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Baltrusch, Ernst, Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike 7, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München, 2008 [Rezension]

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E. Baltrusch: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung 2009-1-215

Baltrusch, Ernst: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike. München: Olden- bourg Verlag 2008. ISBN: 978-3-486-58401-1;

XII, 220 S.

Rezensiert von: Christian Körner, Histori- sches Institut, Universität Bern

Der siebte Band in der Reihe „Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike“ von Ernst Baltrusch befasst sich mit Formen von Außen- politik, Bündnis- und Reichsbildung in der Antike. Der zeitliche Horizont des Werks er- streckt sich von der griechischen Frühzeit bis zur Kaiserzeit (wobei die Spätantike bewusst ausgeblendet wird). Wie alle Bände der Rei- he, so ist auch dieser in drei Teile gegliedert:

Einem allgemeinen Überblick folgen die For- schungsdiskussionen und schließlich eine Bi- bliographie.

Ein einleitendes Kapitel befasst sich mit der griechischen und römischen Frühzeit (S. 5-14, S. 85-96). Bereits im Homerischen Epos fin- den sich zahlreiche Hinweise auf eine zuneh- mende Institutionalisierung von außenpoliti- schen Kontakten. War der Anlass des Troja- nischen Kriegs noch eine private Angelegen- heit, so zeigen sich in der Organisation des Feldzugs, der Kriegserklärung, dem diploma- tischen Verkehr Ansätze zu „neuen, nicht- personalen Formen der Außenpolitik“ (S. 9).

Diese konnten durchaus mit den alten, per- sonalisierten Beziehungen zwischen Gemein- wesen koexistieren. Die Festlegung einespo- merium als Trennung von domi und mili- tiaezeigt, dass in Rom bereits früh eine klare Auffassung von „außen“ bestand. Ein staatli- ches Gewaltmonopol für den römischen Staat nimmt Baltrusch nicht vor 400 v.Chr. an. Das foedus Cassianummit den Latinern datiert er ins 4. Jahrhundert und sieht darin eine wich- tige Stufe in der Entwicklung einer systema- tisierten Außenpolitik, die schließlich im 1.

Jahrhundert v.Chr. zur Vereinigung Italiens in einem einheitlichen Bürgergebiet führte.

Ein umfangreiches Kapitel erörtert Formen und Begrifflichkeiten von Außenpolitik und interpolitischen Beziehungen in der Antike (S. 14-37 u. 97-130). Baltrusch versteht un- ter Außenpolitik „alle zielgerichteten – fried- lichen oder kriegerischen – Aktivitäten eines Staates im Verkehr mit anderen Staaten“ (S. 3).

Für eine Verwendung des modernen (nicht mit dem lateinischenius gentium deckungs- gleichen) Terminus Völkerrecht auch für anti- ke Verhältnisse spricht die Tatsache, dass be- reits autonome politische Einheiten und da- mit eigentliche Völkerrechtssubjekte vorhan- den waren. Den Begriff „internationale Bezie- hungen“ lehnt Baltrusch dagegen zu Recht ab.

Für die klassischen griechischen Verhältnis- se dürfte der Terminus „interpolitische Bezie- hungen“ angebracht sein.1 Für die römische Zeit und die Kontakte zwischen Reichen bie- tet sich der Begriff „zwischenstaatliche“ oder

„äußere Beziehungen“ an.

Von zentraler Bedeutung ist der Autono- miebegriff, der in klassischer Zeit als politi- sches Schlagwort entstand und somit natür- lich vielfältigen Definitionsspielraum zuließ.

Für Baltrusch meint der Begriff „seine eige- nen Gesetze gebrauchen“, also „das jeweils gültige eigene Recht [. . . ] ungehindert anwen- den“ zu dürfen (S. 18). Während in der Po- liswelt die Autarkie als Idealbild galt, ent- stand seit dem Sieg über die Perser durch den Hellenenbund zunehmend das Bewusstsein, dass die Hellenen durch gemeinsame Werte verbunden seien, die sich auch in der Au- ßenpolitik auswirken sollten. Angesichts der Schrecken des Peloponnesischen Kriegs wei- tete sich der Wunsch nach einem allgemeinen Frieden aus.2 Eine ähnliche Wirkung hatten die römischen Bürgerkriege. Diepax Romana meinte den inneren Frieden unter der Obhut des Kaisers, während die griechische Vorstel- lung einerkoinè eirénevon autonomen Poleis ausging. Die kaiserzeitliche Universalmonar- chie rückte vom Autonomiegedanken ab und stellte stattdessen die Integration der gesam- ten Oikumene in den Vordergrund, was wie- derum dem allgemeinen Frieden dienen soll- te.

Zu Recht betont Baltrusch, dass Krieg in der Antike nicht als „Naturzustand“ gese- hen wurde. Die zunehmende staatliche Mo-

1Aloys Winterling, Polisübergreifende Politik bei Aris- toteles, in: Charlotte Schubert / Kai Brodersen (Hrsg.), Rom und der Griechische Osten. Festschrift für Hat- to H. Schmitt zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1995, S. 313–328.

2Der Begriffeiréneerhält erstmals infolge des Pelopon- nesischen Kriegs eine rechtliche Dimension, so dass von „Friedensverträgen“ im eigentlichen Sinne gespro- chen werden kann (Baltrusch, S. 22 u. 25).

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nopolisierung des Krieges führte auch zu ei- ner Intensivierung der Regeln, die es in ei- nem Krieg zu beachten galt. Explizit stellt Bal- trusch sich gegen die nach wie vor verbreitete Auffassung, das „agonale Prinzip“ des grie- chischen Adels stünde hinter vielen Konflik- ten: Zum einen handelt es sich dabei um eine moderne Terminologie ohne antike Entspre- chungen, zum anderen lassen sich in der Re- gel konkrete Kriegsgründe materieller Natur feststellen. Von zentraler Bedeutung für die antike Außenpolitik war der sakrale Aspekt, so im Bereich der religiösen Absicherung ei- nes Vertragsabschlusses. Doch auch im Krie- ge konnte religiöse Legitimierung eingesetzt werden. Die von Cicero formulierte Idee des bellum iustum sieht Baltrusch nicht als blo- ßes Konstrukt oder nachträgliche Rechtferti- gung, sondern als reale Handlungsmaxime in der Expansion der römischen Republik.

Im griechischen Vertragswesen existierte keine einheitliche, nach dem Inhalt differen- zierende Terminologie. Detailliert und prä- zise werden die verschiedenen Begriffe für Verträge bei Griechen und Römern erläutert (S. 114-124). Das 4. Jahrhundert v.Chr. sah die Entstehung einer multilateralen Vertragsgat- tung, der Koiné Eiréne-Verträge, die Frieden und Autonomie garantieren sollten. Baltrusch (S. 127) sieht ihr Scheitern vor allem im Fehlen einer übergeordneten Instanz und stellt sich gegen die These, dass in den Verträgen selbst mit ihren übersteigerten Ansprüchen ein we- sentlicher Grund für die Konflikte des 4. Jahr- hunderts v.Chr. gelegen habe.3 Bündnissys- teme (S. 37-58, S. 130-151) waren in der Po- liswelt ein häufiges Phänomen, da die Zer- splitterung zeitweise engere Zusammenarbeit notwendig machte. Ausführlich wird auf die Symmachien eingegangen, deren Entstehung eng mit der Ausbildung der Poliswelt ver- bunden war (Homer verwendet den Begriff noch nicht). Dabei legt Baltrusch Wert auf ei- ne sorgfältige Begrifflichkeit: Eine Unterschei- dung in defensive und offensive Symmachi- en gab es nicht, die Verträge waren immer be- fristet und in rechtlicher Hinsicht reziprok, ih- re Partner also gleichberechtigt, auch wenn es durchaus zu Hegemonialstellungen von Pol- eis kommen konnte, wie der Peloponnesische Bund und der Attische Seebund zeigen.

Der Hellenenbund gegen die Perser war

wohl eine Symmachie unter spartanischem Oberbefehl, kein panhellenischer Bund. Er muss nach Baltrusch vor 478 v.Chr. beendet worden sein, da Sparta sich aus dem Kampf gegen die Perser zurückgezogen hatte; fak- tisch wurde er mit der Gründung des Ers- ten Attischen Seebunds aufgelöst. Dessen gut dokumentierte Entwicklung von einem Bund zu einem athenischen Reich bedeutete nicht nur für die Mitglieder der Symmachie, son- dern auch für die gesamte griechische Außen- politik einen „Paradigmenwechsel“, der „eine neue Dimension zwischenstaatlicher Bezie- hungen einleitete“ (S. 50f.). Der Erste Attische Seebund veränderte gemeinsam mit dem Pe- loponnesischen Krieg die griechische Außen- politik dahingehend, dass in der Folge Frie- den und Autonomie im Vordergrund stan- den. Die „Bundesstaaten“ des 4. und 3. Jahr- hunderts v.Chr. wie der Achaiische oder Ai- tolische Bund entstanden außerhalb der klas- sischen griechischen Poliswelt und brachten als neues Element die Struktur des Stammes- staats (ethnos) ins Spiel. Das römische Bun- desgenossensystem wiederum lässt sich nicht mit den griechischen Bündnisformen verglei- chen. Sein Aufbau aus unterschiedlichen Ele- menten erklärt sich aus der Entwicklung über einen langen Zeitraum.

Im Kapitel zur Reichsbildung (S. 59-76, S. 151-176) werden einerseits das Alexan- derreich und seine hellenistischen Nachfol- gereiche, andererseits die römische Expansi- on und das Kaiserreich untersucht. Der Be- griff „Reich“ hatte in der Antike keine Ent- sprechung. Vielmehr wurde stärker von der Herrschaft her gedacht, wie die Termini ar- ché oder imperium zeigen. Imperium wur- de spätestens seit Pompeius und Caesar auch territorial verstanden. Baltrusch verwendet den Begriff „Reich“ als „jede hierarchisier- te Ordnung zwischen Regionen und Staa- ten“ (S. 59). Das Alexanderreich bestand nur kurze Zeit und konnte entsprechend noch keine einheitliche Verwaltungsstruktur ent- wickeln. Die verbindende Klammer blieb al- lein Alexander, der sich als Patron der hete- rogenen Bevölkerungsgruppen verstand. Bal-

3So Martin Jehne, Koine Eirene. Untersuchungen zu den Befriedungs- und Stabilisierungsbemühungen in der griechischen Poliswelt des 4. Jahrhunderts v.Chr., Stutt- gart 1994.

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E. Baltrusch: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung 2009-1-215

trusch lehnt den Begriff „Gleichgewicht der Mächte“ für die hellenistischen Reiche ab, da das außenpolitische Ziel der unter enormem Erfolgsdruck stehenden Monarchen eben ge- rade nicht ein Gleichgewicht, sondern die Vorherrschaft war. Umso instabiler war die außenpolitische Situation: „[. . . ] die Reiche waren im Innern zu schwach organisiert für die großen außenpolitischen Ziele, die sie ver- folgten“ (S. 67).

Die Expansion der römischen Republik gliedert Baltrusch in drei Phasen: Nach ei- ner ungewöhnlich dynamischen Ausdehnung führten seit 146 v.Chr. Fragen der Verwaltung des großen Gebietes und daraus resultierende innenpolitische Probleme dazu, dass die Rö- mer zögerlicher agierten. Mit Pompeius und Caesar entwickelte sich schließlich die Reichs- idee. Der Weg vom Stadtstaat zur Verwaltung eines Weltreichs war ein langwieriger und komplexer Prozess. Die verschiedenen Ver- waltungsformen, die dabei zur Anwendung kamen, variierten stark nach Region und Zeit, so dass ein sehr differenziertes Herrschafts- system entstand. Als Motive der Expansion sieht Baltrusch das Streben nach Sicherheit, wirtschaftlichem Gewinn und Macht. Dem neuzeitlichen Begriff „Imperialismus“ steht er in diesem Zusammenhang skeptisch ge- genüber. Im römischen Kaiserreich schließlich wurde die Außenpolitik vom Prinzeps mono- polisiert. Die offizielle Ideologie ging von der Weltherrschaft aus. Inwieweit sich daraus ei- ne offensive oder defensive Außenpolitik ab- leitete, ist in der Forschung umstritten.

Insgesamt bietet der Band einen hervor- ragenden Überblick über die Forschungsdis- kussionen, wobei Baltrusch auch immer wie- der seinen eigenen Standpunkt einbringt. Der weit gespannte zeitliche Horizont eröffnet aufschlussreiche Blickwinkel und Perspekti- ven. So ermöglicht der Vergleich verschie- dener Formen von Außenpolitik und Bünd- nisbildung ein besseres Verständnis von de- ren Funktionsweisen. Dies entschädigt dafür, dass naturgemäß vieles ausgeklammert blei- ben muss. (So hätte beispielsweise ein Blick auf die sizilischen Tyrannen gezeigt, dass in der griechischen Poliswelt auch andere For- men von Außenpolitik praktiziert wurden.) Das Buch stellt somit eine hervorragende Ar- beitsgrundlage für Studierende wie Dozieren-

de der Altertumswissenschaften dar.

HistLit 2009-1-215 / Christian Körner über Baltrusch, Ernst: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike. München 2008, in:

H-Soz-Kult 16.03.2009.

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