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Studie „Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – Lösungsstrategien und Maß­ nahmen zur Intervention“

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Academic year: 2022

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Studie „Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – Lösungsstrategien und Maß­

nahmen zur Intervention“

Wichtige Ergebnisse im Überblick

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Die Studie „Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz  –  Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention“ wurde von Dr. Monika Schröttle, Ksenia Meshkova und Clara Lehmann unter Mitarbeit von Dr.  Henry Puhe, Rita Kleinemeier, Ute Wagemann, Thomas Rossnagel, Anna Katharina Riebe und Hafid Sarkissian im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erstellt. Den vorliegenden Über­

blick hat die Antidiskriminierungsstelle auf der Basis der Zusammenfassung von Dr. Monika Schröttle erstellt.

(3)

3

Inhalt

1. Zielsetzung und Forschungsmethoden 5

2. Ergebnisse 5

2.1 Ausmaß 5

2.2 Formen und Schwere der Belästigung 6

2.3 Belästigende Personen 8

2.4 Risiko nach Branchen und Berufsgruppen 9

2.5 Reaktionen auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und die Inanspruchnahme

von Unterstützung 11

2.6 Schlüsselrolle von Führungskräften 12

2.7 Betroffene besser und umfassender beraten 13

2.8 Gesetzeslücken schließen 13

2.9 Gesamtgesellschaftliche Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz 14

(4)

4

(5)

5 Zielsetzung und Forschungs methoden

1. Zielsetzung und Forschungs­

methoden

Die Studie befasst sich mit dem Ausmaß sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, dem Umgang damit sowie Empfehlungen zur Prävention und Intervention. Im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde dafür von Juni 2018 bis Mai 2019 eine empirische Studie durchgeführt, geleitet von Vertr. Prof.

Dr. Monika Schröttle am Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen­Nürnberg (IfeS) und Dr. Henry Puhe vom SOKO Institut in Bielefeld. Sie beinhaltet eine repräsentative Telefonbefragung von  1.531  Personen, die in den vergangenen drei Jahren beschäftigt waren (inklusive Auszubildenden, Praktikant_ innen und Selbstständigen), einen qualitativen Studienteil mit Vertiefungsinterviews von Betroffenen sowie Fokusgruppendiskussionen mit verschiedenen Zielgruppen, darunter Vorgesetzte, Kolleg_innen, Betriebsrät_innen, Frauenbeauftragte und Anwält_innen. Daneben wurden eine systemati­

sche Literaturanalyse sowie Rechtsfälle ausgewertet.

2. Ergebnisse

2.1 Ausmaß

Mit insgesamt neun Prozent der Befragten war etwa jede elfte erwerbstätige Person im Zeitraum der ver­

gangenen drei Jahre von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen. Frauen haben mit einem Anteil von 13 Prozent deutlich häufiger als Männer (fünf Prozent) sexuelle Belästigung erlebt.

Anteil Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Alle Befragten

Die Darstellung entspricht Abbildung 1 der Studie.

0 10

Gesamt

(n = 1.521) Frauen

(n = 851) Männer

(n = 670)

9 13

5

Prozent

20 30 40 50 60 70 80 90 100

(6)

6 Ergebnisse

2.2 Formen und Schwere der Belästigung

Insgesamt wurde in der Studie eine große Bandbreite an Formen und Schweregraden von sexueller Be­

lästigung am Arbeitsplatz sichtbar. Am häufigsten wurden verbale Belästigungen wie sexualisierte Kom­

mentare (62 Prozent) oder Belästigungen durch Blicke und Gesten (44 Prozent) genannt. Unerwünschte Berührungen oder körperliche Annäherungen erfuhr rund ein Viertel (26 Prozent) der Betroffenen. Weite­

re häufig erlebte Formen der sexuellen Belästigung waren das unerwünschte Zeigen sexualisierter Bilder und Filme, unerwünschte Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, belästigende Nachrichten sowie un­

erwünschtes Entblößen. Erpressung und Nötigung sowie Zwang zu sexuellen Handlungen wurden selten genannt.

Erlebte Formen / Handlungen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (n = 141)

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist; Mehrfachnennungen möglich. Die Darstellung entspricht Abbildung 2 der Studie.

Deutlich wurde auch, dass es sich selten um einmalige Vorfälle, sondern meist um wiederholte Beläs ti­

gungen handelt – 83 Prozent der Befragten erlebten mehr als eine solche Situation.

0 10 20 30 40 50 60 70

andere sexuell belästigende Handlungen körperliche Nötigung oder Zwang zu unerwünschten sexuellen Handlungen Erpressung zu sexuellen Handlungen unerwünschtes Entblößen unerwünschte belästigende Nachrichten mit sexualisiertem Inhalt unerwünschte Aufforderungen zu sexuellen Handlungen unerwünschtes Zeigen oder Aufhängen sexualisierter Bilder, Texte, Filme unangemessene Einladungen zu privaten Verabredungen unerwünschte Berührung, Bedrängen, körperliche Annäherung unangemessene intime oder sexualisierte Fragen unerwünschte belästigende Blicke, Gesten, Nachpfeifen unangemessene sexualisierte Kommentare, Witze

Prozent

62 44

28 26 22 14 11 9

(2) 5 (1) (1)

80 90 100

(7)

7 Ergebnisse

Anzahl sexuell belästigender Situationen am Arbeitsplatz in den letzten drei Jahren (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist. Die Darstellung entspricht Abbildung 4 der Studie.

Viele Betroffene empfanden die sexuelle Belästigung als erniedrigend, belastend oder sogar bedrohlich, wie die Studie zeigt. So sagten 48 Prozent der betroffenen Frauen, sie hätten sich durch die Belästigung mittel bis sehr stark erniedrigt und abgewertet gefühlt (Männer 28 Prozent). Von mittelstarken bis sehr starken psychischen Belastungen berichteten 41 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer. 30 Pro­

zent der Frauen und 21 Prozent der Männer empfanden die Situation als mittel bis stark bedrohlich. (ohne Abbildung)

Die Studie zeigt auch, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz betroffenen Personen und den Betrieben schadet. Betroffene weisen eine deutlich geringere Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz auf, sind zum Teil stärker gesundheitlich beeinträchtigt und bewerteten auch die Beziehungen zu ihren Vorgesetzten weni­

ger positiv als nicht davon Betroffene.

0 10 20 30 40

11–30 Situationen 6–10 Situationen 4–5 Situationen 2–3 Situationen eine Situation

mehr als 30 Situationen

Prozent

Männer (n = 32) Frauen (n = 106)

Gesamt (n = 138) 17

20 9

31 29

38 26

27 22 13 11

19 8

7 (13) 4

6 (0)

50 60 70 80 90 100

(8)

8 Ergebnisse

2.3 Belästigende Personen

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geht mehrheitlich von männlichen Personen aus. 82 Prozent der Be­

troffenen gaben an, die belästigenden Personen seien ausschließlich oder überwiegend Männer gewesen.

Weibliche Betroffene gaben zu 98 Prozent an, die belästigenden Personen seien männlich gewesen. Männ­

liche Betroffene gaben dies zu 39 Prozent an, nannten zu 16 Prozent beide Geschlechter und zu 46 Prozent ausschließlich oder überwiegend Frauen.

Geschlecht der Täter_innen bei allen sexuell belästigenden Situationen am Arbeitsplatz in den letzten drei Jahren (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist. Die Darstellung entspricht Abbildung 5 der Studie.

Bei 43 Prozent der belästigenden Personen handelte es sich um gleichgestellte Kolleg_innen; 19 Prozent berichteten von Belästigungen durch Vorgesetzte oder andere höhergestellte Personen. Mehr als die Hälf­

te (53 Prozent) der belästigenden Personen war der Gruppe der Kund_innen, Klient_innen und Patient_in­

nen zuzuordnen. Auch hier sind Frauen deutlich häufiger von sexueller Belästigung betroffen.

0 10 20 30 40 50 60 70 80

gleich häufig Männer wie Frauen überwiegend Männer ausschließlich Männer

überwiegend Frauen

ausschließlich Frauen

Prozent

Männer (n = 31) Frauen (n = 86)

Gesamt (n = 117)

66

77 36

16 21 (3)

6 (2)

16 (2)

(0) 7

10 (0)

39

90 100

(9)

9 Ergebnisse

Täter-Opfer-Beziehungen bei sexuell belästigenden Situationen am Arbeitsplatz in den letzten drei Jahren (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Beläs tigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist; Mehrfachnennungen möglich. Die Darstellung entspricht Abbildung 6 der Studie.

2.4 Risiko nach Branchen und Berufsgruppen

Grundsätzlich besteht in allen Branchen ein Risiko der sexuellen Belästigung. Soweit dies angesichts geringer Fallzahlen möglich war, lassen sich jedoch einige Auffälligkeiten feststellen: Demnach sind am stärksten die Bereiche Gesundheits­ und Sozialwesen (29 Prozent), verarbeitendes Gewerbe (elf Prozent Handel (zwölf Prozent), Verkehr (sechs Prozent), Wasser­ und Energieversorgung und Erziehung und Un­

terricht (zehn Prozent) betroffen. Am stärksten waren entsprechend Mitarbeitende in Berufsgruppen be­

troffen, die einen Kund_innen kontakt voraussetzen – in Dienstleistungsberufen (zu 13 Prozent). Auch bei akademischen Berufen und bei Führungskräften war eine höhere Betroffenheit festzustellen (jeweils zehn Prozent).

unterstellten oder niedriger stehenden Personen Vorgesetzten oder höher stehenden Personen etwa gleichgestellten Kolleg_innen Kund_innen, Klient_innen, Patient_innen

Prozent

Männer (n = 30) Frauen (n = 86)

Gesamt (n = 116)

53 57 40

43 37

60 19

23 (7)

10 (6)

20

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Die Belästigung ging aus von

(10)

10 Ergebnisse

Anteile der Branchen, in denen Betroffene sexueller Belästigung am Arbeitsplatz tätig waren, Basis:

Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (n = 141)

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist. Die Darstellung entspricht Abbildung 7 der Studie.

Lesebeispiel: Von allen Betroffenen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gaben 29 Prozent an, im Gesundheits­ und Sozialwesen zu arbeiten.

Gesundheits- und Sozialwesen Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen Verarbeitendes Gewerbe Erziehung und Unterricht Verkehr und Lagerei Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen Erbringung von wissenschaftlichen, technischen Dienstleistungen Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung Kunst, Unterhaltung und Erholung Erbringung von sonstigen Dienstleistungen Gastgewerbe Information und Kommunikation Baugewerbe Energieversorgung Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen Exterritoriale Organisationen und Körperschaften Grundstücks- und Wohnungswesen Private Haushalte, Herstellung für Eigenbedarf Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden Sonstiges

0 10 20 30

Prozent 29

12 11 10 6 4 4 4 (4) (4) (2) (2) (2) (1) (1) (1) (1) (0) (0) (0) (0) (1)

40 50 60 70 80 90 100

(11)

11 Ergebnisse

Anteil der Betroffenheit durch sexuelle Belästigung in den Berufsgruppen, Basis: Befragte in der jeweiligen Berufsgruppe

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist. Die Darstellung entspricht Abbildung 10 der Studie.

Lesebeispiel: Von den Befragten, die in Dienstleistungsberufen oder im Verkauf arbeiten, haben 13 Prozent in den letzten drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt.

2.5 Reaktionen auf sexuelle Belästigung am

Arbeitsplatz und die Inanspruchnahme von Unterstützung

Betroffene sexueller Belästigung setzen sich zwar häufig verbal zur Wehr, sie schalten aber nur in vier von zehn Fällen Kolleg_innen, Vorgesetzte oder andere betriebliche bzw. professionelle Ansprechpersonen ein.

Den Rechtsweg gehen sie praktisch nie. 23 Prozent der Betroffenen haben sich offiziell beschwert, etwa bei ihrem / ihrer Vorgesetzten, beim Betriebsrat oder der betrieblichen Beschwerdestelle. Vier Prozent haben sich Hilfe bei Beratungsstellen oder therapeutischen Einrichtungen gesucht. Nur ein Prozent leitete recht­

liche Schritte ein. Als Gründe wurden unter anderem mangelnde Informationen, Angst vor unzureichen­

der Anonymität und negativen Folgen sowie der Versuch, das Pro blem selbst zu lösen, genannt.

Die Vertiefungsbefragung der Betroffenen ergab außerdem, dass es für diese besonders schwierig ist, eine belästigende Situation zu beenden oder sich zur Wehr zu setzen, wenn es sich um Belästigungen durch Vorgesetzte handelt und / oder wenn die Betroffenen jung sind. Erschwert wird die Situation noch, wenn sie – wie etwa Auszubildende oder Praktikant_innen – in Abhängigkeitsverhältnissen stehen, wenig Be­

rufserfahrung haben und nicht langfristig betrieblich eingebunden sind. Im Bereich des Gesundheits­ und Sozialwesens kommt hinzu, dass Belästigungen durch Kund_innen, Patient_innen und Klient_innen teil­

weise als „Berufsrisiko“ angesehen, bagatellisiert und ignoriert werden.

Prozent Sonstiges

Handwerks- und verwandte Berufe Hilfsarbeitskräfte Anlagen- und Maschinenbediener_in und Montageberufe Techniker_in und gleichrangige nichttechnische Berufe Bürokräfte und verwandte Berufe Führungskräfte Akademische Berufe Dienstleistungsberufe und Verkauf

3 (3)

(4) (8) 8 8

10 10 13

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

(12)

12 Ergebnisse

Gesetzlich sind nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) alle Arbeitgeber_innen ver­

pflichtet, eine betriebsinterne Beschwerdestelle einzurichten und Informationen über solche Stellen im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Trotzdem hatten mehr als 40 Prozent der Beschäftig­

ten keine Kenntnis über betriebsinterne Beschwerdestellen bei Diskriminierung und sexueller Belästi­

gung.

Vorhandensein bzw. Bekanntheit von Anlaufstellen im Betrieb, Basis: Alle Befragten (n = 1.517)

Anmerkung: Mehrfachnennungen möglich. Die Darstellung entspricht Abbildung 14 der Studie.

2.6 Schlüsselrolle von Führungskräften

Führungskräfte und Vorgesetze können durch die eigene Vorbildfunktion sexuelle Belästigung am Ar­

beitsplatz weitgehend verhindern und beenden. Dazu gehört zunächst einmal, eine klare Position gegen sexuelle Belästigung einzunehmen und diese konsequent gegenüber allen Mitarbeitenden zu vertreten.

Dies kann durch regelmäßige Informationen an die Mitarbeitenden über sexuelle Belästigung am Arbeits­

platz, aber auch durch Unterstützungsmöglichkeiten erreicht werden. Wichtig sind ebenso verbindliche Richtlinien, Betriebsvereinbarungen und Verhaltenskodizes bzw. Selbstverpflichtungserklärungen, deren Inhalte allen Mitarbeitenden vermittelt werden. Sie sollten verbindliche Regeln zum geforderten Umgang der Mitarbeitenden, der Führungskräfte und der betriebsinternen Ansprechpersonen mit Fällen von se­

xueller Belästigung am Arbeitsplatz umfassen.

Die Unternehmensleitung muss außerdem dafür Sorge tragen, dass Leitungspersonen bei sexueller Be­

lästigung am Arbeitsplatz konsequent und zeitnah intervenieren. Voraussetzungen dafür sind verpflich­

tende Schulungen für Leitungs­ und Führungskräfte, obligatorische Verpflichtungserklärungen, in denen auch einzuleitende Schritte und Maßnahmen festgelegt sind, sowie eine klare Festlegung der Vorgehens­

weisen, Verantwortlichkeiten und Sanktionierungsschritte.

Zudem müssen im Betrieb einerseits feste Ansprechpersonen bei Fällen von sexueller Belästigung am Ar­

beitsplatz für anonyme, niedrigschwellige Beratung als auch offizielle Beschwerdestellen zur Verfügung stehen und bekannt gemacht werden. Die Beschwerdestelle sollte neutral sein; ihre Stellung und Position im Betrieb soll eine zeitnahe und erfolgreiche Intervention ermöglichen. Betriebs­ und Unternehmens­

leitungen sollten darüber hinaus in regelmäßigen Abständen durch Befragungen und / oder anonyme Be­

schwerdemöglichkeiten ermitteln, ob und welche Probleme im Betrieb mit Blick auf sexuelle Belästigung und andere Formen der Diskriminierung bestehen. Daraus sollten dann entsprechend der Schutz­ und Fürsorgepflichten gezielt weitere Maßnahmen zum Schutz und zur Prävention umgesetzt werden.

Prozent Betriebs-/Personalrat

Beschwerdestelle für Diskriminierung und Belästigung Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung Frauen-/Gleichstellungsbeauftragte

56 56 49 33

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

(13)

13 Ergebnisse

2.7 Betroffene besser und umfassender beraten

Neben internen Ansprechpersonen ist das Vorhandensein von externen Beratungsstellen notwendig – einerseits für Betroffene, die sich in schwierigen Macht­ und Abhängigkeitssituationen befinden, anderer­

seits auch für Beschäftigte kleinerer Betriebe. Daher sollten spezialisierte und unabhängige Beratungs­

und Unterstützungsangebote für Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz flächendeckend auf­ und ausgebaut und finanziell ausreichend ausgestattet werden. Als besonders hilfreich werden bran­

chenspezifische Stellen und ganzheitliche Angebote (mit psychosozialer, rechtlicher und psychologischer Beratung) eingeschätzt, die über besondere Kenntnisse der Arbeits­ und Machtverhältnisse in der jeweili­

gen Branche verfügen. Darüber hinaus sollten auch Angebote für Belästigende geschaffen werden, die sie unterstützen können, ihr Verhalten nachhaltig zu ändern. Die Teilnahme an solchen Angeboten könnte von Unternehmen und Gerichten als Auflagen und niedrigschwellige Sanktions­ und Interventions­

möglichkeiten genutzt werden.

2.8 Gesetzeslücken schließen

In Rechtsetzung und Rechtspraxis zeigen sich Lücken und Veränderungsbedarfe. Hier sind einige Punkte herauszuheben: Die derzeitig im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) festgelegten Fristen von zwei Monaten für die Geltendmachung von Ansprüchen (auf Schadensersatz und Entschädigung) sowie von drei Monaten für die Klageerhebung müssen verlängert werden. Der festgelegte Zeitraum wird von Betroffenen und Beratungsstellen als nicht ausreichend gesehen. Hinsichtlich der erforderlichen Zeit zur Verarbeitung der Gewalterfahrung und zur Einholung von Rechtsrat und Unterstützungsangeboten müss­

te diese Frist zur Ermöglichung der Rechtsmobilisierung zumindest auf die für vergleichbare Klagefristen in anderen Rechtsgebieten vorgesehenen sechs Monate verlängert werden.

Weitere Schutzlücken im Geltungsbereich des AGG müssen geschlossen werden, z. B. im Hinblick auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gegenüber Studierenden an Hochschulen, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gegen Selbständige und Freiberufler_innen, Organmitglieder, Menschen in ungeschützten Arbeitsverhältnissen und / oder Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis sowie Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten beschäftigt sind. Hier müssten u. a. Hochschulgesetze auf Landesebene und Regelungen für bestimmte Berufe, je nach Zuständigkeit auf Bundes­ oder Landesebene, angepasst werden sowie eine Ausweitung des Schutzes vor sexueller Belästigung auf zivilrechtliche Bereiche im AGG erfolgen.

Es bedarf außerdem einer Regelung der Haftung des_der Arbeitgeber_in bei sexueller Belästigung am Ar­

beitsplatz durch Dritte: Hier müsste gesetzlich klargestellt werden, welche (Haftungs­)Pflichten Arbeit­

geber_innen bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz durch Kund_innen oder Geschäftspartner_innen, aber auch durch Arbeitskolleg_innen haben.

Als eine wichtige Maßnahme werden auch die Schulung und Sensibilisierung der Rechtsanwender_innen zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, zu Täter_innenstrategien und zu verschiedenen Reaktions­ und Verarbeitungsmechanismen von Betroffenen sexualisierter Gewalt gesehen. Solche Schulungsmaßnah­

men sollten sich auch an Richter_innen richten, um sie für die besonderen Beweisprobleme in Fällen se­

xueller Belästigung zu sensibilisieren. Sexuelle Belästigungen ereignen sich oft in Vier­Augen­Situationen.

Betroffene befinden sich deshalb in der Regel in Beweisnot. Nach der Gesetzesbegründung zum AGG sol­

len Gerichte deshalb alle Möglichkeiten zur Anhörung und Vernehmung des_der Kläger_in nach der Zivil­

prozessordung (§§ 141, 448 ZPO) ausnutzen für den Fall, dass keine Personen zur Verfügung stehen, die die sexuelle Belästigung bezeugen können.

(14)

14 Ergebnisse

2.9 Gesamtgesellschaftliche Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Es ist außerdem notwendig, die Prävention sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gesamtgesellschaftlich anzugehen und die Öffentlichkeits­, Bildungs­ und Informationsarbeit zu intensivieren. Ziel wäre der An­

stoß von gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, etwa den Abbau von Sexismus und ungleichen Macht­

verhältnissen zwischen den Geschlechtern, die eine wichtige Basis für sexuelle Belästigung darstellen.

Hierzu sollte die Öffentlichkeitsarbeit zu sexueller Belästigung im Allgemeinen und zu sexueller Beläs­

tigung am Arbeitsplatz im Besonderen durch verschiedene Akteur_innen (Fachverbände und Fach­

beratungsstellen, Gewerkschaften, Arbeitgeber_innenverbände, öffentliche Verwaltung, Berufsverbände, Politik) sachlich und zielgruppengerecht intensiviert und verstetigt werden. Daneben braucht es eine Ver­

stetigung und Intensivierung der Präventions­ und Aufklärungsarbeit im gesamten Bildungsbereich, ge­

sichert etwa durch eine feste Verankerung in den Bildungsplänen der Bundesländer und der Hochschul­

rektorenkonferenz.

(15)
(16)

Impressum

Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes;

sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt.

Herausgeberin:

Antidiskriminierungsstelle des Bundes 11018 Berlin

www.antidiskriminierungsstelle.de

Kontakt:

Tel.: +49(0) 30 18555-1855 Fax: +49(0) 30 18555-41865

Juristische Erstberatung: Mo. 13–15 Uhr, Mi. und Fr., 9–12 Uhr E-Mail: beratung@ads.bund.de

Allgemeine Anfragen: Mo. bis Fr., 9–12 Uhr und 13–15 Uhr E-Mail: poststelle@ads.bund.de

Satz & Layout: www.zweiband.de Druck: MKL Druck GmbH & Co. KG Stand: Oktober 2019, 2. Auflage

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