P A T I E N T E N Z E I G E B U C H
Rheumatoide
Arthritis
Vorwort der Autoren
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Die Entwicklung von neuen Medikamenten, welche den Verlauf der rheumatoiden Arthritis günstig beeinfl ussen, hat die Behandlung dieser potentiell invalidisierenden chronisch- entzündlichen rheumatischen Erkrankung revolutioniert. Gleichzeitig hat die dokumentierte Wirkung einzelner dieser Präparate geholfen, die Entstehung dieser Krankheit
besser zu verstehen. Patienten den Wirkmechanismus dieser Medikamente zu erklären, ist angesichts der Komplexität des Immunsystems und
der Vielzahl der zur Verfügung stehenden immunsuppressiven Basis- thera peutika eine Herausforderung. Das vorliegende Zeigebuch
soll die Arzt-Patienten-Zusammenarbeit unterstützen, indem es in Wort und Bild die Grundlagen der Pathogenese, sowie die verschiedenen Basistherapeutika und die einzelnen Wirkmecha nismen veranschaulicht.
Die Autoren
Prof. Dr. med. Beat A. Michel Klinikdirektor
Klinik für Rheumatologie UniversitätsSpital Zürich Dr. med. Caroline Moser
Abteilung für Rheumatologie Luzerner Kantonsspital PD Dr. med. Adrian Ciurea
Leitender Arzt
Klinik für Rheumatologie UniversitätsSpital Zürich
Rheumatoide Arthritis
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 4Verbreitung
In Europa und Nordamerika leidet ca. 1 % der Bevölkerung an einer rheumatoiden Arthritis, wobei Frauen etwa dreimal häufi ger betroffen sind als Männer. Am häufi gsten tritt die Erkrankung im 5. und 6. Lebensjahrzent auf.
Ursachen
Die rheumatoide Arthritis ist eine multifaktorielle Erkrankung, an deren Entstehung sowohl genetische als auch Umwelt-Faktoren (insbesondere das Rauchen, allenfalls Infektionen) beteiligt sind. Die Konkordanzrate für die Erkrankung ist bei monozygoten Zwillingen 15 bis 30 % (bei dizygoten Zwillingen 5 %). Das Synovium, die innere Membran der zweischichtigen Gelenkkapsel, ist der Hauptschauplatz des Krankheitsgeschehens. Dort entsteht in einer komplexen Interaktion zwischen Zellen und löslichen Botenstoffen eine entzündliche Reaktion. Auslöser der Entzündung ist eine Autoimmun- reaktion. Die Aktivierung von Immunzellen und Freisetzung von Botenstoffen (Zytokinen) löst eine komplexe Entzündungskaskade aus. Diese wiederum führt bei längerem Anhalten zu einer Zerstörung des Gelenkknorpels und des darunter liegenden Knochens und dadurch zu einer Zerstörung des betroffenen Gelenkes.
a
d
e e
d b
c
Normales Gelenk
a Gelenkkapsel
b Synovium
c Synoviozyten
d Knochen
e Knorpel
Polyarthrite rhumatoïde
Klinik Rheumatoide Arthritis
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 6Klinisches Bild / Diagnose
Die Erkrankung beginnt schleichend mit Gelenkschmerzen und meist auch einer Morgensteifi gkeit der Gelenke. Die Patienten fühlen sich häufi g müde und abgeschlagen, haben weniger Appetit und verlieren allenfalls etwas Gewicht.
Die Gelenke der Hände und Füsse sind am häufi gsten betroffen. Der Arzt kann in der körperlichen Untersuchung durch Druck auslösbare Schmerzen und Schwellungen (Synovitiden) an den Gelenken feststellen. Ein Ultraschall der Gelenke kann bei der Frühdiagnostik äusserst hilfreich sein.
Verlauf / Prognose
Sowohl der Verlauf als auch der Schweregrad der rheumatoiden Arthritis ist äusserst variabel. So kann die Erkrankung einerseits auf die Gelenke
(und Sehnen) beschränkt bleiben, andererseits mit den Jahren auch andere Organe wie Lunge, Herz, Gefässe, Haut oder Augen befallen.
Der Schweregrad reicht von einem beschwerdearmen, die Gelenke nicht zerstörenden Verlauf bis zu einem schwer behandelbaren, hochaktiven, die Gelenke zerstörenden und verformenden Verlauf.
Frühstadium der rheumatoiden Arthritis mit Schwellungen der Fingergrund- und der Fingermittelgelenke.
Beginnende Deformation der Fingergelenke (Kleinfinger der rechten Hand). Zerstörung der Hand- und Fingergelenke im Röntgenbild.
Progrediente Zerstörung der Gelenke, sowie Auftreten von Rheumaknoten.
Rheumatoide Arthritis
Krankheitsentstehung der Rheumatoiden Arthritis
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 8Krankheitsentstehung
Das Synovium ist der Hauptort für die Entstehung und auch für die Progression der rheumatoiden Arthritis. Eine Hyperplasie der synovialen Zellen 1 , eine dysregulierte Immunreaktion und die nachfolgende Entzündung des Synoviums sind dafür verantwortlich. Die Entzündungskaskade wird einerseits durch direkten Zell-Zell-Kontakt von eingewanderten Immunzellen, andererseits durch lösliche Botenstoffe (Zytokine) vorangetrieben. T-Zellen 2 gehören zur
adaptiven Immunität und werden via Kontakt mit Antigen-präsentierenden Zellen 3 aktiviert. Die anschliessende komplexe Interaktion zwischen T-Zellen und B-Zellen 4 führt via Co-Stimulation zu einer Aktivierung und Differen- zierung von B-Zellen zu Plasmazellen 5 . So entsteht eine Autoimmunität gegen Citrullin-enthaltende Eigenproteine und Bildung von Autoantikörpern
(6 ; Rheumafaktoren, anti-CCP-Antikörper). Immunkomplexe aktivieren ihrer- seits unspezifi sche Zellen des angeborenen Immunsystems, wie Monozyten und Makrophagen 7 , welche eine Vielzahl von pro-infl ammatorischen Zytokinen produzieren (insbesondere Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF) 8 und
Interleukin-6 (IL-6) 9 . In diesem entzündlich veränderten Mikro-Milieu kommt es zu einer Aktivierung von Synoviozyten zu synovialen Fibroblasten 1 ,
welche proliferieren, Zytokine sezernieren und Gewebe-zerstörende Matrix- metalloproteinasen 10 produzieren. Auch Chondrozyten 11 im Knorpel und Osteoklasten 12 im Knochen werden aktiviert.
Der adaptive Teil des Immunsystems
T-Zelle
B-Zelle
Plasmazelle Autoantikörper
Immunkomplexe
Antigen-präsentierende Zelle
3
2
5
7
9
6 8
8 1
11
10
12 12
4
1 Synoviale Fibroblasten
2 T-Zelle
3 Antigen-präsentierende Zelle
4 B-Zelle
5 Plasmazelle
6 Autoantikörper Immunkomplexe
7 Makrophage
8 Interleukin-6
9 Tumor-Nekrose-Faktor
10 Matrixmetalloproteinasen
11 Chondrozyten
12 Osteoklast
Normal Rheumatoide Arthritis
Genèse de la maladie
Basismedikamente (DMARDs)
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 10Synthetische Basistherapeutika
Biotechnologische Basistherapeutika (Biologika)
Konventionelle Synthetische Basistherapeutika
Gezielte Synthetische Basistherapeutika
Original-Biologika Äquivalente Biologika
= Biosimilars Methotrexat
Lefl unomid Sulfasalazin
Hydroxychloroquin
Tofacitinib Abatacept
Rituximab Tocilizumab TNF-Hemmer:
– Adalimumab – Certolizumab – Etanercept – Golimumab – Infl iximab
Konventionelle synthetische Basismedikamente (DMARDs)
Methotrexat
Wirkmechanismus: Methotrexat wird aktiv ins Zellinnere transportiert. Dort hemmt es einerseits Folsäure-abhängige Enzyme, die insbesondere für die Purinbiosynthese und somit für die Zellvermehrung erforderlich sind. Andererseits hemmt Methotrexat auch die Produktion von ent zündungs-fördernden Zytokinen (Botenstoffen)
und regt zugleich die Synthese von anti-entzündlichen Botenstoffen an.
Lefl unomid
Wirkmechanismus: Lefl unomid ist ein selektiver Inhibitor der Pyrimidin synthese und hat somit wie Methotrexat einen hemmenden Einfl uss auf die Zellvermehrung.
In höheren Dosen blockiert es zudem Tyrosinkinasen, welche für das intrazelluläre Signalling der B- und T-Zellen wichtig sind. Des Weiteren übt auch Lefl unomid einen hemmenden Effekt auf entzündungs- fördernde Botenstoffe (u. a. TNF-alpha und IL-1) aus.
Sulfasalazin Salazopyrin EN
®Wirkmechanismus: Sulfasalazin entfaltet mehrere immunmodulatorische Wirkungen wie Verminderung der B-Zellfunktion, Hemmung einzelner entzündungs-
fördernder Botenstoffe (u.a. TNF-alpha und IL-1) sowie Hemmung der Chemotaxis und der Degranulation von Neutrophilen.
Hydroxychloroquin Plaquenil
®Wirkmechanismus: Hydroxychloroquin führt zu einem Anstieg des intra lysosomalen pH-Wertes in Makrophagen und damit zu einer Hemmung der dort lokalisierten sauren Phosphatase. Dies wiederum bewirkt eine verminderte Antigenpräsentation, Zytokinproduktion und Granulozyten-Migration.
Sulfasalazin
Methotrexat, Lefl unomid
Antigen-präsentierende Zelle
T-Zelle
B-Zelle
Plasmazellen
Rheumafaktoren anti-CCP-Antikörper
—
—
—
—
Médicaments de base synthétiques conventionnels (DMARD)
Gezielte synthetische Basismedikamente
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 12Tofacitinib Xeljanz ®
Wirkmechanismus: Tofacitinib ist ein nicht-selektiver Hemmer von Janus- Kinasen (JAK1, JAK2, JAK3, Tyk2), welche als Zelloberfl ächenrezeptor-
Tyrosinkinasen die intrazelluläre Signalübermittlung durch Zytokinrezeptoren blockieren. Das chemisch hergestellte Präparat verhindert die nachfolgende Phosphorylierung von STAT-Proteinen und deren Translokation in den Zellkern. Somit wird die Zytokin-induzierte Transkription unterschiedlicher Gene blockiert. Dies führt zu einer verminderten Aktivierung, Proliferation und Funktion von Lymphozyten.
Zytokin
Zytokinrezeptor
T-Zelle
Zellkern
STAT STAT
STAT
P
P
JAK JAK
Transkription
Tofacitinib
—
Médicaments de base synthétiques ciblés
Abatacept Rituximab Tocilizumab TNF-Hemmer
Wirk mechanismus Hemmung Co-Stimulation Hemmung B-Zellen Hemmung Interleukin-6-Rezeptor Hemmung TNF-alpha
Handelsname Orencia ® Mabthera ® Actemra ® Siehe unten
Struktur
Dosierung i.v.: Induktion 500–1000 mg (Gewichts- adaptiert)
in Woche 0, 2, 4, danach 500–1000 mg alle 4 Wochen;
s.c.: 1 × 125 mg / Woche
2 Infusionen zu je 1000 mg im Abstand von 2 Wochen;
Nachfolge-Infusion bei Bedarf (Evaluierung nach 24 Wochen)
i.v.: 8 mg / kg alle 4 Wochen;
s.c.: 1 × 162 mg / Woche
Darreichungs formen subkutan
(Fertigspritze 125 mg / 1 ml), intravenös (Infusionslösung)
intravenös (Infusionslösung)
subkutan
(Fertigspritze 162 mg / 0,9 ml);
und intravenös (Infusionslösung)
Übersicht Biologika
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 14TNF-Hemmer
Adalimumab Certolizumab Pegol Etanercept Golimumab Infl iximab
Handelsname Humira ® Cimzia ® Enbrel ® Simponi ® Remicade ®
Struktur
Dosierung 40 mg alle 2 Wochen Bei Monotherapie Dosiserhöhung auf 40 mg / Woche möglich
Induktion:
400 mg in Woche 0, 2, 4, danach 200 mg alle 2 Wochen oder 400 mg alle 4 Wochen
1 × 50 mg / Woche 1 × 50 mg / Monat 3 mg / kg in Woche 0, 2, 6; danach 3 mg / kg alle 8 Wochen
Darreichungs formen subkutan
(Fertigspritze 40 mg / 0,8 ml, Fertigpen 40 mg / 0,8 ml)
subkutan
(Fertigspritze 200 mg / ml)
subkutan
(Fertigspritze 25 mg / 0,5 ml und 50 mg / ml,
Fertigpen 50 mg / ml, Injek- tionslösung 25 mg / ml)
subkutan
(Fertigspritze 50 mg / 0,5 ml und 100 mg / ml,
Fertigpen 50 mg / 0,5 ml und 100 mg / ml)
intravenös (Infusionslösung)
Stand der Fachinformationen des Arzneimittel-Kompendiums der Schweiz Dezember 2014; detaillierte Informationen siehe www.swissmedicinfo.ch
Biologiques
Biologika
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 16Abatacept Orencia ®
Wirkmechanismus: lösliches Fusionsprotein (aus CTLA-4 und Fc-Teil von IgG), welches die co-stimulatorischen Moleküle CD80 und CD86 auf Antigen-
präsentierenden Zellen bindet. Die Interaktion von CD28 auf den T-Lymphozyten mit CD80/86 auf den Antigen-präsentierenden Zellen ist das sogenannte
co-stimulatorische Signal, das notwendig ist für eine Aktivierung der T-Lympho zyten. Da Orencia eine höhere Affi nität für CD80/86 aufweist als CD28 auf den T-Zellen, kann Orencia die Stimulation der T-Zellen hemmen, was einen entzündungshemmenden Effekt ergibt.
Antigen-präsentierende Zelle
T-Zelle B-Zelle
3
4 2
2 T-Zelle
3 Antigen-präsentierende Zelle
4 B-Zelle
Normal Rheumatoide Arthritis
Biologiques
Biologika
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 18Rituximab Mabthera ®
Wirkmechanismus: monoklonaler chimärer Antikörper, der spezifi sch an das Transmembran-Antigen CD20 auf prä-B- und auf reifen B-Lymphozyten bindet und eine B-Zell-Lyse bewirkt.
T-Zelle
Plasmazelle
Autoantikörper Immunkomplexe
B-Zelle Antigen-präsentierende Zelle
3
2
5
6 4
2 T-Zelle
3 Antigen-präsentierende Zelle
4 B-Zelle
5 Plasmazelle
6 Autoantikörper Immunkomplexe
Normal Rheumatoide Arthritis
Biologiques
Biologika
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 20TNF-Hemmer
Wirkmechanismus: Hemmung der entzündungsfördernden
Wirkung von TNF-alpha durch Bindung des Zytokins
I. Adalimumab und Golimumab
Wirkmechanismus: humaner monoklonaler AK, der lösliches und zellständiges TNF-alpha bindet und dessen Wirkung neutralisiert
II. Certolizumab
Wirkmechanismus: univalentes humanisiertes Fab’-Fragment eines TNF-alpha AK (mit kovalent gebundenem Polyethylenglycol), welcher lösliches und zell- ständiges TNF-alpha bindet und dessen Wirkung neutralisiert
III. Etanercept
Wirkmechanismus: bestehend aus zwei TNF-Rezeptormolekülen, gekoppelt an den Fc-Teil eines humanen AK. Bindet nur lösliches TNF-alpha und neutralisiert dessen Wirkung
IV. Infl iximab
Wirkmechanismus: chimärer monoklonaler AK, der lösliches und zellständiges TNF-alpha bindet und dessen Wirkung neutralisiert
Makrophage
Tumor-Nekrose-Faktor
7
9
7 Makrophage
9 Tumor-Nekrose-Faktor
Normal Rheumatoide Arthritis
Biologiques
Biologika
Patientenzeigebuch Rheumatoide Arthritis 22Tocilizumab Actemra ®
Wirkmechanismus: humanisierter monoklonaler Antikörper gegen den Rezeptor von IL-6. Er bindet sowohl die lösliche wie die membrangebundene Form des IL-6 Rezeptors und hemmt die Signalübertragung des Rezeptors, womit die Wirkung von IL-6 blockiert wird. IL-6 ist an der Entstehung von Entzündungsprozessen beteiligt. IL-6 bewirkt die Produktion von Akut phaseproteinen in der Leber, fördert die Ig-Sekretion von B-Zellen und ist involviert in der Aktivierung von T-Lymphozyten.
Makrophage Interleukin-6
7 8
8
7 Makrophage
8 Interleukin-6
Normal Rheumatoide Arthritis
Biologiques
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