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Überblick
1. Möglichkeiten der gesetzlichen Vorsorge 2. Organisation der Palliativversorgung
• AAPV (allgemeine ambulante Palliativversorgung)
• SAPV (spezialisierte ambulante Palliativversorgung)
• Hospiz
• Palliativstationen 3. Palliative Pflege
• Kompetenzen
• Weiterbildungsmöglichkeiten
Fallbeispiel A
• Frau M. 78 Jahre alt verwitwet, lebt alleine in einem Einfamilienhaus am Rande der Stadt
• Sie leidet seit Jahren unter einem multiplen Myelom und hat bereits mehrfach eine Chemotherapie erhalten, die beim letzten Mal nicht gut angeschlagen hatte
• Sie hat zwei Kinder, die mit ihren Familien ebenfalls in der Stadt wohnen und regen Kontakt mit ihr haben
• Frau M. litt in den letzten Wochen
• Abgeschlagenheit
• Erschöpfung
• Kopfschmerzen
• Nasenbluten
• Blasenbeschwerden
• Appetitlosigkeit
• Husten mit leichtem Fieber
• Kinder informierte sie nicht
• Familienbesuch vor drei Wochen: Zustand so verschlechtert, dass sie notfallmäßig ins Krankenhaus kam
• Harnwegsinfekt und Pneumonie diagnostiziert und antibiotisch behandelt
• Zustand verschlechterte sich rapide
• Aufnahme auf die Intensivstation
• Intubation
• Dialysepflicht
• Beatmungsentwöhnung noch nicht erfolgreich
• Zustand seit drei Wochen
Haben Sie ein Bild vor Augen?
Fragen:
Wie würden Sie die Situation von Frau M. aus Ihrer Fachlichkeit einschätzen?
Welche Gedanken/Gefühle treten bei diesem Beispiel bei Ihnen auf?
Welche Informationen fehlen Ihnen?
1. Möglichkeiten der gesetzlichen Vorsorge
Wichtig Regelungen zu treffen, wenn durch Unfall, Krankheit oder Behinderung die Angelegenheiten nicht mehr selbst geregelt werden können, denn:
„In unserem Recht haben nur Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern ein umfassendes Sorgerecht und damit die Befugnis zur
Entscheidung und Vertretung in allen Angelegenheiten“
(vgl. Betreuungsrecht; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz)
Patientenverfügung
Entscheidung, ob und wie in bestimmten Situationen einen ärztliche Behandlung erfolgen soll
Krankheitszustände als auch der Wille müssen konkret beschrieben werden
Widerruf jederzeit möglich
Gültigkeit nur, wenn der eigene Wille nicht mehr geäußert werden kann
Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass eine Patientenverfügung nicht Bedingung für einen Vertragsabschluss (z.B. Pflege-oder
Betreuungsleistungen) ist
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Formulare/Patientenverfuegung_Textba usteine_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=9
Betreuungsverfügung
Wunsch wird schriftlich festgelegt, wer ggf. als Betreuer ernannt werden soll
Betreuer erlangt die erforderliche Vertretungsmacht durch die gerichtliche Bestellung
Betreuer wird regelmäßig vom Gericht kontrolliert
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Formulare/Betreuungsverfuegung.pdf?__blo b=publicationFile&v=12
Vorsorgevollmacht/Betreuungsvollmacht
Vertretungsmacht in allen Rechtsgeschäften, wenn diese deutlich formuliert wurden
Vorsorgevollmacht kann sich auf einen oder mehrere Lebensbereiche beziehen
Vollmacht für Gesundheitsangelegenheiten
…[…]
Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers ist Voraussetzung
Vorsorgevollmachten haben keine Formvorschriften
Abfassung sollte aus Gründen der Klarheit und Beweiskraft schriftlich erfolgen
Vollmacht muss nicht notariell unterschreiben werden
• Ausnahme bei Immobilien
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Formulare/Vorsorgevollmacht.pdf?__blob=p ublicationFile&v=21
Patientenverfügung/Betreuungsvollmacht
Welche Gedanken/Fragen/Probleme sehen Sie?
15 Minuten
Spirituelle Verfügung
Von Franco Rest
• Ist ein deutscher Sterbebeistands- und Ethikforscher
• „Vater“ der deutschen Hospizbewegung
• Gestaltungsmöglichkeiten im Sterbeprozess
• Ergänzung zur Patientenverfügung
Auf der Seite des Johannes-Hospiz in Münster:
https://www.johannes-hospiz.de/cms/upload/pdf/2020/2020_Spirituelle_Verfuegung_Web.pdf
2. Organisation der Palliativ Versorgung
1. Lesen Sie den Text „Was bedeutet palliativ?“
2. Welches Verständnis von Palliativ Care/Palliativversorgung kommt in dem Text zum Ausdruck?
Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) von 2015
• Palliativversorgung ausdrücklich Bestandteil der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
• Steigerung der Qualität der Palliativversorgung
• Zusatzqualifikation der Haus- und Fachärzte
• Förderung der Netzwerkarbeit
• Stärkung der Palliativversorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege
• Mindestzuschuss pro Tag der Krankenkassen für Hospize je betreutem Versicherten erhöht. ( 267,75 Euro in 2017)
• Krankenkassen tragen 95 Prozent der zuschussfähigen Kosten
(vgl. bmg)
Möglichkeiten der palliativen Versorgung
I. Palliativversorgung als Regelleistung der Krankenversicherung ( § 27 Abs. 1, SGB V) zum Beispiel durch einen ambulanten Pflegedienst
II. Hospiz- und Palliativberatung durch die Krankenkassen (§ 39 b, SGB V) III. Allgemeine ambulante Palliativversorgung = AAPV (§132 g, SGB V)
IV. Spezialisierte ambulante Palliativversorgung = SAPV (§ 37b, SGB V) V. Stationäre und ambulante Hospizleistungen (§ 39a, SGB V)
VI. Sterbebegleitung als Regelleistung der Pflegeversicherung (§ 28 , § 75 SGB XI)
Palliativversorgung als Regelleistung der Krankenkasse (§ 27, SGB V)
• Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern
• Krankenbehandlung beinhaltet auch die palliative Versorgung der Versicherten
Hospiz- und Palliativberatung durch die Krankenkasse
• Beratung und Hilfestellung zu den Leistungen der Hospiz- und Palliativversorgung
• Nennung von Ansprechpartner der regional verfügbaren Beratungs- und Versorgungsangebote
• Hilfestellung bei der Kontaktaufnahme und Leistungsinanspruchnahme
• Information zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Allgemeine ambulante Palliativversorgung
• Lebensqualität und die Selbstbestimmung von Palliativpatienten so weit wie möglich zu erhalten, zu fördern und zu verbessern
• Menschenwürdiges Leben bis zum Tod in der gewohnten Umgebung
• Palliativversorgung, die von Leistungserbringern der Primärversorgung (Haus- und Fachärzten sowie den ambulanten Pflegediensten) mit
palliativmedizinischer Basisqualifikation erbracht werden kann
• Großteil der Palliativpatienten, die medizinische und pflegerische
Versorgung benötigen, kann auf diese Weise ausreichend versorgt werden
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
Ziel:
• Betreuung im häuslichen und familiären Umfeld auch schwerstkranken
Menschen zu ermöglichen (Versicherte in stationären Pflegeeinrichtungen ebenfalls Anspruch)
• Lebensqualität und Selbstbestimmung schwerstkranker Menschen zu erhalten
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
Inhalt:
• SAPV umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen einschließlich ihrer Koordination insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle
• SAPV wird ausschließlich von Leistungserbringern erbracht, die in einer interdisziplinären Versorgungsstruktur, bestehend aus qualifizierten Ärzten und Pflegefachkräften unter Beteiligung der ambulanten Hospizdiensten organisiert sind.
• SAPV beinhaltet:
Beratungsleistung, Koordination der Versorgung, unterstützende Teilversorgung, vollständige Versorgung
• SAPV wird bei Bedarf intermittierend oder durchgängig erbracht
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
Voraussetzungen:
• Bedarf einer besonders aufwändigen Versorgung, die nach dem
medizinischen und pflegerischen Erfordernissen auch im häuslichen oder familiären Umfeld durchgeführt werden können.
• Versicherte hat einen Anspruch auf eine SAPV, wenn eine nicht heilbare, fortschreitende und so weit fortgeschrittene Erkrankung besteht, bei der die Lebenserwartung begrenzt ist.
• Bedingung für den Erhalt der SAPV ist, dass eine begründete ärztliche Einschätzung vorliegt, dass die Lebenserwartung auf Tage, Wochen oder Monate gesunken ist.
Fallbeispiel B
• Sehen Sie anhand Ihres Wissens die Möglichkeit, dass Frau B. in ihr häusliches Umfeld gehen konnte?
• Wenn ja, welche Maßnahmen mussten ergriffen werden?
• Wenn ja, welche professionelle und personelle Unterstützung war erforderlich?
• Wie hätte ein Hilfeplan aussehen können?
45 Minuten
Fallbeispiel B
So war es:
• Pflegebett wurde nach Hause geliefert
• Pflegedient morgens und abends zur Körperpflege, Heparingabe
• Medikamentengabe, Tag- und Nachtbereitschaft durch die Angehörigen
• Symptomkontrolle durch ambulanten Hospizdienst
• Beratung der Angehörigen (Möglichkeit von Nachtwache, Finanzierung)
• Kontaktaufnahme zum Hausarzt, Rufbereitschaft Palliativarzt
• Dauerkatheter belassen
• Infusion abgesetzt
• Entlassung am Samstag
Fallbeispiel B
So war es:
• Führung einer Schmerzkurve durch die Angehörigen
• Palliativkraft nahm noch am Wochenende aufgrund unzureichender Schmerzeinstellung Kontakt zum Palliativarzt
• Wochenende erfolgte Schmerzeinstellung durch erhöhte Cortisongabe
• Täglicher Hausbesuch + Telefonat durch Palliativarzt
• Schmerzspitzen legten sich in den folgenden Tagen
• Entspannung, Stabilisierung, Nachtwachen durch ambulanten Dienst
• Einige Wochen später nächtlicher Zwischenfall
• Einweisung in das Krankenhaus (Nachtwachen waren nicht informiert über Rufbereitschaft)
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
Finanzierung:
• Einzelheiten der Versorgung insbesondere der Vergütung einschließlich der Abrechnung schließen Krankenkassen nach § 132d Abs. 1 SGB V Verträge mit geeigneten Leistungserbringern.
Genehmigung:
• Leistung ist von einem Vertragsarzt oder Krankenhausarzt zu verordnen
• Krankenkasse/MDK überprüfen anhand der Begutachtungsanleitung zur SAPV des GKV-Spitzenverbandes die Voraussetzungen zur Genehmigung oder Ablehnung
• Begutachtungsanleitung ist verbindlich für die Kassen und den MDK
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
Dauer der verordneten SAPV:
• Ausstellung durch Krankenhausarzt = 7 Tage
• Folgeverordnung durch Vertragsarzt
• Beratungsleistung bis zu 7 Tagen
• Beratungs- und Koordinationsleistung 7 bis 14 Tage
• Teilversorgung 28 Tage
• Vollversorgung 28 Tage
Ablauf der SAPV Genehmigung
Liegt eine ärztliche
Verordnung vor? XOR Liegt nicht vor Zurück zur Kasse
Liegt vor
Reichen die vorliegenden Informationen aus?
XOR Reichen nicht aus
Informationen vervollständigen (z .B.Befundanforderung)
Reichen aus
Besteht eine nicht heilbare, fortschreitende und fortgesch rittene Erkran ku ng, d ass
die Leben serwartung Tage, Wochen oder Monate ist?
XOR Besteht nicht
Besteht
Ist eine SAPV
erforderlich? XOR SAPV Genehmigung
Nich t erforderlich
Erforderlich
Alternative Verso rgungsform empfehlen!
(AAPV, häus liche Kran kenp flege)
Stationäre und ambulante Hospizleistungen
• Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen,
• Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann
• Anspruch auf einen Zuschuss zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen
• Krankenkasse hat ambulante Hospizdienste zu fördern
• Pflegefachkräfte mit/ohne Palliativ Care Weiterbildung
• Ehrenamtliche und geschulte Mitarbeiter
Stationäre Hospizleistung
Film: Jeder Tag ist ein Geschenk – Leben und Sterben im Hospiz
Was sind die Besonderheiten eines Hospizes?
Was sind die Voraussetzungen, um in ein Hospiz aufgenommen zu werden?
Ablauf der Hospizgenehmigung
Liegt ein Antrag des Versicherten und eine ärztliche Notwendigkeits-
bescheinigung vor?
Liegt nicht vor Zurück zur Kasse
XOR
Liegt vor
Reichen die vorliegenden Informationen aus?
XOR Reichen nicht aus
Informationen vervollständigen (z .B.Befundanforderung)
Reichen aus
Liegen die Vorauss etzungen zur station ärer Hospizversorgung
vor?
XOR Bestehen nicht
Bestehen
Voraussetz ungen
bestehen XOR Hosp iz Gen ehmigung
Nich t erforderlich
Erforderlich
Alternative Verso rgungsform empfehlen!
(AAPV, häus liche Krankenpflege, ambulanter Hospizdienst)
Palliativstation
• Versorgungseinheit palliativmedizinischer/-pflegerischer Fachrichtung an einem Krankenhaus bzw. einem Palliativzentrum.
• Unterscheidung von den meisten anderen Bettenstationen durch eine wohnlichere Gestaltung und einen höheren Personalschlüssel
• Personal verfügt außerdem über besondere Qualifikationen in der Palliative Care
• Behandlung akuter Symptome und Komplikationen bei unheilbar erkrankten Menschen
„ Solange ein Mensch stirbt, lebt er noch, und in dieser Situation bleibt noch vieles
zu tun – auch wenn nichts mehr zu machen ist“
(Arne Manzeschke)
Weiterbildung Palliative Care
• Curriculum Palliative Care von M. Kern, M. Müller und K. Aurnhammer
• Teilnehmer benötigen eine dreijährige Ausbildung mit einem staatlichen Examen in Gesundheits- und Krankenpflege/Altenpflege.
• Empfohlen ist eine mindestens zweijährige Berufserfahrung.
• In Einzelfällen können auch Angehörige anderer Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen zum Kurs zugelassen werden
• Zertifizierung und von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DPG) anerkannt
• Weiterbildungsadressen unter:
https://www.dgpalliativmedizin.de/allgemein/weiterbildung-fuer-pflegekraefte.html
Weiterbildung Palliative Care
Schwerpunkte
• Grundlagen und Anwendungsbereiche der Palliativmedizin und Hospizarbeit
• Medizinisch-Pflegerische Aspekte
• Psychische und Soziale Aspekte
• Ethische Aspekte
• Spirituelle und kulturelle Aspekte
• Aspekte der Teamarbeit und Selbstpflege
• Qualitätssicherung
• Lernkontrolle und Reflexion
Palliativmedizinisches Basisassessment
• OPS-Katalog aufgenommen
• Erfassung von:
• Symptomintensität
• Psychosozialer Belastung
• Selbsthilfefähigkeit
• Soziale Situation/Einbindung
• Alltagskompetenz
(vgl. DGP)
Literatur
M. Henkelmann: Palliative Pflegeüberleitung-Koordinierte pflege von Menschen mit terminalen Erkrankungen. Huber Verlag
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin: https://www.dgpalliativmedizin.de C. Knipping: Lehrbuch Palliative Care. Huber Verlag
Hospiz und Palliativgesetz im Bundesanzeiger:
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl115s 2114.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl115s2114.pdf%27%5D__159913 4654913
Begutachtungsanleitung SAPV und stationäre Hospizversorgung: https://www.mds-
ev.de/uploads/media/downloads/BGA_SAPV_stat_Hospizversorgung_190204_01.PDF Thomas Sippe: Die Pflegetipps-Palliative Care,
https://www.palliativstiftung.de/fileadmin/user_upload/2016-01- 22_die_pflegetipps_fuenfzehnte_auflage.pdf