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Archiv "Von der Eigenart des chinesischen Menschen" (14.03.1991)

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18 Jahre lang hat Prof. Dr. Günther Huwer in China als Gynäkologe gearbeitet. 1935 kam der damals junge außerordentliche Professor aus Jena nach Kanton, später arbeitete er in Kweilin und Peking, bis er schließlich 1952 das Land verlassen mußte. Huwer erlebte China in einer Zeit politischer Wirren und des Umbruchs. Bis in sein hohes Alter - er ist mittlerweile 91 Jahre - sinnt er darüber nach, was denn das Eigentliche an China und den Chinesen ist. Er hat seine Auffas- sung in den nachfolgenden Zeilen kurz zusammengefaßt.

VVenn ich von Eigenart des Chinesen spreche, so meine ich damit eine besondere, eine andere Veranlagung als die des westlichen Menschen. R. Wilhelm, ein Kenner Chinas, erwähnt in seinem Buch:

„Die Seele Chinas", daß dem Chine- sen alles Titanische fehlt und ferner, daß das Tragische in seinem Welt- bild nicht vorhanden ist. Beides aber, das Titanische wie auch das Tragi- sche, sind aus unserem Kulturkreis nicht herauszudenken.

Wir westlichen Menschen sind nur allzu sehr geneigt, unser Den- ken, Tun und Handeln als Richt- schnur für alle Menschen dieser Er- de anzusehen, es als einzig möglich zu befinden. Das ist naiv, ganz unbe- wußt auch überheblich.

In den heute noch lebenden gro- ßen Kulturen, der chinesischen und der europäischen, wurden ursprüng- lich zwei gänzlich verschiedene Sprach- und Schriftsysteme entwik- kelt. Sprache und Schrift aber wer- den von Menschen geboren, um sich selbst, ihr innerstes Wesen zu finden.

Der Mensch schafft Sprache und Schrift nach seinem Bedürfnis.

Der Chinese denkt nicht kausal- analytisch. Auch ist ihm abstraktes Denken fremd. R. Wilhelm spricht hier von synchronistischem Denken, Marcel Granet nennt es syntheti- sches, auch cyklisches Denken, und Lily Abegg spricht sehr treffend von Ganzheitsdenken. An die Stelle der Analyse tritt bei den Chinesen die Synthese.

Wie Steine im Mosaik...

Während meiner Tätigkeit als Hochschullehrer und Arzt an chine- sischen Universitäten stellte ich Dif- ferenzen zwischen dem chinesischen Menschen und dem Europäer fest,

um sie schließlich zusammenfassend in der Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie 157 Band, 1. Heft, Seite 1-39, 1981, zu veröffentlichen.

Zu meiner Überraschung ließen sich die Differenzen wie Steine in einem Mosaik zu einem Bild zusammenset- zen, und ich fand, daß der Chinese im wahren Sinne ein „Parasympathi- cotoniker" im Verhältnis zu einem

Von

der Eigenart des

chinesischen Menschen

„sympathikotonischen Europäer" ist.

Zwischen dem westlichen Menschen und dem Chinesen herrscht eine an- dere Reaktionslage der Umwelt ge- genüber.

Klinisch, um nur einige Beob- achtungen zu nennen, fand ich In- fantilismus und primäre Sterilität et- wa zehnmal so häufig wie bei Euro- päerinnen. Die Fertilität der Chine- sen ist deutlich geringer. Der Blut- druck ist in China geringer, und der postoperative Kollaps war allzu häu- fige Todesursache, wenn nicht Vor- sorge getroffen wurde. Postoperative Darmlähmung, postoperative Trom- bose und Embolie, generalisierte Ar- teriosclerose gab es in China nicht.

Diese Verschiedenheiten und viele andere gehören in das Bild des Pa- rasympathikotonikers, dem „Streß"

fremd ist. Der westliche Mensch ist heftig, begehrlich und von unstillba- rer Neugier beherrscht (H. Hesse).

Ich füge hinzu: intolerant und

herrschsüchtig. Solche Maßlosigkeit ist dem Chinesen unverständlich. Er findet in Selbstbeschränkung sein Glück auf dieser Welt. Die Gelas- senheit des Chinesen ist keine Selbstbeherrschung, bei ihm liegt die Schwelle der Erregbarkeit deutlich höher.

Hier erwähne ich die dem westli- chen Menschen abstoßende Grau- samkeit des Chinesen. Nie verlor Mao sein eingefrorenes Lächeln.

Aus kalter Berechnung ließ 'er Mil- lionen Menschen erschlagen.

Als Volk stark, bauten die Chi- nesen die chinesische Mauer. Sie wollten Frieden. Die Heroen Chinas:

der Kaiser, der den Pflug erfand, die Kaiserin, die erste Seide spann. Be- zeichnend ist die Wertung der Beru- fe: Gelehrter, Bauer, Handwerker, Kaufmann und Soldat. Nirgends in China gibt es ein Denkmal für einen Feldherrn. Der Chinese strebte nie ein Wissen an, um die Natur zu be- herrschen. Er versteht sich als ein Teil der Natur. Eine exakte Natur- wissenschaft, die bei uns Europäer über die Technik zur weltbeherr- schenden Macht geworden ist, hat es in China nie gegeben.

Der Mensch wird in China viel weniger als Individium gewertet. Ist ein Glied in der Kette, ist ein Über- gang. Diese Wertung findet ihren Ausdruck auch darin, daß der chine- sische Maler kein Portrait kennt.

Kaiser Chien Lung ließ Künstler aus Frankreich kommen, um sich por- traitieren zu lassen.

Wir können viel lernen

Der Chinese, dieser hochintelli- gente Mensch, kann selbstverständ- lich unser naturwissenschaftliches Denken nachvollziehen. Er hat es mit dem spektakulär schnellen Bau der Atombombe bewiesen. Können wir Europäer vom Chinesen lernen?

Ich glaube viel! Heiterkeit und Le- bensfreude und schließlich die Ach- tung und Ehrfurcht vor der Natur, in der wir und von der wir leben.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Günther Huwer Stanggaß Roßpoint 9

8240 Berchtesgaden A-856 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 11, 14. März 1991

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