• Keine Ergebnisse gefunden

Lokale Selektion resistenter Bienen – eine weitere Varroabekämpfungsmethode

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Lokale Selektion resistenter Bienen – eine weitere Varroabekämpfungsmethode"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

13

Schweizerische Bienen-Zeitung 10/2017

FORSCHUNG

Lokale Selektion resistenter Bienen – eine weitere Varroabekämpfungsmethode

MATTHIEU GUICHARD UND BENJAMIN DAINAT, AGROSCOPE, ZENTRUM FÜR BIENENFORSCHUNG, SCHWARZENBURGSTRASSE 161, 3003 BERN

V

arroa (Varroa destructor) ist auch heute noch die grösste Bedro- hung für die Bienengesundheit. Ohne angemessene Bekämpfungsstrategie werden die Völker im Laufe der Saison schwächer, was zu Bestandsverlusten und somit auch zu Produktivitätsver- lusten führt.

Varroa: Ein Parasit, der die Gesundheit der Völker angreift Der Reproduktionszyklus der Varroa entspricht dem der Biene: Das adul- te Weibchen dringt kurz vor der Verdeckelung in eine Brutzelle ein,

um sich zu vermehren, und bringt zwei bis drei weibliche Nachkommen hervor. Jede weibliche Varroa kann zwei bis drei Reproduktionszyklen durchlaufen. Somit steigt die Anzahl Varroamilben in einem Volk im Lau- fe des Sommers sehr stark an, selbst wenn die Brutmenge sinkt. Die Varroa schwächt die Bienen während ihrer Entwicklung (insbesondere indem sie Proteine für ihre eigene Entwicklung verwendet), aber sie überträgt vor allem mehrere Bienenviren. Einige davon, wie das Flügeldeformations- virus (DWV, Deformed Wing Virus),

haben einen erwiesenermassen nega- tiven Einfluss auf die Langlebigkeit der Bienen. Der Höhepunkt des Milben- befalls entspricht der Zeitphase, in der die Winterbienen aufgezogen werden.

Diese Interaktion zwischen Varroa und Virus ist also ganz besonders schädlich für das Überwintern der Völker.

Bekämpfungsstrategien entwickeln

Um den Varroabefall in den Völkern einzuschränken, werden in den ak- tuellen Bekämpfungsstrategien bio- technische Massnahmen (Entfernen

Ein Teil der für Varroa-Tests verwendeten Magazinvölker am Zentrum für Bienenforschung (ZBF), Agroscope.

FOTO: ZBF, AGROSCOPE

Die Selektion varroaresistenter Bienen eröffnet Perspektiven, um den Parasiten und die von ihm verursachten

Schäden zu bekämpfen und gleichzeitig die Anzahl der benötigten Behandlungen einzuschränken.

(2)

14

Schweizerische Bienen-Zeitung 10/2017

FORSCHUNG

der Drohnenbrut, Käfigen der Kö- niginnen) und Behandlungen, die keine Rückstände im Wachs hinter- lassen (Ameisensäure, Oxalsäure …) empfohlen. Die Durchführung dieser Massnahmen ist jedoch recht auf- wendig und braucht vonseiten des Imkers ein gewisses Fingerspitzenge- fühl. Die Wirksamkeit einer Bekämp- fungsmethode hängt vom Wechsel und der Vielfalt der verwendeten Massnahmen ab. Die Imkerin oder der Imker muss variieren und weg- kommen von chemischen Behand- lungen auf der Basis synthetischer Akarizide, die nicht nur zur Resistenz- bildung bei der Varroa führen kön- nen, sondern auch Rückstände im Wachs hinterlassen, was zu grossen Qualitätsproblemen bei der Wachs- wiederverwertung führen kann.

Völker mit natürlicher Resistenz gegen Varroa

In der Literatur werden mehrere Bienenpopulationen mit einer so- genannten «natürlichen Varroa- Resistenz» aufgeführt. Das bedeu- tet, sie schaffen es, mehrere Jah- re ohne Behandlung zu überleben.

Diese Resistenz beruht aber nicht in allen beschriebenen Fällen auf ein und demselben Mechanismus, son- dern vielmehr auf einer Reihe unter- schiedlicher Besonderheiten und Ver- haltensanpassungen. In manchen Fällen lässt sich die Resistenz mit bestimmten Verhaltensweisen der erwachsenen Bienen erklären, wie beispielsweise einem spezifischen Ausräumverhalten gegen Varroa (die Biene entdeckt eine Varroa in einer Brutzelle, öffnet die Zelle und ent- fernt die Nymphe; dieses Verhalten wird auch VSH, Varroa Sensitive Hy- giene genannt) oder einem wirksa- men Putzverhalten (Grooming be- haviour). Bestimmte Bienen können auch den Reproduktionszyklus der Varroamilben stören, indem sie pe- riodisch die Zellen öffnen und wieder verschliessen. Einige Bienenpopula- tionen haben auch kürzere Brutzyk- len und vermeiden auf diese Weise eine effiziente Varroavermehrung.

Manchmal wird auch eine Hemmwir- kung der Brut auf die Varroa vermehrung in Betracht gezogen. Diese ist jedoch

umstritten (die ausbleibende Vermeh- rung bestimmter Varroamilben könnte auch mit früheren Störungen ihres Zyk- lus zusammenhängen). Schliesslich kön- nen auch andere Verhaltensweisen den Befall mit Varroa einschränken (häufiges Schwärmen, verlängerte Legepausen der Königin, begrenzte Brutaufzucht …);

diese sind jedoch nicht immer für die Imkerei geeignet.

Die natürlich resistenten Populatio- nen sind im Allgemeinen Bienen, die sich eine gewisse Zeit lang im Gleich- schritt mit dem Parasiten entwickeln oder prädisponierende Faktoren für diese Resistenz im Verhaltensreper- toire haben.

Es wurde versucht, resistente Bie- nen zu importieren. Die Ergebnisse waren jedoch unbefriedigend: Häu- fig war die Resistenz nur in der Her- kunftsumgebung wirklich wirksam, nämlich dort, wo das Erbgut der Biene und des Parasiten sowie die Umwelt stabil miteinander interagieren konn- ten. In der Vergangenheit haben auch verschiedene Bienenimporte diese lo- kalen Populationen stark destabilisiert und zu Bienenpopulationen geführt, die in der Imkerei nur schwierig zu handhaben waren (afrikanisierte Bie- nen insbesondere auf dem amerika- nischen Kontinent). Hinzu kommt das Risiko, mit dem Bienenimport gleich- zeitig neue Krankheitserreger einzu- schleppen. Deshalb sollten Bienenim- porte untersagt werden.

Die lokale Selektion resistenter Bienen – eine Zukunftsperspektive Um die schädlichen Auswirkungen von Bienenimporten auf die loka- len Populationen zu begrenzen, ist die Selektion resistenter Bienen aus Populationen, die an die lokale Um- gebung angepasst sind, ein interes- santer und vielversprechender An- satz. Mehrere Forschungszentren wie beispielsweise das Zentrum für Bienenforschung sowie verschiede- ne europäische Imkervereinigungen untersuchen Bienenpopulationen, die es schaffen, ohne besondere Be- handlung zu überleben. Die Selektion stützt sich im Allgemeinen auf eine kontrollierte Begattung in isolierten Umgebungen (wie z. B. Insel- oder

Berg-Belegstationen) oder durch künstliche Besamungstechniken.

Es gibt mehrere Methoden, um an resistente Populationen zu kommen:

Das Einstellen der Behandlungen und die Vermehrung überlebender Völker (Bond-Test)1 ist wirksam. Es ist jedoch keine Methode für einen Imker, der mit seinem Bienenbestand seinen Le- bensunterhalt verdienen muss oder nur wenige Völker besitzt. Ein ratio- nellerer Ansatz zielt darauf ab, die am geringsten befallenen Völker für die Vermehrung einzusetzen.

Die Wirksamkeit der Selektion be- ruht auf dem Umfang der zugrunde liegenden Kriterien, die genau, repro- duzierbar und vererbbar sein müssen.

Bei der Selektion auf Varroa-Resistenz sind die interessanten Selektionskri- terien im Vergleich zur Honigproduk- tion generell aufwendig und nicht einfach zu messen. Am häufigsten wird der Milbenfall erhoben (er wird auf Unterlagen gemessen, die unter dem Gitterboden des Magazins plat- ziert werden). Diese Massnahme kann punktuell durch Bienenproben, bei welchen die Varroamilben ausgezählt werden (Puderzuckermethode oder mittels Auswaschen), durch Messung der Reproduktionsrate der Varroa in der Brut (um eine mögliche Hemm- wirkung der Brut auf die Vermehrung der Varroa zu quantifizieren) sowie durch Beobachtung des Hygienever- haltens (Zeitraum, in welchem die Bienen tote Brut entfernen) verstärkt werden. Der Einfluss des Hygienever- haltens auf den Befallsgrad ist noch nicht genau bekannt, da hygienische Bienenvölker nicht zwingend weni- ger stark befallen sind. Es handelt sich hierbei jedoch um ein Fortpflan- zungskriterium, das den Gesundheits- zustand der Brut und somit des Volkes ganz allgemein verbessert.

Zum jetzigen Zeitpunkt wird die Selektion auf den Phänotyp (im Volk durchgeführte Messungen) tendenziell durch die Selektion auf den Genotyp abgelöst. Die sinken- den Kosten für Genomanalysen und die Identifizierung genetischer Se- quenzen, die mit geringem Befall assoziiert sind, lassen auf konkrete Anwendungen der Selektionsmass- nahmen hoffen.

(3)

15

Schweizerische Bienen-Zeitung 10/2017

FORSCHUNG

Was kann der Imker tun?

Ein einzelner Imker, der sich für Varroa- Resistenz interessiert, kann einem diesbezüglich engagierten Netzwerk beitreten oder auf seinem eigenen Bienenstand Massnahmen ergreifen.

Einer der ersten in die Wege zu lei- tenden Schritte ist eine regelmässige Befallskontrolle im Laufe des Jahres, beispielsweise durch Messung des natürlichen Milbentotenfalls wäh- rend einer mehrtägigen Periode (um die Gesamtanzahl auf eine bestimmte Anzahl Varroa pro Tag umzurechnen).

So könnten die Völker mit weniger Varroamilben identifiziert und mög- licherweise bevorzugt in der Zucht eingesetzt werden. Im Gegenzug könnten die stark befallenen Völker vorzeitig oder notfallmässig behan- delt und ein Austausch der Königin in Betracht gezogen werden. Der Imker sollte bei der Königinnenproduktion auch darauf achten, Völker mit gesun- der Brut zu verwenden. Er kann das Hygieneverhalten z. B. mit dem «Pin- Test» messen. Obwohl der Zusam- menhang zwischen Hygieneverhalten und Varroa-Befall noch nicht ab- schliessend geklärt ist, trägt dieses Selektionskriterium zur Erzeugung gesünderer Völker bei.

Die Selektion wird einfacher, wenn der Imker die Möglichkeit hat, seine Königinnen unter kontrollierten Be- dingungen begatten zu lassen (Be- legstation mit männlichen Bienen aus interessanten Zuchtlinien, künstliche Besamung etc.). Mit der Selektion aus- schliesslich auf Seite der weiblichen Linien konnten schon interessante Ergebnisse erzielt werden (Avignon- Population in Frankreich). Der Imker muss berücksichtigen, dass die Se- lektion auf interessante Kriterien Zeit braucht und das Überleben bestimm- ter Völker unter Varroa in weiten Be- reichen unerklärbar bleibt.

Varroaresistente Bienen – ein Wundermittel?

Die Varroa-Resistenz sollte eher als ergänzende Massnahme, um die- sen Parasiten in Schach zu halten, betrachtet werden, statt als «Revo- lution», wodurch die bereits etab- lierten Empfehlungen und Konzepte überholt würden. Interessant für den

Was macht das Zentrum für Bienenforschung?

Die Forschungstätigkeiten des ZBF zu Varroa drehen sich um mehrere Themen: kurz- fristig die Optimierung von Strategien mit bestehenden Behandlungen, mittelfristig die Entwicklung neuer Behandlungen und langfristig dem Verständnis der Varroa- Resistenzmechanismen. Seit Februar 2017 hat sich eine Doktorarbeit (Matthieu Guichard), die in Zusammenarbeit mit dem Verein mellifera.ch erfolgt, zum Ziel gesetzt, phänotypische (bei den Völkern durchgeführte Leistungsmessungen) und genetische (Genomsequenzen bei Bienen) Marker zu identifizieren, die mit schwachem Befall assoziiert sind. Sie werden in künftigen Selektionsprogrammen entsprechende Selektionskriterien bilden.

Auskunft über Varroabekämpfung und -befallsmessung geben:

Merkblätter des Bienengesundheitsdienstes BGD: bienen.ch/de, Rubrik: Varroabekämpfung (http://www.bienen.ch/de/Themen/Bienengesundheit/Varroa-Bekämpfung.html )

• Varroakonzept BGD

• Natürlichen Milbenfall messen

Hier finden sich zudem zahlreiche weitere Merkblätter beispielsweise zur Diagnose und zu den Behandlungsmethoden.

Imker wäre vielmehr die Aussicht, die Anzahl erforderlicher Behandlun- gen reduzieren, Zeit sparen und die Zahl potenziell stresserzeugender Eingriffe in den Völkern vermindern zu können.

Momentan gibt es zahlreiche For- schungsprojekte, die darauf abzielen, die verschiedenen Varroa-Resistenz- mechanismen besser zu verstehen. Es gibt keine Garantie für die Wirksam- keit der Selektionsprogramme und wenn, dann tritt diese auch nicht immer sofort auf. Die Selektion auf spezifische Verhaltensweisen (die von einer Vielzahl an Genen codiert werden) ist häufig langsam und be- nötigt zahlreiche Generationen. Zu- dem muss man beachten, dass die Selektion auf ein bestimmtes Merk- mal auf Kosten eines anderen gehen kann, je nachdem, wie die verschie- denen Gene im Genom miteinan- der interagieren und worauf genau selektioniert wird (zum Beispiel:

Eine Linie, deren Völker sehr klein sind, häufig schwärmen und sich im Frühjahr schlecht entwickeln, weist vielleicht wenig Varroa auf, ist aber unter imkerlichen Gesichtspunkten nicht besonders interessant). Sollte sich eine Linie als wirklich resistent gegen Varroa erweisen, müsste man bezüglich ihrer Verbreitung vorsichtig sein, um eine zu starke Verringerung der genetischen Diversität und das damit verbundene Inzuchtrisiko zu vermeiden (wie es bei anderen Nutz- tierpopulationen, wie beispielsweise der Holstein-Kuh, der Fall war).

Es lässt sich schlussfolgern, dass die Varroa-Resistenz langfristig offen- sichtlich eine interessante Massnahme in Ergänzung zu den aktuellen Emp- fehlungen darstellen kann. Momen- tan laufen neue Forschungsarbeiten, um die Varroa-Resistenz bzw. ihre Mechanismen besser zu verstehen, und sie nach einfachen Kriterien zu selektionieren.

Literatur

1. Imdorf, A.; Fries, I.; Hansen H.;

Rosenkranz, P. (2001) Natürliche Selektion auf varroatolerante Bie- nenvölker. Schweizerische Bienen- Zeitung 12: 18–22.

2. Büchler, R.; Berg, S.; Le Conte, Y.

(2010) Breeding for resistance to Varroa destructor in Europe.

Apidologie 41: 393–408.

3. Dietemann, V. et al. (2012) Varroa destructor research avenues to- wards sustainable control. Journal of Apicultural Research 51(1):

125–132.

4. Leclerq, G.; Panneakker, B.;

Gengler, N.; Nguyen, B. K.;

Francis, F. (2017) Drawbacks and benefits of hygienic behavior in honey bees (Apis mellifera L.):

a review. Journal of Apicultural Research 56: 366–375.

5. Locke, B. (2015) Natural varroa mite-surviving Apis mellifera honeybee populations. Apidologie 47: 467–482.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

[r]

Kinder ab sechs Jahre lernen mit Imker Klaus Eisele am Sonntag, 29.. Mai 2016, von 10 bis 11.30 Uhr im Wildpark Rheingönheim die Biene als

Kinder ab zehn Jahre und Erwachsene erfahren hierbei viel über das Verhalten und den Umgang mit den Tieren. Anmeldung über

Imker Klaus Eisele spricht von 10 bis 12 Uhr zum Thema Honigbienen und ihre wilde Verwandtschaft, solitäre und soziale Bienen. Um eine Anmeldung unter der Telefonnummer 0621

Bienenstand im Wildpark Rheingönheim die Unterschiede zwischen Wildbiene und Honigbiene, das Leben im Staat oder als Einzelkämpfer und weitere spannende Lebensgeschichten. Bitte

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren unter anderem, warum Bienen nicht nur für die Honigproduktion, sondern auch für Obst und Gemüse wichtig sind, da die Tiere 80 Prozent

Darüber hinaus gibt es auch für beide Lerninhalte Nervenzellen, die ihre Aktivität nicht ändern (gelb dargestellt).Der Gedächtnisinhalt (hier der belohnte Duft bzw. der nicht

Im Schatten des historischen Rathauses bestimmen am Sonntag bereits zum 11. Mal Fahrräder das Bild. Foto: Stadt Kalkar0.. März Fachhandel für Türen, Tore und Zargen