Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 42⏐⏐20. Oktober 2006 A2813
P H A R M A
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ie leitliniengerechte Therapie des Restless-Legs-Syndroms (RLS) ist nun ohne Sorge vor einer potenziellen Verweigerung der Kos- tenerstattung durch die gesetzli- che Krankenversicherung möglich.Durch die Zulassungserweiterung kann der Dopaminagonist Ropinirol nicht nur Parkinsonkranken (als Re- quip®), sondern auch RLS-Patien- ten (als Adartrel®) verordnet wer- den. Der Einsatz wird besonders dann empfohlen, wenn eine dauer- hafte Behandlung erforderlich ist, weil die Beschwerden sehr häufig auftreten und mit Einschränkungen der Lebensqualität einhergehen.
Für das Krankheitsbild charak- teristisch und daher für die Diagno- sestellung essenziell sind die vier von der International-Restless-Legs- Syndrome-Study-Group definierten Kardinalkriterien:
> Bewegungsdrang, bedingt durch oder begleitet von Missempfindun- gen in den Beinen, manchmal auch in anderen Körperregionen,
> die unter Ruhebedingungen oder Phasen von Inaktivität begin- nen oder aggravieren,
> bei körperlicher Aktivität und/
oder geistiger Anspannung nachlas- sen oder ganz verschwinden,
> gegen Abend und/oder in der Nacht am schlimmsten sind.
Sensomotorik ist Teilaspekt Prof. Dr. med Göran Hajak (Re- gensburg) hält es für unerlässlich, die Patienten nicht nur nach senso- motorischen Störungen zu fragen, sondern auch nach der Erholsamkeit des Schlafs beziehungsweise der Befindlichkeit/Leistungsfähigkeit am
Tag. Seiner Erfahrung nach erträgt die Mehrzahl der Patienten die Ta- gessymptomatik. Wird aber das Ein- und Durchschlafen durch Miss- empfindungen und Bewegungs- drang beeinträchtigt und wacht man morgens „wie gerädert“ auf, sollte eine Behandlung eingeleitet wer- den. Ein Schlaglicht auf den Stellen- wert des Restless-Legs-Syndroms wirft ein in Europa und in den USA durchgeführtes Studienprogramm mit dem Akronym REST1. Dabei han- delt es sich um repräsentative Erhe- bungen in der Allgemeinbevölkerung (n = 15 391/Arch Intern Med 2005;
165: 1286–92) und bei Personen, die aus beliebigem Grund ihren Hausarzt aufgesucht haben (n = 23 052/Sleep Medicine 2004; 5: 237–46).
Die Prävalenz in Deutschland be- trug elf Prozent. Ein Drittel der Be- troffenen wurde aufgrund von Häu- figkeit und Schwere der Symptome als behandlungsbedürftig identifi- ziert. Bei den Symptomen, die von diesen Patienten als besonders be- lastend oder quälend empfunden wurden, führten Schlafstörungen und die Auswirkungen eines nicht erholsamen Schlafs die Liste an (Grafik).
Mit Ropinirol bestehen gute Chancen auf Linderung des gesam- tem Spektrums der RLS-Sympto- me. Das lassen die Ergebnisse des umfangreichen klinischen Untersu- chungsprogramms erkennen. Kern- stück sind internationale Multicen- terstudien mit den Akronymen TREAT RLS2 über jeweils zwölf Wochen (J Neurol Neurosurg 2004;
75: 92–7, Mov Disord 2004; 19:
1414–23, Mayo Clin Proc 2006; 81:
17–27) sowie RESET-PLM3 mit polysomnographischen Kontrollen (Sleep 2004; 27: 907–14). Für fast 400 der rund 1 200 Studienteilneh- mer liegen Daten für eine zwölfmo- natige Nachbeobachtungszeit vor.
Einschlusskriterien und Design waren für alle Studien gleich, so- dass eine zusammenfassende Bewer- tung möglich ist. Rekrutiert wurden mittelschwer bis schwer betroffene Patienten mit einem durchschnittli- chen IRLS-Score (International Rest- less Legs Scale) von 22 Punkten. Ro- pinirol oder Placebo war randomi- siert doppelblind eine bis drei Stun- den vor dem Zubettgehen eingenom- men worden. Bei allen Endpunkten ergab sich ein statistisch signifikan- ter Vorteil für Ropinirol hinsichtlich Sensomotorik, Schlafstörungen und Tagesvigilanz. Auch die Verträglich- keit der Substanz wurde als gut beur- teilt. Nebenwirkungsbedingte Thera-
pieabbrüche waren in den Verumar- men nicht häufiger als in den Kon- trollgruppen.
Ein Pluspunkt ist für Prof. Dr.
med. Claudia Trenkwalder (Kassel) die sehr niedrige Augmentationsrate unter Ropinirol. Das bedeute, dass die RLS-Symptomatik nach initia- ler Besserung an Intensität zuneh- me, sich an anderen Körperregionen manifestiere, früher am Tag und/
oder schneller in Ruhesituationen auftrete. Mit 3,8 Prozent sei das Ri- siko unter Ropinirol deutlich gerin- ger gewesen als bisher in Studien mit Levodopa (bis zu 82 Prozent) oder anderen Dopaminagonisten (bis
zu 32 Prozent). I
Gabriele Blaeser-Kiel Pressekonferenz „Adartrel®“ in Hamburg, Veran- stalter: GlaxoSmithKline
RESTLESS-LEGS-SYNDROM
Schlafstörungen führen zum Praxisbesuch
GRAFIK
Subjektiv belastende Symptome von RLS-Patienten (n = 174) Missempfindungen der Beine/
anderer Körperteile Schlaf gestört/
unterbrochen/schlecht Durchschlafstörung Bewegungsdrang Schmerz Zucken/unwillkürliches Bewegen
der Beine/anderer Körperteile Einschlafstörungen Tagesschläfrigkeit Erschöpfung/Müdigkeit
81,6 % 66,1 % 60,9 % 54,6 % 54,0 % 49,4 % 47,1 % 34,5 % 33,9 %
Quelle:nach Bergmann et al.; Somnologie 2005; 9/Suppl.1:41
1REST = RLS Epidemiology, Symptoms and Treatment
2TREAT RLS = Therapy with Ropinirole; Efficacy and Tolerability in RLS
3RESET-PLM = Ropinirole Efficacy and Safety in the Treatment of PLMs