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Academic year: 2022

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Anhang 59: Rotationskörper

Eine Unterrichtsstunde zum Füllen von Rotationskörpern

durchgeführt von Petr Eisenmann, Usti nad Labem (Tschechien)

Lerngruppen: zwei Klassen des dritten Studienjahres eines Gymnasi- ums mit insgesamt 59 Schülerinnen und Schülern, durchschnittlich 17 Jahre alt

Zeit: eine Unterrichtsstunde (45 Minuten)

Initial-Problem: s. Anhang 12

Lösung: In beiden Klassen haben je 5 Studenten nach etwa 10 Minuten die Gleichung

h r h 2

5 r 0

3− ⋅3 2 + ⋅ =3

erhalten. Mit den Worten „Das können wir nicht lösen!“ glaubten sie fertig zu sein.

Ein Schüler hat dann doch für r = 7500

3 π mit seinem GTR eine approximative Lösung gefunden:

0 < h < 10 ; 5 < h < 6 ; 5,2 < h < 5,3 usw. bis h ≈ 5,234 dm . Ich habe den Schülern kurz erläutert, wie es um die exakte Lösung einer solchen Gleichung bestellt ist.

Dann regte ich an, zu Variieren:

2 Schüler haben statt der Kugel einen Zylinder vorgeschlagen. Dieses erheblich leichtere Problem haben wir alle zusammen sofort gelöst.

Dann wurde der schiefe Zylinder genannt. Das war ebenfalls einfach, ja eigent- lich ein Scheinproblem.

3 Schüler haben nun den Kegel genannt. Erfreulich, daß ein Mitschüler darauf aufmerksam gemacht hat, daß ein solcher Tank wohl auf der Spitze stehen soll- te. Nach ungefähr 10 Minuten (die Zeitangaben gelten für beide Lerngruppen) haben 12 Schülerinnen und Schüler (das ist die Summe aus beiden Klassen) auch diese Aufgabe erfolgreich gelöst: „Der Kontakt muß in der Höhe

h = 3 1 H

10⋅ (H = Höhe des Kegels)

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angebracht werden.“

Jetzt kamen drei weitere Vorschläge:

- auf die Spitze gestellter Kegelmantel mit kugelkappenförmiger Grundfläche - Kegelstumpf, nach oben geöffnet

- Paraboloid, ebenfalls nach oben geöffnet

Es folgte eine kurze, arbeitsteilige Einzelarbeit, wobei sich die Lösungen zu den ersten beiden Vorschlägen als kompliziert erwiesen (nur approximative Lösung möglich), während im dritten Falle 2 Schüler erfolgreich waren.

Nun wurde vorgeschlagen, das Kegelproblem allgemein zu lösen: „Wo muß der Kontakt angebracht werden, daß er bei nur noch x Litern Öl ein Signal gibt?“

Die einfache Lösung ergab sofort sich im Klassengespräch.

Schließlich interessierten sich zwei Schüler für folgende Problemverlagerung:

„Wenn eine Flüssigkeit gleichmäßig in ein Gefäß fließt, dann steigt ihre Ober- fläche im Gefäß nicht unbedingt auch gleichmäßig. Wie ist die Abhängigkeit Höhe-Zeit bei der Kugel, beim Zylinder, beim Kegel usw.?“

Diese Frage war Wasser auf meine Mühle. Darüber hatte ich nämlich schon pu- bliziert. So konnte ich nach 10 Minuten Pause in der zweiten Unterrichtsstunde einige Hinweise und Anregungen geben sowie einige Ergebnisse mitteilen.

Doch das ist bereits eine andere Geschichte.

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Anhang 60: Lineare Bestimmungsgleichung

eine Unterrichtssequenz zur Variation einer Gleichung

durchgeführt von StRefin Gerlinde Haas

Lerngruppe: eine 7. Klasse des Emil-von-Behring-Gymnasiums in Spardorf (Oberfranken)

Zeit: 5 Schulstunden Planung

Am Ende des Schuljahres hatte ich noch das Kapitel „Lineare Gleichungen und Ungleichungen“ zu behandeln. Um sowohl den Anforderungen des Lehrplanes nachzukommen als auch mit meinen Schülern Aufgabenvariation betreiben zu können wollte ich eine Gleichung variieren lassen.

Einfache Gleichungen wurden bereits im ersten Halbjahr behandelt. Die Schüler wußten über Äquivalenzumformungen Bescheid und konnten lineare Gleichun- gen der Art 3x + 1 = 7 lösen.

Von den folgenden Unterrichtsstunden hatte ich mir erhofft, daß die von den Schülern gefundenen Variationen annähernd die Aspekte abdecken würden, die zu einer umfassenden Behandlung von Gleichungen in der 7. Klasse gehören.

Für die Unterrichtssequenz hatte ich mir folgendes Konzept überlegt:

1. Stellen einer Initialaufgabe und gemeinsame Lösung

2. Sammeln von selbständigen Variationsideen (ohne Lösungen) 3. Strukturieren der Aufgaben

4. Bilden von Arbeitsgruppen und Verteilen der Aufgaben nach deren Lei- stungsfähigkeit

5. Vorstellen der bearbeiteten Aufgaben und Beantworten von Fragen durch ein- zelne Gruppenmitglieder

6. Bearbeiten und Besprechen von Hausaufgaben aus dem Schulbuch1 7. Lernzielkontrolle durch Stillarbeit

Unterrichtsstunde 1

Initialaufgabe: Löse die Gleichung 7x + 3 = 10; G = .

Nach Festhalten der Lösung (wie üblich) im Heft wurden die Schüler aufgefor- dert, die Aufgabe zu verändern (ohne zugehörige Lösungen). Um Ideen zu sammeln und zu notieren bekamen sie fünf Minuten Zeit.

1 Lambacher-Schweizer: Algebra Bayern 7, Stuttgart: Klett 1993

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Da noch nicht genügend klar war, wie man eine solche Aufgabe verändern kann, begann ich gemeinsam mit der Klasse die vorgelegte Gleichung genauer zu un- tersuchen, worauf die Schüler den Term auf der linken Seite als Summe identifi- zierten. Ich wies sie darauf hin, daß sie bereits diese Tatsache verändern könn- ten. Das genügte, die Schüler zum selbständigen Variieren zu bringen.

Beim Einsammeln der Vorschläge kam es zu folgender Liste, die ich ohne Vor- auswahl und kommentarlos auf Folie notierte und in die Schulhefte eintragen ließ:

Variationen zu 7x + 3 = 10; G = : V1: 7

x + =3 10 V2: 7

x + =3 10x V3: 7

xy+ =3 10x V4: 7x ⋅ 3 = 42 V4: 8y + 5x = 31 V6: 3x − 10 = −7 V7: −7x − 3 = − 10 V8: Untersuchung unter-

schiedlicher Grundmengen zu den Gleichungen, z.B. G

= oder G =

V9: 72 + 32 = x

V10: −7y2 + 3 = −10 V11: (3+4)2 = 9 + 16 + x V12: (x − 5)2 = 6x V13: 6xa + 3xya2 + 12a3x = b V14: 7⋅(x+3) = 10 V15: 7⋅(x+3)2 = 10 Diese Aufgaben stammten großenteils nur von wenigen Schülern, nämlich von:

Elena und Michael, die sich immer trauen ihre Meinung zu äußern und durch- schnittlich gute Schüler im Fach Mathematik sind

Nadine, eine gute Schülerin und ein Organisationstalent, allerdings in der Ma- thematik sonst eher vorsichtig und zurückhaltend

Martin, Simon, Thomas, gute Schüler mit stets sinnvollen Unterrichtsbeiträgen.

Ein Teil der Klasse schien sich zwar Notizen gemacht zu haben, traute sich aber zunächst nicht zu, diese publik zu machen, eventuell weil allzuähnliche Aufga- ben bereits genannt wurden oder weil sie nicht sicher waren, daß sie mir passen würden. Durch Ermuntern und Aufrufen konnte ich daher noch einige Variatio- nen dazubekommen.

Nach Erstellen der Liste sollten die Schüler überlegen, welche der selbsterstell- ten Aufgaben sich ähneln bzw. wie sie sich von der ursprünglichen Aufgabe unterscheiden. Welche Aufgaben erscheinen schwer, welche leicht? An dieser Untersuchung beteiligte sich nun wieder ein größerer Teil der Klasse. Die Schüler formulierten folgende Entdeckungen:

• Die Variationen V1, V2 und V3 haben die Variable x im Nenner stehen.

• Die Aufgaben V4, V11, V12, V14 und V15 enthalten ein Produkt, das in V12

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• V3, V5 und V13 enthalten mehrere Variablen.

• V8 ist für jede Grundmenge getrennt zu überlegen.

• In V6 und V7 wurden erstmals die Vor- bzw. Rechenzeichen geändert.

• Die Variationen V9-V13 und V15 enthalten Potenzen.

• Einfach erscheinen V9 und V10, schwer dagegen V14.

Am Ende der Stunde lösten wir gemeinsam die Variation V1 als Hausaufgabe sollte die Lösungsmenge dieser Gleichung unter anderen Grundmengen be- stimmt werden.

Unterrichtsstunden 2 und 3

Bei der Besprechung der Hausaufgabe wurde klar, daß die Lösungsmenge einer Gleichung auch von deren Grundmenge abhängt.

Anschließend sollten sich die Schüler zu Vierergruppen zusammensetzen. Ich wies jeder Gruppe zwei der Variationen zu, wobei ich darauf achtete, daß lei- stungsschwächere Gruppen einfachere Aufgaben erhielten. Jede Aufgabe sollte auch - analog zur Hausaufgabe - mit unterschiedlichen Grundmengen untersucht werden. Jede Gruppe sollte schließlich ein Mitglied bestimmen, das eine ihrer Aufgaben an der Tafel vorrechnet.

Während der Gruppenarbeit mußte ich an einigen Stellen nachhelfen, jedoch schien der grundsätzliche Lösungsweg in den meisten Gruppen klar. Schwierig- keiten gab es bei den Gleichungen mit mehreren Variablen und hier vor allem bei der Darstellung des Ergebnisses als Lösungsmenge. Außerdem wollten die einzelnen Gruppen von mir eine Bestätigung ihrer Ergebnisse erhalten, was mich veranlaßte, mit ihnen die Proberechnung zu wiederholen, um diese zur Selbstüberprüfung anwenden zu können.

In der etwa 15minütigen Arbeitsphase kamen einige schnellere Gruppen so weit, daß sie noch Zusatzaufgaben bearbeiten konnten. Dazu wählte ich Glei- chungstypen aus, wie sie zuvor nicht vorgeschlagen wurden:

Z1: −5x + 8 = −21 − 13x Z2: 1

2 1 5

2 2

x+ = x− Z3: (x−4)⋅(x−8) = (x−2)⋅(x−6)

Als alle Gruppen ihre Ergebnisse vorliegen hatten, konnten wir mit deren Vor- stellung beginnen, wobei die Vortragenden aufgefordert wurden, den Lösungs- weg zu erklären und Fragen der Mitschüler zu beantworten. Hier die Ergebnisse in Kurzform:

Zu V6: L = {1} für G

Zu V7: L = {1} für G = , L = { } für G =

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Zu V9: L = {58} für G = , , Zu V10: y2 = 13

7

Bei V10 kam Andreas nicht weiter. Ich nahm dies zum Anlaß, mit der Klasse zu klären, daß man weiterkommt, wenn rechts eine Quadratzahl steht.

Zu V4: L = {2} für G = , , Zu V11: L = {24} für G = , , Zu V13: L = {3ax⋅(2 + ay + 4a2)}

An V13 erläuterte ich den Schülern den Unterschied zwischen einer Lösungs- und einer Formvariable; anschließend forderte ich sie auf, in einem zweiten Ver- such nicht b, sondern x als Lösungsvariable zu wählen. Dies führte zu

x = ((b : (2+ay+4a2)) : 3a .

Meine Frage, ob man denn durch 3a dividieren dürfte, irritierte die Schüler zu- nächst. Erst die Anschlußfrage, ob man denn durch 0 dividieren dürfe, weckte die Erinnerung: „Nein, das darf man nicht, aber 3a ist doch nicht 0!“

Nachdem geklärt war, daß a ein Platzhalter ist, für den beliebige Zahlen einge- setzt werden können (sofern man dies nicht einschränkt), erkannte Thomas fol- gerichtig, daß für die Einsetzung a = 0 auch 3a = 0 ist und deshalb a ≠ 0 gesetzt werden muß. Bei der Division durch 2 + ay + 4a2 ist eine entsprechende Aussa- ge nicht mehr so einfach; wir notieren abschließend, daß für a und y gelten muß a ≠ 0 und 2 + ay + 4a2 ≠ 0 .

V5: x = 6,2 − 1,6y

Hierbei ließ ich x bestimmen für y = 1 und y = −1. Die Schüler konnten sodurch feststellen, daß sich x in Abhängigkeit von y ändert.

An dieser Stelle wäre es auch möglich, einen Ausblick in die 8. Klasse zu geben, d.h. eine größere Anzahl von x-Werten bestimmen zu lassen und diese mit den zugehörigen y-Werten als Punkte in ein Koordinatensystem einzutragen, so daß erkennbar wird, daß diese Punkte kollinear sind.

Zu V14: L = {−11

7 } für G = und l = { } für G = , , ,

Hier wurden verschiedene Lösungsstrategien diskutiert: Sofortiges Ausmultipli- zieren der Klammer oder sofortige Division durch 7.

Zu V3: y = (10x2− 3x) : 7 Zu V12: x2 + 25 = 16x

(7)

zu V15: x2 + 6x + 9 = 10 7

Die vortragenden Schüler wußten bei V12 und V15 nicht weiter. Ich wies die Klasse darauf hin, daß solche quadratische Gleichungen Gegenstand der Klasse 9 sein werden, daß man einzelne darunter aber auch jetzt schon lösen kann, z.B.

x2 − 2x + 1 = 0 über (x−1)2 = 0 mit x = 1.

Die Zusatzaufgaben Z1-Z3 ließ ich von solchen Schülern vorrechnen, mit wel- chen ich sie während der Gruppenarbeit besprochen hatte.

Unterrichtsstunde 4

Die Klasse 7a hatte an der Gruppenarbeit Gefallen gefunden. Beim Eintritt ins Klassenzimmer blickte ich auf zusammengeschobene Bänke und wurde mit der Frage konfrontiert: „Machen wir heute wieder Gruppenarbeit?“

Diese Stunde sollte jedoch der Lernzielkontrolle dienen, anhand der Hausaufga- ben der letzten beiden Unterrichtsstunden und entlang weiterer Aufgaben aus dem Schulbuch, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Es zeigte sich, daß lineare Gleichungen einigermaßen sicher gelöst werden konnten, was Hilfen an einigen Stellen für einige Schüler nicht ausschließt (z.B. Umschreiben von 3 = x − 4x in 3 = 1x − 4x, damit zusammengefaßt werden kann: 3 = −3x).

Unterrichtsstunde 5

Auf die Variation des Gleichheitszeichens in 7x + 3 = 10 ist leider niemand ge- kommen (ich hätte vielleicht die What-else-Strategie einführen und konsequent anwenden lassen sollen). Deshalb stellte ich zu Beginn selbst die Ungleichung 7x + 3 < 10 als mögliche Variation der Ausgangsgleichung vor.

Sie wurde ganz analog gelöst. Einer Schülerin genügte dieses Beispiel aber nicht. „Wie ist das, wenn negative Zahlen in der Ungleichung vorkommen?“ Ein geeignetes Beispiel machte deutlich, daß die Multiplikation (oder Division) ei- ner Ungleichung mit einer negativen Zahl die Richtung umkehrt.

Da diese Schülerin recht aufgeweckt ist, sich aber im halben Jahr davor sehr zu- rückgezogen hatte bewerte ich das neuerliche Interesse an der Mathematik und ihr kritisches und kreatives Nachfragen als einen Erfolg der Unterrichtssequenz zur Aufgabenvariation.

Die Hausaufgaben konnten sich die Schüler selbst ausdenken. Sie schlugen vor:

3y + 4 > 7⋅2 −y 7x2 + 3 ≤ 5x2 − 7 2⋅(2 − 2x) < 3⋅(3 − x) .

(8)

Schülerstrategien beim Variieren

• Einige Aufgaben sind nach dem Prinzip des „Wackelns“ bzw. „geringfügigen Änderns“ erstellt worden. Dabei wurden in V7 die positiven Vor- bzw. Re- chenzeichen komplett durch negative Zeichen ausgetauscht, in V4 das Sum- menzeichen durch ein Produktzeichen. In V10 wurde zusätzlich x durch y2, in V1-V3 durch den Kehrwert 1

x ersetzt.

• In V8 wurde die vorgegebene Grundmenge zu verallgemeinert und zu spezialisiert.

• Die Aufgabe V14 entsteht durch Umzentrieren (statt eines Produkts als Sum- mand tritt eine Summe als Faktor auf).

• Die Variationen V1,V2 und V3 bauen aufeinander auf. In V3 wird erstmals eine zweite Variable ins Spiel gebracht, was eventuell als Anregung für V5 gedient haben könnte und in gesteigerter Form für V13, deren Herkunft aber auch in den wenige Stunden zuvor behandelten Aufgaben zur Faktorisierung von Summen liegen könnte.

Die in V9 eingeführten Quadrate wurden in V10-V13 und V15 weitergeführt, allerdings mit folgenden Unterschieden: in V10 ist die Basis variabel, in V11 eine Summe zweier Zahlen, in V12 die Summe aus einer Variablen und einer Zahl.

Die Einführung von Quadraten schien bei V11 und V12 dazu zu führen, die binomischen Formeln miteinzubeziehen; ebenso bei V15, die auf V14 auf- baut. Schülerbemerkungen konnte ich entnehmen, daß man sich teilweise Ge- danken darüber gemacht hatte, welche Rechenschritte zur Bearbeitung der vorgeschlagenen Aufgabe nötig sein sollten. (V12: „Hier soll man erst die bi- nomische Formel ausrechnen, bevor man auflöst.“)

• Insgesamt wurden viele Ideen aufgegriffen, erweitert und verknüpft („kombi- niert“). Aus den Schülerbemerkungen und dem Ablauf des Zusammenfassens der gesammelten Aufgaben konnte ich folgende Schlüsse über das Zustande- kommen einiger Variationen ziehen: Die Schüler hatten nach dem ersten Vor- schlag von Nadine ihre eigenen Überlegungen zurückgehalten und, da ich mich von ihrer Variation begeistert zeigte, diese weiter ausgearbeitet. Im Nachhinein habe ich bedauert, daß ich die auf Schmierzettel notierten Schü- lervorschläge nicht eingesammelt habe. So hätte ich einen Überblick erhalten, welche Ideen spontan entwickelt wurden.

War das Variieren eine geeignete Methode zur Behandlung von

linearen Gleichungen in der Klasse 7?

(9)

Vergleicht man die gefundenen Varianten mit typischen Übungen aus dem Schulbuch, so stellt man fest, daß V4, V6 und V7 dortigen Einführungsaufgaben entsprechen.

Die selbstgefundenen Varianten mußten schließlich durch nur wenige Glei- chungstypen aus dem Schulbuch ergänzt werden, durch welche z.B. das Zu- sammenfassen gleichartiger Summanden eingeübt wurde. Auch unlösbare und allgemeingültige Gleichungen habe ich nachgetragen. Aufgelockert wurden die- se rechnerischen Betrachtungen durch das frühzeitige Einführen einfacher Text- aufgaben.

Andererseits hat das Variieren und das Bearbeiten der Varianten Erkenntnisse ermöglicht, die über das Schulbuch nicht erfahrbar gewesen wären. So konnten die Schüler feststellen, daß trotz fehlender Kenntnisse bereits einfache Glei- chungen lösbar sind, die als Typ eigentlich zum Lehrplan höherer Klassen gehö- ren. Diese gute Erfahrung mit künftigem Lehrgangsstoff kann im Gedächtnis der Schüler positiv haften bleiben und durch den Effekt des Wiedererkennens zu- künftige Lernvorgänge unterstützen.

Sonderfälle (s. V8) und Sonderformen (s. V1) wurden diesmal nicht, wie sonst fast immer, vom Lehrer vorgegeben, sondern selbstentwickelt.

Wie sehr das Entwickeln eigener Aufgaben für deren Lösung motiviert, erfuhr ich beim Verteilen der gesammelten Aufgaben an die einzelnen Gruppen. Man- che Schüler wollten unbedingt „ihre“ Aufgabe lösen.

Durch das Variieren wurden bereits in der Einübungsphase Gleichungen mit Formvariablen gelöst, wobei man sich nicht besonders beeindruckt zeigte, daß die Lösung dann keine konkrete Zahl ist. (Das war etwa gleichzeitig dazu in ei- ner 8. Klasse beim Lösen von Bruchgleichungen ganz anders.)

V8 gab Anlaß, über die Abhängigkeit der Lösungsmenge auch von der Grund- menge nachzudenken.

Die Existenz quadratischer Gleichungen und deren mögliche Lösungsanzahlen boten einen willkommenen, weil klärenden Gegensatz zu den anstehenden linea- ren Gleichungen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Variationen einerseits Verbindung zu früherem Wissen schufen (Faktorisieren, Quadrieren, binomische Formeln) und somit die Möglichkeit zu unaufdringlichem Wiederholen, andererseits aber auch eine Vorschau ermöglichten auf spätere Lerninhalte (Formvariablen, quadrati- sche Gleichungen) und somit den Netzcharakter des aufzubauenden Wssens und Könnens unterstützten.

Gleichungen über die Methode der Aufgabenvariation zu bearbeiten, hat sich meines Erachtens als sinnvoll erwiesen; daß zuvor, d.h. im Laufe des gesamten Schuljahrs immer wieder einfache Gleichungen behandelt wurde, war dabei si- cher ein Vorteil. Sollten die Schüler noch keine Erfahrung im Umgang mit ein-

(10)

fachen Gleichungen haben, so liegt es nahe, die Initialaufgabe einfacher zu ge- stalten und diese mit zusätzlichen Beispielen zu bearbeiten, bevor man variiert.

Außerdem kann man das Bearbeitungsverfahren ändern, indem man die gefun- denen Varianten nicht selbständig lösen läßt, sondern dies im Klassenverband durchführt, wobei dann auf langsam ansteigende Schwierigkeit zu achten ist.

Schülerbefragung

Zum Abschluß die Ergebnisse einer Schülerbefragung (mit möglichen Reaktio- nen von 1: sehr gut (bzw. sehr viele) bis 5: gar nicht (bzw. keine)):

a) Wie gut hat es Dir gefallen, die Aufgabe zu variieren ? b) Hattest Du viele Ideen?

c) Hat Dir das Lösen in der Gruppe Spaß gemacht?

d) Hast Du verstanden, was Andere an der Tafel vorrechneten?

e) Falls Du selbst vorgerechnet hast: Hat Dir das Spaß gemacht?

1 2 3 4 5 Enth. Mittel

a) 5 (19%) 9 (33%) 9 (33%) 2 (7%) 2 (7%) 0 2,52

b) 3 (11%) 8 (30%) 12 (44%) 2 (7%) 2 (7%) 0 2,70

c) 11 (41%) 6 (22%) 7 (26%) 2 (7%) 1 (4%) 0 2,11

d) 11 (41%) 10 (37%) 4 (15%) 0 (0%) 2 (7%) 0 1,96

e) 1 (6%) 7 (44%) 3 (19%) 3 (19%) 2 (12%) 11 2,87

Die oben notierte Variation im Rahmen meiner Staatsexamensarbeit war nur ei- ne (die zweite) unter mehreren. Deshalb wurde abschließend gefragt:

Wie bewertest Du die Idee, daß Schüler anhand einer „Ursprungsaufgabe“ Auf- gaben variieren?

Die Verteilung war hier:

1 2 3 4 5 Enth. Mittel

9 (45%) 6 (30%) 4 (20%) 1(5%) 0(0%) 7 1,85

Diese noch günstigeren Werte ergeben sich interessanterweise dadurch, daß die Variation einer Textaufgabe besonderen Spaß machte.

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Anhang 61: Vermessung am Chiemsee

Variationen einer Textaufgabe in einer Übungsphase zum Sinus- und Kosinussatz

durchgeführt von StRef Peter Focke

Lerngruppe: eine 10. Klasse der Rückert-Oberschule in Berlin-Schö- neberg

Zeit: 3 Schulstunden Planung

Der Erarbeitung des Sinus- und Kosinussatzes folgt traditionell eine Übungs- phase mit sich ähnelnden anwendungsorientierten Aufgaben. Nun sind be- stimmte Übungsformen und -inhalte im Berliner Rahmenplan nicht vorgesehen.

Könnte man da nicht anstelle von Übungskaskaden die Aufgaben von den Schülern selbst stellen lassen? Das ist leichter gesagt als getan! Das Stellen von anspruchsvollen und weiterführenden Aufgaben muß den Schülern vermittelt werden. Ein Weg dazu ist die Aufgabenvariation.

Die nachfolgende Unterrichtseinheit ist in 6 Phasen gegliedert:

1. Lösen einer vom Lehrer gestellten Aufgabe 2. Variieren dieser Aufgabe

3. Sammeln der Schülervariationen

4. Einschätzen (Bewerten) dieser Aufgaben 5. Bearbeiten ausgewählter Variationen 6. Zusammenfassung .

Voraussetzungen

(12)

Den Schülern waren die trigonometrischen Funktionen sowie Sinus- und Kosi- nussatz bekannt. Variiert hatten sie zuvor zweimal: bei der Berechnung trigo- nometrischer Werte und bei der Erarbeitung der allgemeinen Sinusfunktion. Sie wussten von da, daß jede durchgesprochene Aufgabe für die Klassenarbeit rele- vant sein würde.

Initialaufgabe

Die Durchsicht verschiedener Schulbücher erbrachte mehrere Möglichkeiten.

Gewählt wurde schließlich jedoch eine selbstkonstruierte Aufgabe mit geogra- phischem Bezug, um in Prinzip und Vorgehensweisen der Landesvermessung einzuführen (Anwendungsprinzip). Zudem schien sie den Vorteil einer leichten Bearbeitung zu haben (was wohl auch für die meisten Varianten gelten würde) und zu anderen, wichtigen Aufgabentypen hinführen zu können. Sie wurde als Hausaufgabe gestellt.

Prien und Bernau sind Orte am Chiemsee und 5,6 km voneinander entfernt. Mit dem Winkelmessgerät misst man auf dem Kirchturm in Prien eine Winkelgröße von α = 80° zwischen Bernau und dem Schloß „Herrenchiemsee“ auf der Her- reninsel im Chiemsee. Auf dem Aussichtsturm in Bernau wird zwischen Prien und dem Schloss die Winkelgröße ß = 58° abgelesen. Wie weit ist Prien von dem Schloß auf der Herreninsel entfernt?

Herreninsel

Bernau Prien

5600m α

β

Fraueninsel

Seebruck

Chiemsee

Durchführung

1. Unterrichtsstunde

Nach kurzer, mündlicher Besprechung der Hausaufgabe Aufforderung zur Va- riation. Dazu wurde eine Folie mit allgemeinen Variationshilfen aufgelegt. Es sollte mindestens eine Aufgabe anderen Typs (mit anderem Lösungsweg) ge- funden werden. Nach 10 Minuten wurde diese Zahl auf 3 erhöht. Insgesamt dauerte diese Phase 35 Minuten. Sukzessive wurden die entstandenen Aufgaben dann auf den OHP gelegt und zusammengefasst. Verzicht auf Hausaufgaben, um

(13)

Die meisten Schüler haben intensiv und engagiert mitgearbeitet. Einige haben (erneut) begonnen, ihre Variationen zu lösen, obwohl dies zurückgestellt werden sollte (deshalb die Bitte um drei neuartige Aufgaben). Zwei Schülerpaare be- schäftigten sich mehr mit der Textprosa als mit dem mathematischen Gehalt der Initialaufgabe.

Selbstverständlich (und am häufigsten) wurden die Orte ausgewechselt. Aller- dings wurde nicht nach der Entfernung der beiden Inseln gefragt. Und wenn nach einer Entfernung gefragt wurde, setzte man meist eigene (realistisch ge- schätzte) Vorgaben ein. Es überwogen einfache (nachher allerdings dann auch festigende) und sinnvolle Aufgaben. Die interessanteren Aufgaben wurden durchweg von leistungsstärkeren Schülern gebildet.

Die Entfernung zwischen Prien und dem Schloss auf der Herreninsel beträgt 7,09 km. Zwischen Prien und Bernau beträgt der Weg 5,6 km. Nun wurde auf dem Kirchturm von Prien mit dem Winkelmeßgerät ein Winkel von 80° zwischen der Herreninsel und Bernau gemessen. Wie weit sind Bernau und die Herreninsel voneinander entfernt?

In dem Dreieck Bernau, Prien, Herrenchiemsee soll ein Naturschutzgebiet entste- hen. Berechne den Flächeninhalt des Dreiecks!

Der diesjährige Triathlon hat die Strecke Bernau-Herrenchiemsee-Prien-Bernau.

Berechne den Weg (Umfang des Dreiecks).

Wie groß ist der Flächeninhalt des Sees (ungefähr)?

2. Unterrichtsstunde

Die Variationsphase lag wegen unvorhergesehenem Stundenausfall zu lange zu- rück, so daß an das dortige Engagement leider kaum angeknüpft werden konnte.

Die damaligen Variationen wurden dem Schwierigkeits- und Nützlichkeitsgrad geordnet und vorbewertet. Leichtere Aufgaben konnten sofort mündlich geklärt werden. Drei Schüler hatten zuhause weitere Aufgaben formuliert, die ebenfalls aufgelegt wurden. Zur weiteren Bearbeitung einigte man sich auf zwei Aufgaben (Anwendungen des Kosinussatzes), die in Partnerarbeit gelöst werden sollten.

Die Autoren dieser Aufgaben waren sichtlich stolz.

Als Hausaufgabe diente die Frage nach dem Dreiecksinhalt (s.o.).

3. Unterrichtsstunde

Die Kontrolle der Hausaufgaben führte zur Inhaltsformel für das Dreieck. Die anschließende Aufgabe zur Berechnung der See-Oberfläche brachte erwartungs- gemäß Probleme mit sich. Im Unterrichtsgespräch wurden die Schüler propä- deutisch mit dem Integral vertraut gemacht.

Zum Abschluss wurde ein Aufgabenansatz von Simon weitergeführt, in dem nach der Entfernung zwischen Bernau und Seebruck gefragt war. Hier konnte das Prinzip der Landvermessung (Medium: 10-DM-Schein) vorgestellt werden.

So brachte diese Stunde Altes und Neues im Lichte der Anwendung zusammen.

(14)

Kritik

Bewährt haben sich

- die Wahl einer Textaufgabe zum Einstieg - ihre Einführung als Hausaufgabe

- das Gewähren ausreichender Variationszeiten

- das Arbeiten mit Folien, auf denen alle Variationen schnell verfügbar sind.

Die zu allgemein gewählten Variationshilfen kamen kaum als solche an. Es empfiehlt sich, spezielle Hilfestellungen zu geben, welche auf die Initialaufgabe näher eingehen.

Wie kann ich diese Aufgabe sinnvoll verändern?

Wenn Du andere Entfernungen berechnen willst, so bedenke, daß Du nur die Ent- fernung zwischen Prien und Bernau kennst, dafür aber ein Winkelmeßgerät zur Hand hast.

Stelle eine Aufgabe, in der nach einer anderen Größe gefragt wird.

Finde eine Aufgabe, in der der Kosinussatz angewendet wird.

Variiere die gegebenen Winkelgrößen! Achte darauf, daß die Aufgabenstellung sinnvoll bleibt! Lasse gegebenenfalls neue Orte dafür entstehen!

Überspringe die Grenzen der Aufgabe: Der Chiemsee liegt in Oberbayern, also in einer gebirgigen oder zumindest hügeligen Landschaft!

Überlege Dir eine mathematische Frage aus dem Alltag, die sich mit dem Chiem- see beschäftigt!

Konstruiere einen Grenzfall (z.B. Winkelgröße 90°)!

Gehe von der Lösung der Aufgabe aus und konstruiere eine neue Aufgabe dazu.

Dahinter stehen die Strategien iterieren - umzentrieren - Kontext ändern - ge- ringfügig ändern - Kontext ändern - Grenzfalls betrachten - umkehren (s.

7

).

Vergleichsstudie

Um die festgestellten Vorteile und Schwächen zu überprüfen, wurde in der (lei- stungsstärkeren) Parallelklasse dieselbe Initialaufgabe variiert. Die Vorkenntnis- se waren etwa gleich.

Diesmal wurden die speziellen Variationshilfen (s.o.) vorgelegt und zeitigten in der Tat eine größere Bandbreite an Variationen. Bis auf die Sonderfallkonstruk- tion wurden alle Einzelhilfen angenommen.

Aus einer Aufgabe erschloss sich zwanglos das Prinzip der Landesvermessung:

Mit dem Winkelmeßgerät mißt man auf dem Kirchturm von Prien eine Winkel- größe von α = 108° zwischen Bernau und Seebruck. Auf dem Aussichtsturm in Bernau wird zwischen Prien und Seebruck 50° gemessen.

(15)

(Du darfst auch die alten Größen mitbenutzen!)

Die 10minütige Zusammenfassung entlang der Frage „Was habt ihr bei der Auf- gabe gelernt?“ verlief weniger aufgaben- als methodenbezogen. Die Schüler nannten Aspekte, die an der Tafel zu folgendem Bild führte:

Zusammenfassung

ÜBUNGEN ABWECHSLUNG

zum Sinus- und Kosinussatz Wie stellt man Aufgaben?

Alltag Vermessung

CHIEMSEE AUFGABE

WIEDERHOLUNG MACHT SPASS Gegenwinkel Pythagoras schwierige Aufgaben zu stellen eigene Aufgaben zu rechnen

Aus einem abschließenden Fragebogen:

Hast Du bei der Aufgabenvariation

mehr oder weniger gelernt als sonst? mehr 5 18 2 1 weniger Hatten die Aufgaben einen Übungs-

charakter? ja 12 12 4 - nein

Zum Vergleich die erste Klasse:

(16)

Hast Du bei der Aufgabenvariation

mehr oder weniger gelernt als sonst? mehr 2 7 6 - weniger Hatten die Aufgaben einen Übungs-

charakter? ja 7 10 1 - nein

Anhang 62: Mühlefigur

Unterrichtseinheit, durchgeführt von Hans Schupp (Saarbrücken)

Lerngruppe: ein Leistungskurs Mathematik 13 an der Rückert-Ober- schule in Berlin

(Kursleiter: StD Eberhard Lehmann)

Zeit: 110 Minuten

Verlauf:

1. Vorstellung und Lösung des Initialproblems (20 min)

2. Sammeln und Strukturieren von Anschlußfragen sowie Bildung entsprechen- der Arbeitsgruppen (20 min)

Pause (15 min)

3. Gruppenarbeit (30 min)

4. Vorstellen der Arbeitsergebnisse (30 min)

5. Diskussion mit den Schülern über den vorausgegangenen Unterricht (10 min)

1. Initialproblem

An der Tafel skizzierte ich die übliche Mühlefigur, bezeichnete eine mögliche Klötzchenstelle als „Punkt“ und eine mögliche Mühlenstelle als „Gerade“, und bat die Schülerinnen und Schüler schließlich, zusammenzutragen, welche Charakteristika für diese Figur gelten.

Als Hilfe fügte ich hinzu, daß man ei- nerseits vom Spiel her denken, anderer-

Punkt

(17)

Zunächst fiel auf, daß es hier nur endlich viele Punkte und Geraden gibt (genau- er: 24 Punkte und 16 Geraden). Das führte zur Überschrift:

Die Mühlefigur – eine endliche Geometrie Sodann ergaben sich die beiden Charakteristika

[1] Jede Gerade hat genau 3 Punkte (die auf ihr liegen) [2] Jeder Punkt hat genau 2 Geraden (auf denen er liegt)

das erste direkt aus einer Spielregel (bei 2 statt 3 Steinen pro Mühle wäre es zu leicht,bei 4 statt 3 zu schwierig, eine Mühle zu bilden), das zweite aus der For- derung, daß alle möglichen Klötzchenstellen „gleichberechtigt“ sein sollen.1 Meine gezielte Frage, was man über irgend zwei Punkte sagen könne (und dies im Unterschied zur Euklidischen Geometrie), erbrachte

[3] Zu zwei verschiedenen Punkten gibt es höchstens eine gemeinsame Gerade (auf denen sie liegen).

Es war sofort klar, daß „genau ein“ für das Mühlespielen ungünstig wäre, weil es den beginnenden Spieler insofern begünstigt, als er sicher eine Mühle bauen kann.2

Das letzte Charakteristikum3 [4] Es gibt einen Punkt.

ist in der Schulmathematik ungewöhnlich und durfte deshalb nicht ohne weiteres erwartet werden. Ich fragte deshalb nach, ob die leere Menge (das leere Blatt) eine Mühlefigur sei; das zögerliche „ja“ motivierte zu einem nachträglichen Verbot dieser Absurdität und führte über die Zwischenforderung „Es gibt eine Gerade.“ zu [4].

2. Anschlußfragen

Die erste hatte sich schon bei der Lösung des Ausgangsproblems ergeben:

a) Gibt es noch weitere Mühlefiguren (d.h. Figuren, die den Axiomen [1]-[4]

genügen)?

Die zweite entwickelte sich aus der Vorfrage, ob sich die übliche Mühlefigur zwingend aus den erarbeiteten Axiomen ergibt (so daß Frage a) obsolet würde):

b) Welche Folgerungen kann man überhaupt aus [1]-[4] ziehen?

Direkt wurde gefragt:

1 Beim Ziehen ist das anders, wie sofort festgestellt wurde. Dort ist ein Punkt umso attrakti- ver, je mehr Nachbarn er hat (2, 3 oder 4).

2 Daß ein solches Axiom sich auch nicht mit [1] und [2] vertragen würde, blieb unerwähnt.

3 Im Unterrichtsgespräch wurde dieses Wort allmählich durch den zutreffenden Begriff „Axi- om“ ersetzt.

(18)

c) Kann man diese neue Geometrie sinnvoll koordinatisieren?

Hier wirkte sich aus, daß dieser Kurs bereits erfahren hat, wie die Analytische Geometrie aus der Koordinatisierung der Elementargeometrie erwächst.

Weiterhin gab es einige (noch recht undeutliche) Vorschläge im Hinblick auf eine kritische Betrachtung des (vielleicht allzu schnell zustandegekommenen) Axiomensystems. In einem gelenkten Unterrichtsgespräch führte dies zu den Begriffen Widerspruchsfreiheit, Unabhängigkeit und Vollständigkeit und schließlich zur Sammelfrage:

d) Genügen [1]-[4] den üblichen Forderungen an ein Axiomensystem?

Kam c) für mich völlig unerwartet, so fehlte überraschend jedwede Frage in Richtung

e) Kann man die Axiome [1]-[4] sinnvoll abändern?

Wenn man allerdings bedenkt, daß sie vom Mühlespiel her entwickelt und dafür als sinnvoll erkannt wurden, und daß erste mögliche Änderungen (in [1] und [2], s.o.) zudem noch zurückgewiesen worden waren, ist diese Zurückhaltung ver- ständlich. Ich hätte wohl deutlicher darauf hinweisen sollen, daß man sich jetzt vom Spiel durchaus lösen kann.

Die Arbeitsgruppen bildeten sich recht spontan gemäß den Optionen der Schüle- rinnen und Schüler. Zwei Gruppen untersuchten a), je eine Gruppe ging den Fragen b) und d) nach. c) blieb unbearbeitet.

3. Gruppenarbeit

Dieser Leistungskurs hat seinen Namen verdient. Die langjährige, konsequente Führung durch einen innovationsfreudigen, hochkompetenten Mathematiklehrer hat dafür gesorgt, daß die jungen Leute aufgeschlossen sind für neue und neuar- tige Fragestellungen und ihnen recht selbständig nachgehen können.1 So genügte es, den Gruppen hin und wieder einen Tipp bzw. einen Hinweis zu geben.

4. Ergebnisse

Sie wurden gruppenweise von je einem Schüler bzw. einer Schülerin anhand einer von der jeweiligen Gruppe vorbereiteten Folie vorgetragen. Im Folgenden wird jeweils auch hinzugefügt, welche Überlegungen dahinterstanden.

α) β)

1 Von daher rechtfertigt sich denn auch, daß die Variationsphase mit der recht allgemeinen

(19)

γ)

In den beiden Gruppen zu a) (die zweite trug nach der ersten nur noch Ergän- zungen vor) dominierte zunächst die Suche nach einer minimalen Mühlefigur.

Offensichtlich regte [4] dazu an, mit einem Punkt zu beginnen, gemäß [1], [2] zu ergänzen (s. α)) und dann möglichst rasch abzuschließen. Allerdings geschah dies (in beiden Gruppen) zunächst wie in β), also in Quadratgitterform. Zu γ) gelangte man erst durch meinen Hinweis, daß es „noch besser geht“. Nachfol- gend dominierte dann der Versuch, aus diesem „Grundbaustein“ weitere Müh- lefiguren zu gewinnen.1 Das gelang in einer Gruppe durch „Aufknacken“ von Punkten (s. α) - δ)).2

α) β) γ)

1 Selbstverständlich gab es daneben auch über Versuch-Irrtum-Korrektur ermittelte Einzelfi- guren, auf die hier nicht näher eingegangen wird.

2 Daß man beim Spiel auf solchen Figuren die Klötzchenzahl entsprechend reduzieren muß, wurde kurz erwähnt und stieß auf keinerlei Bedenken.

(20)

δ)

In der anderen Gruppe genügte der Hinweis, doch einmal die quadratische Grundform der klassischen Mühlefigur abzuändern, daß sieüber das gleichseiti- ge Dreieck ganz allgemein auf drei konzentrische n-Ecke und deren Querver- bindung stieß (s.u.links). Eine Nachfrage während der Präsentation führte zu der Einsicht, daß eine solche Figur 3n + n = 4n Geraden und 3 · 2 · n = 6n Punkte hat. Diese Gruppe erkannte auch, daß an die Stelle der n-Ecke Kreise treten können (s.u. rechts), ein erstes Abweichen von der üblichen Interpretation der Geraden.

Sie versuchte außerdem – vielleicht weil daß die postulierte Endlichkeit in den Axiomen nirgendwo ausgewiesen ist – ein unendliches Modell zu finden. Das gelang auf mehrfache Weise (und relativierte somit die o.a. Überschrift), z.B. so

oder so 1

(21)

Schwer taten sich beide Gruppen damit, die Grundbegriffe „Punkt“ und „Gera- den“ als Variablen zu sehen. Hier mußte ich Anstöße geben, z.B. über das Mo- dell „DES ALI RAD OEL IST ROT“, in welchem die Wörter die Geraden und die Buchstaben die Punkte sind. Ein Schüler übertrug dieses Modell in die Mu- sik: Man kann 4 Dreiklänge (Geraden) angeben, in denen insgesamt 6 Töne (Punkte) so vorkommen, daß [1] – [4] gelten. Weitere Uminterpretationen ka- men nicht zustande.

Ein Schüler aus Gruppe b) hatte schon beim Zählen der Punkte und Geraden der üblichen Mühlefigur bemerkt, daß p = 3

2g (p: Punktezahl, g: Geradenzahl). So versuchte diese Gruppe, seine Beobachtung aus [1]-[4] zu folgern, was ohne große Mühe gelang: Wegen [1] müßte p = 3g sein, wegen [2] muß dies zu p =

3

2g korrigiert werden. Mein Hinweis, auch einmal die äquivalente Gleichung 2p

= 3g zu betrachten, hatte Erfolg: p muß durch 3 und g durch 2 teilbar sein. An- ders: Alle Mühlefiguren (MF) sind vom Typ (p;g) = (3n;2n).1 Sofort schloß sich die Frage an: Gibt es umgekehrt zu jedem Paar (3n;2n) eine (3n;2n)-MF?

Die Gruppe versuchte eine Antwort durch einen Algorithmus, der von einer (3n;2n)-MF zu einer (3(n+1);2(n+1))-MF führt.2 Das gelang nach gezieltem Ex- perimentieren auf folgende Weise,

1 Natürlich nur, soweit sie endlich sind (was für die Gruppe zu dieser Zeit noch selbstver- ständlich war).

2 Einmal mehr zeigte sich hier, daß die Lerngruppe stark von informatischen Denkweisen (insbesondere von modularem Vorgehen) geprägt ist. Viele Teilnehmer haben beim Mathe- matiklehrer auch einen mehrjährigen Informatikunterricht genossen.

(22)

also über das Ersetzen einer Gerade durch die Minimalfigur.

Ich fügte noch eine Lösung hinzu, wel- che aus zwei miteinander verschränk- ten n-Ecken mit insgesamt n + n = 2n Geraden und n + n + n = 3n Punkten besteht.

Erarbeitet (aber aus Zeitgründen nicht vorgetragen) wurde von dieser Gruppe schließlich noch, daß es durch einen Punkt zu einer Geraden 1 oder 2 Parallelen gibt, daß also das Parallelenaxiom nicht gilt.1

Zu d): Daß die (semantische) Widerspruchsfreiheit des neuen Axiomensystems bereits durch die Existenz des Ausgangsmodell gegeben ist, wurde schon bei der Präzisierung dieser Frage erkannt.2 Auch die Vollständigkeit bereitete keine Probleme, weil man sie hier darauf ausrichten kann (allerdings nicht muß), daß man auf der Figur sinnvoll Mühle spielen muß. So ist ja auch schon [4] hinzu- gefügt worden; das Axiom könnte unter diesem Aspekt durchaus noch angerei- chert werden (z.B. „mindestens 12 Punkte“).

Als beim Vortrag der zweiten Gruppe deutlich wurde, daß es auch unendliche Modelle gibt, war klar, daß man die Endlichkeit, so gewünscht, durch ein weite- res Axiom einfordern muß.

Schließlich fragte ich nach, ob die Konfiguration

eine MF sei, also [1]-[4] genüge. Das wurde zwar bejaht, aber sofort auch be-

1 In der Minimal-MF gibt es zu einer Geraden durch einen Punkt außerhalb sogar überhaupt keine Parallele.

2 Ein Schüler machte noch geltend, daß man doch auch zeigen müssen, daß sich dieses Sy- stem „in die sonstige Mathematik korrekt einbauen“ lasse, was wohl auf syntaktische Wider-

(23)

merkt, daß so etwas beim Spielen zu Schwierigkeiten führen wird (Wie wird gezogen? Wann hat man gewonnen? Wie ist das, wenn sich das Spiel auf den beiden Feldern unterschiedlich entwickelt?). Als Abhilfe wurde ein Axiom vor- geschlagen (allerdings nicht präzise ausformuliert), welches sichert, daß jeder Punkt mit jedem Punkt durch eine Geradenfolge verbunden ist.

In der Gruppenarbeit dominierte der Nachweis der Unabhängigkeit, nachdem ich erläutert hatte, daß es darauf ankommt, „Fastmodelle“ zu finden, also solche, bei denen jeweils genau ein Axiom nicht zutrifft (was sofort eingesehen und als Aufforderung verstanden wurde, zumal ein solches Fastmodell für [4] mit der leeren Menge schon vorlag).

Hier die Schülerlösungen:

¬ [1], [2], [3], [4]

[1], ¬ [2], [3], [4]

[1], [2], ¬ [3], [4]

Während der Gruppenpräsentationen ergab sich dann doch noch die Möglich- keit, auch [1] und [4] zu variieren:

[1]‘ mit „... genau 4 ...“ (s. unten links) sowie [2]‘ mit „... genau 3 ...“ (s. unten rechts).

Ebenso, daß es Mühlefiguren gibt, die immer noch wesentlich verschieden sind, obwohl sie gleich viele Punkte und gleich viele Geraden haben, wie etwa die

(24)

folgenden beiden (9;6)-MF.1

5. Diskussion

Die Schülerinnen und Schüler sind – wie schon angemerkt – offene Fragestel- lungen und selbständiges Arbeiten seit Jahren gewohnt. So wird verständlich, daß sie, obwohl dazu aufgefordert, weniger über die Besonderheit der Unter- richtsform „Aufgabenvariation“ diskutierten (zumal diese nicht explizit heraus- gestellt wurde) als vielmehr über die für sie neuen Unterrichtsinhalte. Insbeson- dere waren sie angetan vom Arbeiten an einem Axiomensystem.2

Insgesamt fand ich die Diskussion etwas enttäuschend. Hier wirkte sich nachtei- lig aus, daß ich die jungen Leute nicht kannte und deshalb nicht gezielt auffor- dern bzw. nachfragen konnte.

In einer zweiten Diskussionsrunde mit Referendaren aus Herrn Lehmanns Fach- seminar „Informatik“ (in der es hauptsächlich um informatische Gehalte des Themas ging, was hier nicht weiter interessiert) wurde als Positivum herausge- stellt, daß die Unterrichtseinheit von einer Umweltsituation (Mühle spielen) ausging und im weiteren Verlauf immer wieder darauf rekurrierte. Kritisch wur- de angemerkt, daß ich während der Lösung des Initialproblems recht stark ge- führt hätte. Das ist richtig, muß aber von der Absicht her gesehen werden, rasch in die Variationsphase (Variation der Figuren, der Axiome, der Begriffsinter- pretationen) hineinzukommen. Möglicherweise hätte jedoch ein längeres Ver- weilen beim Herausarbeiten der vier Axiome auch schon so manche Anregung für die Weiterarbeit gebracht.

Schlußbemerkung:

In einer hochmotivierten, (auch heuristisch) kompetenten Lerngruppe kann die Aufgabenvariation eingebettet werden in die allgemeine Aufforderung, am ge-

1 Aus Zeitgründen ging ich nicht näher auf eine präzise Definition von Isomorphie ein, ob- wohl eine situationsgebundene Interpretation durchaus nahe gelegen hätte: „Im wesentlichen gleich“ bedeutet hier „Jedes Spiel auf der einen Figur kann auf der anderen exakt nachgespielt werden und umgekehrt.“

(25)

stellten und gelösten Problem weiterzuarbeiten. Erst während der damit ausgelö- sten Arbeit sollten auch nähere Hilfen und Hinweise zum Variieren gegeben werden, dann aber situationsgerecht und schüler(gruppen)adäquat. Dabei kön- nen heuristische Grundregeln zugunsten von elaborierten strategischen Hinwei- sen zurücktreten.

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