Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Komplementsystem
triene) aus Granulozyten und Ma- krophagen werden nicht dadurch geschmälert, daß für das Vollbild einer Entzündungsreaktion zellu- läre Partner notwendig sind. Mast- zellen, Granulozyten, Monozyten, Makrophagen, Thrombozyten und Endothelzellen tragen nach Sti- mulierung durch z. B. C5a in einer Kette von nunmehr C5a-unabhän- gigen Folgereaktionen zum Voll- bild der Entzündung bei.
Den Aktivitäten der Komplement- peptide stehen die spiegelbildli- chen Funktionen der Zeltrezepto- ren für Komplement-Spaltproduk- te gegenüber (Tabelle 3). Die spe- zielle Funktion eines Komplement- rezeptors muß aber hervorgeho- ben werden: Die Rolle des C3b- Rezeptors (CR i ) als Regulator- protein in Kooperation mit Faktor I zur Inaktivierung von zellständi- gern C3b oder C3b auf Immun- komplexen. Der CR 1 -Rezeptor übt dabei eine dem Faktor H ver- gleichbare Funktion aus und ver- hindert damit, daß zellgebundenes C3b durch fortgesetzte Amplifika- tion mit anschließender Aktivie- rung der terminalen Komplement- sequenz zu einer zytolytischen Schädigung dieser Zelle führt. Da- mit schützen sich die CR 1 -Rezep- tor-tragenden Zellen, wie z. B. Ery- throzyten, aber auch Lymphozyten und phagozytierende Zellen vor ei- ner Schädigung durch das Kom- plementsystem. Darüber hinaus haben offensichtlich Erythrozyten in der Zirkulation die Funktion, mit C3b beladene Immunkomplexe vorübergehend zu binden, das C3b zu inaktivieren und dann die Immunkomplexe in biologisch neutralisierter Form wieder freizu- setzen.
Komplement-vermittelte, pathologische Reaktionen (Überfunktion) und Störungen des Komplementsystems mit pathologischen Folgen (Unterfunktion)
Die klinische Bedeutung des Korn- plementsystems kommt sowohl in der gesteigerten lokalen oder sy-
W
ährend im anglo-ameri- kanischen Schrifttum das Komplementsystem — seiner Schlüsselfunktion entsprechend — eine außer- gewöhnliche Rolle spielt, sind in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren darüber kaum sy- stematische Darstellungen nach dem „neuesten Stand"erschienen, sieht man von einem Referat des heute in den USA lebenden führen- den Komplementforschers Müller-Eberhard in den im- mer lesenswerten Behring- Mitteilungen, 61/1977, 1-13, sowie einigen Mitteilungen unseres Autors (zum Bei- spiel „Schwerpunkt Medi- zin" 2/1980, 43-55) ab.
Wie Abbildung 1 der Arbeit von Professor Bitter-Suer- mann eindrucksvoll zeigt, ist das Komplementsystem ein entscheidender Teil der menschlichen Abwehr ge- gen endogen entstandene Schäden (zum Beispiel „ver- botene Klone") sowie gegen exogen eingedrungene Erre- ger und Toxine. Ein kompli- ziertes System von Aktivato- ren und Hemmkörpern sorgt
—ähnlich wie in der von Mac- Farlane für die Blutgerin- nung postulierten Kaskade—
im Bedarfsfall für den Ablauf zweier Aktivierungssequen- zen, verhindert andererseits überschießende Reaktionen mit einer Gefährdung von Zellen und Geweben und be- wahrt vor dem völligen Ver- lust der „kostbaren" Pro- teine. Dabei hat das Komple- mentsystem im wesentlichen drei Funktionen:
eine direkte in der „prä- spezifischen Abwehr", C) eine indirekte als Koope-
rator in der spezifischen
Abwehr durch Zell-lm- munglobulin-lnteraktio- nen, sowie
® als Mediator und „Signal- geber" zahlreicher Zellen.
Wir haben deshalb Professor Bitter-Suermann — in unse- rer Sicht einen der besten Kenner des Komplementsy- stems in der Bundesrepublik Deutschland — gebeten, für die Leser des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES eine Über- sicht zu schreiben. Durch die kompliziei.te, teils histo- risch bedingte, teils an die verschiedenen Aktivierungs- wege gebundene Nomenkla- tur ist die Lektüre für den immunologisch nicht vorge- bildeten Leser kein leichter Bissen. Dafür wird er mit dem heutigen Wissensstand über das Komplementsy- stem vertraut gemacht und lernt, den Ablauf von ent- zündlichen Prozesses und gewisser Immunreaktionen besser zu verstehen (zum Teil schon zu messen!). Im Unterschied zu einigen an- deren, biologisch wichtigen Systemen sind die beteilig- ten Proteine in ihrer Struktur und in ihren Interaktionen weitgehend aufgeklärt. Wäh- rend Professor Bitter-Suer- mann, dem heutigen Stand der Handelspräparate ent- sprechend, die therapeuti- schen Konsequenzen noch eher zurückhaltend beur- teilt, wird in verschiedenen Institutionen an Präparaten gearbeitet, mit denen wir in absehbarer Zeit in den Ab- lauf einer Entzündung viel wirksamer und viel gezielter eingreifen können.
Professor
Dr. med. Rudolf Gross Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41
Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 51/52 vom 26. Dezember 1983 43