ü b e r
d e n g e s e l l i g e n
Verkehr der Studierenden
m i t d e n
gebildeten Ständen, .
g e h a l t e n
bei dem feierlichen Rectoratswechsel
am 15. S e p t e m b e r 1814
i m grossen Hörsaale d e r Kaiserl. Universität z u Dorpat
B IB l- IO I lt D , M , S t y A i » i •
P r o f e s s o r . X
D o r p a t ,
Lei M, G. G r e n z i u s , UinVers. Buchdrucker.
a c h e i n e t wichtigen und beschwerli
chen R e i s e , erinnert man sich utn so ö f t e r e r u n d lebhafter d e r a n g e n e h m e n u n d widrigen Vorfälle, je l e h r r e i c h e r sie f ü r d i e Zukunft s i n d . I n einem s e h r ähnlichen Falle befand ich m i c h , als i c h das Rectorat Seiner Magnificenz, meinem hochverehrten H e r r n Nachfolger, abtrat.
O f t denke ich d e n Erfahrungen nach, welche ich auf d e r schwierigen Laufbahn, d i e ich im Vorigen J a h r e betreten muss
t e , zu sammeln Gelegenheit hatte. So manche Gegenstände lernte ich näher, vielseitiger und lebendiger k e n n e n , als sie gemeinhin d e r todte Buchstabe dar- stellt. Bleibend und e r h e b e n d ist m i r das A n d e n k e n a n diese L a u f b a h n , da ich so viel Gutes u n t e r so vielen Schwie
rigkeiten dennoch gedeihen sah. Sie zeigte mir so manches Schöne u n d W a h r e , ent
wölkt von allem N e b e l des I r r t h u m s u n d Vorurtheils, so manches E d l e , frei u n d rein von Selbstsucht u n d Dünkel ; a b e r auch d e n Kampf der Veredlung unter d e m Joche d e r Sinnlichkeit, d e n Kampf d e r Sinnlichkeit mit d e r V e r n u n f t , so wie d e n des Gewissens mit d e m Temperament- und d e r Leidenschaft. Sie lehrte mich so manche Hindernisse k e n n e n , welche d e r Kultur im F e l d e d e r Wissenschaften ent
gegenstehen , und noch lange nicht genug beachtet sind.
I c h hoffe demnach keine gleichgül
tige Unterhaltung z u w ä h l e n , wenn ich v o n einem Bedürfnisse h ö h e r e r Lehran
stalten r e d e , das auf d e n meisten U n i versitäten bisher nicht befriedigt wurde.
E s eignet sich schon dadurch z u r öffentli
chen Mittheilung, da e s nicht blos denje
nigen interessirt, d e r im Gebiete des Wis
sens würken und bilden s o l l , sondern je
d e n , d e r an d e r guten Sache A n t h e i l n i m m t , u n d von Gemeingeist beseelt ist.
Zwar bietet die h o h e F e i e r des Tages,
d e r d e r Scheitel unseres g l o r r e i c h e n M o n a r c h e n d i e K r o n e aufsezte, d i e E r mit unsterblichen Verdiensten um d i e W e l t geschmückt hat, einen reichern Stof d a r , wenn ich die Empfindungen auszu
sprechen wagte , v o n welchen heute s e i n e glücklichen Unterthanen erfüllt s i n d ; al
lein d e r erhabene Gegenstand macht e s m i r , b e i d e m M i s s t r a u e n , d a s i c h i n meine Kräfte sezze, z u r Pflicht, i h n geüb
t e m T a l e n t e n u n d einem glücklichern R e d n e r zu überlassen; damit ich n i c h t , d u r c h unvollkommne Umrisse, das grosse G e - m i i l d e v e r z e i c h n e ; d a m i t d e r h e i f s g e l i e b t e V a t e r R u f s l a n d s , d e r S c h u z « g e i s t d e r M e n s c h h e i t , würdiger ver
herrlicht w e r d e * ) .
E s sey m i r also e r l a u b t , b e i d e n e r wähnten I d e e n z u v e r w e i l e n , d i e a u c h o h n e Rednerschwung d e r Bemerkung nicht unwerth s i n d , da sie d i e intellectuelle u n d moralische Bildung bezwekken.
* ) Der gleich nach mir auftretende trefliche Redner S. Magnif. der Ferr Rector, hatte diesen Gegenstand zum Thema seiner Rede gewählt.
E i n s e h r wesentliches Bedürfniss d e r meisten Universitäten > das bisher nicht a u s dem grossen Gesichtspuncte betrachtet w u r d e , aus d e m e s , seiner Natur nach, hätte geschehen müssen , ist ein richtiges, besser, als bis jezt organislrtes Verhältnifs d e r Studierenden, in Hinsicht des gesel
ligen Verkehrs mit d e n gebildeten Stän
d e n . Sie leben z u abgesondert von d e n übrigen Staatsbürgern. W i e nachtheilig dieses Verhältnifs sey, wird schon dadurch einleuchtend, wenn man bedenkt, w i e s e h r e s von aller W e l t - u n d Menschenkennt
nis« und Selbstkenntniss entblösst, u n d d e n h o h e n Beruf des Gelehrten erwägt, dass v o n ihm alle Kultur, wie v o n d e n Strah
l e n d e s L i c h t s , sich überall verbreiten soll. W a s d e r Akkerbau d e r E r d e ist, sind d i e Wissenschaften d e m M e n s c h e n ; sie können n u r dann segenreiche F r ü c h t e b r i n g e n , w e n n alle Einflüsse auf s i e , auf i h r G e d e i h e n einwürken. Nichts in d e r ganzen N a t u r ist isolirt; A l l e s steht i n Verhältnissen; Alles i n nahen und fernen V e r b i n d u n g e n . E s liegt in ihren Gesez- z e n , wechselseitig auf unsere U m g e b u n -
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bungen zu würken. W i r sollen e b e n da
durch d e n Genufs d e s L e b e n s fühlen, u n d unsere Bestimmung schazzen Jemen. U n s e r e Umgebungen können uns daher, nach d e m Maafse ihrer E i n w ü r k u n g e n , entwe
d e r vervollkommenen, o d e r verderblich werden. D e r Studierende bedarf zwar e i n e r gewissen Enthaltsamkeit v o n dein z u häufigen Geräusch des geselligen L e b e n s , u m ungestört u n d kräftig, mit ruhigem S i n n e , seinen h ö h e r e n Geistesthätigkeiten z u inhaeriren; a b e r e r darf auch kein iso- lirtes L e b e n f ü h r e n , w e n n wahre Kultur, seiner Bestimmung gemäss, das Ziel sei- nes Strebens seyn soll. E b e n so natürlich ist e s , dass e r , wie jedes A l t e r , wie jeder S t a n d , sich vorzugsweise, zu d e m Seini
gen h ä l t ; a b e r es ist desfaJls nicht weniger nothwendig, mit jedem A l t e r , mit jeder Menschenclasse Umgang zu pflegen. E r s t d i e s e r U m g a n g erhebt uns auf d e n höchsten Staudpunct, v o n welchem wir d e n hell
sten Blick, die weiteste Umsicht erhalten, v o n welchem d i e schimmernden T a u - schungen i n d e n Erscheinungen schwin
d e n , u n d d e r ächte Glanz d e r W a h r h e i t
u n d Lebensweisheit h e r v o r g e h t ; auf e i n e n Standpunct, von welchem wir den M e n s c h e n im M e n s c h e n , von welchem wir u n s selbst vielseitiger kennen l e r n e n , v o n d e m alle unsere Bemühungen f ü r d i e Zu
kunft zum W ü r k e n und Schaffen ausgehen müssen. J e weiter hingegen wir uns v o n diesem h o h e n Standpuncte e n t f e r n e n , je tiefer wir i n das einförmige L e b e n herab- s i n k e n , um so mehr ist diese Einförmig«
keit d e r Entwiklung unseren Anlagen u n d Kräfte e n t g e g e n ; um so weniger werden wir das Z i e l dieses Strebens erreichen.
D e r Mensch erschlafft unter jeder Einför
migkeit d e r Eindrükke. Vergebens wird m a n , bei einem solchen M e n s c h e n , auf h o h e Thätigkeit, auf wahre E n e r g i e des Geistes u n d Characters, selbst d e r physi
schen Kralte Anspruch machen können.
D e r Organismus wird z u einem Uhrwerke herabgestimmt, d e r in abgemessener A u f einanderfolge, e i n e bestimmte A n z a h l von Thätigkeiten vollzieht, u n d hierauf weiter keine h ö h e r e A n s p r ü c h e an sich machen lässt. D e r Verstand wird beschränkt und kurzsichtig, das U r t h e i l schief u n d ein-
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seitiff, u n d unsere Seelen vermögen v e r fallen in L e t h a r g i e , weil sie immer n u r an einförmigen Gegenständen u n d auf ei
nerlei Weise geübt werden. W i r werden schwach, selbstsüchtig, engherzig und par
t e i i s c h , indem wir uns gewöhnen, u n s n u r unserem alltaglichen Interesse zu überlas
s e n . W i r gerathen endlich in Widerspruch mit uns selbst, und erfüllen nicht allePflich- ten, welche wir d e m Staate als Staatsbürger schuldig sind. Mannigfaltigkeit d e r V e r hältnisse h i n g e g e n , Mannigfaltigkeit d e r U m g e b u n g e n , d e r Reizze d i e auf u n s w ü r k e n , bewürkt auch rnanichsaitige U e b u n g und Vollkommenheit. D i e A b w e c h selung d e r Gegenstände, welche dabei statt findet, unterhält unsere Kräfte, u n d verhütet die Schwäche, welche durch ein
förmige Reizze erfolgt. W e n n wir daher»
einige Z e i t , unsere Denkkraft angestrengt h a b e n : s o wird erhöhte Thätigkeit der.
Phantasie in ihrem freien, regsamen Spiele f ü r uns e i n e genussrciche E r h o l u n g , i n d e r w i r , zu n e u e n Uebungen des V e r standes n e u e Kräfte aammlen. Des wahre, vollkommene L e b e n beruht auf einer rieh-
tigen Abwechselung d e r Thätigkeiten, u n d e i n e r w e i s e n , allseitigen harmonischen U e b u n g derKräfte. Daher Menschen, d i e i n vielfältigen Verhältnissen standen u n d ein vielseitiges L e b e n f ü h r t e n , auch in vie
l e r Rüksicht d i e gebildesten, d i e vollkom
mensten s i n d , welche d i e Handlungen an
d e r e r am richtigsten zu würdigen wis
s e n ; hingegen d i e j e n i g e n , welche einför
mig l e b t e n , Alles o h n e U m s i c h t , aus ih
r e r engen S p h ä r e , einseitig und unrich
tig beurtheilen. Daher auch Reisen, d u r c h die Verschiedenheit d e r auf uns würken- d e n U m g e b u n g e n , ausschliesslich auf d e n G e i s t , so aufklärend und wohlthätig wür
ken. — So ist auch d e r abwechselnde gesellige V e r k e h r nicht minder lehrreich, für d e n denkenden M e n s c h e n . J e d e r n e u e Gegenstand veranlasst uns , unser Denkvermögen zu schärfen , und führt z u Resultaten, d i e höchst wichtig sind.
I s t d e r gesellige Verkehr mit d e n gebildeten S t ä n d e n , lebendig u n d auf d e n rechten T o n gestimmt, so würkt e r ganz vorzüglich auf unsere S i t t e n , u n d auf das, was f ü r anständig g i l t ; d e n n i n d e m wir
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i n den äusseren freien H a n d l u n g e n , u n serer Natur n a c h , immer mit d e n e n , mit welchen wir Umgang pflegen , z u r U e b e r einstimmung geneigt s i n d , n e h m e n wir auch unmerklich i h r e Sitten u n d i h r e Denkungsart a n , d i e eben so unmerklich unsern Charactcr bilden. Unsere Sitten sind d e r Ausdruk unserer inneren Sittlich
keit, das sittliche Rewufstseyn muss d e m nach dadurch auch klarer, und unsere in
n e r e Sittlichkeit auch reiner werden. E s ist daher seelenerquikkend für den isolir- ten F r e m d l i n g , die freundschaftliche H a n d eines Mannes von Geist und H e r z zu fin
d e n , die ihn i n einer unbekannten W e l t leitet, und zum geselligen Vergnügen d e n Eingang öffnet.
E s ist für jedes A l t e r nachtheilig, w e n n e i n e bestimmte Absonderung statt findet, wie es noch in unsern Zeiten i n d e r Schweiz, besonders in Bern, geschah, wo fast jedes Stufenjahr seinen eigenen angewiesenen gesellschaftlichen Cirkel hat
te. D i e Nachtheile sind unausbleiblich.
D e r T o n d e r jüngeren W e l t wird unsittli
c h e r , da viele gute E i n d r ü k k e , die i h r ge-
(leiblich seyn w ü r d e n , verloren g e h e n ; d e r Character wird partheiisch, da sie n u r i n ihren Commilitonen T h e i l n a h m e u n d Freundschaft erblikken, u n d in älteren P e r s o n e n oft n u r i h r e s t r e n g e n , mitunter leidenschaftlichen, ungerechten Richter gewahr werden. D e r Character älterer Menschen wird nicht weniger fehlerhaft, e r wird ebenfalls selbstsüchtig u n d uner
träglich. da es i h n e n zur Gewohnheit wird, n u r diejenigen zu d u l d e n , die mit i h n e n alles gemeinschaftlich fühlen, und gemein
schaftliche Sache machen. Bei solchen Verhältnissen ist a n keinen Gemeingeist, a n kein Gemeinwohl, a n keine wahre Kul
t u r , a n kein Forischreiten z u r Wahrheit—•
z u diesem Heiligthume d e r Menschheit, z u denken. W e n n bejahrte P e r s o n e n auch v o n manchen Vorurtheilen zurükkommen, v o n manchen freier werden ; so kleben sie d a n n desto stärker a n d e n e n , welche sie z u hegen pflegen. D a h e r sie gewöhnlich die vergangene Zeit l o b e n , und d e n g e . genwärtigen Geist des Zeitalters herabzu
würdigen pflegen.
B e i d e m männlichen A l t e r , das ge
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m e i n h i n , ü b e r diesen T o n bejahrter P e r . K o n e n, sich zu f o r m a l i s i r e n gewohnt ist, das i h r e kältere V e r n u n f t , für Schwach
h e i t , ihre Abgeschiedenheit, für Selbst
sucht h ä l t , bemerkt m a n , dass eben diese M ä n n e r , eben diese R i c h t e r , noch grös
sere Egoisten als diejenigeu s i n d , welche sie ihrem T a d e l unterwerfen , dass sie oft, n o c h weit abgeneigter s i n d , mit d e r jün
geren W e l t in gesellige .Verhältnisse z u treten, da es doch i h n e n zunächst obliegt, das, was sie in i h r e r Bildung Männern v e r d a n k e n , ihrer jüngeren W e l t wieder als Schuld abzutragen. Sie richten sie oft weit strenger, als jene Alten, u n d verlan
gen von Jünglingen dieselbe Umsicht, die
selbe Geseztheit, dieselbe Mäfsigung, den
selben G l e i c h m u t h , d e r ihnen Erfahrung u n d nicht selten physische A bs pannung geben. Alles ist ihnen z u leichtfertig, o h n e zu erwägen, dass e b e n diese L e i c h t fertigkeit und jugendliche Uebereilung, durch Zeit und Anwuchs d e r Kräfte, d u r c h i h r e Folgen u n d Nachtheile, den Stoff zur Vervollkommnung geben. J e d e Ueberei
lung giebt i h n e n E r f a h r u n g ; jeder F e h l
tritt überzeugt sie von ihren Mangeln E s liegt i m ewigen P l a n e , dass unsere F e h l e r z u r Quelle unserer Bildung wer
d e n . Lasst uns daher die Mängel nicht mit platten Gemeinsprüchen belegen, u n d n i c h t m e h r v o n i h n e n f o r d e r n , a l s w i r , i n i h r e n J a h r e n , geleistet haben. Lasst u n s durch Gemeingeist auf die B l ü h t e n , auf d i e Hoffnungen des Staats einwürken, u n d nicht vergessen , was wir ihnen , z u r B e . Förderung des Gemeinwohls, als Staats
bürger, schuldig sind. E s ist unsere B e s t i m m u n g , e s ist unsere P f l i c h t , d u r c h das Beispiel unseres eigenen Betragens, auf sie z u würken. D i e grössere Summe unserer Erfahrungen verpflichtet uns, o h n e S t o l z , o h n e A n m a s s u n g e n , o h n e z u im- p o n i r e n , o h n e Kaltsinn, i h n e n niizlich z u w e r d e n . Ueberzeugt sie bei jeder Gele
g e n h e i t , dass i h r d e n Musen u n d i h r e n Geweihten hold seyd. — D a u n werden auch d i e Verhältnisse des Jünglings zum G a n z e n , ihm i n e i n e m milderen L i c h t e erscheinen, u n d z u H a r m o n i e e n l e i t e n , i n welchen allmählig alle Disso
nanzen vorhalien. Das Gefühl d e r E h r e r
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bietung gegen ältere L e u t e , die schon s o Manches erfahren und dem Staate gelei
stet h a b e n , wird nicht wegvernünftelt werden. Sie w e r d e n , wie P l i n i u s , von seinem jungen F r e u n d e J u n i u s , anführt, ihre grösste Klugheit darin s e z z e n , dass sie andere für klüger h a l t e n , als sich se l b st ; ihre grösste Gelehrsamkeit darin s u c h e n , dass sie von andern etwas lernen wollen. Sie werden nicht vergessen, de
n e n , die d e m Staate ihre Schulden bereits abgetragen, den Rest ihres L e b e n s , in wel
c h e m gemeiniglich, als Farnilienhäupter u n d Staatsbürger, die Sorgen wachsen und d e n Genussdes L e b e n s m i n d e r n , sogeniessbar als möglich z u machen, u n d nach dem Bei
spiele d e r spartanischen Gesandten, das uns dieGeschichte aufbewahrt hat, die Huldigun
g e n zollen, die ihrem Alter, und ihren V e r - diensten gebühren. Sie werden den R a t h d e r A l t e n , die kältere V e r n u n f t , die War
n u n g des Erfahrnen schäzzen l e r n e n , da R e i n h e i t des Herzens schon das grosse Zauberband i s t , das uns unwillkührlich z u m Greise, so wie zum Kinde, hinzieht.
D o c h ich behaupte dieses A l l e s n u r von
dem wahrhaft Geweihten d e r M u s e n , ich r e d e nicht von d e n e n , welche Geschrnak finden im So n d e r b ar en, u n d in d e m , was nicht anständig, nicht sittlich ist. Diese gehören nicht z u u n s ; d e n n wer in d e r T h a t Wahrheit s u c h t , d e r ist auch in sich sittlich, bei d e m muss auch die E r k e n n t niss vorzüglich E i n g a n g f i n d e n , die i h n das Niedrige verwerfen l e h r t , und d e m G u t e n u n d Schönen nachzustreben be
geistert.
E s erhellet demnach aus d e m bisher Gesagten, dass d e r gesellige Verkehr mit d e n gebildeten Ständen, z u r wahren Kul
tur, wesentlich nothwendig s e y ; dass e s Pflicht jedes Staatsbürgers u n d zunächst d e r e r s e y , welche im Gebiete des Wis
sens würken und bilden s o l l e n , nach V e r mögen u n d Kräften beizutragen, diesem Bedürfnisse e i n Genüge zu leisten. Bis
h e r war e i n solcher Verkehr, auf den m e i sten Universitäten, die in kleinen Städten existirten, nicht z u Stande gekommen, theils wegen Unbemitteltheit d e r Einwoh
n e r ü b e r h a u p t , theils d e r akademischen L e h r e r insbesondere, und d e r geringen
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A n z a h l derjenigen H ä u s e r , z u welchen d e r a n g e h e n d e Gelehrte Zutritt haben konnte. Selbst in Göttingen w ur de die
s e r Umgang n u r zum T h e i l dadurch e r r e i c h t , dass d i e R e g i e r u n g auf i h r e Kosten einige P r o f e s s o r e n , mit d e n S t u d i e r e n d e n Gesellschaften halten liess *), das zweckmäs
sigste M i t t e l , d u r c h welches dieses Bedürf
niss, in kleinen Städten, o h n e grosse Kosten, befriedigt werden k ö n n t e , ist wohl o h n streitig d i e E r r i c h t u n g e i n e r geschlosse
n e n Gesellschaft, i n welcher* u n t e r stren
g e n Gesezzen d e r Sittlichkeit, jedem d e r Zutritt eröffnet w i r d , d e r sich nach diesen z u achten wünscht. A b e r ich wiederhole e s : nach strengen G e s e z z e n , da M a n g e l an Sitten u n d Anständigkeit sich durch
aus n i c h t verträgt * mit d e r A u s f ü h r u n g ih- r e r Zwekke. Falsche Kultur zerstört, w a h r e stärkt u n d unterhält alles G u t e . W e r sich d e n M u s e n w e i h t , muss als Veredelter, A n d e r e n seines A l t e r s , als Beispiel u n d
* ) Weber über Errichtung und Einrichtung der Universitäten. Berlin, 1805. S. 109. Zwei Profcssores mussten wöchentlich auf Kosten der Begierung Gesellschaften halten,
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M u s t e r , auch In seinen äusseren freien H a n d l u n g e n h e r v o r l e u c h t e n . E r k e n n e u n d b e h e r r s c h e d i c h s e l b s t , dies ist d i e F r e i h e i t des W e i s e n ! D a n n wird sich e i n e n e u e Kraft des Geistes, v o m göttlichen U r q u e l l b e l e b t , u n d e i n reines H e r z , das Sitte l i e b t , entwikkeln, u n d mit W o n n e werden wir erblikken, wie u n s e r e schönen Blühten zu noch schöne
r e n F r ü c h t e n reifen.
M ö c h t e doch bald aus dieser Mitte, d e r erste Schimmer d e r leitenden W a h r h e i t t a g e n ! M ö c h t e sie doch zum G e , meingeist b e l e b e n , u n d . d e n Egoismus ent- w u r z e l n , d e r alles Streben, n u r zum eige
n e n Vortheil zurückführt!
S o w e r d e n wir auch i n d i e r e r H i n s i c h t , i m G e i s t e d e s e r h a b e n e n u n d g r o s s e n W e l t b ü r g e r s h a n d e l n , u n d das heutige F e s t u m s o würdiger feiern, w e n n w i r , mit e r n e u e r t e n heiligen E n t s c h l ü s s e n , n a c h S e i n e m B e i s p i e l e » u n s bceiscrn u n d unsere Thatkraft verstär
k e n , w a h r e K u l t u r u n d Gemeinwohl z u fördern,