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Archiv "KBV-Notprogramm: Protest gegen ein perfides System" (09.08.1999)

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tellt Euch vor, es gibt ein staatliches Budget, und die Ärzte wollen es einhalten.

Da ist plötzlich das Geschrei groß.“

So kommentierte Dr. med. Lothar Krimmel, stellvertretender Haupt- geschäftsführer der KBV, die Aufre- gung um das Notprogramm für die Kassenärzte im Falle einer (drohen- den) Überschreitung des Arzneimit- telbudgets. Ein vorläufiger Entwurf war an die Presse gelangt und hatte für heftige Reaktionen gesorgt.

„Unverantwortlich, vertrauensschä- digend und rechtswidrig“, urteilten die Spitzenverbände der Kranken- kassen. Von einer Geiselnahme der Patienten, schlichter Einkommens- sicherung und einer Entmündigung der Kassenärzte schrieb die Presse.

Der Stein des Anstoßes: Der Entwurf für ein „Notprogramm zur Sicherstellung der Patientenversor- gung mit Arznei- und Heilmitteln“

empfiehlt den Kassenärzten bei dro- hendem Budgetaufbrauch, Generi- ka zu verordnen, eine Warteliste für nicht zwingend notwendige Arznei- und Heilmittel einzuführen, den Einsatz von Schrittinnovationen auf die Zeit nach Beseitigung des Bud- gets zu verschieben und bei hoch- preisigen Therapien die Zweitmei- nung eines anderen Kassenarztes einzuholen. Sollte das Budget tat- sächlich aufgebraucht sein, emp- fiehlt die Entwurfsfassung des Pro- gramms, bis zum Ende des Budget- jahres befristet „Notrezepte“ aus- zugeben, damit sich die gesetzlich

krankenversicherten Patienten pri- vat Kleinpackungen kaufen können.

Über die endgültige Fassung des Programms scheint aber das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Zumindest sagt das KBV-Vorstands- mitglied Dr. med. Jürgen Bausch:

„Ein endgültiges, abgestuftes Not- programm folgt nach einer Analyse der Daten für Anfang 1999.“ Wahr- scheinlich wird die Endfassung En- de August vorliegen. Handlungs- bedarf sieht Bausch allemal: „Wir haben die riesengroße Sorge, daß das Budget in vielen Kassenärztli- chen Vereinigungen nicht ausreicht und daß viele Ärzte materiell bluten müssen.“

Eine angstfreie Therapie ist nicht mehr möglich

Wird das Budget überschritten, haften die Kassenärzte mit ihrem Einkommen bis zu einer maximalen Höhe von fünf Prozent des Über- schreitungsbetrages. „Eine angstfreie Therapie ist für den einzelnen Arzt nicht mehr möglich“, bekräftigt Prof.

Dr. med. Wolfgang Brech, ebenfalls Mitglied im KBV-Vorstand.

Die bisher vorliegenden Zah- len stützen solche Befürchtungen.

Die Arzneimittelausgaben in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind gegenüber dem Vorjahr in allen KVen meist zweistellig gewachsen, im März um 16,5 Prozent im Westen und um 18,5 Prozent im Osten.

Warum – so mag man sich fra- gen – reichen 38,73 Milliarden DM, die in diesem Jahr für Arznei- und Heilmittel zur Verfügung stehen, nicht aus? Vertreter der Kranken- kassen und Gesundheitspolitiker behaupten stets, das Budget sei aus- reichend bemessen.

Bausch wehrt sich gegen solch versteckte Kritik am Verschreibungs- verhalten der Kassenärzte: Der Staat selbst habe zur Ausgabensteige- rung beigetragen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um ein Prozent im letzten Jahr schlage sich auf die Arz- neimittelpreise nieder; zudem seien die Zuzahlungen zurückgefahren und die Regelungen für chronisch Kranke verbessert worden. Erhoffte Einsparungen blieben aus, weil es der Regierung nicht gelungen sei, die Absenkung der Festbeträge und die Arzneimittel-Richtlinien auf ei- ne rechtlich unanfechtbare Basis zu stellen. Außerdem habe die Grippe- welle Anfang des Jahres die Ausga- ben in die Höhe getrieben.

Zu Buche schlägt aber auch der anhaltende Trend bei den Verordnun- gen der Kassenärzte, die zwar weni- ger, dafür aber hochpreisige Arznei- mittel verschreiben. Und das aus gu- tem Grund, findet Bausch. In den letzten drei Jahren habe eine Fülle von Arzneimittelinnovationen den Markt erobert, die der Arzt seinen Patienten nicht vorenthalten könne, darunter atypische Neuroleptika zur Behandlung paranoider Psychosen oder Cholinesteraseinhibitoren zur A-1999

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999 (15)

KBV-Notprogramm

Protest gegen ein perfides System

Das Notprogramm der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für den Fall, daß in diesem Jahr das Arzneimittelbudget nicht

ausreicht, hat viel Staub aufgewirbelt.

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Behandlung der Alzheimerschen De- menz. Für diese medizinisch begründe- te „Ausgabenexplosion“ gebe es kaum Einsparmöglichkeiten. Neben den In- novationen gelten auch verbesserte Therapiestandards, etwa in der Diabe- tesbehandlung, oder Spezialpräparate gegen Krebs oder AIDS als Kosten- treiber: „Sie sind hochpreisig, budget- sprengend, und es gibt keine preiswerte Alternative“, so Bausch. Daß die Pati- enten trotz der hohen Preise und des enormen Budgetdrucks versorgt wer- den, zeigt seiner Ansicht nach, daß die Ärzte ihre Verantwortung ernst neh- men. Das belege auch der stete Rück- gang bei der Verordnung „umstritte- ner“ Arzneimittel, die nur noch einen Marktanteil von 16,1 Prozent hätten.

Hier könne man gar nicht mehr so viel einsparen, daß das Budget eingehalten wird, ist Bausch überzeugt. Dasselbe gelte für die Verordnung von Generika.

Sein Fazit: „Die Zitrone ist ausge- preßt.“ Nun müsse ein politischer Weg gefunden werden, der den Versor- gungsbedürfnissen der Patienten ent- spreche und nicht einer starren Budget- vorgabe, die keine Korrekturfaktoren zulasse – ein perfides System, wie der stellvertretende KBV-Hauptgeschäfts- führer Krimmel meint. Das Argument ist nachvollziehbar: Wie sich Morbidität und Pharmakotherapie entwickeln, läßt sich nur begrenzt vorhersehen.

Keine Zügellosigkeit

Dabei reden die Kassenärzte nicht der ungezügelten Arzneimittel- verordnung das Wort. „Wir akzeptie- ren, daß wir sparen müssen“, sagt KBV-Arzneimittelexperte Brech. Um zu verhindern, daß Ärzte unwirt- schaftlich handeln, seien jedoch Richt- größen das geeignetere Mittel, vor al- lem, weil sie die Ärzte nicht kollektiv, sondern individuell für Überschrei- tungen haftbar machen.

Wie immer das weitere Schicksal des Notprogramms aussieht, es ver- deutlicht zumindest das Dilemma der Ärzte zwischen Versorgungsauftrag und begrenzten Mitteln. Brech: „Wir wollen das Budget nicht vertuschen, die Bevölkerung soll wissen, was die Regierung ihr antut.“ Bausch hofft, daß dieser „Tabubruch“ zum Nach- denken anregt. Heike Korzilius A-2000

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(16) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999

aut Eckpunkteprogramm der Bundesregierung soll eine um- fassende Information und Auf- klärung des Patienten rechtlich veran- kert werden, ebenso ein besserer Pati- entenschutz. Bisher ist das Gesund- heitswesen einseitig auf Leistungser- bringer und Kostenträger ausgerich- tet, Patienten tauchen meist nur als Objekte der Fürsorge auf. Und das, obgleich Patienten nicht nur die größ- te Gruppe im Gesundheitswesen aus- machen, sie sind es auch, um derent- willen das Gesundheitswesen existiert.

In allen Bereichen des Lebens hat oder verlangt der Verbraucher ein Mit- spracherecht – sollte ihm dieses part- nerschaftliche Recht ausgerechnet bei dem wichtigen Gut Gesundheit ver- weigert werden? Natürlich nicht – nur ganz so einfach, wie es klingt, geht es nicht. Die Menschen, die hier mitbe- stimmen wollen, befinden sich in einer Ausnahmesituation, sie sind krank.

Und je ernsthafter die Krankheit ist, je dringlicher der Bedarf an Hilfe, desto mehr verschiebt sich die Balance zwi- schen dem Hilfe suchenden Patienten und dem Hilfe gebenden Arzt.

Viele Patienten sind unzufrieden mit dem, was ihnen die Medizin bietet.

Sie wollen sich als Menschen ernstge- nommen fühlen, nach ihrer Meinung gefragt und in ihrem Kranksein verstan- den werden. Sie erwarten nicht nur eine technisch gute Leistung zur Behebung ihrer Gesundheitsstörung – die zwar auch, aber eben nicht nur. Sie wollen In- formation, Beratung, Orientierung und Mitspracherecht, eine Medizin, in der sie verstanden werden und aufgehoben sind. Das aber bedarf des Gesprächs zwischen Ärzten und Patienten.

Darum geht es beim 1. Koblenzer Patienten-Kongreß am 17. bis 19. No- vember 1999 in der Rhein-Mosel-Hal- le in Koblenz. In Vorträgen und Semi- naren sollen Informationen vermittelt und praktische Handlungsanleitun-

gen gegeben, in Gesprächen und Dis- kussionsrunden das gegenseitige Ver- stehen gefördert werden.

Veranstaltet wird der Kongreß von Kirstins Weg – Verein zur Förde- rung der Krebsmedizin e.V. Nicht von ungefähr ist dieser Verein auf Initiati- ve einer Patientin gegründet worden, der an Krebs erkrankten Kirstin Diehl aus Neuwied. Sie ließ sich auch als Pa- tientin nie zum Objekt machen, wurde selbst aktiv, kümmerte sich um die Be- schaffung von Mitteln für die Krebs- forschung und regte die Gründung ei- nes Fördervereins an. Dieser hat den satzungsgemäßen Auftrag, die patien- tenorientierte Krebsforschung, das Modell einer offenen Medizin und Programme zur Verbesserung von Stellung, Kompetenz und Orientie- rung von Patienten zu unterstützen.

Kompetenz durch Beratung

In einer solchen Medizin erhält Patientenberatung die ihr zustehende zentrale Bedeutung. Diese Beratung beinhaltet an erster Stelle richtiges Zuhören, aber auch Sachinformation und Orientierung. So beraten ent- wickelt sich der kompetente Patient, der sich selbst aktiv um seine Gesund- heit bemüht und zugleich dem Arzt vertrauen kann – nicht blind, wie es so häufig geschieht, sondern sehend und wissend.

Im Mittelpunkt des Kongresses steht somit der Patient – doch die Zie- le dieses Patienten-Kongresses lassen sich nur erreichen, wenn Patienten und Ärzte das Gespräch miteinander aufnehmen. Elisabeth Pflanz

Programm und weitere Informationen Kongreßsekretariat, Monika Öttl, Kirstins Weg – Verein zur Förderung der Krebsmedizin e.V., Theodor-Heuss-Straße 90, 56564 Neu- wied, Tel 0 26 31/5 34 99, Fax 0 26 31/95 86 92, E-Mail: contact@kirstins-weg.de

Kommunikation in der Medizin

Patient im Mittelpunkt

Das Modell einer offenen Medizin

wird auf einem Patientenkongreß thematisiert.

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