Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Befreiung von der Gurttragepflicht
Schädigung primär der Arteria ca- rotis kommen könnte. Allerdings könnte durch Veränderungen im Fahrzeuginnern der Gurt auch so angebracht werden, daß die Hals- region des Fahrers frei bleibt.
Nachteilige Auswirkungen des Gurttragens bei Unfällen unter 1 Prozent
Von seiten der klinischen Medizin wird immer wieder über Verletzun- gen gurtgeschützter Pkw-Insassen berichtet. Genannt werden hierbei typische gurtbedingte Verletzun- gen, d. h. solche, die eindeutig der direkten Einwirkung des Sicher- heitsgurtes während des Unfallge- schehens zuzuordnen sind (6). Un- bestritten gibt es auch Verletzun- gen durch den Gurt selbst. Es hat sich allerdings gezeigt, daß bei den meisten der unter 1 Prozent liegenden Fälle die Verletzungen nur deshalb entstanden waren, weil die Gurte fehlerhaft angewen- det worden waren. Die Untersu- chungen der Autoversicherer der Bundesrepublik Deutschland ha- ben ergeben, daß die Gefahr nach- teiliger Auswirkungen des Gurtes bei 0,2 bis 0,6 Prozent liegt. Diese Feststellungen werden durch Un- tersuchungen des Instituts für Rechtsmedizin in München, das zu einem Ergebnis von 0,7 Prozent kam, bestätigt. Eigene Untersu- chungen konnten nachweisen, daß neben der fehlerhaften An- wendung des Gurtes äußere Um- stände zum Tode von Pkw-Insas- sen führten (7). Niemand, der aller Wahrscheinlichkeit nach ohne Si- cherheitsgurt unverletzt geblieben wäre, erleidet durch richtig ange- legte Gurte Verletzungen. Somit scheidet grundsätzlich ein Verlet- zungsrisiko als Grund für ein Gurt- dispens aus.
In jedem Falle sollte bei der Anfra- ge eines Patienten bezüglich der Ausstellung einer ärztlichen Be- scheinigung zur Befreiung von der Anlegepflicht, diese nicht unbe- denklich erteilt werden, sondern eher versucht werden, den Betref- fenden von der Schutzwirkung der
Gurte zu überzeugen und ihn an- zuregen, durch technische Ände- rungen am Gurtsystem einen eventuell störenden Einfluß besei- tigen zu lassen.
Neben dem Techniker ist es wohl der Arzt, der an Hand praktischer Erfahrungen und wissenschaftli- cher Erkenntnisse die überzeu- gendsten Argumente für die Be- nutzung des Sicherheitsgurtes ,vortragen kann (2). Durch eine Steigerung der Anlegequote könn- te nicht nur im Einzelfall ein hoher individueller. sondern . ganz allge- mein auch ein erheblicher volks- wirtschaftlicher Vorteil erreicht werden. Jeder Prozentpunkt, um den die Anlegequote über das bis- herige Maß hinaus gesteigert wer- den konnte, würde aus gesamt- wirtschaftlicher Sicht einen Nut- zenzuwachs von rund 13 Millionen DM erbringen. Umgekehrt ist zu bedenken, daß ein Absinken der Anschnallquote um nur 1 Prozent rund 40 Unfalltote mehr pro Jahr bedeutet.
Literatur
(1) Krueger, R.; Anselm, D.; Beier, G.; Präner, H. W.; Wolf, H.: Herzschrittmacher und Sicher- heitsgurt, Langenbecks Arch. Chir. 347 (1978) 367 — (2) Luff, K.: Die Anlegepflicht von Sicher- heitsgurten aus medizinischer Sicht, Referat 12. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar, 24./25.1. 1974 — (3) Marburger, E. A.; Krupp, R.; Löffelholz, H.: Internationale Erfahrungen mit der Anlegepflicht, Bundesanstalt für Stra- ßenwesen, Köln (1981)— (4) Ott, H.: Zur Befrei- ung von der Gurt- und Helmpflicht kraft ärztli- chen Zeugnisses, Schweiz. Ärztezeitung 62 (1981) 1937 — (5) Rot, A.: Medizinische Ausnah- men für Gurt und Sturzhelm, ARBO-Verkehrs- jurist 18 (1982) Nr. 57-60 — (6)Schmitt, E. J.:
Augenverletzungen durch Verkehrsunfälle, Fortschr. Med. 100 (1982) 1342 — (7) Sefrin, P.:
Verletzungen von Pkw-Fahrern bei ungenü- gender Fixation durch Sicherheitsgurte, Chir.
praxis 21 (1976) 97 — (8) Spann, W.: Ausnahme von der Gurtpflicht, Notfallmed. 8 (1982) 690 — (9) Walz, F.; Hartmann, H.: Dispensationen vom Gurt- und Helmtrageobligatorium aus ärztlicher Sicht, Schweiz. Ärztezeitung 62 (1981) 1861 — (10) — Erteilung von Ausnahme- genehmigungen von der Gurtanlege- und Schutzhelmtragepflicht (Nr. 214). VkBI. (1976) 437
Anschrift des Verfassers:
Privatdozent Dr. med. Peter Sefrin Institut für Anaesthesiologie der Universität Würzburg
Josef-Schneider-Straße 2 8700 Würzburg
FÜR SIE GELESEN
Schwangerschafts- spezifische Hormone in Brustdrüsenexzidaten
Vor einigen Jahren wurde der Nachweis von schwangerschafts- spezifischen Hormonen (Human placental lactogen and Beta-Gly- coprotein) in Brustdrüsenkarzino- men erbracht. Vielfach wird ange- nommen, daß Karzinomträgerin- nen mit positivem Nachweis signi- fikant schlechtere Überlebens- chancen haben.
Die Untersuchungen von Prechtel und Mitarbeitern widersprechen dieser Behauptung jedoch: Es fand sich keine Korrelation zwi- schen der Produktion schwanger- schaftsspezifischer Proteine und der Überlebenszeit beim Mamma- karzinom.
Darüber hinaus zeigte eine syste- matische Analyse von unter- schiedlichen Mastopathieformen, daß der Nachweis ektopischer Schwangerschaftshormone auch keine Hilfe bei der Suche nach risi- kogefährdeten Mastopathien ist:
Zwar ließ sich in 12 von 65 Masto- pathien mit atypischer intradukta- ler Epithelproliferation ein positi- ver Nachweis erbringen, die exak- te histologische Analyse zeigte je- doch, daß keinesfalls die atypi- schen Epithelzellen positiv waren, sondern regelrechte Ductus- epithelien und oxyphiles Zysten- epithel.
Darüber hinaus ergaben die Unter- suchungsergebnisse, daß der ek- topische Hormonnachweis nicht Mammatumor-spezifisch ist, son- dern auch bei einzelnen Karzi- nomformen am Genitale gelingt.
Fazit: Die Darstellung von ektopi- schen Schwangerschaftshormo- nen ist keine Hilfe bei der Selektie- rung risikogefährdeter Mastopa- thien. res
Prechtel, K.; Eiermann, W., Groh, M.; Brütting, G., und Högel, B.: Ein Beitrag zur Bewertung des Nachweises von schwangerschaftsspezifi- schen Hormonen (Human Placental Lactogen and Beta-1-Glycoprotein) in Brustdrüsenexci- daten bei Mastopathie und Mammacarcinom, Der Pathologe (1983) Nr. 4,12-16
52 Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A