Kapitel 3 Fourieranalyse
§ 1 Fourierreihen
Zur Erinnerung:
Definition. Eine Funktion f : R → C heißt periodisch mit Periode T , falls T > 0 ist und f¨ ur alle t ∈ R gilt:
f(t + T ) = f (t).
Beispiele.
1. Die Funktionen sin(t) und cos(t) haben die Periode 2π, der Tangens hat die Periode π.
2. Die Eulerfunktion e
jt= cos(t) + j sin(t) hat die Periode 2π.
3. Eine konstante Funktion f(t) ≡ c hat jedes T ∈ R als Periode.
Die Menge Per(f ) aller Perioden der Funktion f bildet einen Modul, d.h. es gilt:
T
1, T
2∈ Per(f) = ⇒ T
1± T
2∈ Per(f ).
Hat also f die Periode T , so sind auch 2T, 3T, . . . Perioden von f.
Wie das letzte Beispiel zeigt, kann der Periodenmodul Per(f ) aus ganz R bestehen.
Ist f allerdings nicht konstant und hat f auf einem Periodenintervall h¨ ochstens endlich viele Unstetigkeitsstellen, so kann man zeigen, daß f eine kleinste positive Periode T
0besitzt. Dann besteht Per(f) aus allen ganzzahligen Vielfachen von T
0. Z.B. ist die Zahl 2π die kleinste (positive) Periode beim Sinus.
Ein typisches Beispiel ist die harmonische Schwingung f (t) := A · sin(ωt + ϕ).
Dabei heißt |A| die Amplitude, ω die Frequenz und ϕ die Anfangsphase. f hat die Periode T = (2π)/ω und erf¨ ullt offensichtlich die DGL y
00+ ω
2y = 0.
Wendet man das Additionstheorem an, so erh¨ alt man die Darstellung f(t) = a cos(ωt) + b sin(ωt),
mit a = A sin(ϕ) und b = A cos ϕ.
Hat f die Periode T , so hat F (t) := f(
2πT· t) die Periode 2π, denn es ist
F (t + 2π) = f ( T
2π (t + 2π))
= f ( T
2π · t + T )
= f ( T
2π · t) = F (t).
Deshalb ist es keine Einschr¨ ankung der Allgemeinheit, wenn wir nur Funktionen mit der Periode 2π betrachten. Wenn nichts anderes gesagt wird, bedeutet hier k¨ unftig
” periodisch“ stets
” periodisch mit Periode 2π“. Das muß allerdings nicht in jedem Fall die kleinste Periode sein.
Ist nun I = [a, a + 2π] und f eine Funktion auf I mit f(a + 2π) = f(a), so kann man f periodisch auf ganz R fortsetzen:
π 2π
1
- π
s
a
s
a + 2π Dabei spielt es keine Rolle, mit welchem Intervall (der L¨ ange 2π) man begonnen hat, es kommt immer die gleiche Funktion heraus. Wir verwenden hier meistens das Intervall
I = [−π, +π], manchmal aber auch das Intervall [0, 2π].
Wichtigstes Beispiel sind die sogenannten trigonometrischen Polynome T
N(t) = a
02 +
N
X
n=1
a
ncos(nt) + b
nsin(nt) . Sie haben alle die Periode 2π.
Es sei S
0(I) die Menge der st¨ uckweise stetigen Funktionen auf I. Bei diesen Funk- tionen existiert in jedem x ∈ I der linksseitige und der rechtsseitige Grenzwert, allerdings brauchen die beiden Grenzwerte nicht ¨ ubereinzustimmen. Es sind end- lich viele solcher Sprungstellen erlaubt, aber keine schlimmeren Unstetigkeiten.
Sei I = [a, b], mit b − a = 2π. Mit R(I) bezeichnen wir die Menge aller Funktionen f : I → C , die h¨ ochstens endlich viele Unstetigkeitsstellen haben und f¨ ur die das (eventuell uneigentliche) Integral
Z
b af (t) dt = Z
ba
Re(f (t)) dt + j Z
ba
Im(f (t)) dt
existiert. Wir sprechen vom Raum der integrierbaren Funktionen.
1Offensichtlich ist S
0(I) ⊂ R(I). Ein Element f ∈ R(I) heißt absolut integrierbar, falls das Integral
Z
b a|f (t)| dt = Z
ba
(Re f(t))
2+ (Im f (t))
21/2dt
existiert. Man beachte, daß stets |Re f (t)| ≤ |f (t)| und |Im f (t)| ≤ |f(t)| ist. Aus der absoluten Integrierbarkeit folgt also auch im Komplexen die gew¨ ohnliche In- tegrierbarkeit. Ist f absolut integrierbar und g beschr¨ ankt und integrierbar, so ist auch f · g absolut integrierbar.
Mit P (I ) bezeichnen wir die Menge aller Funktionen f ∈ R(I), f¨ ur die gilt:
f(a) = f(b).
Das sind diejenigen integrierbaren Funktionen auf I, die sich periodisch auf ganz R fortsetzen lassen. Da wir aber unsere Funktionen problemlos in einem einzelnen Punkt ab¨ andern k¨ onnen, spielt die Zusatzbedingung ¨ uber die Randwerte eigentlich keine Rolle.
Alle betrachteten Funktionenmengen sind (komplexe) Vektorr¨ aume. P (I ) ist ein Untervektorraum von R(I) und P(I) ∩ S
0(I) ist ein Untervektorraum von S
0(I).
Definition. Eine Funktion f ∈ R(I) heißt quadratintegrabel, falls |f |
2integrier- bar ist. Die Zahl
kf k
2:=
Z
b a|f(t)|
2dt
1/2nennt man die L
2-Norm von f . Beispiele.
1. Jede st¨ uckweise stetige Funktion ist quadratintegrabel.
2. Die Funktion f(t) := 1
√ t liegt in R([0, 1]), ist aber nicht quadratintegrabel.
1.1 Summe und Produkt von quadratintegrablen Funktionen. f
1, f
2sei- en quadratintegrabel. Dann ist f
1± f
2quadratintegrabel und f
1· f
2absolut integrier- bar. Außerdem ist
Z
b a|f
1(t) · f
2(t)| dt ≤ 1 2
(kf
1k
2)
2+ (kf
2k
2)
2] und es gilt die Schwarzsche Ungleichung:
1
Das sind nicht die im Riemannschen Sinne integrierbaren Funktionen (die unendlich viele
Unstetigkeitsstellen haben k¨ onnten) und es sind auch nicht bloß die st¨ uckweise stetigen Funktio-
nen, denn sie d¨ urfen unbeschr¨ ankt sein.
Z
b af
1(t) · f
2(t) dt
≤ kf
1k
2· kf
2k
2. Beweis: Es ist
0 ≤ (|f
1| − |f
2|)
2= |f
1|
2− 2|f
1· f
2| + |f
2|
2, also
|f
1· f
2| ≤ 1
2 · (|f
1|
2+ |f
2|
2).
Das liefert die erste Ungleichung und die absolute Integrierbarkeit von f
1f
2. Wegen |f
2|
2= |f
2|
2ist auch f
2quadratintegrabel und damit Re(f
1·f
2) integrierbar.
F¨ ur λ ∈ C haben wir außerdem die Gleichung
|f
1+ λf
2|
2= (f
1+ λf
2) · (f
1+ λf
2) = |f
1|
2+ 2 Re(λf
1· f
2) + |λ|
2|f
2|
2. Das zeigt, daß f
1+ λf
2quadratintegrabel ist.
Weiter gilt : 0 ≤
Z
b a|f
1+ λf
2|
2dt = Z
ba
|f
1|
2dt + λ Z
ba
f
1f
2dt + λ Z
ba
f
1f
2dt + |λ|
2Z
ba
|f
2|
2dt.
Mit A := R
ba
|f
1|
2dt, B := R
ba
f
1f
2dt und C := R
ba
|f
2|
2dt liefert das die Ungleichung A + Bλ + Bλ + C|λ|
2≥ 0 (f¨ ur alle λ ∈ C ).
Ist C 6= 0, so setze man λ := −B/C. Dann erh¨ alt man die Ungleichung AC − 2BB + |B|
2≥ 0, also |B|
2≤ AC.
Ist C = 0 und A 6= 0, argumentiert man analog. Ist C = A = 0, so setze man λ = −B. Dann erh¨ alt man −2BB ≥ 0, also auch B = 0. Damit ist die Schwarzsche Ungleichung bewiesen.
Es folgt, daß die quadratintegrablen Funktionen auf I einen C -Vektorraum Q
Ibilden.
Definition. F¨ ur quadratintegrable Funktionen f, g auf I = [a, b] sei
<f , g> :=
Z
b af (t)g(t) dt.
Das ” Skalarprodukt“ <f , g> ist R -bilinear, und es gilt:
<f , g> = <g , f >.
F¨ ur c ∈ C ist <c · f , g> = c · <f , g>, aber <f , c · g> = c · <f , g>. Es liegt also ein hermitesches Skalarprodukt vor. Außerdem ist
kf k
2= <f , f >
1/2.
Bei einem richtigen Skalarprodukt m¨ ußte eigentlich noch gelten: Ist kf k
2= 0, so ist f = 0. Das ist hier nicht der Fall, f kann ja in endlich vielen Punkten einen Wert 6= 0 haben. Diese Schwierigkeit tritt ¨ ubrigens nicht auf, wenn man nur mit stetigen Funktionen arbeitet.
1.2 Eigenschaften der L
2-Norm.
1. kc · f k
2= |c| · kf k
2.
2. kf + gk
2≤ kf k
2+ kgk
2(Dreiecksungleichung).
3. |<f , g>| ≤ kfk
2· kgk
2(Schwarzsche Ungleichung).
Beweis: 1) ist trivial.
3) Die Schwarzsche Ungleichung haben wir oben schon bewiesen.
2) Die Dreiecksungleichung folgt wie ¨ ublich aus der Schwarzschen Ungleichung:
(kf + gk
2)
2= <f + g , f + g>
= <f , f > + <f , g> + <g , f > + <g , g>
= (kfk
2)
2+ (kgk
2)
2+ 2 Re <f , g>
≤ (kfk
2)
2+ (kgk
2)
2+ 2|<f , g>|
≤ (kfk
2)
2+ (kgk
2)
2+ 2kf k
2· kgk
2= (kfk
2+ kgk
2)
2.
Definition. Zwei Funktionen f, g ∈ Q
Iheißen orthogonal zueinander, falls
<f , g> = 0 ist.
Im Folgenden bezeichne k. . .k die L
2− N orm.
1.3 Satz des Pythagoras. Ist <f , g> = 0, so ist kf + gk
2= kfk
2+ kgk
2. Der Beweis erfolgt fast genauso wie im Falle des euklidischen Skalarproduktes im R
n:
kf + gk
2= <f + g , f + g>
= <f , f > + <f , g> + <g , f > + <g , g>
= kfk
2+ 2 · Re <f , g> + kgk
2= kfk
2+ kgk
2.
Definition. Eine (abz¨ ahlbare) Teilmenge S = {ϕ
0, ϕ
1, ϕ
2, . . .} ⊂ Q
Iheißt ein ON-System, falls gilt:
1. <ϕ
n, ϕ
m> = 0 f¨ ur n 6= m.
2. kϕ
nk = 1 f¨ ur alle n.
Es sei daran erinnert, daß eine unendliche Teilmenge B eines Vektorraumes V linear unabh¨ angig heißt, wenn jede beliebige endliche Auswahl von Elementen von B linear unabh¨ angig ist.
1.4 Orthonormalsysteme sind linear unabh¨ angig. Ist S ⊂ Q
Iein ON- System, so ist S linear unabh¨ angig.
Beweis: Sei J ⊂ N endlich und 0 = X
j∈J
c
jϕ
j. Dann folgt:
0 = < X
j∈J
c
jϕ
j, ϕ
i> = X
j∈J
c
j<ϕ
j, ϕ
i> = X
j∈J
c
jδ
ji= c
i,
f¨ ur j ∈ J. Damit ist die lineare Unabh¨ angigkeit gezeigt.
Wir werden jetzt einige Beispiele von ON-Systemen betrachten.
1.5 Das trigonometrische System (T). Sei I = [−π, π]. Dann bilden die Funktionen
g
0(t) := 1
√ 2π , g
n(t) := 1
√ π · cos(nt) f¨ ur n ≥ 1 und h
n(t) := 1
√ π · sin(nt) f¨ ur n ≥ 1 ein ON-System in Q
I.
Beweis: Wir betrachten zun¨ achst die Funktionen 1, cos(nt) und sin(nt). Dabei benutzen wir die Additionstheoreme
sin(α + β) = sin(α) cos(β) + cos(α) sin(β) und cos(α + β) = cos(α) cos(β) − sin(α) sin(β).
1) Es ist < 1, 1 > = Z
π−π
dt = 2π.
2) < 1, cos(nt) > = Z
π−π
cos(nt) dt = sin(nt) n
π
−π
= 0.
3) < 1, sin(nt) > = Z
π−π
sin(nt) dt = − cos(nt) n
π
−π
= 0.
4) Wegen sin(α) cos(β) =
12[sin(α + β) + sin(α − β)] ist
< sin(nt), cos(mt) > = Z
π−π
sin(nt) cos(mt) dt
= 1 2
Z
π−π
sin((n + m)t) dt + 1 2
Z
π−π
sin((n − m)t) dt
= 0 f¨ ur beliebiges n und m.
5) Wegen cos(α) cos(β) =
12[cos(α + β) + cos(α − β)] ist
< cos(nt), cos(mt) > = Z
π−π
cos(nt) cos(mt) dt
= 1
2 Z
π−π
cos((n + m)t) dt + 1 2
Z
π−π
cos((n − m)t) dt
=
π falls n = m 0 sonst.
6) Wegen sin(α) sin(β) =
12[cos(α − β) − cos(α + β)] ist
< sin(nt), sin(mt) > = Z
π−π
sin(nt) sin(mt) dt
= 1 2
Z
π−π
cos((n − m)t) dt − 1 2
Z
π−π
cos((n + m)t) dt
=
π falls n = m 0 sonst.
Das gew¨ unschte Ergebnis kann man nun direkt ablesen.
1.6 Das komplexe trigonometrische System (E). Sei I = [−π, π]. Dann bilden die Funktionen
f
n(t) := 1
√ 2π · e
jnt, n ∈ Z , ein ON-System in Q
I.
Beweis: Es ist
< e
jnt, e
jmt>=
Z
π−π
e
j(n−m)tdt =
2π falls n = m, 0 sonst.
Das Rechnen im Komplexen ist erheblich einfacher!
Sei I = [a, b], V := Q
Iund F := (f
i)
i∈Nein ON-System in V . F¨ ur eine end-
liche Teilmenge J ⊂ N sei V
Jder von den Funktionen f
i, i ∈ J, aufgespannte
Untervektorraum von V .
Ist f ∈ V beliebig und i ∈ N , so nennt man f(i) := b <f , f
i>
den i-ten (formalen) Fourierkoeffizienten von f bez¨ uglich F . Das Element p
J(f) := X
i∈J
f b (i) · f
i∈ V
Jnennt man die orthogonale Projektion von f auf V
J. 1.7 Eigenschaften der orthogonalen Projektion.
1. kf − p
J(f)k
2= kfk
2− kp
J(f)k
2(Pythagoras).
2. kf − p
J(f)k ≤ kf − gk f¨ ur alle g ∈ V
J. 3. kp
J(f )k
2= X
i∈J
| f b (i)|
2≤ kf k
2.
Beweis: Es sei c
i:= f b (i), f¨ ur i ∈ N . Dann gilt f¨ ur j ∈ J :
<f − p
J(f) , f
j> = <f , f
j> − X
i∈J
c
i<f
i, f
j>
= c
j− X
i∈J
c
iδ
ij= = c
j− c
j= 0.
s
0
f r
p
J(f)
g V
Jg − f
Also ist <f − p
J(f) , h> = 0 f¨ ur alle Elemente h ∈ V
J, insbesondere
<f − p
J(f ) , p
J(f)> = 0.
Nach dem Satz von Pythagoras ist also
kf k
2= kf − p
J(f)k
2+ kp
J(f )k
2und kp
J(f )k
2≤ kf k
2. F¨ ur g ∈ V
Jist außerdem
<f − p
J(f ) , p
J(f ) − g> = 0,
also kf − gk
2= k(f − p
J(f )) + (p
J(f ) − g)k
2= kf − p
J(f )k
2+ kp
J(f) − gk
2.
Das bedeutet, daß kf − p
J(f)k ≤ kf − gk f¨ ur g ∈ V
Jist.
Schließlich ist
kp
J(f)k
2= <p
J(f) , p
J(f )>
= < X
i∈J
c
if
i, X
j∈J
c
jf
j>
= X
i,j
c
ic
j<f
i, f
j>
= X
i∈J
|c
i|
2.
Der Satz besagt, daß f unter allen Elementen von V
Jdurch p
J(f) am besten appro- ximiert wird (in der L
2-Norm). Man nennt p
J(f) daher auch die Bestapproximation von f in V
J.
Aus den obigen Absch¨ atzungen folgt insbesondere:
1.8 Besselsche Ungleichung. Ist c
i= f(i) b f¨ ur i ∈ N , so ist
∞
X
i=1
|c
i|
2≤ kf k
2.
Das bedeutet insbesondere, daß die Reihe
∞
X
i=1
|c
i|
2konvergiert und die Folge (c
i) gegen Null konvergiert.
Definition. Eine Folge von Funktionen f
n∈ Q
Ikonvergiert im quadratischen Mittel gegen eine (quadratintegrable) Funktion f, wenn gilt:
n→∞
lim kf − f
nk
2= 0.
Dies ist ein neuer Grenzwertbegriff, und er ist mit Vorsicht zu genießen. Ist fast
¨
uberall f = g , so ist kg − f
nk
2= k(f − f
n) + (g − f )k
2= kf − f
nk
2. Das hat zur Folge, daß der Grenzwert einer (im quadratischen Mittel) konvergenten Folge nicht eindeutig bestimmt ist.
F¨ ur f ∈ Q
Iund ein vorher festgelegtes ON-System F = (f
n) sei k¨ unftig S
n(f ) :=
n
X
i=1
f(i) b · f
i=
n
X
i=1
<f , f
i> · f
i.
Die Reihe S
f:=
∞
X
i=1
f b (i) · f
inennt man die (formale) Fourier-Reihe von f . Man
interessiert sich daf¨ ur, unter welchen Umst¨ anden und auf welche Art f = S
fist.
Definition. Sei F = (f
n) ein ON-System in Q
I. F heißt vollst¨ andig, falls f¨ ur alle f ∈ Q
Igilt:
n→∞
lim kf − S
n(f )k = 0,
wenn also die formale Fourier-Reihe S
fimmer im quadratischen Mittel gegen f konvergiert.
1.9 Charakterisierung vollst¨ andiger ON-Systeme. Sei F ein ON-System in Q
I. Dann sind folgende Eigenschaften ¨ aquivalent:
1. Alle f ∈ Q
Ierf¨ ullen die Parsevalsche Gleichung:
kf k
2=
∞
X
i=1
|<f , f
i>|
2.
2. F ist vollst¨ andig.
Beweis: Sei f ∈ Q
Ibeliebig vorgegeben und c
i:= <f , f
i> f¨ ur i ∈ N . Dann ist kf − S
n(f)k
2= kfk
2− kS
n(f )k
2(Pythagoras)
= kfk
2−
n
X
i=1
|c
i|
2.
Also konvergiert kf − S
n(f )k genau dann gegen Null, wenn kfk
2=
∞
X
i=1
|c
i|
2ist.
1.10 Die Vollst¨ andigkeit des trigonometrischen Systems. Das trigonome- trische System (T) der Funktionen
g
0(t) := 1
√ 2π , g
n(t) := 1
√ π · cos(nt) und h
n(t) := 1
√ π · sin(nt), f¨ ur n ≥ 1, ist vollst¨ andig.
Den Beweis k¨ onnen wir hier leider nicht ausf¨ uhren.
Unmittelbar folgt jetzt, daß auch das komplexe trigonometrische System (E) vollst¨ andig ist.
Wir betrachten nun Fourierreihen. Beginnen wir mit dem System (T) : g
0(t) := 1
√ 2π , g
n(t) := 1
√ π · cos(nt) und h
n(t) := 1
√ π · sin(nt), f¨ ur n ≥ 1.
Aus historischen Gr¨ unden setzt man
a
0:= 1 π
Z
π−π
f (t) dt = r 2
π · < f, g
0> , a
n:= 1
π Z
π−π
f (t) cos(nt) dt = 1
√ π · < f, g
n>
und b
n:= 1 π
Z
π−π
f (t) sin(nt) dt = 1
√ π · < f, h
n> . Dann hat die formale Fourierreihe S
fdie Gestalt
S
f(x) = < f, g
0> g
0(x) +
∞
X
n=1
( < f, g
n> g
n(x)+ < f, h
n> h
n(x) )
= r π
2 a
0· 1
√ 2π +
∞
X
n=1
( √
πa
n) · 1
√ π cos(nx) + ( √
πb
n) · 1
√ π sin(nx)
, es ist also
S
f(x) = a
02 +
∞
X
n=1
(a
ncos(nx) + b
nsin(nx)).
Man beachte, daß die Koeffizienten a
n, b
nhier nicht mit den zuvor definierten for- malen Fourierkoeffizienten ¨ ubereinstimmen. Aus historischen Gr¨ unden nennt man a
0, a
nund b
ndennoch die Fourierkoeffizienten von f (bzgl. (T) ).
Wir kommen jetzt zum System (E):
Setzt man c
n:= 1
2 (a
n− jb
n) und c
−n:= 1
2 (a
n+j b
n) = ¯ c
n, f¨ ur n ≥ 1, sowie c
0:= a
02 , so folgt:
∞
X
n=−∞
c
ne
jnt= c
0+
∞
X
n=1
(c
ne
jnt+ c
−ne
−jnt)
= c
0+
∞
X
n=1
((c
n+ c
−n) cos(nt) + j (c
n− c
−n) sin(nt))
= a
02 +
∞
X
n=1
(a
ncos(nt) + b
nsin(nt)).
Damit haben wir die komplexe Form der Fourierreihe von f gefunden:
S
f(x) =
∞
X
n=−∞
c
ne
jnt.
Die komplexen Fourierkoeffizienten c
nkann man ¨ ubrigens auch direkt berechnen,
ohne den Umweg ¨ uber die a
nund b
n. Es ist n¨ amlich
c
0= 1 2π
Z
π−π
f (t) dt und c
n= 1
2π Z
π−π
f (t)e
−jntdt (f¨ ur n ≥ 1).
Da (T) (und damit auch (E)) vollst¨ andig ist, konvergiert die Fourierreihe S
fim quadratischen Mittel gegen f , und es gilt die Parsevalsche Gleichung:
|< f, g
0>|
2+
∞
X
n=1
(|< f, g
n>|
2+ |< f, h
n>|
2) = kfk
2, also
| r π
2 a
0|
2+
∞
X
n=1
| √
πa
n|
2+ | √ πb
n|
2= Z
π−π
|f(t)|
2dt.
Das heißt:
1 2 a
20+
∞
X
n=1
(a
2n+ b
2n) = 1 π
Z
π−π
|f(t)|
2dt oder (mit den komplexen Fourierkoeffizienten)
∞
X
−∞
|c
n|
2= 1 2π
Z
π−π
|f (t)|
2dt .
Bei der harmonischen Analyse versucht man, eine periodische Bewegung in ih- re harmonischen Bestandteile zu zerlegen. Ein guter Kandidat ist die Fouriersche Reihe, deren Koeffizienten wir ja schon bestimmen k¨ onnen. Wir m¨ ussen jetzt al- lerdings wissen, wann eine Funktion tats¨ achlich durch ihre Fourierreihe dargestellt wird, wann die Reihe also zumindest punktweise gegen die Funktion konvergiert.
Man nennt das auch das Konvergenzproblem.
Ist die Funktion f (auf einem beschr¨ ankten Intervall) st¨ uckweise stetig, so ist sie bis auf endlich viele Stellen stetig, und als Unstetigkeiten kommen h¨ ochstens Sprung- stellen vor. Ist a eine solche Sprungstelle, so existieren die einseitigen Grenzwerte
f (a−) = lim
x→a−
f(x) und f (a+) = lim
x→a+
f(x).
Wir setzen
M
f(a) := 1
2 (f(a−) + f(a+)).
Ist f in a stetig, so ist M
f(a) = f (a). An den Sprungstellen ist M
fgerade der
Mittelwert der beiden einseitigen Grenzwerte.
Um die Konvergenz der Fourierreihe gegen die Funktion beweisen zu k¨ onnen, m¨ ussen wir st¨ arkere Bedingungen an die Glattheit der Funktion stellen. Dazu noch eine Bemerkung ¨ uber Differenzierbarkeit in Unstetigkeitsstellen:
Ist eine Funktion f : [a, b] → R zwar nicht in x stetig, existiert aber der rechtsseitige Grenzwert f (x+), so heißt f in x rechtsseitig differenzierbar, wenn der Grenzwert
f
0(x+) := lim
t→0 t>0
f(x + t) − f(x+) t
existiert. Analog definiert man die linksseitige Differenzierbarkeit und die linkssei- tige Ableitung f
0(x−).
Definition. Eine Funktion f : [a, b] → R heißt st¨ uckweise glatt, wenn sie bis auf endlich viele Ausnahmen stetig differenzierbar ist, und wenn in den Ausnahmepunk- ten die einseitigen Grenzwerte f (x−) und f(x+) und die einseitigen Ableitungen f
0(x−) und f
0(x+) existieren.
Ist f st¨ uckweise glatt, so ist f
0st¨ uckweise stetig, also insbesondere integrierbar. Ist f sogar stetig, so ist f Stammfunktion von f
0. Ist f st¨ uckweise glatt und stetig und g stetig differenzierbar, so gilt die Regel von der partiellen Integration:
Z
b af
0(t)g(t) dt = (f (t)g(t))
b a
−
Z
b af (t)g
0(t) dt.
Bemerkungen.
1. Sei f : [a, b] → C stetig. Dann gibt es zu jedem ε > 0 eine st¨ uckweise glatte und stetige Funktion g : [a, b] → C , so daß gilt:
|f(x) − g(x)| < ε f¨ ur a ≤ x ≤ b.
2. Sei f : [a, b] → C absolut integrierbar. Dann gibt es zu jedem ε > 0 eine st¨ uckweise glatte und stetige Funktion g : [a, b] → C , so daß gilt:
Z
b a|f(x) − g(x)| dx < ε.
3. Ist S
1(I) der Raum der st¨ uckweise glatten Funktionen auf I , so gilt:
S
1(I) ⊂ S
0(I) ⊂ Q(I) ⊂ R(I).
1.11 Hauptsatz der harmonischen Analyse. Die Funktion f sei st¨ uckweise glatt und periodisch. Dann konvergiert die Fourierreihe von f punktweise gegen den Mittelwert M
f.
Auf den Beweis m¨ ussen wir hier verzichten.
Wir betrachten ein besonders wichtiges Beispiel:
Sei f
0(x) :=
π − x
2 f¨ ur 0 < x < 2π,
0 f¨ ur x = 0 und x = 2π.
π 2π
1
- π - 2π
- 1 s
s s
Wir wollen die Fourierkoeffizienten von f
0berechnen. Es ist Z
2π0
cos(nx) dx = Z
2π0
sin(nx) dx = 0, und
Z
2π 0x cos(nx) dx = x sin(nx) n
2π
0
−
Z
2π 0sin(nx)
n dx = cos(nx) n
22π 0
= 0, sowie
Z
2π 0x sin(nx) dx = − x cos(nx) n
2π
0
+
Z
2π 0cos(nx)
n dx
= − 2π
n − sin(nx) n
22π 0
= − 2π n . Also ergibt sich:
a
0= 1 π
Z
2π 0π − x
2 dx = 1
2π (πx − 1 2 x
2)
2π 0
= 0, a
n= 1
2π Z
2π0
(π − x) cos(nx) dx = 0 und b
n= 1
2π Z
2π0
(π − x) sin(nx) dx = − 1 2π
Z
2π 0x sin(nx) dx = 1 n . Die Fourierreihe von f
0hat also die Gestalt
S
f0(x) =
∞
X
n=1
sin(nx)
n .
Weil f
0st¨ uckweise glatt ist, konvergiert S
f0(x) ¨ uberall gegen M
f0.
Wir wollen jetzt etwas genauer untersuchen, wie gut die Fourierreihe konvergiert.
Daf¨ ur sind einige Vorbereitungen n¨ otig.
Sei I ⊂ R ein Intervall und (f
n) eine Folge von (reell- oder komplexwertigen) Funktionen auf I.
Definition. Die Funktionenfolge (f
n) konvergiert auf I gleichm¨ aßig gegen eine Funktion f, wenn gilt:
∀ ε > 0 ∃ n
0∈ N , s.d. f¨ ur n ≥ n
0und alle x ∈ I gilt: |f
n(x) − f(x)| < ε.
Ist f reellwertig, so k¨ onnen wir die gleichm¨ aßige Konvergenz noch anschaulicher deuten: Die Menge
U
ε(f) := {(x, y) ∈ R
2: x ∈ I und f (x) − ε < y < f (x) + ε}
kann man als ε-Schlauch um G
fbezeichnen. Die gleichm¨ aßige Konvergenz bedeutet, daß in jedem ε-Schlauch die Graphen fast aller Funktionen f
nliegen.
1.12 Satz. Ist eine Funktionenreihe auf I normal konvergent, so konvergiert die Folge ihrer Partialsummen gleichm¨ aßig auf I .
Beweis: Wir betrachten die Funktionenreihe P
∞n=1
f
n. Daß die Reihe normal konvergiert, bedeutet: Die Reihe konvergiert punktweise gegen eine Funktion f, und es gibt reelle Zahlen a
n, so daß P
∞n=1
a
nkonvergiert und |f
n(x)| ≤ a
nauf ganz I gilt.
Sei S
N(x) =
N
X
n=1
f
n(x) die N -te Partialsumme.
Zu vorgegebenem ε > 0 gibt es ein n
0, so daß P
∞n=k+1
a
n< ε f¨ ur k ≥ n
0ist. Dann gilt f¨ ur x ∈ I und m > k :
|
m
X
n=k+1
f
n(x)| ≤
m
X
n=k+1
|f
n(x)| ≤
m
X
n=k+1
a
n< ε.
L¨ aßt man m gegen ∞ gehen, so bleibt f¨ ur k ≥ n
0die Absch¨ atzung
|f (x) − S
k(x)| = |
∞
X
n=k+1
f
n(x)| ≤ ε.
Das ergibt die gleichm¨ aßige Konvergenz.
1.13 Hilfssatz.
F¨ ur x 6= 2kπ ist 1 2 +
N
X
n=1
cos(nx) = sin(N +
12)x 2 sin
x2.
Beweis: Sei D
N(x) :=
N
X
n=−N
e
jnx. Dann gilt:
(e
jx− 1)D
N(x) =
N
X
n=−N
e
j(n+1)x−
N
X
n=−N
e
jnx= e
j(N+1)x− e
−jN x. Multiplikation mit e
−jx2ergibt:
(e
jx2− e
−jx2) · D
N(x) = e
j(N+12)x− e
−j(N+12)x, also
D
N(x) = sin(N +
12)x
sin
x2f¨ ur x 6= 2kπ.
Daraus folgt:
1 2 +
N
X
n=1
cos(nx) = 1
2 · 1 +
N
X
n=1
2 cos(nx)
!
= 1
2 · 1 +
N
X
n=1
(e
jnx+ e
−jnx)
!
= 1
2 ·
N
X
n=−N
e
jnx= sin(N +
12)x 2 sin
x2.
Bemerkung. Die Gleichung bleibt auch f¨ ur x = 2kπ richtig, wie man durch Anwendung von de l’Hospital auf der rechten Seite sehen kann. Der Wert ist dann
= N +
12. Die Funktion
D
N(x) :=
N
X
n=−N
e
jnx= sin(N +
12)x
sin
x2= 1 + 2
N
X
n=1
cos(nx)
heißt (N–ter) Dirichlet–Kern.
1.14 Hilfssatz. Es ist
D
N(−x) = D
N(x) und
Z
π 0D
N(x) dx = π.
Beweis: Die erste Aussage ist trivial, und weil D
N(x) = 1 + 2 ·
N
X
n=1
cos(nx) ist, folgt:
Z
π 0D
N(x) dx = π + 2 ·
N
X
n=1
1
n sin(nx)
π 0
= π.
Wir betrachten noch einmal die Funktion f
0(x) :=
π − x
2 f¨ ur 0 < x < 2π,
0 f¨ ur x = 0 und x = 2π.
Sie hat die Fourierreihe S
f0(x) =
∞
X
n=1
sin(nx)
n .
Behauptung: Die Fourierreihe von f
0konvergiert gleichm¨ aßig auf jedem Intervall [ε, 2π − ε].
Beweis dazu: Es sei
R
N(x) := T
f0,N(x) − f (x) =
N
X
n=1
sin(nx)
n − 1
2 (π − x) f¨ ur ε ≤ x ≤ 2π − ε und kleines ε > 0. Dann ist
R
N(x) =
N
X
n=1
Z
x πcos(nt) dt + 1 2
Z
x πdt
= Z
xπ
"
1 2 +
N
X
n=1
cos(nt)
# dt
= 1 2
Z
x πD
N(t) dt = Z
xπ
sin(N +
12)t 2 sin
2tdt.
Man kann zeigen:
|R
N(x)| ≤ 2
(2N + 1) sin
x2≤ 2
(2N + 1) sin
2εf¨ ur ε ≤ x ≤ 2π − ε.
Das bedeutet aber, daß (R
N) f¨ ur N → ∞ gleichm¨ aßig gegen Null konvergiert, und damit (T
N,f0) gleichm¨ aßig gegen f
0.
In der N¨ ahe von x = 0 ist die Konvergenz nicht mehr gleichm¨ aßig. Wie macht sich das bemerkbar?
Wir m¨ ussen die Werte der Partialsummen T
N(x) =
N
X
n=1
sin(nx)
n in der N¨ ahe von x = 0 absch¨ atzen. Um etwaige Maxima zu ermitteln, berechnen wir die erste Ab- leitung:
T
N0(x) =
N
X
n=1
cos(nx) = sin(N +
12)x 2 sin
x2− 1
2 . Also ist
T
N0(x) = 0 ⇐⇒ sin(N + 1
2 )x = sin x 2 . Bei festem N kann x so klein gew¨ ahlt werden, daß
0 < x
2 < (N + 1
2 )x < π
ist. Da der Sinus zwischen 0 und π jeden Wert (zwischen 0 und 1 ) genau zweimal annimmt, und zwar symmetrisch zu x =
π2, tritt die erste positive Nullstelle von T
N0genau dort auf, wo
x
2 + (N + 1
2 )x = π ist, also bei x = x
N:= π N + 1 .
Da T
N(0) = 0 und T
N(x
N) > 0 ist und dazwischen kein Extremwert liegt, muß T
Nin x
Nein Maximum besitzen. Wir wollen den Wert von T
Nin diesem Maximum berechnen:
T
N(x
N) = T
N(x
N) − T
N(0) = Z
xN0
T
N0(t) dt
= 1 2
Z
xN0
sin(N +
12)t
sin
2tdt − x
N2 . F¨ ur großes N und 0 ≤ t ≤ x
Nist sin(
2t) <
2t, also
T
N(x
N) >
Z
xN0
sin(N +
12)t
t dt − x
N2 . Mit der Substitution u = u(t) = (N + 1
2 )t ist Z
xN0
sin(N +
12)t
t dt =
Z
π(1−εN) 0sin(u)
u du
mit ε
N:= 1 2N + 2 .
L¨ aßt man N gegen Unendlich gehen, so strebt ε
Ngegen Null und
2N+2πgegen Null.
Also n¨ ahert sich T
N(x
N) f¨ ur großes N einem Wert, der ¨ uber der festen Zahl Z
π0
sin(u)
u du = 1.85193705 . . . liegt, w¨ ahrend
x→0+
lim f(x) = π
2 = 1.570 . . .
ist. Die Partialsummen der Fourierreihe schießen in der N¨ ahe der Unstetigkeitsstelle um einen unangenehm hohen Betrag ¨ uber das Ziel hinaus, und die Approximation wird um so schlechter, je gr¨ oßer das N ist. Dieses Verhalten wird das Gibbs’sche Ph¨ anomen genannt, und es ist bei allen unstetigen st¨ uckweise glatten periodischen Funktionen zu beobachten.
Betrachten wir noch zwei Partialsummen im Bild:
π 2π
1
- π - 2π
- 1
s s
s
T
4(x)
π 2π
1
- π - 2π
- 1
s s
s
T
8(x)
1.15 Satz ¨ uber gleichm¨ aßige Konvergenz von Fourierreihen.
Die Funktion f sei st¨ uckweise glatt, periodisch und zus¨ atzlich stetig. Dann konver- giert die Fourierreihe von f gleichm¨ aßig gegen f.
Beweis:
Sei S
f(x) = a
02 +
∞
X
n=1
(a
ncos(nx) + b
nsin(nx)).
Die Funktion g := f
0ist st¨ uckweise stetig, also kann man formal auch ihre Forier-
reihe bilden:
S
g(x) = c
02 +
∞
X
n=1
(c
ncos(nx) + d
nsin(nx)).
Weil f stetig und st¨ uckweise glatt ist, kann man partielle Integration anwenden:
c
n= 1 π
Z
π−π
f
0(t) cos(nt) dt
= 1
π (f (t) cos(nt))
π
−π
+ 1 π
Z
π−π
f (t)n sin(nt) dt
= n · b
nund
d
n= 1 π
Z
π−π
f
0(t) sin(nt) dt
= 1
π (f(t) sin(nt))
π
−π
− 1 π
Z
π−π
f (t)n cos(nt) dt
= −n · a
n. Außerdem ist
c
0= 1 π
Z
π−π
f
0(t) dt = 1 π f (t)
π
−π
= 0.
Nun erinnern wir uns an die Besselsche Ungleichung:
∞
X
n=1
(c
2n+ d
2n) ≤ 1 π
Z
π−π
f(t)
2dt.
Daraus folgt, daß die Reihe
∞
X
n=1
(c
2n+ d
2n) konvergent ist. Andererseits gilt:
0 ≤
|c
n| − 1 n
2= c
2n− 2|c
n|
n + 1
n
2und 0 ≤
|d
n| − 1 n
2= d
2n− 2|d
n|
n + 1
n
2. Also ist
|a
n| + |b
n| = |c
n|
n + |d
n| n ≤ 1
2 (c
2n+ d
2n+ 2 n
2).
Damit besitzt S
f(x) eine konvergente Majorante, und nach dem Weierstraß–
Kriterium ist S
f(x) gleichm¨ aßig konvergent.
Im Beispiel der Reihe
∞
X
n=1
sin(nx)
n hatten wir etwas mehr herausbekommen, n¨ amlich
die gleichm¨ aßige Konvergenz auf jedem abgeschlossenen Intervall, das keine Uns-
tetigkeitsstelle enth¨ alt. Auch das ist ganz allgemein richtig:
1.16 Konvergenzverhalten außerhalb der Sprungstellen. Ist f st¨ uckwei- se glatt und periodisch und [a, b] ein abgeschlossenes Intervall, das keine der Un- stetigkeitsstellen von f enth¨ alt, so konvergiert die Fourierreihe S
f(x) auf [a, b]
gleichm¨ aßig gegen f . Beweis: Sei ψ(x) :=
∞
X
n=1
sin(nx)
n die Funktion aus dem Beispiel. Dann hat ψ in [−π, +π] genau eine Sprungstelle der H¨ ohe π, n¨ amlich bei x = 0.
Sei x
0∈ [−π, π] ein Punkt, h eine reelle Zahl. Dann hat die Funktion h
π ψ(x − x
0) nur jeweils in den Punkten x
0+ 2kπ eine Sprungstelle (von der H¨ ohe h ), und von diesen Stellen liegt nur x
0selbst in [−π, π].
Hat jetzt f (x) in [−π, π] die Sprungstellen x
1, x
2, . . . , x
kmit den H¨ ohen h
1, h
2, . . . , h
k, so hat
F (x) := f (x) −
k
X
i=1
h
iπ ψ(x − x
i)
¨
uberhaupt keine Sprungstellen mehr. Die Fourierreihe S
Fkonvergiert ¨ uberall gleichm¨ aßig, und die Fourierreihe des Korrekturterms konvergiert auf jedem abge- schlossenen Intervall gleichm¨ aßig, das keine der Sprungstellen x
1, x
2, . . . , x
kenth¨ alt.
Daraus folgt die Behauptung.
1.17 Fourierkoeffizienten gerader und ungerader Funktionen. S
f(x) = a
02 +
∞
X
n=1
(a
ncos(nx) + b
nsin(nx)) sei die (formale) Fourierreihe einer st¨ uckweise stetigen Funktion f (x). Dann gilt:
1. Ist f gerade (also f(−x) = f(x) ), so ist b
n= 0 f¨ ur n ≥ 1.
2. Ist f ungerade (also f (−x) = −f(x) ), so ist a
n= 0 f¨ ur n ≥ 0.
Beweis: Ist f gerade, so ist f (x) sin(nx) f¨ ur jedes n ≥ 1 ungerade, und dann ist b
n= 1
π Z
π−π
f (t) sin(nt) dt = 0,
weil sich die positiven und die negativen Teile gerade wegheben.
Ist f ungerade, so ist a
0= 0 und f (x) cos(nx) ungerade, also auch a
n= 0 f¨ ur n ≥ 1.
Beispiele.
1. Wir beginnen mit einer Fourierreihe, zu der wir die passende Funktion suchen:
Sei F (x) :=
∞
X
n=1
cos(nx)
n
2. Da die konvergente Reihe
∞
X
n=1
1
n
2eine Majorante ist, konvergiert F (x) ¨ uberall gleichm¨ aßig, stellt also eine stetige Funktion dar.
Die gliedweise differenzierte Reihe
∞
X
n=1
− sin(nx)
n = x − π
2 konvergiert auf jedem Intervall I
ε= [ε, 2π − ε] gleichm¨ aßig. Auf solchen Intervallen ist also F
0(x) = x − π
2 , d.h. F (x) =
x − π 2
2+ C mit einer Konstanten C.
Die Gleichung gilt zun¨ achst nur außerhalb der Punkte 2nπ, aber da F (x) als gleichm¨ aßiger Limes von stetigen Funktionen selbst wieder stetig ist, gilt sie sogar ¨ uberall. Nun ist
Z
2π 0F (x) dx = Z
2π0
x − π 2
2dx + 2πC
= (x − π)
312
2π
0
+2πC
= π
36 + 2πC
und andererseits wegen der gleichm¨ aßigen Konvergenz von F (x) Z
2π0
F (x) dx =
∞
X
n=1
Z
2π 0cos(nx) n
2dx
=
∞
X
n=1
sin(nx) n
32π 0
= 0.
Also ist C = − π
212 und
∞
X
n=1
cos(nx) n
2=
x − π 2
2− π
212 . Der Fall x = 0 ergibt insbesondere die Formel
∞
X
n=1
1 n
2= π
26 .
So liefert uns die Fouriertheorie den Grenzwert einer Reihe, deren Konvergenz uns schon lange bekannt ist.
2. Als n¨ achstes betrachten wir die Fourierreihe einer stetigen Funktion:
π 2π 1
2 3
- π - 2π
Wir definieren f (x) := |x| auf [−π, π] und setzen wie ¨ ublich periodisch fort.
Dann erhalten wir folgende Fourierkoeffizienten:
a
0= 1 π
Z
π−π
f (t) dt
= 2
π Z
π0
t dt
= 1
π · t
2π 0
= π, a
n= 1
π Z
π−π
f (t) cos(nt) dt
= 2
π Z
π0
t cos(nt) dt
= 2
π
t · sin(nt) n
π 0
−
Z
π 0sin(nt) n dt
= 2
π · cos(nt) n
2π
0
= 2
n
2π (cos(nπ) − 1)
= 2
n
2π ((−1)
n− 1) =
( 0 falls n gerade
− 4
n
2π falls n ungerade und b
n= 0, weil f eine gerade Funktion ist.
Also erhalten wir die Fourierreihe
S
f(x) = π 2 − 4
π
∞
X
k=0
cos((2k + 1)x) (2k + 1)
2= π
2 − 4
π (cos(x)+ cos(3x)
3
2+ cos(5x)
5
2+· · · ) .
Hier ist schon T
5(x) eine gute Approximation:
π 2π 1
2 3
- π - 2π
Insbesondere ergibt sich f¨ ur x = 0:
0 = π 2 − 4
π
∞
X
k=0
1
(2k + 1)
2, also
∞
X
k=0
1
(2k + 1)
2= π
28 . 3. Schließlich betrachten wir noch einen typischen
” Rechteckimpuls“:
f (x) :=
−1 falls − π < x < 0, 0 f¨ ur x = 0,
1 falls 0 < x < π.
π 2π
1
- π - 2π
s s s
−1
Da f eine ungerade Funktion ist, ist a
n= 0 f¨ ur alle n. Weiter gilt:
b
n= 1 π
Z
π−π
f(t) sin(nt) dt
= 2
π Z
π0
sin(nt) dt
= − 2
π · cos(nt) n
π 0
= − 2
πn ((−1)
n− 1)
=
( 0 falls n gerade, 4
πn falls n ungerade.
Die Fourierreihe hat also die Gestalt S
f(x) = 4
π
∞
X
k=0
sin((2k + 1)x) 2k + 1 .
Wegen der Unstetigkeitsstellen tritt nat¨ urlich wieder das Gibbs’sche Ph¨ ano- men auf! Wir skizzieren das Polynom T
9(x) :
π 2π
1
- π - 2π
s s s s s
−1
§ 2 Die Fouriertransformation
Im Falle einer periodischen Funktion f mit der Periode T setzen wir ω := 2π/T und erhalten die Fourierreihe
S
f(t) =
+∞
X
k=−∞
c
ke
jkωt,
mit den Koeffizienten c
k= 1 T
Z
T /2−T /2
f(s)e
−jkωsds = ω 2π
Z
T /2−T /2
f (s)e
−jkωsds.
Will man von periodischen zu nicht-periodischen Funktionen ¨ ubergehen, so muss man T → ∞ gehen lassen, also ω → 0. Setzt man ω
k:= kω, so ist
S
f(t) = 1 2π
+∞
X
k=−∞
e
jωktZ
T /2−T /2
f (s)e
−jωksds ω
kk . Im Grenz¨ ubergang erh¨ alt man auf der rechten Seite den Ausdruck
1 2π
Z
∞−∞
e
jωtZ
∞−∞
f(s)e
−jωsds dω.
Dies ist allerdings nur eine heuristische Betrachtung.
Sei f : R → C eine st¨ uckweise stetige Funktion, so dass das uneigentliche Integral Z
∞−∞
|f(t)| dt
konvergiert. Dann kann man zeigen, dass das Integral F (ω) :=
Z
∞−∞
f (t)e
−jωtdt eine stetige Funktion auf R darstellt. Außerdem ist lim
ω→∞
F (ω) = 0. Ist sogar |t · f(t)|
¨
uber R absolut integrierbar, so ist F stetig differenzierbar und F
0(ω) = −j ·
Z
∞−∞
t · f(t)e
−jωtdt.
Definition.
F (ω) :=
Z
∞−∞
f(t)e
−jωtdt heißt die Fourier-Transformierte von f .
Man schreibt auch F (ω) = f(ω) b oder F = F[f ].
f heißt Originalfunktion oder Urbildfunktion, F heißt Spektralfunktion oder Bild- funktion. Den Zusammenhang zwischen Originalfunktion und Bildfunktion macht man auch mit folgender Symbolik deutlich:
f (t) ◦−−• F (ω)
Bemerkung. Die Fourier-Transformierte f b ist wie folgt beschr¨ ankt:
| f b (ω)| = | Z
∞−∞
f (t)e
−jωtdt| ≤ Z
∞−∞
|f(t)| dt.
Die Funktionen f = f(t) sind im sogenannten Original- oder Zeitbereich angesie- delt. Man kann sich darunter irgendwelche eingehenden elektromagnetischen Si- gnale vorstellen. Mit Hilfe der Fourier-Transformation wird das Signal wie beim Empfang durch eine Antenne als kontinuierliche ¨ Uberlagerung von harmonischen Schwingungen dargestellt. Die im Bild- oder Frequenzbereich angesiedelte Fourier- Transformierte F = F (ω) beschreibt, welchen Beitrag die verschiedenen Frequen- zen leisten.
Beispiele.
1. Wir beginnen mit dem
” Rechteck-Impuls“
π(t) :=
1 f¨ ur |t| ≤ 1 0 f¨ ur |t| > 1.
s s
−1 1
1
Die Fourier-Transformierte F = F [π] ist gegeben durch F (ω) =
Z
1−1
e
−jωtdt
= j
ω · e
−jωt1
−1
= j
ω · (e
−jω− e
jω)
= 2
ω · sin(ω).
F¨ uhren wir die Schreibweise
si(x) := sin x x ein, so erhalten wir:
π(t) ◦−−• 2si(ω) .
2. Als n¨ achstes betrachten wir den symmetrisch abfallenden Impuls f (t) := e
−a|t|.
f ist stetig und absolut integrierbar:
Z
∞−∞
|f(t)| dt = 2 Z
∞0
e
−atdt = 2 · e
−at−a
∞ 0
= 2
a . 1
t
Die Fourier-Transformierte ist gegeben durch F (ω) =
Z
∞−∞
e
−a|t|e
−jωtdt
= Z
∞0
e
−(a+jω)tdt + Z
0−∞
e
−(−a+jω)tdt
= − 1
a + j ω e
−(a+jω)t∞
0
− 1
−a + j ω e
−(−a+jω)t0
−∞
= 1
a + j ω − 1
−a + j ω
= −2a
−ω
2− a
2= 2a
ω
2+ a
2. Also haben wir:
e
−a|t|◦−−• 2a a
2+ ω
2.
2/a
ω
Man beachte, dass man zu vielen Standard-Funktionen nicht die Fourier-Transformierte
bilden kann (z.B. Konstante, sin, cos usw.) !
2.1 Eigenschaften der Fourier-Transformation.
1. F [f
1+ f
2] = F [f
1] + F [f
2].
2. Ist α ∈ C , so ist F[α · f] = α · F [f ].
3. f(t − c) ◦−−• f(ω)e b
−jωc. 4. f(at) ◦−−• 1
|a| · f b ω a
.
Beweis: (1) und (2) sind trivial.
Zu (3):
Z
∞−∞
f (t − c)e
−jωtdt = Z
∞−∞
f (s)e
−jω(s+c)ds = e
−jωcZ
∞−∞
f(s)e
−jωsds.
Zu (4):
Sei ϕ(t) := at. Im Endlichen gilt : Z
βα
g(at) dt = 1 a
Z
β αg(ϕ(t))ϕ
0(t) dt
= 1
a Z
aβaα
g(s) ds
= 1
|a| · Z
|a|β|a|α
g(s) ds.
Also gilt auch Z
∞−∞
f (at)e
−jωtdt = 1
|a|
Z
∞−∞
f(s)e
−jωasds = 1
|a| f b ω a
.
Beispiele.
1. Wir betrachten einen etwas modifizierten Rechteck-Impuls:
π
A,T:= A · π( 2 T t) =
A f¨ ur |t| ≤
T20 f¨ ur |t| >
T2. Dann gilt:
π
A,T◦−−• A · T · si( T
2 ω).
2. Als n¨ achstes untersuchen wir einen modifizierten und verschobenen Rechteck- Impuls:
f(t) := π( t − a T ) =
1 f¨ ur |t − a| ≤ T 0 f¨ ur |t − a| > T.
Wir gehen aus von der Beziehung π(t) ◦−−• 2si(ω).
Sei f
1(t) := π(t − a
T ). Dann ist f (t) = π( 1 T t − a
T ) = f
1( 1
T t). Damit folgt:
f
1(t) ◦−−• b π(ω)e
−jωTa= 2si(ω)e
−jωTaund
f (t) ◦−−• T · f b
1(T ω) = 2T · si(T ω)e
−jωa. 2.2 Translation im Bildbereich.
Wenn f (t) ◦−−• F (ω), dann e
jω0tf (t) ◦−−• F (ω − ω
0).
Beweis: Es ist
F (ω − ω
0) = Z
∞−∞
f(t)e
−j(ω−ω0)tdt
= Z
∞−∞
f (t)e
jω0te
−jωtdt.
Beispiel.
Wir berechnen die Fourier-Transformierte einer amplitudenmodulierten Cosinus- Schwingung:
f (t) := e
−a|t|· cos(Ωt), Ω, a ∈ R , a > 0.
1
−1 π
2
t
Wir erinnern uns an die Formeln
e
jz= cos z + j sin z
und e
−jz= cos z − j sin z.
Also ist cos z = 1
2 (e
jz+ e
−jz) und f (t) = 1
2 e
−a|t|(e
jΩt+ e
−jΩt).
Nun haben wir:
e
−a|t|◦−−• F (ω) = 2a a
2+ ω
2, also e
−a|t|e
jΩt◦−−• F (ω − Ω) = 2a
a
2+ (ω − Ω)
2und e
−a|t|e
−jΩt◦−−• F (ω + Ω) = 2a
a
2+ (ω + Ω)
2, und damit e
−a|t|cos(Ωt) ◦−−• a
a
2+ (ω − Ω)
2+ a
a
2+ (ω + Ω)
2.
−Ω Ω
2a a2+Ω2
ω
2.3 Die Fouriertransformierte der Ableitung. Sei f : R → C stetig und st¨ uckweise glatt. Außerdem seien f und f
0¨ uber R absolut integrierbar. Dann gilt:
f
0(t) ◦−−• j ω · f b (ω).
Beweis: Auf Grund der Voraussetzungen muss lim
x→∞f (x) = lim
x→−∞f (x) = 0 sein. Außerdem kann man partielle Integration anwenden:
Z
M−N
f
0(t)e
−jωtdt = f(t)e
−jωtM
−N
− Z
M−N
f(t)(−j ω)e
−jωtdt.
F¨ ur N, M → ∞ strebt der erste Summand auf der rechten Seite gegen 0 und der zweite gegen j ω · f b (ω).
Bemerkung. Bei h¨ oherer Differenzierbarkeit erh¨ alt man die Formel f
(n)(t) ◦−−• (j ω)
n· f b (ω).
Auf die Einzelheiten gehen wir hier nicht ein.
2.4 Die Ableitung der Fouriertransformierten. Sei f st¨ uckweise stetig. Die Funktionen f und t 7→ t · f(t) seien ¨ uber R absolut integrierbar.
Dann ist f b stetig differenzierbar, und es gilt:
t · f (t) ◦−−• j · f b
0(ω).
Beweis: Auf Grund der Voraussetzungen existiert f b und ist stetig differenzier- bar. Außerdem gilt:
f b
0(ω) = Z
∞−∞
f (t)(−j t)e
−jωtdt
= −j Z
∞−∞
t · f (t)e
−jωtdt
= −j · F[t · f (t)].
Daraus folgt die Behauptung.
Beispiel.
Sei f (t) := e
−t2. Die Funktion ist stetig, ≥ 0 und ¨ uber R absolut integrierbar.
Also existiert die Fourier-Transformierte f (t) ◦−−• F (ω) =
Z
∞−∞