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Landtag und Regierung im Widerstreit.

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Academic year: 2021

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Beiträge zum Parlamentarismus Band 19

Wolfgang Reinicke

Landtag und Regierung im Widerstreit.

Der parlamentarische Neubeginn in Bayern 1946–1962

19

Herausgeber Bayerischer Landtag Maximilianeum Max-Planck-Straße 1 81675 München Postanschrift:

Bayerischer Landtag 81627 München Telefon +49 89 4126-0 Fax +49 89 4126-1392

landtag@bayern.landtag.de äge zum P

arlamentarismus

(2)

München, November 2014 Bayerischer Landtag

Landtagsamt Referat Öffentlichkeitsarbeit, Besucher Maximilianeum, 81627 München

www.bayern.landtag.de ISBN-Nr. 978-3-927924-34-5

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

Dr. Wolfgang Reinicke (geb. 1974 in Jena) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Haus der Bayerischen Geschichte in Augsburg. Er hat an zahlreichen Ausstellungsprojekten mitgewirkt, leitet das Projekt Zeitzeugen und ist Mitglied im Projektteam für das neue Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg.

(3)

Landtag und Regierung im Widerstreit.

Der parlamentarische Neubeginn in Bayern 1946–1962

Inaugural-Dissertation

zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät I der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

vorgelegt von

Wolfgang Reinicke M.A.

aus München

(4)

Erstgutachter: Professor Dr. Dirk Götschmann Zweitgutachter: Professor Dr. Dietmar Grypa Tag des Kolloquiums: 6. Februar 2013

(5)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 12

1 Einleitung 13

1.1 Thematik, Fragestellung und Zielsetzung 13

1.2 Quellenlage und Forschungsstand 16

1.2.1 Quellenlage 16

1.2.2 Tendenzen und Ergebnisse der Forschung 19

1.3 Methodik und Aufbau 22

1.4 Thematische Abgrenzung 26

1.5 Editorische Notiz 28

I. Hauptteil: Das Verhältnis Landtag – Regierung in der Bayerischen

Verfassung von 1946 33

2 Versuch einer Annäherung: Das parlamentarische Regierungs-

system in der Parlamentarismustheorie 33

2.1 Begriff und Kennzeichen 33

2.2 Aufgaben von Regierung, Parlament und Opposition

im parlamentarischen Regierungssystem 36

2.3 Exkurs: Organisationsstruktur des Bayerischen Landtags 37 3 Lehrbeispiel der Vergangenheit: Parlament und Regierung

in der Weimarer Republik 41

3.1 Das parlamentarische Regierungssystem in Bayern 1919–1933 41 3.2 Das parlamentarische Regierungssystem auf Reichsebene 1919–1933 54 3.3 Die Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie durch

die Nationalsozialisten 60

3.4 Fazit 64

4 Parlament und Regierung in der Bayerischen Verfassung von 1946 73 4.1 Abriss der bayerischen Verfassungsberatungen 73 4.2 Stärkung der Regierung und Abschaffung des Misstrauensvotums 83 4.3 „Verbessertes Verhältniswahlrecht“: Ein Kompromiss gegen

die kleinen Parteien 92

4.4 Die Diskussionen um die Errichtung einer zweiten Kammer 96 4.5 Der Streit um die Einführung des Amts eines Bayerischen

Staatspräsidenten 100

4.6 Die Position des Landtags und seiner Abgeordneten in der Verfassung 116 4.7 Die Konzeption des Verfassungsgerichtshofs 124 4.8 Der Einfluss der US-Militärregierung auf das verfassungsmäßig

festzulegende Verhältnis von Parlament und Regierung 125 4.9 Die kontroverse Bewertung des bayerischen Regierungs-

systems in der Forschung 129

4.10 Fazit 132

(6)

II. Hauptteil: Kooperation und Konfrontation –

Landtag und Regierung 1946–1962 151

5 Der Einfluss der US-Militärregierung auf die Verfassungswirklichkeit 151 5.1 Die Beeinflussung der Gesetzgebung durch die Militärregierung 152 5.2 Belehrung des Landtags durch die Militärregierung 158 5.3 Regierungsmitglieder und Landtagsabgeordnete

auf Studienreise durch die USA 161

5.4 Fazit 163

6 Der institutionelle Rahmen: Die Geschäftsordnungspraxis

von Landtag und Regierung 1945–1962 166

6.1 Die Geschäftsordnungen für den Bayerischen Landtag

von 1948 und 1954 166

6.2 Die Geschäftsordnungspraxis der Bayerischen Staatsregierung

1945–1962 172

6.3 Fazit 177

7 Einsetzung, Umbildung und Krisen der bayerischen Kabinette

1946–1962 180

7.1 Kabinett Ehard I 1946/47 180

7.1.1 Schwierige Ausgangslage trotz absoluter Mehrheit

für die CSU 180

7.1.2 Das Scheitern des CSU-Vorsitzenden Josef Müller

am 21. Dezember 1946 183

7.1.3 Die Ministerpräsidentenwahl Hans Ehards 185 7.1.4 Die Entlassung von Sonderminister Alfred Loritz 1947 188 7.1.5 Der Bruch der großen Koalition 1947 191

7.2 Kabinett Ehard II 1947/50 193

7.2.1 Regierungsumbildung ohne Neuwahl des Ministerpräsidenten 193 7.2.2 Rücktritt des Landwirtschaftsministers

Joseph Baumgartner 1947/48 200

7.2.3 Rücktritt des Justizstaatssekretärs Carl Lacherbauer 1948 202 7.2.4 Die Auflösung des Sonderministeriums 1949/50 203 7.2.5 Rücktritt des Finanzministers Hans Kraus 1949/50 204 7.2.6 Die gescheiterte Demission von Flüchtlingsstaats-

sekretär Wolfgang Jaenicke 1949/50 206

7.2.7 Spekulationen über eine Kabinettsumbildung unter

Einbeziehung der BP 1950 206

7.3 Kabinett Ehard III 1950/54 207

7.3.1 Große statt kleine Koalition unter Ausschluss der BP 207 7.3.2 Die Affäre Auerbach und der Sturz des Justizministers

Josef Müller 1951/52 217

7.3.3 Rücktritt des Finanzministers Rudolf Zorn 1951 228 7.3.4 Widerstand gegen die Auflösung des Verkehrs-

ministeriums 1952 228

(7)

7.3.5 Rücktritt des Flüchtlingsstaatssekretärs

Theodor Oberländer 1953 232

7.3.6 Keine Neuwahlen trotz innerkoalitionärer Spannungen

und Angriffen der BP 234

7.4 Kabinett Hoegner II 1954/57 237

7.4.1 Die Viererkoalition als Gegenentwurf zur Dominanz der CSU 237 7.4.2 Scherbengericht und Neuausrichtung in der CSU 243 7.4.3 Fragilität als Dauerzustand: Destabilisierende Faktoren in

der Viererkoalition 247

7.4.4 Der Bruch der Viererkoalition 1957 253

7.5 Kabinett Seidel I 1957/58 256

7.6 Kabinett Seidel II 1958/60 259

7.6.1 Neuauflage der Regierung unter gestärkter Führung der CSU 259 7.6.2 Rücktritt des Ministerpräsidenten Hanns Seidel 1960 260

7.7 Kabinett Ehard IV 1960/62 261

7.8 Fazit 263

8 Regierungserklärung mit anschließender Debatte:

Ritualisierter Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition 279

8.1 Erste Legislaturperiode 1946/50 279

8.1.1 Regierungserklärung Hans Ehards vom 10. Januar 1947 279 8.1.2 Aussprache zur Regierungserklärung Hans Ehards

vom 29. bis 31. Januar 1947 281

8.1.3 Regierungserklärung Hans Ehards vom 24. Oktober 1947 283 8.1.4 Aussprache zur Regierungserklärung Hans Ehards

am 30./31. Oktober 1947 284

8.2 Zweite Legislaturperiode 1950/54 285

8.2.1 Regierungserklärung Hans Ehards vom 9. Januar 1951 285 8.2.2 Aussprache zur Regierungserklärung Hans Ehards am

23./24. Januar 1951 286

8.3 Dritte Legislaturperiode 1954/58 289

8.3.1 Regierungserklärung Wilhelm Hoegners vom 11. Januar 1955 289 8.3.2 Aussprache zur Regierungserklärung Wilhelm Hoegners

am 26. Januar 1955 291

8.3.3 Regierungserklärung Hanns Seidels vom 5. November 1957 293 8.3.4 Aussprache zur Regierungserklärung Hanns Seidels

am 4./5. Dezember 1957 294

8.4 Vierte Legislaturperiode 1958/62 296

8.4.1 Regierungserklärung Hanns Seidels vom 15. Januar 1959 296 8.4.2 Aussprache zur Regierungserklärung Hanns Seidels

am 28./29. Januar 1959 297

8.4.3 Regierungserklärung Hans Ehards vom 17. Januar 1961 300 8.4.4 Aussprache zur Regierungserklärung Hans Ehards

am 7./8. Februar 1961 301

8.5 Fazit 303

(8)

9 Leistungsbilanz des Bayerischen Landtags 1946–1962 309 9.1 Das Arbeitspensum in der ersten Legislaturperiode 1946/50 309 9.2 Das Arbeitspensum in der zweiten Legislaturperiode 1950/54 315 9.3 Das Arbeitspensum in der dritten Legislaturperiode 1954/58 319 9.4 Das Arbeitspensum in der vierten Legislaturperiode 1958/62 324 9.5 Fazit: Vergleichende Betrachtung für den Gesamtzeitraum

1946–1962 327 10 Kooperation: Zusammenarbeit zwischen Landtag und Regierung 331 10.1 Landtag und Regierung in Frontstellung zur US-Militärregierung 331

10.1.1 Hans Ehards selbstbewusstes Auftreten gegenüber

OMGUS und OMGB 331

10.1.2 Widerstand gegen die erzwungene Ablieferung von

Lebensmitteln 333 10.1.3 Auseinandersetzung um die amerikanischen Pläne

zur Schulreform 337

10.1.4 Protest gegen Eingriffe der Militärregierung in das Straf-

verfahren gegen Alfred Loritz 343

10.2 Gemeinsame „Außenpolitik“ von Regierung und Landtag 347 10.2.1 Erfolgloses Werben um die Rückgewinnung

der Pfalz 1948–1956 347

10.2.2 Protest gegen die Unterdrückung der Bevölkerungen

in der SBZ/DDR und im „Ostblock“ 350

10.3 Gemeinsamer Kampf gegen neonazistische Umtriebe 352 10.4 Gemeinsames Krisenmanagement nach dem Jahrhundert-

hochwasser 1954 355

10.5 Zusammenarbeit in Fragen der Landesentwicklung 356 10.5.1 Einmütige Entscheidungen in der Innen-, Wirtschafts-,

Rechts- und Kulturpolitik 356

10.5.2 Gemeinsamer Einsatz für die friedliche Nutzung

der Kernenergie 359

10.6 Gemeinsame Repräsentation des Staates bei feierlichen Anlässen 363 10.6.1 Das Staatsbegräbnis für Kronprinz Rupprecht 1955 363 10.6.2 Die Verfassungsjubiläen 1956 und 1961 364 10.7 Gescheiterte Versuche zur Staats- und Verwaltungsvereinfachung 365

10.8 Fazit 371

11 Die Handhabung des Budgetrechts 1946–1962 381

11.1 Bedeutung des Haushaltsrechts 381

11.2 Statistik der Haushaltsberatungen 1946–1962 383

11.3 Erste Legislaturperiode 1946/50 385

11.3.1 Haushaltsberatungen 1946/50 385

11.3.2 Haushaltsprüfung und Entlastung der Regierung 393

11.4 Zweite Legislaturperiode 1950/54 395

11.4.1 Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern 395

11.4.2 Haushaltsberatungen 1950/54 398

(9)

11.4.3 Der Finanzskandal um den Bau des Münchner

Residenztheaters 405 11.4.4 Haushaltsprüfung und Entlastung der Regierung 410

11.5 Dritte Legislaturperiode 1954/58 410

11.5.1 Haushaltsberatungen 1954/58 410

11.5.2 Haushaltsprüfung und Entlastung der Regierung 418

11.6 Vierte Legislaturperiode 1958/62 419

11.6.1 Haushaltsberatungen 1958/62 419

11.6.2 Haushaltsprüfung und Entlastung der Regierung 423

11.7 Fazit 423

12 Parlamentarische Kontrolle der Regierung 434

12.1 Anfragen und Interpellationen 434

12.2 Untersuchungsausschüsse als wirkungsloses Kontrollinstrument 441 12.2.1 Der Ausschuss zur Untersuchung der Missstände im

Wirtschaftsministerium 442 12.2.2 Der Untersuchungsausschuss zum Landesentschädigungsamt 445 12.2.3 Der Untersuchungsausschuss zur Vergabe der Spiel-

bankenkonzessionen 449

12.2.4 Statistischer Überblick 455

12.2.5 Der lange Weg zum Untersuchungsausschussgesetz von 1970 457 12.3 Verfassungsklagen statt Ministeranklagen vor dem Verfassungs-

gerichtshof 459

12.4 Fazit 461

13 Konfrontation: Konflikte und Auseinandersetzungen

zwischen Landtag und Regierung 467

13.1 Geringschätzung des Landtags durch die Regierung 467 13.1.1 Umstellungsschwierigkeiten der Regierung

auf eine verfassungsgemäße Gesetzgebung 467 13.1.2 Mangelnde Präsenz und schlechte Vorbereitung

der Parlamentsarbeit durch die Regierung 469 13.1.3 Mangelnde Präsenz der Abgeordneten im Landtag 477 13.2 Der Landtag als selbstbewusster Widerpart der Regierung 483 13.2.1 Die Auseinandersetzungen um das Rißbach-Projekt 483 13.2.2 Der Landtag im Kampf gegen den Lehrermangel

und Kultusminister Theodor Maunz 485

13.2.3 Landtag und Ministerialverwaltung in Dauerfehde 487 13.3 Widerstand der Regierung gegen Anträge und Beschlüsse

des Landtags 497

13.3.1 Parlamentarisches Gesetzgebungsbüro 497

13.3.2 Bestellung eines Sparkommissars 499

13.3.3 Der Streit um den Einfluss des Landtags auf Bundes-

ratsentscheidungen 500

13.4 Opposition contra Regierung 504

(10)

13.4.1 Der Streit um die Zulässigkeit von parlamentarischen

Misstrauensanträgen 504 13.4.2 Die Rolle der SPD als Opposition im Landtag 1947–1950 507 13.4.3 Selbstauflösung oder Abberufung des Landtags

als Oppositionsstrategie 511

13.4.4 Oppositionskritik an mangelnder Ausführung von Land-

tagsbeschlüssen durch die Regierung 512 13.4.5 Widerstand der Opposition gegen das Abstimmungs-

prozedere zum Bonner Grundgesetz 515

13.4.6 Das Drama um die Lehrerbildungsreform 520 13.4.7 Wechsel der Fraktionszugehörigkeit, gezieltes

Abwerben von Abgeordneten und die Bildung von

Kurzzeitkoalitionen gegen die Regierung 525 13.4.8 Sitzungsboykott und Streiks der Opposition im Landtag 527 13.5 Streit um gebührende Berücksichtigung bei repräsentativen

Anlässen 532 13.5.1 Staatliche Repräsentation bei Empfängen und Festakten

1946–1950 533 13.5.2 Klagen über protokollarische Zurücksetzung des Land-

tags bei repräsentativen Anlässen 535

13.5.3 Der Kampf um Freikarten und die besten Plätze im Theater 536

13.6 Fazit 538

14 Arbeitsbedingungen und Dienstsitze von Landtag, Senat

und Regierung 551

14.1 Landtag und Senat als „Wanderzirkus“ 551 14.2 Der Ausbau des Maximilianeums zum Sitz von Landtag und Senat 553 14.3 Der Landtag im Maximilianeum 1949–1962 558 14.4 Arbeitsbedingungen und Dienstsitze der Ministerien 560

14.5 Fazit 564

15 Die parlamentarische Kultur im Bayerischen Landtag 1946–1962 569 15.1 Schwierige Personalauswahl, mangelnde Moralvorstellungen

und rüde Umgangsformen unter den Abgeordneten 569 15.2 Auseinandersetzungen um das Verhalten im „Dritten Reich“

und die Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus 578 15.3 Die persönlichen Beziehungen im Landtag 582 15.4 Geselliges Beisammensein jenseits des Politalltags 585 15.5 Arroganz gegenüber weiblichen Abgeordneten 586

15.6 Fazit 587

16 Schluss 592

16.1 Zusammenfassung 592

16.2 Resümee 606

17 Biogramme 611

(11)

18 Verzeichnis der Abkürzungen und Sonderzeichen 622

19 Quellen- und Literaturverzeichnis 625

19.1 Quellen 625

19.1.1 Archivalia 625

19.1.2 Veröffentlichte Quellen 626

19.1.3 Periodika 631

19.2 Literatur 632

19.2.1 Lexika und sonstige Nachschlagewerke 632 19.2.2 Handbücher und Überblicksdarstellungen 632

19.2.3 Einzeluntersuchungen 633

Personenregister 653

(12)

Vorwort

Die vorliegende Studie ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Winterse- mester 2012/13 unter dem Titel „Der Neubeginn des bayerischen Parlamentarismus 1946–1962 unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses Parlament – Regierung“ von der Philosophi- schen Fakultät I der Julius-Maximilians-Universität Würzburg angenommen wurde. Sie verdankt ihre Anregung der Mitarbeit am Projekt „Geschichte des Bayerischen Parlaments seit 1819“, das das Haus der Bayerischen Geschichte in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landtag 2005 zunächst als CD-Rom und 2006 als Onlineportal veröffentlichte.

Im Zuge dieses Projekts lernte ich auch meinen Doktorvater Prof. Dr. Dirk Götschmann kennen, der mich rasch für die vielfältigen Themen des bayerischen Parlamentarismus begeistern konnte.

Ihm danke ich an erster Stelle für die geduldige Betreuung der Arbeit und das große Vertrauen in ihre Fertigstellung sowie für den fundierten Rat, mit dem er mir stets wohlwollend zur Seite stand.

Für die kurzfristige Übernahme des Zweitgutachtens danke ich Prof. Dr. Dietmar Grypa, der mir darüber hinaus wertvolle Hinweise zur Drucklegung gab.

Den von mir besuchten Archiven und Bibliotheken danke ich für die großzügige Unterstützung und rasche Bereitstellung der benötigten Quellen und Informationsmittel. Stellvertretend für alle möchte ich namentlich nennen: Dr. Markus Nadler im Archiv des Bayerischen Landtags, Gene- raldirektorin Dr. Margit Ksoll-Marcon in der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Dr. Sylvia Krauss, Dr. Laura Scherr und Ingrid Sauer M.A. im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Dr. Renate Höpfinger und Andreas Bitterhof M.A. im Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung sowie Dr. Klaus Lankheit im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte. Für die Übernahme meiner Arbeit in die vom Bayerischen Landtag herausgegebenen „Beiträge zum Parlamentarismus“ danke ich Ministerialdirigent Herbert Kammermeier M.A. sowie Ministerial- rätin Sibylle Lux, Beate Stadler und Andreas Hesse im Landtagsamt. Ohne ihre umsichtige Be- treuung wäre auch die Drucklegung nicht möglich gewesen.

Die Untersuchung entstand über mehrere Jahre hinweg an den Wochenenden und im Urlaub parallel zu meiner beruflichen Vollzeittätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Haus der Bay- erischen Geschichte. Unter der damit verbundenen Belastung hatte vor allem meine Frau Barbara zu leiden. Ihr widme ich dieses Werk deshalb in großer Dankbarkeit für ihre treue Liebe und große Unterstützung, ohne die ich das Langzeitprojekt Promotion nicht hätte abschließen können.

Ebenso danke ich meinen Eltern und Schwiegereltern sowie meinen Freunden und Arbeitskollegen für den erfahrenen Zuspruch und zahllose anregende Gespräche, die zur Genese der Arbeit ent- scheidend beigetragen haben.

Großen Dank schulde ich meinem Freund Peter Veth und seinen Mitarbeitern für die Erstellung zahlloser kostenloser Probeausdrucke zum Korrekturlesen. Die Herstellung der Prüfungsexemp- lare übernahmen in gewohnt professioneller Weise die „Binder der Bücher“ Alfred und Dominik Stemp. Das Endlektorat für die Druckfassung versah meine sehr verehrte Kollegin im Haus der Bayerischen Geschichte Evamaria Brockhoff M.A. Ihnen allen danke ich von ganzem Herzen.

München, im Herbst 2013 Wolfgang Reinicke

(13)

1 Einleitung

1.1 Thematik, Fragestellung und Zielsetzung

„Wir sind der Souverän des Volkes.“ Mit diesen kämpferischen, aber auch etwas missverständlichen Worten erinnert die Präsidentin des Bayerischen Landtags der 16. Legislaturperiode 2008–2013, Barbara Stamm (CSU), die Abgeordneten an ihre herausgehobene Stellung als Volksvertreter im politischen System des Freistaats Bayern: Durch den Landtag herrscht das Volk. „Damit hat jeder von uns eine Aufgabe und den Auftrag, zu gestalten.“ Mit Blick auf das Verhältnis zwischen Land- tag und Regierung sagt die Präsidentin aber auch: „Zufrieden kann man nie sein. Vor allem nicht, was die Bedeutung und den Stellenwert des Parlaments anbelangt.“ Und Stamm kann dieses Ver- hältnis sehr gut beurteilen, schließlich gehörte sie als Staatssekretärin und Staatsministerin über 13 Jahre – davon mehr als zwei Jahre als stellvertretende Ministerpräsidentin – der Bayerischen Staats- regierung an, war also in ihrem „politischen Leben schon auf allen Seiten“. Kurz gefasst, schildert Stamm den aktuellen Zustand des Landesparlaments so: „Es fehlt das Selbstbewusstsein, das ist ganz klar.“ Die Präsidentin führt die Zurückhaltung des Landtags zum einen auf seine mangelhafte Ausstattung zurück, die ein Gefühl der Unterlegenheit gegenüber der Exekutive bedinge: „Ich bin immer noch der Meinung, dass ein Ausschussvorsitzender ungenügend ausgestattet ist. Der hat noch nicht mal eine volle wissenschaftliche Kraft zur Seite, dabei hat er die ganze Bandbreite eines Ministeriums zu bearbeiten.“ Zum anderen liege es auch an der fehlenden Rücksichtnahme der Regierung gegenüber dem Landtag: „Wenn Termine festgelegt werden, schaut man eben nicht unbedingt in den Sitzungsplan des Landtags, sondern wann die politische Spitze Zeit hat.“ Stamm setzt sich mit Nachdruck für ein höheres Ansehen des Landtags bei der Regierung ein: „Es hat hin- ter den Kulissen etliche ernsthafte Gespräche gegeben, und ich habe auch immer wieder den Minis- terpräsidenten eingeschaltet.“ Über diesen, Horst Seehofer (CSU), könne sie sich in einem Punkt nicht beschweren: „Ich bin ja froh, dass wir jetzt einen Ministerpräsidenten haben, der fast immer im Parlament anwesend ist“ – und dies, obwohl er dem Landtag gar nicht angehöre. „Er bringt sich auch in Debatten ein, wo er gar nicht vorgesehen ist. Das macht ein Parlament ja auch lebendig.“

Dieser Eindruck werde jedoch durch einen mangelhaften Umgangsstil im Landtag konterkariert.

Häufig fänden die Plenarsitzungen vor halbleeren Bänken statt und wenn sich der Saal doch fülle, herrsche Unruhe: „Ich nehme oft eine Sitzung einfach erst wieder auf, wenn Ruhe eingekehrt ist.

Ich habe Zeit, sage ich dann. Ich zeige auch manchen die kritischen Briefe, die wir von Besuchern bekommen, die oben auf der Tribüne waren.“ Die Debatten verlaufen der Präsidentin dagegen zu vorhersehbar: „Es ist richtig, dass die Regierungsfraktionen die Regierung unterstützen und die Oppositionsfraktionen das Gegenteil tun. Aber manchmal würde ich mir mehr Tiefe und auch mehr Gemeinsamkeit wünschen. Ich glaube, dass das auch das Ansehen der Politik stärken würde.“

Besonders zornig mache es sie, „wenn einer eine andere Fraktion angreift und sie dabei nicht ein- mal ansieht. Selbst bei der härtesten Auseinandersetzung habe ich die Menschen anzuschauen.“

Und noch ein Weiteres erregt das präsidiale Missfallen: „Wenn aus Zwischenrufen ein permanentes Stören wird. Das ist kein Stil der politischen Auseinandersetzung.“ Zu den vordringlichen Auf- gaben des Landtags für die Zukunft zählt Stamm, „die Bürokratie zurückzudrängen und uns als Parlamentarier stärker im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu verankern“.1

Ganz und gar kontraproduktiv wirkte in diesem Zusammenhang die so genannte Verwandtenaffäre, die dem Landtag gegen Ende der 16. Legislaturperiode ein gravierendes Imageproblem verschaffte.

In der Öffentlichkeit war von „Abzocker“-Mentalität die Rede, der Landtag erschien als „Frei-

(14)

bier-Parlament“.2 Insgesamt 79 Abgeordnete hatten Ehepartner, Kinder, Geschwister oder andere nahe Verwandte für Bürodienste beschäftigt und die Kosten aus ihrer Aufwandsentschädigungs- pauschale bestritten. Im Jahr 2000 hatte der Landtag diese Beschäftigungsformen für Ehepartner und Verwandte ersten Grades untersagt, für „Altfälle“ jedoch eine Übergangsregelung geschaffen.

Noch kurz bevor die Neuregelung in Kraft trat, schlossen 16 Abgeordnete entsprechende Beschäf- tigungsverhältnisse ab, um die Vorzüge der Altfallregelung ausnutzen zu können.3 So entstand der Verdacht, dass Abgeordnete über Jahre hinweg auf Steuerzahlerkosten ihre eigene Haushaltskasse aufbessern konnten. Als die Affäre im April 2013 durch eine Veröffentlichung des Parteienkriti- kers Hans Herbert von Arnim ruchbar wurde4, mussten einzelne Abgeordnete ihre Ämter und Funktionen abgeben. Betroffen waren auch mehrere Regierungsmitglieder. Sie zahlten auf Drän- gen von Ministerpräsident Seehofer die Verwandtenbezüge an die Staatskasse zurück. Personelle Konsequenzen mussten sie dagegen nicht ziehen.5 Der Landtag nutzte, wie Barbara Stamm in ihrer Schlussansprache zum Ende der 16. Legislaturperiode betonte, die prekäre Situation, um sich „neu aufzustellen“.6 Am 16. Mai 2013 verabschiedete er ein Gesetz, das die Beschäftigung von Verwand- ten bis zum dritten Verwandtschaftsgrad untersagt. Die ursprünglich geplante Aufstockung der Abgeordnetenzuschüsse zur Beschäftigung von Bürokräften wurde gestrichen, alle entsprechenden Arbeitsverträge sollen künftig vom Landtagsamt geschlossen werden.7 Am 12. August 2013 legte der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) einen Bericht zur Prüfung der Akten des Landtags- amts vor. Darin stellt er fest, dass die Altfallregelung seit einer Gesetzesänderung des Landtags vom 1. Juli 2004 nicht mehr in Kraft gewesen sei. Der ORH ersuchte das Landtagsamt deshalb um Prüfung, ob die seit diesem Zeitpunkt geleisteten „Erstattungen für Arbeits-, Dienst- und Werk- verträge mit Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten ersten Grades […] zurückgefordert wer- den müssen“.8 Auf der Grundlage eines Gutachtens von Martin Burgi schloss Landtagspräsidentin Stamm dies aus. Burgi, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, kommt in seinem in Stamms Auftrag am 29. August 2013 vorgelegten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Altfallre- gelung bis zum 31. Mai 2013 gegolten habe. „Eine Rückforderung der entsprechenden Erstattun- gen für Arbeits-, Dienst- und Werkverträge mit Angehörigen“ komme deshalb „nicht in Betracht“.9 Es bleibt abzuwarten, welche längerfristigen Auswirkungen die Affäre hat, denn wie die Elitenfor- schung betont, „ist die moralische Integrität des Führungspersonals ganz wesentlich eine Vorausset- zung für [die] Steuerungsfähigkeit“ in „politischen Verhandlungssystemen“. Der zu befürchtende

„Vertrauensverlust untergräbt […] die öffentliche Moral. Er kann zu Zynismus und zur Politik- abstinenz in der Bevölkerung beitragen.“10 Kurzfristig war davon jedoch nichts zu spüren: Bei der Landtagswahl am 15. September 2013 stieg die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2008 um sechs Punkte auf 63,9 Prozent an, die CSU errang die absolute Mehrheit und die FDP, die als einzige Partei nicht in die Verwandtenaffäre verwickelt war, scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde.11 Die eingangs zitierte Zustandsbeschreibung im Verhältnis Landtag – Regierung und die neu ent- flammte Debatte über fehlenden Anstand in der Politik zeichnen ein aus der Parlamentarismuskri- tik schon seit längerem bekanntes Bild. Christian Meier beschrieb es 1999 mit den Schlagworten:

leere Abgeordnetenbänke, langweilige Plenardebatten und Selbstbedienungsmentalität der Politiker durch wiederholte Diätenerhöhungen.12 Vier Jahre später galt der moderne Parlamentarismus als ineffizient, die Parlamente verfügten über zu wenig Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess, zu viele Verhandlungen würden gerade im Ausschussbereich unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. In der Forschung wurde „diese Kritik dahingehend pointiert, das Arbeitsparlament habe

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weithin das Redeparlament verdrängt“.13 Heute fordert die Generation der „digital natives“ nicht weniger als einen „Systemneustart“, konkret: absolute Transparenz politischer Entscheidungen und mehr unmittelbare Bürgerbeteiligung daran.14 Besonders scharf wird nach wie vor die Fraktions- disziplin kritisiert, da sie der „Verfassungserwartung des unparteilichen […] Abgeordneten“ entge- genstehe, wie Paul Kirchhoff betont.15 Auf der Grundlage der zuvor in den Fraktionen festgelegten Kompromisse komme es zu einem geschlossenen Abstimmungsverhalten, das dazu führe, dass die Ergebnisse bereits vor den jeweiligen Parlamentsabstimmungen feststünden. Dadurch entscheide in der Praxis nicht mehr das Parlament als Ganzes, sondern nur noch die jeweils die Regierung stützende(n) Fraktion(en).16 So bestehe, analysiert Heinz Rausch, die Gefahr, dass die Parlaments- mehrheit „zu einer reinen Akklamationstruppe der Regierung herabsink[e]“.17 Manfred Görtema- ker weist jedoch darauf hin, dass es fragwürdig sei, „ob parlamentarisches Regieren überhaupt noch als government by discussion bezeichnet werden“ könne. Die eigentliche Diskussion finde in den Parteien und Fraktionen statt, die „im Rahmen des Repräsentativsystems eine Mittlerfunktion“

übernommen hätten, die früher dem Parlament zugekommen sei.18

Viele der genannten Kritikpunkte waren bereits den bayerischen Verfassungsgebern 1946 bewusst.

Ihr persönlicher Erfahrungshorizont spannte sich in die Weimarer Republik zurück. Viele hatten auch noch Erinnerungen an Kaiser- und Königreich und die großen Hoffnungen, die sich mit der Parlamentarisierung der Regierung nach 1918 verbunden hatten. Eine demokratisch legitimierte Regierung, so die Erwartung, würde sich aktiver um das Wohlergehen der Bevölkerung kümmern müssen, weil sie über das Parlament vom Volk abhängig sei. Umso größer war ihre Enttäuschung, als der Parlamentarismus Weimarer Prägung sich als unfähig erwies, die gigantischen Probleme der Zeit zu lösen. Die Schuld daran wurde den instabilen Verhältnissen gegeben. Nahezu pausenlos – dieser Eindruck blieb bei vielen Zeitgenossen zumindest in der Rückschau haften – wechselten sich Regierungen ab. Dies ist der signifikanteste Unterschied zur aktuellen Parlamentarismuskri- tik: Während heute mangelnde Lebendigkeit, fehlende Transparenz und nicht vorhandene Bür- gerbeteiligung im Parlamentsalltag beklagt werden, wird die Stabilität der Regierungsverhältnisse als selbstverständlich genommen – man empfindet sich weit entfernt etwa von Italien. Dagegen erschienen unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Regierungsstürze gemeinsam mit der Zersplitterung der Parteienlandschaft, der gegenseitigen Befehdung der politischen Kräfte und der mangelnden Wehrhaftigkeit der Demokratie als Grundübel von „Weimar“. Nur so seien die Machtübernahme durch Hitlers NSDAP, die Ausschaltung der Demokratie und die Errichtung der Diktatur der Nationalsozialisten möglich gewesen. Eine derartige Entwicklung durfte sich, darin waren sich die Verfassungsgeber von 1946 einig, niemals wiederholen. Um dieses Ziel zu erreichen, starteten sie – wie es heute gemeinhin heißt – eine „Auseinandersetzung mit den Fehlentwicklun- gen der eigenen Geschichte. Aus dem Scheitern der ersten deutschen Republik sollten die Konse- quenzen gezogen, und ein erneutes Abrutschen in die Diktatur sollte verhindert werden.“19 Die Schlüsse, die sie daraus zogen, scheinen auch aus der heutigen Rückschau absolut sinnfällig und logisch, wie ein Blick in die aktuelle Publizistik zeigt: „Die Väter der Bayerischen Verfassung von 1946 hatten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Ihnen war es daher besonders wichtig, dass die Spitze der vollziehenden Gewalt stark sein müsse. Sie dürfe nicht wie in der Weimarer Republik bei jedem politischen Wetterumschwung in Gefahr geraten.“20 Gleichzeitig hätten die Parteien gar keine andere Wahl gehabt, als sich gegenseitig zu unterstützen. „Damals“, erinnert sich etwa der langjährige Landtagsberichterstatter Bernhard Uecker, „und noch manches Jahr später war es die gemeinsame Not der wirklich großen Probleme, die den Parteien die politische Nachbarschaftshilfe zum Gebot machte.“21 Auch Peter Jakob Kock kommt zu dem Schluss, dass in der unmittelbaren

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Nachkriegszeit „das gemeinsame Erlebnis der Verfolgung und der unbedingte Wille zum demo- kratischen Wiederaufbau“ unter den Abgeordneten „eine Atmosphäre der Versöhnung und der Bereitschaft zu Kooperation“ schufen.22

Die vorliegende Studie nimmt diese Einschätzungen zum Anlass folgender Thesen:

1.) Aufgrund der schockartigen Erfahrungen des Scheiterns der Weimarer Republik und ihrer Ablö- sung durch die Diktatur der Nationalsozialisten musste die wieder zu errichtende parlamentarische Demokratie vor allem zwei grundlegende Systemeigenschaften garantieren: Schutz und Stabilität – Schutz vor einem erneuten Abgleiten in die Diktatur und Stabilität der Regierungsverhältnisse, um der Exekutive die Möglichkeit zu geben, das enorme Aufbauwerk nach dem Krieg ohne äußere Störung in Angriff nehmen zu können.

2.) Die Beobachtungen, dass es in Bayern bis 1962 zu keinem ernst zu nehmenden Angriff auf die Demokratie kam, es lediglich drei verschiedene Ministerpräsidenten gab, von denen nur einer aus politischen Gründen sein Amt vorzeitig abgeben musste, der Landtag gleichzeitig als tatkräf- tiges Arbeitsparlament am Aufbau mitwirkte und in der heutigen Parlamentarismuskritik Hin- weise auf instabile Regierungsverhältnisse vollkommen fehlen, zeigen, dass die Verfassungsgeber die gewünschte Schutz- und Stabilisierungswirkung erreicht haben.

3.) Um den demokratischen Neuaufbau mit einer neuen politischen Kultur zu untermauern, stif- teten die Verfassungsgeber ein parteiübergreifendes Gemeinschaftsgefühl, das auch das Verhältnis Landtag – Regierung maßgeblich prägte. In Zukunft sollte nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander gearbeitet, Parteienstreit möglichst vermieden und das Ansehen der obersten Staatsor- gane gestärkt werden. Einend wirkte die Überzeugung, nur gemeinsam die Verantwortung für den Neubeginn schultern zu können. Zugespitzt könnte man also fragen: Problem erkannt, Problem gebannt?

Ziel der Darstellung ist es, diese Thesen kritisch zu überprüfen und zu einer differenzierten Neu- bewertung zu gelangen.

1.2 Quellenlage und Forschungsstand 1.2.1 Quellenlage

Für die vorliegende Arbeit wurden sowohl Quellenbestände des Landtags als auch der Regierung ausgewertet. Im Hinblick auf den Landtag ist die Quellenlage als sehr gut einzuschätzen. Als wich- tigste Quellengruppen wurden herangezogen: die Verfassungen bzw. Verfassungsentwürfe von 1919, 1946 und 1949 auf Reichs- bzw. Bundes- und Landesebene – dazu zählen die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung, kurz WRV), die Ver- fassungsurkunde des Freistaats Bayern vom 14. August 1919 (Bamberger Verfassung, VU), der Vorentwurf Wilhelm Hoegners einer Verfassung des Volksstaates Bayern von Anfang 1946 (Vorent- wurf, VE), der Entwurf einer Bayerischen Verfassung des Vorbereitenden Verfassungsausschusses vom Juni 1946 (Verfassungsentwurf, E), die Verfassung des Freistaates Bayern vom 8. Dezember 1946 (Bayerische Verfassung, BV) und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Grundgesetz, GG)23; die Stenographischen Berichte der Sitzungen des Vorbereiten- den Verfassungsausschusses, des Plenums und des Verfassungsausschusses der Verfassunggebenden Landesversammlung von 194624; die Stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Baye- rischen Landtags von 1946 bis 1962 – hier bietet sich durch die vom Landtagsarchiv digitalisierten und online abrufbaren Plenarprotokolle ein bequemer Quellenzugriff, der in seinem Nutzwert für

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die Forschung noch stiege, wenn auch die Register und Inhaltsverzeichnisse der einzelnen Sitzungs- bände zugänglich gemacht würden.25

Erstmals systematisch ausgewertet werden konnten für diese Untersuchung die Sitzungsproto- kolle des Ältestenrats des Bayerischen Landtags von 1946 bis 1962.26 Dafür gilt Landtagspräsi- dent a.D. Alois Glück, Landtagspräsidentin Barbara Stamm, dem ehemaligen stellvertretenden Direktor des Landtagsamts des Bayerischen Landtags, Ministerialdirigent a.D. Dr. Berndt Jäger, dem Leiter der Abteilung P „Parlamentarische Dienste“ des Landtagsamts, Ministerialdirigent Herbert Kammermeier M.A., sowie dem ehemaligen und dem amtierenden Leiter des Landtags- archivs, Hans-Joachim Kretz und Dr. Markus Nadler, der besondere Dank des Verfassers. Der einmalige Quellenwert der Sitzungsprotokolle des Ältestenrats liegt in dessen herausragender Bedeutung als politisches Lenkungsgremium des Landtags begründet. In seinen nicht öffent- lichen Sitzungen werden alle wichtigen Beratungsgegenstände der Plenarsitzungen und alle

„heißen Eisen“ vorberaten und mitunter entscheidend vorgeklärt. Der Ältestenrat ist auch das Gremium der Wahl, wenn Regierungsmitglieder den direkten und vertraulichen Austausch mit der Leitungsebene des Landtags suchen. Zudem ist er der krisenbewährte Konfliktmanager des Landtags für interne Auseinandersetzungen.

Nicht ausgewertet wurden die Sitzungsprotokolle der einzelnen Ausschüsse des Landtags. Dies erschien insofern verzichtbar, als die Berichterstatter bei der Behandlung von Ausschussanträgen im Plenum stets, zumindest kurz, oft jedoch auch sehr ausführlich, die vorangegangenen Aus- schussdebatten referierten. Diese Berichte, die in den Landtagsdrucksachen publiziert wurden, bilden auch für die vorliegende Arbeit eine wichtige Quelle. Für die Einschätzung der Gesamt- arbeit des Bayerischen Landtags während des Betrachtungszeitraums unerlässlich sind ferner die vom Landtagsamt zusammengestellten Tätigkeitsberichte für die zweite bis vierte Legislaturperiode (für die erste Legislaturperiode fehlt ein solcher in gedruckter Form) sowie die Schlussberichte der Landtagspräsidenten für die erste bis vierte Legislaturperiode.27 Aufgrund der zu wahrenden Persönlichkeitsrechte nicht genehmigt wurde dem Verfasser der Einblick in die Sitzungsprotokolle des Landtagspräsidiums.

Von großem Wert für die vorliegende Arbeit erwiesen sich die Sitzungsprotokolle einzelner Frakti- onen der Verfassunggebenden Landesversammlung und des Bayerischen Landtags. Für die Entste- hung der Bayerischen Verfassung relevant ist die von Karl-Ulrich Gelberg besorgte quellenkritische Edition der Sitzungsprotokolle der SPD-Fraktion in der Verfassunggebenden Landesversammlung (vgl. Kapitel 4).28 Darüber hinaus wurden vor allem für Kapitel 7, das sich mit der Bildung, Umbil- dung und den Krisen der einzelnen Regierungen beschäftigt, die Sitzungsprotokolle der Land- tagsfraktionen von CSU, Bayernpartei (BP) und Gesamtdeutschem Block/Block der Heimatver- triebenen und Entrechteten (GB/BHE) ausgewertet.29 Dadurch war es möglich, die im Plenum geführten Debatten und hier getroffenen Entscheidungen zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen bzw. das Zustandekommen entsprechender Abstimmungsmehrheiten oder Entscheidungen nach- vollziehbar zu machen. Unverzichtbar sind diese Protokolle ferner, um einen Eindruck von der Organisation und Arbeitsfähigkeit der Fraktionen vermitteln zu können. Besonders intensiv war die Auseinandersetzung mit den Protokollen des GB/BHE, der zwischen 1950 und 1962 unter verschiedenen Namen – bis 1952 trat er als BHE, bis zum 5. November 1957 als GB/BHE, bis zum 24. April 1961 als GB und danach schließlich als GDP (Gesamtdeutsche Partei) auf – allen Lan- desregierungen angehörte.30 Die systematische Durchsicht aller Fraktionssitzungsprotokolle konnte

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für die vorliegende Arbeit allerdings nicht geleistet werden. Sie bleibt künftigen Forschungsvorha- ben vorbehalten.

Für die Seite der Exekutive musste sich die Quellenrecherche zum einen auf die Aktenüberliefe- rung der US-Militärregierung beziehen. Dies betraf sowohl den Bestand des Office of Military Government of United States (OMGUS) im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte als auch des Office of Military Government for Bavaria (OMGB) im Bayerischen Hauptstaatsarchiv.31 Zum anderen hatte sie sich auf die Quellenbestände der Bayerischen Staatsregierung zu erstre- cken. Einschlägig sind hier zunächst die Ministerratsprotokolle der Jahre 1946 bis 1962. Sie wurden vor allem für die erste Legislaturperiode von 1946 bis 1950 systematisch ausgewertet, da sie bisher nur für diesen Zeitraum in einer quellenkritischen Edition vorliegen.32 Künftige Forschungen werden von der Ausdehnung dieser Quellenedition auf die Jahre 1950 bis 1954 stark profitieren. Die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrten Ministerratsprotokolle der Jahre 1950 bis 1962 sind für die Forschung noch nicht frei zugänglich. Deshalb wurde zunächst die Zweitüberlieferung in den Nachlässen einzelner Kabinettsmitglieder geprüft. So konnten im Nachlass Hoegner in den Ministerratsprotokollen der Jahre 1950 bis 1957 die den einzelnen Entscheidungen vorangegangenen Diskussionen zwischen den Regierungsmitgliedern sowohl für das Kabinett Ehard III als auch für die Viererkoalition analysiert werden.33 Nach der erfolg- ten Nutzungsgenehmigung für die Erstüberlieferung im Bestand Staatskanzlei des Bayerischen Hauptstaatsarchivs wurden dort die Ministerratsprotokolle für die Kabinette Seidel I und II sowie Ehard IV durchgesehen.34 Übereinstimmungen und Streitpunkte innerhalb der Kabinette konnten ebenso punktuell herausgearbeitet werden wie die Position der gesamten Regierung gegenüber dem Landtag. Letztere lässt sich aus den anderen, frei zugänglichen Quellenbeständen am ehesten noch durch Auswertung der Akten der Staatskanzlei als der dem Ministerpräsiden- ten direkt zuarbeitenden und die Tätigkeit der gesamten Regierung koordinierenden Behörde bestimmen. Die entsprechenden Akten im Bayerischen Hauptstaatsarchiv wurden deshalb für die gesamte Betrachtungszeit ergänzend benutzt.35

Für die zur vergleichenden Betrachtung untersuchte Vorgeschichte wurden die Stenographischen Berichte des Bayerischen Landtags von 1919 bis 1933 zu Rate gezogen.36 Zur Auswertung der Regierungsakten der Weimarer Zeit schafft das von der Kommission für bayerische Landesge- schichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns und dem Institut für Bayerische Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München verantwortete Quelleneditionsprojekt zu den Protokollen des Bayerischen Ministerrats 1919–1945 beste Voraussetzungen. Dies zeigen bereits die beiden ersten 2010 publizierten Bände zur Arbeit der Kabinette Hoffmann I und Held IV, die für die vorliegende Arbeit durchgesehen wurden.37

Soweit sie in die inzwischen vorliegenden umfangreichen Quelleneditionen Aufnahme fanden, wurden Sitzungsprotokolle und Beschlüsse der obersten CSU-Parteigremien ausgewertet. Hier interessierten vor allem die Auswirkung des anfänglichen Dualismus zwischen Parteigremien und Landtagsfraktion auf den Lauf der Parlaments- und Regierungsgeschäfte sowie die Diskussion und die Reaktion auf den Machtverlust der CSU nach der Landtagswahl 1954.38 Von großem Nutzen erwies sich die Konsultation der von Karl-Ulrich Gelberg herausgegebenen Edition von Quel- len zur politischen Geschichte Bayerns in der Nachkriegszeit, die zahlreiche mit einer Einleitung versehene Texte, Reden und Schreiben von bayerischen Regierungs- und Oppositionspolitikern

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enthält.39 Unverzichtbar ist schließlich das Bayerische Gesetz- und Verordnungsblatt als amtliche Quelle für die Gesetzestexte.40

Nur stichprobenartig geprüft werden konnten die Nachlässe von einigen der beteiligten Politiker, insbesondere Joseph Baumgartners, Hans Ehards, Wilhelm Hoegners und Josef Müllers.41 Hier bietet sich für zukünftige Forschungen ein ebenso weites wie fruchtbares Feld, insbesondere um die Netzwerke der Akteure des parlamentarischen Neubeginns noch besser herauszuarbeiten, als es für diese Studie möglich war. Ergänzend herangezogen wurde deshalb die Erinnerungsliteratur der beteiligten Politiker. Herauszuheben sind hier neben den Memoiren Hoegners und Müllers auch die des langjährigen Fraktionsvorsitzenden des GB/BHE, Walter Becher, und Hildegard Hamm- Brüchers, die dem Landtag von 1950 bis 1962 als FDP-Abgeordnete angehörte.42 Ebenfalls wert- voll sind die Zeitzeugeninterviews des Hauses der Bayerischen Geschichte, in denen die Befrag- ten die Geschehnisse aus der Rückschau reflektieren. Aus ihnen lassen sich die wechselseitigen Beziehungen und gegenseitigen Einschätzungen der damals politische Verantwortung Tragenden besonders gut herauslesen. Umso überraschender ist es, dass sie von der bisherigen Forschung nur am Rande rezipiert wurden. Gerade den geschriebenen und mündlich überlieferten persönlichen Erinnerungen muss dabei mit der gebotenen quellenkritischen Distanz begegnet werden, da diesen Ego-Dokumenten natürlicherweise ein Hang zur Selbstdarstellung und -rechtfertigung eignet.

Abgerundet wird das Bild durch die Auswertung der Presseberichterstattung. Hervorzuheben ist hierbei die Passauer Neue Presse (PNP), die für die ganze Betrachtungszeit durchgesehen wurde.

Hinzu kommt die Mittelbayerische Zeitung (MZ), die für die erste Legislaturperiode herangezo- gen wurde sowie stichprobenartig als überregionale Medien die Süddeutsche Zeitung (SZ), Die Zeit und Der Spiegel. Die intensive Auswertung von Passauer Neuer Presse und Mittelbayerischer Zeitung hat mehrere Gründe: Zum einen sind beide im Angebot der Bayerischen Landesbiblio- thek Online per Volltextsuche ideal recherchierbar.43 Zum anderen fanden die großen Münch- ner Tageszeitungen bereits in zahlreichen Untersuchungen Berücksichtigung. Zudem erschien es für die vorliegende Arbeit reizvoll zu zeigen, wie die Presse außerhalb der Landeshauptstadt von den Ereignissen im Landtag berichtete, zumal wenn sie, wie im Fall der Passauer Neuen Presse, als „‚Sprachrohr des kleinen Mannes‘“ gedacht war und sich „zur erfolgreichsten Regionalzeitung Bayerns“ entwickelte.44

1.2.2 Tendenzen und Ergebnisse der Forschung

Die Parlamentarismusforschung, die in den 1980er- und 1990er-Jahren ihre Blütezeit erlebte, ist seitdem etwas aus der Mode gekommen. Im Vorfeld des 49. Deutschen Historikertags 2012 in Mainz wurde als aktueller Trend ein „Bedürfnis nach Gesamterzählung“ artikuliert. Dem entspricht, was in Harvard als „big history“ oder Geschichte der „big ideas“ (David Armitage) bezeichnet wird. An die Stelle von Mikroanalysen tritt wieder verstärkt die Auseinandersetzung mit epochenübergreifenden Problemstellungen, Ideen und Begriffen.45 Passend dazu lautete in Mainz das Motto der Tagung „Ressourcen – Konflikte“. Die Parlamentarismusforschung spielte dabei keine Rolle.46 Doch ist gerade der Parlamentarismus – noch verstärkt, wenn er epochen- übergreifend betrachtet wird – die Geschichte einer großen Idee: der Idee der politischen Par- tizipation. Im Sinne einer solchen politischen Ideengeschichte geben die Arbeiten Jan-Werner Müllers wichtige Impulse. Vor dem Hintergrund der epochalen Veränderungen und extremen Gegensätze der politischen Systeme zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Fall des

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Eisernen Vorhangs 1989 arbeitet Müller das Wesen dieses „demokratischen Zeitalters“ heraus – und zwar sowohl für West- als auch für Osteuropa.47 Gleichzeitig gibt es jedoch einen gegenläu- figen „unterschwelligen Trend“ in der Geschichtsforschung, wie Arndt Brendecke betont: „Der Fokus verschiebt sich, weg von den großen Ideen und Leitdiskursen wie Freiheit, Gleichheit oder Toleranz hin zu Praktiken, also Vorgängen, die sich mehr im Verborgenen abspielen.“48 Beide Strömungen haben die vorliegende Untersuchung beeinflusst: Die erste gab die Anregung zu einem Versuch, einen Beitrag zur epochenübergreifenden Geschichte politischer Teilhabe verglei- chend zu leisten; die andere führt unmittelbar in das darzustellende Geschehen, denn jede Form von Politik ist auch mit Verhandlungen verbunden, die sich im Verborgenen abspielen, bevor deren Ergebnisse auf der Bühne der Öffentlichkeit – zum Beispiel im Plenum eines Parlaments – diskutiert werden. Dieser Weg von den Beratungen in den geheim tagenden Gremien wie Minis- terrat, Koalitionsausschuss, Parteiausschüssen, Ältestenrat oder Fraktionen hin zur öffentlichen Debatte in Ausschüssen oder Vollversammlungen des Landtags sowie ihre Wechselwirkung sollen im Folgenden erörtert werden.

Die Parlamentarismusforschung mit Bezug zur bayerischen Landesgeschichte49 weist vor allem für die Phase ab 1945 zahlreiche Lücken auf. Eine Studie zum Verhältnis von Landtag und Regie- rung in der Zeit von 1946 bis 1962 fehlt bisher ebenso wie eine Monografie zur Geschichte des Bayerischen Landtags seit 1945. Alois Schmids 2012 getroffene Feststellung hat bis heute Gül- tigkeit: „Die Aufarbeitung auf wissenschaftlichem Niveau bleibt ein vordringliches Desiderat.“50 Das heißt jedoch nicht, dass das Wirken des bayerischen Landesparlaments und der bayerischen Staatsregierung in dieser Epoche nicht in zahlreichen sonstigen Abhandlungen Gegenstand einge- hender Erörterungen geworden wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Es handelt sich dabei vor allem um staatsrechtliche Darstellungen, die jedoch auch historische Aspekte berücksichtigen. Gleich nach dem Inkrafttreten der Bayerischen Verfassung von 1946 setzte in der juristischen Fachlite- ratur – nicht zuletzt angeregt durch den mit einer Honorarprofessur an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München ausgestatteten Verfassungsvater, Landtagsabge- ordneten und stellvertretenden Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (SPD) – eine intensive Beschäftigung mit einzelnen Aspekten der obersten bayerischen Staatsorgane ein. So untersuchte der Hoegner-Schüler Günther Prechtel in seiner 1947 eingereichten Doktorarbeit das Spannungs- verhältnis zwischen Regierung und Landtag nach der Verfassung und versuchte herauszuarbeiten, dass beide Staatsorgane gleichberechtigt nebeneinander angelegt sind (vgl. Kapitel 13.3.3). Alfred Enzler, ebenfalls Hoegner-Schüler, gab 1947 einen Überblick über das Instrument der Minis- teranklage (vgl. Kapitel 4.6) und stellte seine Ursprünge im antiken sowie im englischen, ameri- kanischen und französischen Verfassungsrecht ebenso wie seine Entwicklung in Bayern dar. Fast zeitgleich legten Georg Simburger und Georg Wannagat ihre Studien zur Rechtsstellung des Baye- rischen Ministerpräsidenten vor (vgl. Kapitel 4.2 und 4.5). Reinhold Schmid analysierte 1950 die Immunitätsrechte von Landtagsabgeordneten und Senatoren (vgl. Kapitel 4.6). Karl Josef Beck und Jakob Kratzer gingen 1960 bzw. 1966 der Frage nach, inwieweit der Landtag rechtlich bin- denden Einfluss auf die Regierung auszuüben imstande sei (vgl. Kapitel 6.1 und 12.4.4). Roman Herzog und Gerd Michael Köhler versuchten, die bereits von den Verfassungsgebern als eigen- willig erkannte Stellung der Staatssekretäre näher zu bestimmen, die einerseits an die Weisungen ihrer Minister gebunden sind, andererseits aber über Sitz und Stimme im Kabinett verfügen (vgl.

Kapitel 4.2). Eckard Heintz spürte schließlich der Gruppe der Staatsdiener unter den Landtags- abgeordneten und insbesondere dem parlamentarischen Beamten-Inkompatibilitätsproblem nach (vgl. Kapitel 13.2.3).51

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Die Verfassung selbst wurde zum Gegenstand einschlägiger wissenschaftlicher Kommentare, die ihre einzelnen Bestimmungen analysieren und in den Kontext der historischen Entwicklung bzw.

der Überlagerung durch Bundesrecht stellen. Auch daran beteiligte sich Hoegner mit einem eige- nen Lehrbuch.52 Anlässe zur publizistischen Beschäftigung mit der Verfassung boten regelmäßig ihre Jubiläen. Diese Beiträge würdigten die auf der Grundlage der Verfassung bewährte Staatspraxis in Bayern und machten auf die Gefahren zunehmender Kompetenzaushöhlung seitens des Bundes und der EU aufmerksam.53 Seit den 1960er- und 1970er-Jahren folgten verstärkt Selbstdarstel- lungen von Landtag und Regierung im Rahmen der institutionellen Öffentlichkeitsarbeit sowie Selbstreflexionen der bayerischen Staatsverwaltung.54 In dieser Phase erschienen politologische Studien zum bayerischen Regierungssystem mit intensiver Berücksichtigung von Aufgaben und Ausstattung der Opposition. Als besonders ertragreich für die vorliegende Untersuchung erwiesen sich dabei die von Reinhold L. Bocklet herausgegebene Publikation zum Regierungssystem des Freistaats Bayern sowie der von Rainer A. Roth edierte Sammelband zur Regierungspraxis eines Bundeslands der Bundesrepublik Deutschland.55

Die bis heute aktuell gebliebenen zentralen Fragestellungen in der deutschen Parlamentarismus- forschung benannte Gerhard A. Ritter bereits Mitte der 1970er-Jahre.56 Sie wirkten auch für die vorliegende Arbeit konstitutiv. Dazu zählen etwa die Bedeutung des Budgetrechts für das Binnen- verhältnis zwischen Parlament und Regierung, die Beziehungen zwischen Parlament und Minis- terialbürokratie, die Rolle des Parlaments im föderativen Bundesstaat sowie die Behauptung des Parlaments im modernen Leistungsstaat. Ein Kolloquium des Instituts für Bayerische Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München zur bayerischen Landtagsgeschichte richtete 1995 den Fokus dieser Fragen auf Bayern. Die insbesondere in den Beiträgen von Karl-Ulrich Gelberg und Dirk Götschmann aufgezeigten Probleme und Desiderate der Forschung boten für die vorlie- gende Studie hilfreiche Orientierung.57 Einen weiteren Schwerpunkt vermittelte die zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren rege geführte Forschungsdebatte um ein spezifisch „bayerisches“ Regie- rungssystem. Hier ging es um die zentralen Fragen, wie sich der Wegfall des Misstrauensvotums in der Bayerischen Verfassung von 1946 mit der parlamentarischen Demokratie vertrage und ob sich der Landtag gegenüber einer übermächtig erscheinenden Regierung überhaupt durchsetzen könne.

Neue Impulse vermochten in dieser Diskussion 2009 Ferdinand Kramer und Christian Pestalozza und 2012 erneut Dirk Götschmann zu geben, die die Stellung des Landtags im politischen System des Freistaats wieder stärker betonten.58

Wichtige Grundinformationen bieten die Überblickswerke zur politischen Geschichte vom Kriegs- ende 1945 bis zum Beginn der 1960er-Jahre. Zu nennen sind hier die einschlägige Untersuchung der Epoche „Zwischen Sternenbanner und Bundesadler“ Maximilian Lanzinners, die Darstellung Karl-Ulrich Gelbergs im „Handbuch der bayerischen Geschichte“, der gemeinsame Beitrag von Peter Jakob Kock und Manfred Treml in der „Geschichte des modernen Bayern“ sowie der Über- blick in Peter Claus Hartmanns Studie „Bayerns Weg in die Gegenwart“ und Wolfgang Zorns Abhandlung „Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert“.59 Als unverzichtbare Stichwortgeber erwiesen sich Peter Jakob Kocks Landtagschronik, die Online-Dokumentation zur bayerischen Parlamentsgeschichte des Hauses der Bayerischen Geschichte und als Online-Nachschlagewerk das Historische Lexikon Bayerns.60 Darüber hinaus sind Teilaspekte des Themas eingehend erör- tert worden. So können etwa die Vorgänge rund um die Verfassungsgebung 1946 als weitgehend erforscht gelten. Hier sind die Arbeiten von Barbara Fait, Eduard Schmidt und Karl-Ulrich Gelberg hervorzuheben.61 Auch einzelne Phasen der Verfassungswirklichkeit bis 1962 sind bereits ausge-

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leuchtet – so etwa das Zustandekommen und die Tätigkeit der Viererkoalition durch die Studien von Heike Bretschneider und Bernhard Taubenberger.62 Hier sollen die aus den Untersuchungen Ilse Ungers und Konstanze Wolfs bekannten Einblicke in das fragile Innenleben des Bündnisses ergänzt werden.63 Als besonders günstig einzuschätzen ist die Forschungslage für die Entwicklung der politischen Parteien. Am intensivsten ist die Auseinandersetzung mit der CSU. Die grundlegen- den Arbeiten Alf Mintzels wurden von Thomas Schlemmer und anderen konsequent fortgeführt.64 Auch SPD und Bayernpartei (BP) wurden eigene Studien gewidmet, während für FDP undGB/

BHE in dieser Hinsicht noch Nachholbedarf besteht.65

Ebenfalls bedeutsam sind die inzwischen zahlreich vorliegenden Biografien der politischen Haupt- akteure. Auch hier überwiegen die Forschungen zur CSU. Karl-Ulrich Gelbergs Studie über Ministerpräsident Hans Ehard ist in erster Linie dessen politischem Wirken vor dem Hintergrund der föderalistischen Ausgestaltung von Bayerischer Verfassung, Grundgesetz und der Verfassungs- wirklichkeit in der Bundesrepublik gewidmet. Ausführliche Darstellungen der politischen Rah- menbedingungen im Bayern der Jahre 1946 bis 1962 bieten Friedrich Hettlers Arbeit über den Parteivorsitzenden Josef Müller, Oliver Brauns Biografie des Fraktionsvorsitzenden, Staatsminis- ters und Landtagspräsidenten Alois Hundhammer, Hans Ferdinand Groß‘ Analyse der Politik des Staatsministers, Oppositionsführers und Ministerpräsidenten Hanns Seidel, Claudia Friembergers Untersuchung zum Staatsminister und Ministerpräsidenten Alfons Goppel und Christoph Henz- lers Biografie des ersten bayerischen Nachkriegsministerpräsidenten und späteren Bundesfinanzmi- nisters Fritz Schäffer.66 Ebenso aufschlussreich für die SPD sind Hartmut Mehringers Studie und der von Helga Grebing und Dietmar Süß herausgegebene Aufsatzband zum Wirken des Landes- und Fraktionsvorsitzenden Waldemar von Knoeringen sowie Peter Kritzers Lebensdarstellung des Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner. Hinzu kommen für das Spitzenpersonal der kleinen Par- teien Detlef Rillings und Udo Wengsts Biografien des FDP-Landesvorsitzenden und Bundesjustiz- ministers Thomas Dehler, Christoph Walthers Untersuchung zum BP-Fraktionsvorsitzenden Jakob Fischbacher sowie Hans Wollers Werk über den Vorsitzenden der WAV, Alfred Loritz.67 Desiderate der Forschung sind indes die bisher (mit Ausnahme Dehlers) völlig fehlenden wissenschaftlichen Biografien zum parlamentarischen Spitzenpersonal von FDP (hier sind besonders die Fraktionsvor- sitzenden Fritz Linnert und Otto Bezold zu nennen) und BP (lohnend schiene dies vor allem für den langjährigen Parteivorsitzenden Joseph Baumgartner, seinen Stellvertreter August Geislhörin- ger sowie den Fraktionsvorsitzenden Carl Lacherbauer). Ebenso bedauerlich ist das Fehlen einer Biografie Hans Nawiaskys, der als Staatsrechtsgelehrter 1946 zwar nur mit beratender Stimme an den Verfassungsberatungen teilnahm, diese aber – und hier insbesondere das Verhältnis Landtag – Regierung – entscheidend beeinflusste (vgl. Kapitel 4.2).68

1.3 Methodik und Aufbau

Zur Untersuchung der Wechselbeziehung zwischen Landtag und Regierung bedarf es zunächst einer eingehenden Organisations- und Funktionsanalyse beider Staatsorgane. Zum besseren Ver- ständnis dieser vergleichenden Institutionengeschichte ist sie in die Schilderung der Zeitumstände einzubetten und mit der klassischen Ereignisgeschichte sowie der Mentalitätsgeschichte zu verbin- den. Immer wieder wird dabei der Blick auf die handelnden Personen gerichtet, auf ihre politischen Überzeugungen und Handlungsmotive. Ohne diese Verbindung gliche die Studie der Beschrei- bung zweier leerstehender Häuser. Doch nichts läge der hier darzustellenden Geschichte ferner als dieses Bild. Vielmehr wimmelte es in beiden Häusern vor vitalem Leben, das zu gestalten und

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dessen Kräfte zu nutzen die Herausforderung für die handelnden Akteure war. In der vorliegenden Arbeit sollen deshalb vor allem die Quellen sprechen. So erscheint die Annäherung an einen auf direkte Rede und Gegenrede angelegten Ort der Debatte, den der Landtag naturgemäß darstellt, am ehesten möglich. Deshalb werden zahlreiche Aussprachen in Fraktionen, Ältestenrat und Ple- num sowie im Kabinett beispielhaft in ihrem Verlauf untersucht. Argumentationsmuster werden auf diese Weise ebenso erkennbar wie der Stil der Diskussionen und ritualisierte Formen der Aus- einandersetzung. Die Abhandlung bedient sich dabei einer Mischung aus thematischer und chro- nologischer Darstellungsweise.

Die Arbeit beleuchtet das Verhältnis Landtag – Regierung sowohl aus der Sicht der Legislative als auch der Exekutive und gliedert sich, kurz gesagt, in zwei Teile: Theorie und Praxis. Um diese beiden Ebenen miteinander in Bezug zu setzen, sollen vier Themenkomplexe untersucht werden:

1.) Wie beschreibt die moderne Parlamentarismustheorie das Verhältnis von Parlament und Regie- rung im parlamentarischen Regierungssystem und welche Kennzeichen sind für dieses konstitutiv?

2.) Wie gestaltete sich das Verhältnis Parlament – Regierung in der Verfassungsgebung 1919 auf Reichs- und auf Landesebene und wie wurde es in der Staatspraxis bis 1933 jeweils ausgestaltet?

3.) Wie wurde das Verhältnis Landtag – Regierung in der Bayerischen Verfassung von 1946 konkret umrissen? Welche Gründe waren dafür ausschlaggebend und was hat sich im Vergleich zur Wei- marer Republik geändert? Worin liegen die Besonderheiten des „bayerischen“ Regierungssystems?

4.) Wie hat sich das 1946 festgelegte Verhältnis Landtag – Regierung in der Verfassungswirklichkeit bis 1962 bewährt?

Im ersten Hauptteil werden die „Vorgaben“ der Parlamentarismustheorie (vgl. Kapitel 2) so- wie die Vorgeschichte und die konkreten Verfassungsbestimmungen zum Verhältnis Landtag – Regierung untersucht. Da die Verfassungsgeber während ihrer Beratungen 1946 besonders stark auf „Weimar“ rekurrierten, sollen die Regierungsverhältnisse zwischen 1919 und 1933 auf Reichs- und auf Landesebene zumindest kurz umrissen werden. Es geht dabei sowohl um die Grundzüge des jeweiligen Regierungssystems in Weimarer und Bamberger Verfassung als auch um die Erörterung seiner Schwachstellen und Gefährdungen in der politischen Entwicklung bis 1933. Schließlich ist die Machtübernahme der Nationalsozialisten unter der Fragestellung zu skizzieren, welche Gründe für das Abgleiten Deutschlands in die Diktatur ausschlaggebend waren (vgl. Kapitel 3).

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen sollen anschließend die bayerischen Verfassungsberatun- gen von 1946 nachgezeichnet werden (vgl. Kapitel 4). Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Aus- gestaltung des Verhältnisses Landtag – Regierung vor dem Hintergrund einer angestrebten Stabili- sierung der Regierungsverhältnisse. Wenig verankert im öffentlichen Bewusstsein sind die Schritte, die unternommen wurden, um dieses Kernziel zu erreichen, und eine Antwort auf die Frage, welche bis heute fortdauernden Konsequenzen sich daraus für das Verhältnis Landtag – Regierung ergeben haben. Die Lösungsformel, die die Verfassungsgeber entwickelten, ist so spektakulär wie einzigartig in Deutschland: die ersatzlose Streichung des Misstrauensvotums in der Form eines parlamenta- rischen Rücktrittsbefehls. Nirgends sonst schlugen die Verfassungsgeber diesen Weg ein – weder in den anderen Ländern der westlichen Besatzungszonen noch später bei der Verabschiedung des Bonner Grundgesetzes. Die bayerischen Verfassungsgeber verzichteten auf ein zentrales parlamen- tarisches Machtinstrument, das sowohl in der Weimarer Reichsverfassung als auch in der Bamber- ger Verfassung von 1919 noch enthalten war. Sie schlugen dem Landtag in der Auseinandersetzung

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mit der Regierung eine der schärfsten Waffen aus der Hand – oder, wie es Fritz Linnert (FDP) in der Verfassunggebenden Landesversammlung formulierte – das Recht, „auch einem Minister zu sagen: Du bist nicht mehr am Platze!“69

Untersucht werden sollen sowohl die Beweggründe, die zu dieser Entscheidung führten, als auch ihre Vor- und Nachteile sowie die Folgen, die daraus resultierten. Die Arbeit analysiert das weg- fallende Misstrauensvotum als Teil des bayerischen Regierungssystems und setzt es zu den anderen darin angelegten Strukturelementen in Bezug. Dabei wird deutlich, dass die Verfassungsgeber in Bayern auch an anderer Stelle Einzigartiges schufen – denn in keinem anderen Land kam es wie in Bayern zur Einführung einer Art zweiter parlamentarischer Kammer (Bayerischer Senat). Nirgends sonst wurde so intensiv über die Schaffung des Amts eines eigenen Staatspräsidenten gestritten wie hier – ehe es nur um Haaresbreite scheiterte. Und auch die auf Wahlkreisebene eingeführte Zehn- Prozent-Hürde erscheint als Sperrklausel im Vergleich zur auf Bundesebene gewählten Fünf-Pro- zent-Hürde besonders hoch. Ergänzend werden die dem Landtag verbliebenen parlamentarischen Kontrollinstrumente gegenüber der Regierung, die Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofs als Schlichtungsorgan im Fall des Konflikts zwischen den obersten Staatsorganen sowie die Vorgaben für die Gesetzgebung als wichtigstem Gebiet für die praktische Kooperation zwischen Legislative und Exekutive vorgestellt. Abschließend ist die Position der US-Militärregierung in Deutschland bzw. der US-Regierung in Washington zu den Verfassungsbestimmungen zum Verhältnis Landtag – Regierung in den Blick zu nehmen.

Der zweite Hauptteil widmet sich den praktischen Erfahrungen in der Verfassungswirklichkeit.

Die Klammer zwischen beiden Teilen bildet die amerikanische Besatzungsmacht, denn der par- lamentarische Neubeginn vollzog sich auch nach der Verfassungsgebung unter strenger Aufsicht und direkter Einflussnahme der US-Militärregierung. Es ist zu fragen, wie diese versucht hat, das Verhältnis Landtag – Regierung unter Realbedingungen zu beeinflussen und was ihre Vorstellun- gen in dieser Frage waren (vgl. Kapitel 5). Eine ihrer ersten Forderungen galt der Verabschiedung neuer Geschäftsordnungen für Landtag und Regierung. Gemeinsam mit der Verfassung bilde- ten diese den rechtlichen Rahmen, in dem sich Landtag und Regierung begegneten. Die zum Teil offen formulierten Verfassungsbestimmungen mussten dazu provozieren, sie innerhalb der Geschäftsordnungen zu interpretieren und auszubauen. Mit welcher Stoßrichtung dies unternom- men wurde, soll vor allem für den Landtag gezeigt werden (vgl. Kapitel 6).

Als Grundbedingung für die Funktionsfähigkeit eines parlamentarischen Regierungssystems muss die schiere Existenz von Parlament und Regierung gewährleistet sein. Insofern sind sowohl die Landtagswahlen als auch die Bildung der Regierungen im Zeitraum von 1946 bis 1962 zu betrach- ten (vgl. Kapitel 7). Von besonderem Interesse sind dabei die Fragen: Welche Gründe sprachen für die einzelnen Regierungsbildungen und welche anderen Optionen hätte es nach dem jeweiligen Wahlausgang gegeben? Wie waren die Kabinette zusammengesetzt, wie spiegelt sich die Stärke der an ihr beteiligten Parteien darin wider und wie stabil waren sie? Wann und unter welchen Umstän- den gerieten sie in Krisen? Wie oft wurden sie umgebildet und welchen Einfluss hatten darauf der Landtag bzw. die Mehrheits- und die Oppositionsfraktion(en)?

Nach der Regierungsbildung bietet die Regierungserklärung dem Ministerpräsidenten die Mög- lichkeit, das Arbeitsprogramm seiner Regierung für die angebrochene Legislaturperiode im Land- tag vorzustellen. Mit etwas zeitlichem Abstand findet dazu traditionell eine Aussprache statt. Sie

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gilt als erster ritualisierter Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition, die ihrerseits Kritik am Regierungsprogramm äußern und Alternativen vorstellen kann. Gezeigt werden soll, welche Ziele die Regierungen verfolgten, welche Themen wechselten, welche dauerhaft aktuell blieben und wo sich bereits erste Konfliktlinien zum Landtag oder einzelnen Fraktionen abzeichneten (vgl. Kapitel 8).

Auf der Grundlage dieser Arbeitsprogramme soll die parlamentarische Leistungsbilanz des Landtags untersucht werden (vgl. Kapitel 9) – wie viele Gesetze verabschiedete und über wie viele Anträge beriet er? Wie viele Gesetzesvorlagen kamen dabei aus den Reihen des Landtags, wie viele von der Regierung? Wie verteilten sich die Initiativen auf Regierungs- und Oppositionsfraktionen? Wie war der Senat in das Gesetzgebungsverfahren eingeschaltet und wie wurde seine Rolle von Landtag und Regierung interpretiert?

Die parlamentarische Leistungsbilanz führt zwingend zur Frage der praktischen Kooperation zwischen Legislative und Exekutive. Erörtert werden soll, bei welchen Gelegenheiten es eine Zusammenarbeit gab und welche Gründe hierfür ausschlaggebend waren. Dies betrifft die inhalt- liche Ebene – in Form von politischen Projekten – ebenso wie die nach außen gerichtete Abwehr unerwünschter Einflussnahme durch Dritte (wie der US-Militärregierung) oder die gemein- same Repräsentation des Staates. Anhand der Verwaltungsvereinfachung soll ein Beispiel für das Scheitern einer Zusammenarbeit von Landtag und Regierung näher betrachtet werden (vgl. Kapi- tel 10).

Der Kooperation gegenüber steht die Konfrontation. Herauszuarbeiten gilt es, wann und unter welchen Bedingungen es im Verhältnis Landtag – Regierung hakte und wo es zu gegenseitigen Beschwerden kam. Es liegt in der Natur der Sache, dass Konflikte besonders da zu Tage traten, wo der Landtag sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung energisch in Anspruch nahm (vgl. Kapitel 12). Deshalb soll eingehend untersucht werden, wie viele Anfragen und Interpellationen pro Legis- laturperiode von welchen Fraktionen gestellt wurden und wie die Staatsregierung darauf reagierte.

Ebenfalls von Interesse ist, wie viele Untersuchungsausschüsse eingesetzt wurden, wer sie bean- tragte, zu welchen Ergebnissen sie kamen und welche Folgen sich daraus ergaben. Diesbezüglich ist besonders zu fragen, mit welchen Hoffnungen sie initiiert wurden, wie effizient sie arbeiteten und wie sich ihr Einsatz veränderte. Darauf aufbauend, ist zu erörtern, in welchen Fällen es zu direkten Auseinandersetzungen zwischen Landtag und Regierung kam und wie diese Konflikte gelöst wur- den (vgl. Kapitel 13). Als Ergebnis dieser Untersuchungsreihe wird sich herauskristallisieren, wie es um das Verhältnis der einzelnen Fraktionen zur Regierung bestellt war, sodass auch die Frage beantwortet werden kann, ob der heute so typische Dualismus zwischen Mehrheitsfraktion(en) und Oppositionsfraktion(en) bereits damals zu beobachten ist. Darüber hinaus soll das Verhältnis des Landtags zur Ministerialbürokratie näher betrachtet werden, ohne die keine Regierung hand- lungsfähig wäre.

Als Bindeglied zwischen den beiden Polen Kooperation und Konfrontation ist das Budgetrecht anzusiedeln (vgl. Kapitel 11). Denn ohne Zusammenarbeit zwischen Landtag und Regierung kommt auch in Bayern kein Staatshaushalt zustande. Gleichzeitig bietet das Budgetrecht dem Landtag die Chance, das Regierungshandeln zu kontrollieren und durch Veränderung der Etatan- sätze konkret zu beeinflussen. Untersucht werden soll, welche Bedeutung beide Seiten dem Haus- haltsrecht beimaßen, welchen nur schwer kalkulierbaren in- und externen Beeinflussungen seine

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