SVAS autosomal dominant vererbt wird, während beim WBS in der Re- gel keine Familiarität feststellbar ist, obwohl das konkordante Vorkom- men des WBS bei monozygoten Zwil- lingen eine genetische Ursache ver- muten läßt (9, 10). Mittlerweile ist be- wiesen worden, daß eine Deletion am 3'-Ende des Elastin-Gens (ELN) auf Chromosom 7 (7q11.23) bei der iso- lierten SVAS vorliegt (3). Aufgrund des gleichzeitigen Vorkommens von isolierter SVAS und WBS in wenigen Familien, wurde eine gemeinsame ge- netische Ursache beider Erkrankun- gen diskutiert (4).

In einer Arbeit von Jörgensen und Beuren 1965 (6) heißt es: „Wenn man die verschiedenen Modelle, die sich zur Erklärung im Falle der kom- plizierten SVAS (so wurde das WBS

Abbildung 1: Sechs Patienten mit Williams-Beuren-Syndrom, die die Variabilität der Fazies zeigen. Neben Kin- dern mit typischer Fazies (erstes und zweites Kind von links in der unteren Reihe) gibt es Kinder mit unauffäl- liger Fazies (zweites Kind von links in der oberen Reihe). G. Jörgensen: Supravalvuläre Aortenstenose. Aus

„Humangenetik. Ein kurzes Handbuch in 5 Bänden. Hrg. P. E. Becker, G. Thieme Verlag Stuttgart (1972)". Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

zunächst genannt) anbieten, zusam- menfassend überblickt, so hat die An- nahme einer Chromosomenaberrati- on am meisten für sich". Diese theo- retische Überlegung konnte 1993 von Ewart et al. (2) bewiesen werden:

Beim WBS handelt es sich um ein in der Regel de novo entstandenes Mi- krodeletionssyndrom, bei dem ein lichtmikroskopisch nicht sichtbarer

Abbildung 2: Vater 1, Be- troffene 2, Mutter 3, un- auffällige Geschwister 4 und 5, 1-Kb-Leiter 6. Die Patientin hat nur das vä- terliche (GT19) und kei- nes der mütterlichen Al- lele (GT20 oder GT17 ) ge- erbt. Beide phänotypisch unauffälligen Geschwi- ster der Patientin sind er- wartungsgemäß hetero- zygot.

Chromosomenabschnitt verloren ge- gangen ist. Die Untersuchung von neun Kindern mit WBS konnte ein- deutig eine Mikrodeletion in der Re- gion 7q11.23 nachweisen. Das ELN- Gen war bei allen untersuchten Kin- dern vollständig mitdeletiert. Die po- stulierte Verbindung zwischen WBS und SVAS wurde somit molekularge- netisch bewiesen. Die partielle Dele-

tion am 3'-Ende des ELN-Gens wird als genetische Ursache der isolierten SVAS angesehen. Die totale Deletion des ELN-Gens kann ebenso die Ent- stehung der SVAS, weiterer Ge- fäßveränderungen oder -Fehlbildun- gen und Symptome beim WBS wie Hautveränderungen, faziale Dysmor- phie, Diverticulosis coli und Hernien erklären. Die geistige Behinderung und das besondere neuropsychologi- sche Profil der Kinder mit WBS sowie die Hyperkalzämie und Veränderun- gen des Skeletts und Gelenkappara- tes können wahrscheinlich nicht allein von einer kompletten Deletion des ELN-Gens verursacht werden. So wird angenommen, daß mindestens ein weiteres Gen für das vollständige Erscheinungsbild des WBS-Syn- droms mitverantwortlich ist. Die kli- nische Variabilität und der Schwere- grad des WBS-Syndroms werden möglicherweise durch die Größe der bestehenden Deletion oder durch ei- ne Heterogenität der Erkrankung be- dingt. Bezüglich der möglichen Hete- rogenität des WBS-Syndroms ist die Beschreibung eines WBS-Typ-II zu erwähnen. Hierbei wurden bei den Betroffenen Chromosomenaberra- tionen am langen Arm eines Chromo- soms 4 beobachtet (5, 12).

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 5. Mai 1995 (47) A-1383

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MEDIZIN

Möglichkeiten der Molekulargenetik

Die Untersuchung von Restrikti- onsfragmentenlängenpolymorphis- men im Chromosomenabschnitt 7q11.23 bei den Eltern eines Patien- ten und bei dem Betroffenen selbst, kann den Verlust eines elterlichen Al- lels bei dem Betroffenen nachweisen.

Als Beispiel soll eine der in unserem Institut untersuchten Familien dienen (Abbildung 2). Mit Hilfe eines hoch- polymorphen, im ELN-Gen beschrie- benen Tandem-Repeats (hintereinan- derliegende Kopien einer Sequenz, in diesem Fall „GT"-Sequenz) ist die Diagnose molekulargenetisch gesi- chert worden. Beim Vater der Patien- tin tritt nur eine Bande auf. Da er phä- notypisch unauffällig ist, ist davon auszugehen, daß er homozygot für das gleiche Allel ist. Bei der Mutter der Patientin, phänotypisch ebenso unauffällig, treten zwei zu der des Ehemannes unterschiedliche Banden auf, das heißt, sie ist heterozygot für das untersuchte Allel. Die Patientin hat nur das väterliche Allel und kei- nes der beiden mütterlichen Allele geerbt. Die zwei gesunden untersuch- ten Geschwister der Patientin zeigen die erwartete Heterozygotie. Die Aussagekraft von Polymorphismen hängt von der Familienkonstellation ab. Die, Anwendung zusätzlicher Marker außerhalb des ELN-Gens könnte die Größe der Deletion defi- nieren. Sie dürfte eventuell auch mit Hilfe der FISH-Hybridisierung oder der Southern-Blot-Analyse, eine Dia- gnose bei der Mehrzahl der Fälle er- möglichen.

Die molekulargenetische Unter- suchung von Betroffenen kann den Zusammenhang zwischen Genotyp und Phänotyp besser definieren. Es ist noch zu klären, ob bei allen Fällen von WBS eine komplette Deletion des ELN-Gens vorkommt Eine wei- tere Aufgabe, die mit Hilfe der Mole- kulargenetik erbracht werden kann, ist die Suche nach den Genen, die für die Hyperkalzämie, den erniedrigten Calcitonin-Spiegel und insbesondere die geistige Retardierung beim WBS verantwortlich sind. Die molekular- genetische Untersuchung kann auch eine Hilfestellung im Rahmen einer genetischen Beratung sein. Es kön-

KURZBERICHT / DISKUSSION

nen weitere Familienmitglieder un- tersucht werden, um eine Mikrodele- tion bei den symptomlosen Ratsu- chenden auszuschließen und somit das Wiederholungsrisiko in der Fami- lie zu präzisieren.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärzteb11995; 92: A-1382-1384 [Heft 19]

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. rer. nat.

Hans-Joachim Gabius, Dr. med. Sigrun Gabius in Heft 36/1994

Mangelnde Aktualität

Die Ausführungen von Herrn Professor Dr. rer. nat. H.-J. Gabius und Frau Dr. med. S. Gabius bezüg- lich der experimentellen Austestung und klinischen Anwendung des im- munmodulierenden Mistellektin-1 (ML-1) und von wässrigen Mistelex- trakten, die auf ML-1 normiert sind, repräsentieren den Stand der Mistel (lektin)forschung der Jahre 1990 bis 1992. Eine Vielzahl experimenteller Daten der Jahre 1993 und 1994 blieb aus unverständlichen Gründen un- berücksichtigt, darunter auch solche, die unsere interdisziplinäre Kölner Arbeitsgruppe in Kooperation mit Herrn Prof. Dr. Gabius erarbeitet und in internationalen Fachzeitschriften publiziert hat. Die Ergebnisse die-

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med.

Franco A. Laccone Institut für Humangenetik der Universität Göttingen Goßlerstraße 12 d 37073 Göttingen

ser experimentellen Grundlagenfor- schung (zum Teil als Kooperation, wie erwähnt) waren schließlich die Basis für mehrere prospektiv randomisierte klinische Multicenterstudien, von de- nen eine seit mehr als einem Jahr (mit Wissen von Herrn Prof. Dr. Gabius) an deutschen Universitätskliniken (unter anderem in München) durch- geführt wird, um den möglichen Nut- zen der ML-1- oder der ML-1 nor- mierten Mistelextraktanwendung für Tumorpatienten für Tumorprogressi- on, Rezidivierung, Metastasierung und ganz besonders bezüglich der Le- bensqualität statistisch abzusichern.

Eine erste Auswertung dieser Studie, insbesondere bezüglich definierter Immunparameter und zum postope- rativen Nebenwirkungsspektrum, ist derzeit in Bearbeitung. Eine weitere prospektive randomisierte klinische Multicenterstudie zur gleichen The- matik ist gerade im Anfangsstadium und wird vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) gefördert.

Die Forderung der Autoren nach prospektiven randomisierten (möglichst doppelblinden) klinischen Studien zur Prüfung der Wirksamkeit von ML-1 (oder von Mistelextrakten, die auf ML-1 normiert sind) ist be-

Wohin führt die

naturwissenschaftliche Forschung über

Misteltherapie?

A-1384 (48) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995

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