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Archiv "Aussagekraft der Elektrokardiografie zum Ausschluss der linksventrikulären Hypertrophie bei Hypertonikern" (05.10.2007)

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D

ie linksventrikuläre Hypertrophie ist ein wich- tiger Risikofaktor bei Patienten mit Hypertonie und führt zu einem 5- bis 10-fach erhöhten kardiovas- kulären Risiko (1–5). Behandlungsentscheidungen sollten auf der Basis der hochdruckbedingten organi- schen Schädigungen und des Gesamtrisikos für kar- diovaskuläre Erkrankungen getroffen werden.

Die optimale Diagnostik von Hypertoniepatienten mit Verdacht auf linksventrikuläre Hypertrophie ist jedoch weniger klar. Es gibt Beschreibungen von mehr als 30 elektrokardiografischen Indizes zur Dia- gnose der Linksherzhypertrophie. Viele der vorge- stellten Indizes sind von eher anekdotenhaftem Cha-

rakter, andere werden routinemäßig eingesetzt (6–10).

Die Debatte über ihren diagnostischen Wert im Ver- gleich hält an (11–13). Die Autoren führten eine syste- matische Übersicht auf der Basis einer Literaturre- cherche durch, um die diagnostische Aussagekraft verschiedener elektrokardiografischer Indizes zu klären.

Methoden

Die Autoren suchten in den Datenbanken Medline von 1996 und Embase von 1980 bis Dezember 2005 nach Beobachtungsstudien, welche die Genauigkeit elek- trokardiografischer Indizes für die Diagnose von ÜBERSICHTSARBEIT

Aussagekraft der

Elektrokardiografie zum Ausschluss der linksventrikulären Hypertrophie bei Hypertonikern

Daniel Pewsner, Peter Jüni, Matthias Egger, Markus Battaglia, Johann Sundström, Lucas M. Bachmann

Bei diesem Artikel han- delt es sich um die deutsche Übersetzung eines englischen Ori- ginalbeitrages aus dem BMJ, den wir mit freundlicher Genehmi- gung des BMJ ab- drucken.

Pewsner D, Jüni P, Eg- ger M, Battaglia M, Sundström J, Bach- mann LM: Accuracy of electrocardiography in diagnosis of left ventri- cular hypertrophy in arterial hypertension:

systematic review.

BMJ 2007. DOI 10.1136/bmj39276.63 6354.AE

ZUSAMMENFASSUNG

Ziel: Eine Überprüfung der diagnostischen Aussagekraft des Elektrokardiogramms beim Screening für linksventri- kuläre Hypertrophie bei Patienten mit Hypertonie.

Design: Systematische Übersichtsarbeit von Studien zur diagnostischen Genauigkeit von 6 elektrokardiografischen Indizes: Sokolow-Lyon-Index, Cornell-Index, Cornell-Produkt, Gubner-Index und Romhilt-Estes-Score mit Schwellenwer- ten für ein positives Testresultat von 4 beziehungsweise 5 Punkten. Datenquellen: Die elektronischen Datenban- ken (Pre-)Medline und Embase, bibliografische Verzeich- nisse relevanter Studien und früherer Übersichtsarbeiten sowie Expertengespräche. Studienauswahl: 2 Gutachter lasen die Zusammenfassungen und beurteilten möglicher- weise infrage kommende Studien. Miteinbezogen wurden Studien, die den elektrokardiografischen Index mit der Echokardiografie von Patienten mit Hypertonie verglichen und die in ausreichendem Maße auswertbare wissen- schaftliche Daten enthielten. Datenextraktion: Die Autoren extrahierten Angaben zur Studienbevölkerung, zu echokar- diografischen Kriterien und zur methodologischen Qualität.

Datensynthese: Die Autoren berechneten negative Wahr- scheinlichkeitsquotienten (Likelihood Ratios), die anzei- gen, in welchem Ausmaß die Nachtestodds einer linksven- trikulären Hypertrophie durch ein negatives Testresultat

reduziert werden. Ergebnisse: 21 Studien und Angaben zu 5 608 Patienten wurden in die Analyse miteinbezogen.

Die mediane Prävalenz von linksventrikulärer Hypertrophie war 33 % (interquartiler Bereich 23 bis 41 %) in der Pri- märversorgung (10 Studien) und 65 % (37 bis 81 %) in der Sekundärversorgung (11 Studien). Der mediane negative Wahrscheinlichkeitsquotient war bei den verschiedenen elektrokardiografischen Indizes fast gleich und lag in einem Bereich von 0.85 (Variationsbreite 0.34 bis 1.03) für den Romhilt-Estes-Score mit einem Schwellenwert von 4 Punkten bis zu 0.91 (0.70 bis 1.01) für den Gubner- Index. Würde der Romhilt-Estes-Score in der Primär- versorgung angewendet, dann verringerte ein negativer Befund der Elektrokardiografie die typische Prätest-Wahr- scheinlichkeit von 33 auf 31 %. In der Sekundärversorgung würde sich die typische Prätest-Wahrscheinlichkeit von 65 auf 63 % verringern. Schlussfolgerung: Bei Patienten mit essenzieller Hypertonie sollten zum Ausschluss einer linksventrikulären Hypertrophie keine elektrokardiografi- schen Kriterien herangezogen werden.

Dtsch Arztebl 2007; 104(40): A 2732–7 Schlüsselwörter: linksventrikuläre Hypertrophie, Elektro- kardiogramm, Diagnostik, Sokolow-Lyon-Index, Gubner- Index, Cornell-Index, Cornell-Produkt, Romhilt-Estes-Score, Essenzielle Hypertonie, Screening, Risikofaktoren

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linksventrikulärer Hypertrophie evaluierten und als Referenztest das Echokardiogramm heranzogen. Sie überprüften außerdem die Bibliografien relevanter Studien und nahmen mit Experten Kontakt auf, um die Suche auszuweiten.

Studien über Patienten in allen Versorgungsberei- chen mit primärem arteriellem Bluthochdruck ohne Symptome gingen in die Analyse ein. Ein Teil der Studienteilnehmer nahm Arzneimittel gegen Hyper- tonie ein. Bei einer anderen Gruppe wurde die Be- handlungsindikation evaluiert, wogegen bei einer dritten Gruppe bei Studieneinschluss die Behand- lung sistiert worden war. 2 Gutachter beurteilten un- abhängig voneinander die Zusammenfassungen aller identifizierten Studien. Die Autoren schlossen alle Studien ein, die bei Bluthochdruckpatienten die elek- trokardiografischen Kriterien mit der Echokardiogra- fie verglichen.

Die Daten wurden im Duplikat extrahiert: Sie bein- halteten die Anzahl und Charakteristika der Patienten, den Versorgungsbereich (Primär- versus Sekundär- versorgung), die Prävalenz echokardiografisch gesi- cherter linksventrikulärer Hypertrophie, die ausge- werteten elektrokardiografischen Indizes und die De- finition eines Schwellenwertes für die Echokardiogra- fie.

Die Studien wurden entsprechend ihrer methodolo- gischen Qualität bewertet. Die Autoren untersuchten die Methoden der Patientenselektion und Daten- sammlung, Vollständigkeit der Beschreibungen von Index- und Referenztests, Vollständigkeit der Verblin- dung und die Wahrscheinlichkeit von Verifikations- bias (14, 15, 16). Sie klassifizierten die Studienqua- lität auf Basis der folgenden Kriterien: Beschreibung des Versorgungsbereiches, prospektive Datensamm- lung mit Rekrutierung konsekutiver Patienten, Follow up aller Patienten sowie Angaben zu Echokardiografie und Verblindung.

Die Autoren berechneten Sensitivitäten, Spezifitä- ten, und Wahrscheinlichkeitsquotienten (Likelihood Ratios) mit zugehörigen Konfidenzintervallen. Da das Elektrokardiogramm primär dazu dient, eine links- ventrikuläre Hypertrophie auszuschließen, interes- sierten sie sich insbesondere für die Sensitivität und den Wahrscheinlichkeitsquotienten eines negativen Befunds im Elektrokardiogramm. Letzterer zeigt an, wie viel wahrscheinlicher es ist, bei Patienten mit linksventrikulärer Hypertrophie ein negatives Resul- tat zu finden als bei Patienten ohne Hypertrophie (17).

Die Autoren fassten die Ergebnisse zusammen, indem sie Sensitivitäten und Spezifität en anhand der Recei- ver Operating Characteristic (ROC)-Kurve aufzeich- neten und Mediane, Variationsbreiten, und interquar- tile Bereiche berechneten.

Ergebnisse

Die Autoren identifizierten 1761 Literaturangaben.

142 davon stuften sie als geeignet ein. Nach Lektüre aller Artikel verblieben schliesslich noch 21 auswert- bare Studien.

Studiencharakteristika

An den 21 einbezogenen Studien nahmen 5 608 (Varia- tionsbreite 30 bis 947) Patienten teil. 10 Studien waren im Bereich der ärztlichen Primär-, 11 Studien im Be- reich der ärztlichen Sekundärversorgung angesiedelt.

Die mediane Prävalenz von linksventrikulärer Hyper- trophie lag bei 33 % (interquartile Spanne 23 bis 41 %) in der Primärversorgung und bei 65 % (37 bis 81 %) in der Sekundärversorgung. 3 Studien erfüllten alle 6 methodologischen Kriterien und wurden als qualita- tiv hochstehend eingestuft. Weitere 11 Studien erfüllten 4 oder 5 Kriterien. Deren Qualität wurde als mittelmäs- sig beurteilt. 7 Studien erfüllten 2 oder 3 Kriterien und wurden als qualitativ schlecht bewertet.

Elektrokardiografische Indizes

Die 21 Artikel gaben Informationen über 12 verschie- dene elektrokardiografische Kriterien. Die Autoren analysierten im Detail die 6 am häufigsten verwende- ten Indizes, inklusive des Sokolow-Lyon-Index (17), Cornell-Index und Cornell-QRS-Produkt (7, 8), Gub- ner-Index (9) und Romhilt-Estes-Index mit Schwel- lenwerten für ein positives Testergebnis 4 bezie- hungsweise 5 Punkten (10).

Sensitivität, Spezifität und

Wahrscheinlichkeitsquotienten (Likelihood Ratios)

Die meisten Studien fanden für alle Indizes eine nied- rige Sensitivität und eine hohe Spezifität . Die media- ne Sensitivität reichte von 10,5 % (Variationsbreite 0 bis 39 %) für den Gubner-Index bis zu 21 % (4 bis 52 %) für den Sokolow-Lyon-Index. Die mediane Spezifität reichte von 89 % (53 bis 100 %) für den Sokolow-Lyon-Index bis zu 99 % (71 bis 100 %) für den Romhilt-Estes-Index (5 Punkte).

Der mediane negative Wahrscheinlichkeitsquotient zeigte für die verschiedenen elektrokardiografischen Indizes sehr ähnliche Werte. Er reichte von 0.85 (Va- riationsbreite 0.34 bis 1.03) für den Romhilt-Estes- Index bis zu 0.91 (0.70 bis 1.01) für den Gubner-Index (Grafik 1). Der positive Wahrscheinlichkeitsquotient variierte stärker, von 1.90 (0.16 bis 25.9) für den Sokolow-Lyon-Index bis 5.90 (0.71 bis 18.2) für den Romhilt-Estes-Index (Grafik 2). Wendete man den me- dianen Wahrscheinlichkeitsquotienten des Romhilt- Estes-Index im Bereich der ärztlichen Primärversor- gung an, würde ein negativer Befund der Elektrokar- diografie die typische Prätest-Wahrscheinlichkeit von 33 auf 31 % reduzieren, wohingegen ein positiver Be- fund diesen auf 74 % erhöhen würde. Im Bereich der ärztlichen Sekundärversorgung würde die typische Prätest-Wahrscheinlichkeit von 65 auf 63 % reduziert, beziehungsweise auf 92 % erhöht.

Diskussion

Gemäß dieser sytematischen Literaturübersicht ist die diagnostische Aussagekraft elektrokardiografischer Indizes bei linksventrikulärer Hypertrophie unbefrie- digend. Unabhängig davon, welcher Index angewen- det wurde, war die Elektrokardiografie für das Scree-

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Forest Plots des negativen Wahrscheinlich- keitsquotienten von Testevaluati-

onsstudien von 6 elektrokardio- grafischen Indizes in der Diagnose linksventrikulärer Hypertrophie.

Die Punkte geben den geschätzten Wahrscheinlich- keitsquotienten

an; die Balken repräsentieren in ihrer Länge die 95-%-Konfidenz- intervalle.

GRAFIK 1

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EKG-Index Sokolow-Lyon-Index

Cornell-Voltage-Index

Cornell-Produkt

Gubner-Index

Romhilt-Estes-Index (4 Kriterien)

Romhilt-Estes-Index (5 Kriterien)

Studie Negative

Likelihood Ratio (95–%–KI) Casiglia (1996)

Chapman (2001) Clementy (1982) Crow (1995) Fragola (1993) Domingos (1998) Fragola (1994) Kamide (1996) Lee (1992) McLenachan (1988) Otterstad (1991) Padial (1991) Salles (2005) Schillaci (1994) Sundström (2001) Tomiyama (1994) Verdecchia (2000) Vijan (1991) Wong (2003)

Clementy (1982) Fragola (1993) Lee (1992) McLenachan (1988) Schillaci (1994) Verdecchia (2000) Domingos (1998) Clementy (1982) Fragola (1994) McLenachan (1988) Schillaci (1994) Tomiyama (1994) Vijan (1991) Crow (1995) Casiglia (1996) Clementy (1982) Fragola (1993) Fragola (1994) Lee (1992) Schillaci (1994) Verdecchia (2000) Kamide (1996) Domingos (1998) Otterstad (1991) Tomiyama (1994) Fragola (1994) Lee (1992) Padial (1991) Fragola (1993) Chapman (2001) Schillaci (1994) Verdecchia (2000) Crow (1995) Martinez (2003) Sundström (2001) Wong (2003) Salles (2005) Domingos (1998) Calaca (1990) Crow (1995) Sundström (2001) Wong (2003) Salles (2005)

0,78 (0,43–1,41) 1,67 (1,12–2,50) 25,9 (1,57– 426) 2,90 (1,38–6,10) 4,85 (0,33–71,7) 2,71 (1,46–5,03) 1,90 (0,58–6,20) 1,21 (0,50–2,90) 1,03 (0,52–2,05) 8,09 (2,08–31,5) 3,03 (1,18–7,79) 0,93 (0,22–3,92) 1,33 (0,77–2,28) 1,82 (1,33–2,48) 2,16 (1,27–3,66) 0,86 (0,44–1,68) 2,19 (1,49–3,23) 9,18 (0,55 –153) 0,16 (0,02–1,23)

0,77 (0,07–8,02) 2,36 (0,80–6,97) 1,14 (0,32–4,09) 3,03 (1,16–7,93) 4,65 (2,64–8,21) 3,15 (1,94–5,10) 1,40 (0,22–9,01) 11,6 (2,93–45,8) 0,71 (0,16–3,14) 7,86 (2,02–30,6) 18,2 (7,93–41,8) 2,07 (0,20–21,3) 5,31 (0,72–39,2) 6,49 (3,50–12,0) 1,07 (0,61–1,87) 13,9 (1,89 –102) 39,6 (2,36–665) 2,85 (0,18–43,9) 2,28 (0,67–7,83) 30,5 (9,55–97,2) 2,34 (1,32–4,12) 0,55 (0,18–1,63) 1,62 (0,10–27,4) 3,24 (0,14–77,8) 4,13 (0,27–62,4) 1,14 (0,24–5,51) 3,43 (1,15–10,2) 2,10 (0,29–15,3) 6,08 (2,32–15,9) 2,32 (1,41–3,81) 5,33 (3,16–8,99) 2,24 (1,59–3,15) 2,95 (1,62–5,37) 6,49 (2,45–17,2) 1,44 (0,72–2,86) 4,80 (0,24–94,9) 2,14 (1,16–3,93) 1,62 (0,10–27,3) 5,59 (1,37–22,7) 3,36 (1,78–6,35) 1,64 (0,98–2,76) 4,80 (0,24–94,9) 2,16 (1,28–3,64)

0,25 1 2,5 10 250

Positive Likelihood Ratio GRAFIK 2

Forest Plots des positiven Wahrscheinlich- keitsquotienten von Testevalua- tionsstudien von 6 elektrokardio- grafischen Indizes in der Diagnose linksventrikulärer Hypertrophie.

Die Punkte geben den geschätzten Wahrscheinlich- keitsquotienten an; die Balken repräsentieren in ihrer Länge die 95-%-Konfidenz- intervalle.

(5)

ning zum Ausschluss linksventrikulärer Hypertrophie bei Patienten mit Hypertonie ungeeignet. Zwar war die Spezifität in den meisten Studien hoch, weil aber die Sensitivität gleichzeitig gering war, blieb die Be- weiskraft eines positiven Testresultats für das Vorhan- densein einer linksventrikulären Hypertrophie un- genügend.

Stärken und Schwächen der Studie

Die Autoren führten eine ausführliche Literaturre- cherche durch, wählten Studien nach definierten Kri- terien und bewerteten die methodologische Qualität der Studien kritisch. Sie schlossen diagnostische Fall- Kontroll-Studien aus, weil diese bekanntermaßen die Genauigkeit überschätzen (14, 15), ebenso wie Studien, welche die ventrikuläre Masse nicht gemäß der Kör- peroberfläche indizierten. Ausgeschlossen wurden ebenfalls Studien, die Patienten mit gleichzeitigem anterioren Faszikelblock und Linksschenkelblock evaluierten, weil solche Patienten üblicherweise ohnehin Weiterabklärungen benötigen. Die Autoren erfassten die Evidenz durch die Berechnung von Me- dianen, nicht jedoch durch die Kombination der Daten

in einer Metaanalyse. Eine formale Metaanalyse hätte in dieser Situation nur wenige zusätzliche Einsichten ermöglicht. Nach Meinung der Autoren hätte eine weitere Erforschung von Quellen möglicher Hetero- genität zu weit geführt. Die publizierten Daten erlaub- ten keine direkten Vergleiche der Test-Genauigkeit zwischen den verschiedenen Indizes. Wichtig ist auch, dass keine randomisierten Vergleiche von diagnosti- schen und therapeutischen Strategien mit klar defi- nierten klinischen Endpunkten identifiziert werden konnten.

Implikationen für die klinische Praxis

Die Elektrokardiografie sollte nicht spezifisch zum Ausschluss von linksventrikulärer Hypertrophie bei Patienten mit Bluthochdruck eingesetzt werden. Eine Überweisung an den Spezialisten erfolgt bei hohen kardiovaskulären Risiko-Indizes. Gerade bei Patien-

ten, deren Risiko gemessen an Alter, Geschlecht, Rauchverhalten und Blutfettwerten niedrig oder mit- telgroß ist, kann die Echokardiografie einen großen Informationsgehalt aufweisen. Bei Patienten, deren Risiko bekanntermaßen hoch ist, beeinflussen echo- kardiografische Befunde das klinische Management oftmals nicht, weil Interventionen zur Risikoreduzie- rung bereits stattfinden.

Die Evidenz bezüglich der unterschiedlichen Wir- kung verschiedener Antihypertensiva auf die links- ventrikuläre Hypertrophie ist begrenzt. Die Präven- tion von kardiovaskulären Krankheiten durch Mo- difizierung weiterer Risikofaktoren – zum Beispiel Rauchstopp, Lebensstilanpassung oder lipidsenken- de Medikation – ist der vielversprechendste Ansatz (18, 19). Auch gibt es Hinweise darauf, dass die mäßige Reduktion mehrerer Risikofaktoren wirkungs- voller ist, als die starke Reduktion von nur einem (20).

Zukünftige Forschung

Weitere Forschungsarbeit ist nötig, um kostengünsti- ge diagnostische Strategien im Bereich der ärztlichen Primärversorgung zu identifizieren. Derartige Projek- te könnten bei der Entwicklung von Algorithmen zur Identifikation von Patienten, die zur Echokardiografie überwiesen werden sollen, helfen. Da es keine genau- en und preisgünstigen Screening-Tests für die links- ventrikuläre Hypertrophie gibt, ist auch in diesem Be- reich weitere Forschung nötig. Um die pathophysiolo- gischen Mechanismen und sogenannten Outcomes von Patienten mit echokardiografisch bestätigter linksventrikulärer Hypertrophie, aber mit negativen elektrokardiografischen Befunden, zu definieren, sind zusätzliche Studien erforderlich. Ebenso werden wei- terführende wissenschaftliche Daten zu Patienten mit positiven elektrokardiografischen Befunden, aber ne- gativem Echokardiogramm benötigt.

Schlussfolgerungen

Die diagnostische Aussagekraft einiger häufig ange- wendeter elektrokardiografischer Kriterien zum Aus- schluss einer linksventrikulären Hypertrophie bei Pa- tienten mit Hypertonie ist schlecht. Weitere For- schungsarbeit ist notwendig, um die Kosteneffizienz verschiedener diagnostischer und therapeutischer Strategien für Linksherzvergrößerung im Bereich der ärztlichen Primärversorgung abzuschätzen.

Danksagung

Unser Dank geht an Marc Gertsch, Richard S. Crow, Benedict Martina, Fritz Grossenbacher und Heiner C. Bucher für ihre Beiträge und Kommentare zu ei- ner früheren Fassung.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

LITERATUR

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KASTEN W

Waass zzuu ddiieesseemm TThheemmaa bbeerreeiittss bbeekkaannnntt iisstt

>Die linksventrikuläre Hypertrophie resultiert in einem 5- bis 10-fach vergrößerten kardiovaskulären Risiko für Patienten mit Hypertonie.

>Verschiedene Indizes, die auf der Basis von Standardableitungen mit 12-Kanal-Elektrokardiogrammen berechnet werden, gelangen in der Diagnostik hypertensiver Patienten zum Einsatz.

W

Weellcchhee nneeuueenn EErrkkeennnnttnniissssee bbrriinnggtt ddiieessee SSttuuddiiee??

>Die diagnostische Genauigkeit der gebräuchlichen elektrokardiografischen Kriterien zum Ausschluss von linksventrikulärer Hypertrophie im Bereich der ärztlichen Primär- und Sekundärversorgung ist unbefriedigend.

>Die Echokardiografie ist für die gründliche Einschätzung des kardiovaskulären Risikos hypertensiver Patienten notwendig.

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Anschrift für die Verfasser Prof. Matthias Egger

Institut für Sozial- und Präventivmedizin Universität Bern

Finkenhubelweg 11 CH-3012 Bern

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt.de/english

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Referenzen

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