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Rheumatoide Arthritis nicht übersehen!

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Academic year: 2022

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Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung unbekannter Ursache, die durch eine progressive Gelenkzerstörung und Gelenkdeformation gekennzeichnet ist. Zusätzlich kann es zu extraartikulären Manifestationen wie einer interstitiellen Lungenerkrankung oder dem Sjörgren-Syndrom kommen. Die RA kann in jedem Alter auftreten; in einer retrospektiven Kohortenstudie lag das durchschnittliche Ersterkrankungsalter jedoch bei 55,6 Jahren. Frauen erkranken etwa dreimal häufiger als Männer. Eine frühzeitige angemessene Behandlung ver - bessert die Symptomatik und senkt zudem das Risiko für Komorbiditäten und die Mortalität.

Weshalb wird eine rheumatoide Arthritis oft übersehen?

In Beobachtungsstudien aus England, Europa und den USA zeigte sich, dass Rheumapatienten häufig erst mit Verzöge- rung an einen Spezialisten überwiesen werden. Im National

Audit Office Report von 2009 wurde dokumentiert, dass Patienten mit nicht diagnostizierter RA in England durch- schnittlich viermal ihren Hausarzt aufsuchten, bevor sie an einen Spezialisten überwiesen wurden.

Die frühzeitige Diagnose der RA kann sich schwierig gestal- ten, weil muskuloskelettale Beschwerden in der Hausarzt- praxis häufig vorkommen und die klinischen Anzeichen oft wenig spezifisch sind. Zudem liegen die Ergebnisse von Ent- zündungsnachweisen wie der Erythrozytensedimentations- rate oder der Serumkonzentration des C-reaktiven Proteins oft im Normbereich, und auch spezifischere Bestimmungen fallen häufig negativ aus. So ist bei 31 Prozent der Patienten kein Rheumafaktor vorhanden, und bei 33 Prozent der Betroffenen sind keine Anti-CCP (zyklisches zitrulliniertes Peptid)-Antikörper nachweisbar.

Welche Bedeutung hat eine verzögerte Behandlung?

Aufgrund rheumabedingter Behinderungen geben 28 Pro- zent der Betroffenen ihren Arbeitsplatz innerhalb eines Jah- res auf. Nach Einsetzen der ersten Symptome besteht drei Monate lang ein «Fenster der therapeutischen Möglichkei- ten». Ein Behandlungsbeginn in diesem Zeitraum kann die Erkrankungsprogression deutlich verlangsamen. Jede Verzö- gerung ist mit einer Zunahme der Gelenkschädigungen und der Mortalität verbunden. Zudem ist eine Monotherapie bei Verzögerungen um drei bis sechs Monate bezüglich der Induzierung einer medikamentenfreien Remission weniger wirksam.

FORTBILDUNG

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ARS MEDICI 122016

Rheumatoide Arthritis nicht übersehen!

Rascher Behandlungsbeginn kann die Erkrankungsprogression bremsen

Die frühzeitige Diagnose ist bei der rheumatoiden Arthritis von grosser Bedeutung, weil mit einem Behandlungs - beginn innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Sym ptomatik eine deutliche Verlangsamung der Krank- heitsprogression erreicht werden kann. Patienten mit charakteristischen Symptomen sollten daher innerhalb von zwei Wochen an einen Rheumatologen überwiesen werden.

British Medical Journal

Die rheumatoide Arthritis betrifft vor allem die peripheren Gelenke.

Charakteristische Symptome sind Gelenkschmerzen, Schwellungen und Versteifungen der Gelenke.

Ein Behandlungsbeginn innerhalb von drei Monaten nach Einsetzen der Symptome kann die Erkrankungsprogression verlangsamen.

Als «First-line»-Behandlung wird eine methotrexathaltige DMARD-Kombination empfohlen.

MERKSÄTZE

Fallbespiel

Bei einer 43-jährigen Frau wird nach sechs Wochen andauernden Schmerzen in den Handgelenken zunächst ein «Repetitive-strain-injury» (RSI)-Syn- drom diagnostiziert. Fünf Wochen später sucht sie den Hausarzt erneut auf, weil sich die Beschwerden verschlimmert haben. Zudem klagt sie über zu - nehmende Fatigue und eine etwa zweistündige Morgensteifigkeit in den Händen. Bei der körperli- chen Untersuchung treten Schwellungen in beiden Handgelenken und den Metacarpophalangealge- lenken zutage. Daraufhin wird die Patientin an einen Rheumatologen überwiesen. Dieser diagnostiziert eine rheumatoide Arthritis und beginnt mit der Behandlung.

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FORTBILDUNG

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ARS MEDICI 122016

Wie wird die rheumatoide Arthritis diagnostiziert?

Als Hauptsymptome der RA gelten Gelenkschmerzen sowie Schwellungen und Versteifungen der Gelenke. Meist sind die Handgelenke, die proximalen Interphalangealgelenke und die Metacarpophalangealgelenke betroffen. Viele Patienten leiden auch an einer länger als 30 Minuten andauernden Morgensteifigkeit. Die Sensitivität dieses Anzeichens beträgt 74 bis 77 Prozent, die Spezifität liegt bei 48 bis 52 Prozent.

Bei vielen Patienten kommt es auch zu systemischen Sympto- men wie Gewichtsverlust, Fatigue (84% in einer Observa - tionsstudie) und allgemeinem Unwohlsein.

Zu den charakteristischen Untersuchungsbefunden gehören Schwellungen in drei oder mehr Gelenken (Spezifität: 73%), Druckschmerzempfindlichkeit entlang der Gelenklinie, eine Synovitis mit teigiger Schwellung und ein positiver

«Squeeze»-Test (siehe Abbildung; Schmerzen bei vorsichti- gem Zusammendrücken der Metacarpophalangealgelenke oder der Metatarsophalangealgelenke). Die Sensitivität des

«Squeeze»-Tests beträgt in frühen Stadien zwar nur 40 bis 48 Prozent, die Spezifität liegt jedoch bei 84 Prozent. Bei der Diagnosestellung ist zu beachten, dass sich auch bei einem Karpaltunnelsyndrom eine Synovitis im Handgelenk ent - wickeln kann.

Wann wird zum Rheumatologen überwiesen?

Bei Verdacht auf eine RA sollte der Patient innerhalb von zwei Wochen zum Rheumatologen überwiesen werden. Ent- sprechend den Leitlinien des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) gilt dies für alle Patienten mit einer persistierenden unerklärbaren Synovitis. Des Weiteren empfehlen die Experten eine Überweisung, wenn mehr als eines der kleinen Gelenke der Hände oder der Füsse betroffen sind und wenn die Symptome bereits länger als drei Monate persistieren.

Welche Untersuchungen sind erforderlich?

Ergänzend zur körperlichen Untersuchung wird eine Bestim- mung des Rheumafaktors (Sensitivität: 69%, Spezifität:

85%), der Erythrozytensedimentationsrate und des C-reakti- ven Proteins im Serum vorgenommen. Bei negativem Rheu- mafaktor sollte ein Test auf Anti-CCP-Antikörper durchge- führt werden, der eine ähnliche Sensitivität wie der Nachweis des Rheumafaktors (67%), jedoch eine wesentlich höhere Spezifität (95%) aufweist.

Im Rahmen der Diagnostik sind auch Röntgenaufnahmen der Hände und der Füsse erforderlich, da bereits erosive Schädigungen vorhanden sein können, wenn andere Unter- suchungsergebnisse noch im Normbereich liegen. Zum Nachweis einer frühen Synovitis kann eine Ultraschallunter- suchung allerdings bessere Ergebnisse liefern.

Was gehört zum Management der rheumatoiden Arthritis?

In Grossbritannien wurden spezielle Kliniken zur Evaluie- rung und Behandlung von Patienten mit vermuteter RA ein- gerichtet. Die initiale Behandlung wird so rasch wie möglich mit einer Kombination krankheitsmodifizierender Medika- mente (disease-modifying antirheumatic drugs, DMARD) wie Methotrexat (z.B. Methotrexat Teva, Methotrexat Pfizer) oder Sulfasalazin (Salazopyrin®) begonnen.

Mit intraartikulären, intramuskulären oder oralen Gluko- kortikoiden wird eine rasche, kurzfristige Symptomlinderung erzielt. Zudem können diese Substanzen eine Gelenkschä - digung verlangsamen. Der Hausarzt sollte Glukokortikoide jedoch nur verschreiben, wenn der Patient nicht kurz fristig in die Sekundärversorgung überführt wird, da diese Medika- mente eine Diagnosestellung erschweren können. Im Rah- men der jährlichen Kontrolluntersuchungen sollte der Haus- arzt auch auf Komorbiditäten wie kardiovaskuläre Erkran- kungen, Osteoporose oder Depressionen achten. Petra Stölting

Quelle: Harnden K et al.: Easily missed? Rheumatoid arthritis. BMJ 2016; 352: i387.

Interessenkonflikte: Einer der drei Autoren der referierten Originalarbeit ist Schatz - meister bei der British Society for Rheumatology.

Abbildung: «Squeeze»-Test am Metacarpophalangealgelenk (A) und am Metatarsophalangealgelenk (B). (Nach Harnden et al., 2016)

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