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Raus kritische Ausgabe' zugrundegelegt sowie — für Heläräjas Kommentar — die kritische Ausgabe von K

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(1)

Bhartrharis Pumsasamuddesa und Heläräjas Prakäsa zum

ersten Male übersetzt und mit einem Kommentar versehen

Von Giovanni Bandini, Heidelberg

Der folgenden Übersetzung wurde — für die Verse — W. Raus

kritische Ausgabe' zugrundegelegt sowie — für Heläräjas Kommentar —

die kritische Ausgabe von K. A. Subramania Iyer.^

Wie schon bei der Übersetzung des Kriyäsamuddesa? ist mein

Vorgehen auch hier von der Absicht, einen aus sich heraus verständ¬

lichen deutschen Text zu verfassen, bestimmt worden, einen Text also,

der auch von einem Nichtindologen — zumindest weitgehend — begriffen

werden könnte. Zu diesem Zweck ist beispielsweise besondere Sorgfalt

darauf verwendet worden, jeden Sanskrit-Begriff so treffend wie nur

möglich in einen deutschen Ausdruck zu übertragen, wobei die grund¬

sätzliche Entscheidung, auf die (ansonsten übliche) Zuhilfenahme in die

Übersetzung in Klammern aufgenommener Sanskrit-Termini (nach

dem Muster: „. . . Selbstheit {pratyaktä) . . .") zu verzichten, von vorn¬

herein zu einer äußerst sorgfältigen Überprüfung der zur Wiedergabe

wichtiger sanskritischer Termini verwendeten deutschen Begriffe

gefuhrt hat. Meine Auffassung, derzufolge es schlechthin unvertretbar

sei, philosophische Texte vom Range des Väkyapadiya lediglich als

Gegenstand einer philologischen oder historischen Untersuchung zu

behandeln (so unbestreitbar wichtig diese auch seien) und nicht viel¬

mehr als Wort-und Gedankenwelten, die es gilt, dem eigenen Begriffs¬

vermögen zu assimilieren und anschließend neu aus sich heraus zu

schaffen, hat mich zu diesem Vorgehen bestimmt; sie äußert sich

weiterhin in den ausführlichen, in der Hauptsache kommentie¬

renden Anmerkungen, die sich ihrem Anspruch nach zum Gesamttext

(Pumsasamuddesa und Prakäsa) etwa so verhalten wie Heläräjas

Prakäsa zu den Versen des Bhartrhari, das heißt als zugleich erklärende

' Siehe Literaturverzeichnis: Bhartrhari: Väkyapadiya Nr. 4.

^ Siehe Literaturverzeichnis: Bhartrhari: Väkyapadiya Nr. 2.

' Siehe Literaturverzeichnis: Bandini: Erörterung der Wirksamkeit . . .

(2)

und weiter-gehende, weiter-denkende Ausführungen des im Text teil¬

weise nur Implizierten und Angedeuteten. So soll die wissenschaftlich

unanfechtbare Übersetzung und Bearbeitung des Urtextes nur die

(allerdings unverzichtbare) Voraussetzung für die weitere Entfaltung

und Entwicklung desselben darstellen, wobei diese letztere eigenstän¬

dige philosophische Tätigkeit als der eigentliche Zweck meiner Arbeit

anzusehen ist.

Der Pumsasamuddesa ist das zehnte 'Buch' des dritten (Pada-jKända

des Väkyapadiya und erörtert in seinen neun Versen zuerst (Verse 1-3)

allgemein sprachphilosophische Fragen, die mit der Bedeutung der

Personalendung am Verb zusammenhängen, und darm (Verse 4-9)

speziellere, grammatisch-technische Probleme. Diese besondere Zwei¬

teilung (allgemein/philosophisch : speziell/grammatisch) des vorlie¬

genden Samuddesa ist typisch für Bhartrharis Behandlungsweise der

einzelnen Sprach- und Denkkategorien und läßt sich sowohl in den rest¬

lichen dreizehn Büchern des Padakända als auch in den ersten zwei

(nicht weiter unterteilten) Kändas nachvollziehen.''

Der Parallelismus im Aufbau der verschiedenen Teile des Väkya¬

padiya läßt sich übrigens bis in gewisse Einzelheiten hinein verfolgen;

so enthält die jeweils zweite (grammatisch-technische) Hälfte eines

jeden Kapitels neben den Deutungen pänineischer Sütras, in denen sich

die jeweils behandelte Kategorie (z.B. 'Zeit', 'Wirksamkeit', 'Mittel',

'Person') ausdrückt, im Sinne der in der ersten Hälfte ausgeführten

allgemeinphilosophischen Voraussetzungen, auch meist die Erörterung

und die (ebenfalls anhand der allgemeinen Feststellungen erreichte)

Lösung bestimmter exegetischer, Pänini betreffender Probleme,

deren Formulierung durch Kätyäyana und deren erste Diskussion bei

Patafijali anzeigen, daß sie seit alters her als schwerwiegende und

bedeutsame Fragen empfunden wurden. Als Beispiele dazu vgl. etwa

VP 1.60-62 (zu P 1.1.1 vrddhir äd aic und P IV.2.33 agner dhak), VP

III.8.59-64 (zu P III.3.18 hhäve) und im vorliegenden Text VP

III. 10.7-9 (zu P IV. 4.2 tena divyati khanati jayati jitam) .

Vgl. etwa Brahmakända: 1. The Väkyapadiya of Bhartrhari with the Vftti.

Chapter I: Engl.Transi. by K. A. Subramania Iyer. Poona 1965.

2. Bhartfhari; Väkyapadiya Brahmakända. Avec la Vftti de Harivfsabha. Trad.,

introd. et notes par Madeleine Biardeau. Paris 1964.

Kälasamuddesa: The Kälasamuddesa of Bhartrhari's Väkyapadiya (together with

Heläräja's commentary transi. from the Sanskrit for the first time). By Peri

Sarveswara Sharma. Delhi, Varanasi, Patna 1972.

Kriyäsamuddesa. (s. Literaturverzeichnis: Bandini Nr. 1). Ausdrücklich wird

auf diese Zweiteilung nur im letzteren Werk hingewiesen.

(3)

// snh //

Jetzt die Erörterung der Person:

Da zusammen mit dem vom Verb ausgedrückten Wesen' auch Zeit,

Person, Diathese und Zahl offenbar werden, untersucht er — nach der

Zeit — die Person.

1. 'Selbstheit' und 'Gegenübersein'^ sind zwei Quahfikationen von

Agens und Gegenstand; deren spezifischer sprachlicher Ausdruck

sind die erste und die zweite Person.

' LT.: tinabhihitena bhävena, vgl. EdW, Glossar s.v. bhäva: „Wirksamkeit in

ihrer Allgemeinform, . . . Seiendes, Werden; Wesen, Tatsache. In der

allgemeinen Bedeutung 'Seiendsein' ist der Widerspruch zwischen mittel¬

barer {sädhyä) und vermittelter {siddha) Wirksamkeit aufgehoben; so

bedeutet jede aus einer Verbwurzel abgeleitete (verbale oder nominale) Form däs. Im Unterschiedensein dor zwei Attribute (Mittelbarkeit/Vermitteltsein)

teilt sich der Begriff in 'Werden', 'Wesen' und 'Dasein' {sattva), wobei das Wesen zwischen den zwei polaren Gegensätzen vermittelnd auftritt. Als Bedeu¬

tung des finiten Verbs befindet sich das Weson in der Bestimmung des

Werdens, wird diachron (wird als Diachrones) und fortschreitend, und wird in seiner spezifischen Gestalt als 'Wirksamkeit' vom Skt.-Begriff kriyä ausge¬

drückt.

Als Bedeutung der nominalen (A;r<-)Ableitungen andererseits ist das Wesen stärker vom Dasein bestimmt und wird namentlich vom Begriff der 'Tatsache' (vermitteltes, somit gedingtes 'Tun') vertreten; in dem Fahe ist es vollständig vermittelt und „verhält sich wie ein Ding" (MBh 1.417.170, d.h. wie ein Mittel {sädhana) ..."

Zwar ist hier der Begriff bhäva durch die nähere Bestimmung tiriabhihita- ('vom finiten Verb ausgedrückt') eindeutig auf seine spezielle Bedeutung 'Wirk¬

samkeit' festgelegt; da es aber in diesem Kontext primär um eine der weiteren

Bestimmungen der Verbbedeutung — die Person — geht, die an das dem Verb

Eigentümliche — dessen Charakter — qualifizierend hinzutritt, ist die allgemeine

Bedeutung 'Wesen' angenommen worden, insofern nämlich, als die Wirksam¬

keit als das schlechthin Wesentliche — als das 'Wesen des Verbs' — vorausge¬

setzt werden darf, auf dessen jeweilige Besonderungen nicht näher eingegangen zu werden braucht. Man fasse den Begriff des 'Wesens' also als einfache Zwei¬

deutigkeit auf, — der obige Satz bedeute aber somit: 'Da zusammen mit dem

Wesen des Verbs — und das ist 'Wesen' in seiner besonderen Weise als Wirk¬

samkeit — auch Zeit, Person usw.'.

^ LT.: parabhävaJi; 'Gegenübersein' ist als (jemandes) Gegenüber-sein —

nicht (jemandem) gegenüber-Sein, was sich auch auf ein Ding beziehen könnte — zu verstehen.

Aus dem Begriffe folgt das Selbstsein des Gegenübers; das Du ist ein dem Ich gegenübergestelltes weiteres Ich. Die zweite Person am Verb erweitert also die

reine Subjektivität des Ich zu einer ausgewogenen Zweiheit: Das aus dem

Subjektiven ('ich mache') zwangsläufig folgende, wenn auch gleich unausge¬

sprochene und somit noch nicht als Du oder Es vom Ich unterschiedene, Objek-

(4)

Es bewegt sich, es regt sich, in jedem einzelnen Menschen: Das

Selbst', der 'innere Beherrscher', das Seelen-Selbst; es ist nämlich

unweigerlich in jedem Körper. Dessen Wesen ist die Bedeutung, die von

der ersten Person ausgedrückt wird.

Das bedeutet: 5

Wenn aus dem Verb die Kongruenz der Wirksamkeit mit dem Ich"*

verstanden wird, so liegt das an der ersten Person; so wird dieses

(Wesen des eigenen Selbstes) als Qualifikation des im Ich georteten,

tive wird in der zweiten Person auf das Bewußtsein reflektiert, das sich somit

selbst als dem Wesen nach objektiviertes Ich darstellt und eine nunmehr

zwiefache (unausgesprochene) Subjektivität impliziert. Eiiunal die des aus¬

sagenden Ich, die insofern unausgesprochen ist, als es durch sein Sagen ('du

machst') sein Ichsein aufhebt und somit voraussetzt, als dessen Du das

Bewußtsein sich objektiviert hat; ein andennal die dem objektivierten Ich (dem Du) wesenthche Subjektivität, die aus dessen Agentialität hervorgeht. Ausge¬

wogen ist aber insofern diese polare Zweiheit von Ich und Du, als sie sich aus

zwei Komplementen bildet, die nicht allein nur aus ihrem Komplementsein ihr

Wesen schöpfen (so ist ein Ich nur in seiner Absetzung von dem, was an ihm

Nicht-Ich, nämlich Du, ist, ein Ich), sondern darüber hinaus außer sich selbst auch ihr Gegenüber (eben als ihr Anderssein) bedeuten; so ist ein Du nur in d6r Weise denkbar, daß es zugleich ein Ich ist, dessen abgrenzendes Du wiederum das vormalige Ich ist.

^ Etymologische Erklärung des Begriffes des (individuellen) Selbstes, pratipu-

rusam ancatUi pratyan, die sich in der deutschen Wiedergabe naturgemäß

dürftig ausmacht.

"* LT.: ahankärasamänöArayatvam yadä . . ., also eigentlich 'Kongruenz mit

dem individuell, bzw. persönlich bestimmten Ich, dem 'Ego' '. Scheinbar

verschwimmt in meiner Ubersetzung der Unterschied zwischen dem reinen

Ich — dem Ur-Ausdruck des Absoluten als Bewußtsein (aham), dem keinerlei

Persönlichkeit eignet — und dem persönlich-alltäglichen Ego des seienden

(handelnden und denkenden) Einzelwesens. Tatsächlich aber findet der logische

Ubergang von jenem zu diesem eben erst durch diese hier ausgesagte

'Kongruenz mit der Wirksamkeit' statt, beziehungsweise durch das Selbst-

bewußt-Werden des absoluten (reinen) Ich als eines Agens (beziehungsweise eines Subjekts): Indem nämlich das reine Ich sieh als mit einer Wirksamkeit,

deren Agens es darstellt, kongruent weiß, oder mit einem Attribut, dessen

Substrat es darstellt, deliniert es sich selbst als es selbst und ist dadurch erst ein 'bestimmtes Ich', also eine Person.

Heläräja hat natürlich insofern recht, von der 'Komgruenz der Wirksamkeit mit dem Ego (ahankära)' zusprechen, als dieses in der statisch-synchronischen Betrachtung der Welt als eines (außerzeitlichen) Systems von Wirklichkeiten (oder hierarchisch abgestuften Wirklichkeiten, taUväni) eine Wahrheit für sich darstellt, die somit als vollkommen für sich wesend betrachtet und als nur es seiend ausgesagt werden darf Die Übersetzung zielt allerdings auf die Verdeut¬

lichung der Tatsache ab, daß das Ego eben nur i n s o f e r n Ego ist, als es mit den bestimmten Wirksamkeiten und Attributen kongruiert, so daß diese das wesent¬

hche Attribut von jenem darstellen.

(5)

vom Verb ausgedrückten Agens und Gegenstand aus seinem nach

Medium und Aktiv geschiedenen Bezeichner verstanden.' Hier ist zum

Beispiel die von der Ersten bedeutete Person die Qualifikation des

Agens:

5 'Ich koche (für mich)', 'ich koche (für andere)'. Die Qualifikation des

Gegenstandes versteht man aber nur aus dem Medium*, da es sich so

verhält, daß in bezug auf den Gegenstand nur das Medium gebraucht

wird, nämlich: 'Ich werde gekocht'. Daher also heißt es, die Person sei

„. . . die Besonderung der Mittel, Agens usw."'.

10 Die zweite Person aber ist 'Gegenüberheit', denn die Person, die von

der Zweiten bezeichnet wird, Agens und Gegenstand besondert und

etwa bei Fragen verwendbar ist, versteht man aus ihrem, wie im obigen

Falle geschiedenen, Bezeichner als das Gegenüber von einem selbst*.

Als Qualifikation des Agens: 'Du kochst (für dich)', 'du kochst (fiir

15 andere) '; als Qualifikation des Gegenstandes aber nur aus dem Medium

zu begreifen: 'Du wirst gekocht'.

Deswegen also heißt es „. . . spezifischer sprachlicher Ausdruck"

(Vers 1): Die erste und die zweite Person sprechen in spezifischer

Wortgestalt ihre jeweilige Bedeutung aus.

20 Die frühen Lehrer sagten: „Was Agens und Gegenstand besondert,

das ist die Person"'. Deswegen — wegen dieses Besonderung-von-

Agens-und-Gegenstand-Seins — ist in der 'unpersönlichen' Konstruk¬

tion kein Platz für die Person'"; es werden also in dem Falle weder die

erste noch die zweite Person am Verb verwendet, sondern — „da sie für

25 die restlichen Fälle vorgeschrieben ist"" — die dritte. 'Selbstheit' und

'Gegenübersein' aber erfahrt man dann aus einem anderen Worte,

etwa: 'Von mir wird gesessen', 'von dir wird gelegen'usw.'^. //l//

^ Der 'Bezeichner des Wesens des individuellen Selbstes' also der 'Selbstheit' (Vers 1) ist die Endung der ersten Person, die im Sanskrit ja nach Aktiv und

Medium geschieden ist, je nachdem die Wirksamkeit um des Agens oder um

eines Anderen willen vermittelt wird; siehe u. Z. 5.

^ D. h. aus den im Passiv verwendeten medialen Personalendungen; Z. 7 kann es auch heißen; „. . ., daß im Passiv (karmani) nur das Medium ..."

' Die Quelle ist mir nicht bekannt.

* Der Begriff der Person ist hier zweideutig; einmal ist damit die gramma¬

tische Person gemeint (denn die besondert Agens und Gegenstand) und eimnal

der Mensch (denn der ist jemandes Gegenüber).

' Die Quelle ist mir nicht bekannt.

Eine nur scheinbar tautologische Aussage; siehe weiter unten (Anm. 12).

" Spielt auf P 1.4.108 an: se^e prathamäh; s. aber Anm. 20.

Durch diese Erweiterungen ('von mir' usw.) verliert die Konstruktion das

eigentlich 'Unpersönliche'; treffender ist daher der Skt.-Ausdruck hhäve

(6)

Wenn im Falle dieser zwei Personen deren jeweilige Kongruenzbezie¬

hung (zur Wirksamkeit) ausgesagt wird — Kongruenz mit dem Ich, das

ist Selbstheit, und die davon andere mit dem Gegenübersein —, daim

dürfte es angesichts von Dingen ohne Bewußtsein, da doch Selbstheit

und Gegenübersein nur bei Bewußten der Fall sein kann, keine Verwen- 5

dung dieser zwei geben, wie etwa: „Preßsteine, hört!""

Dazu sagt er:

2. Ob real oder irreal, aus diesen zweien wird Bewußtsein

verstanden '"; die dritte Person aber bedeutet nicht den Teil, an dem

Bewußtsein ist''. 10

prayogah ('Verwendung in der Bedeutung 'Wesen' (= Wirksamkeit)'). Diese

Konstruktion stellt die Verbbedeutung syntaktisch in den Mittelpunkt des

Satzes, wodurch sie nicht allein dessen mittelbarer Zweck ist, sondern auch

zugleich der Hauptvermittler von diesem — als Subjekt. Die passivische Flexion

bringt ja das Erleiden des Stattfindens der bedeuteten Wirksamkeit zum

Ausdruck; liegt nun kein Gegenstand vor, der (im Nominativ ausgesprochen) als

der Patiens verstanden werden könnte, so übernimmt die Wurzelbedeutung

selbst die patientiale Funktion, und die Verbform äsyate etwa bedeutet dann soviel wie: 'Das Sitzen findet statt'. Insofern ist diese Form auch niöht 'unper¬

sönlich', da die Endung der Dritten sich tatsächlich auf das Es-Sein der Wirk¬

samkeit bezieht, die da stattfindet, das heißt, die Agens ihres eigenen Statt- findens ist.

" TS 1.3.13.1; MaiS 1.3.1, IV.5.2, 15.9; KäS in.9 usw.

'■* Hier wird der in Vers 1 beschriebene Sachverhalt in seinem möglichen

Widerspruch zur Realität gesehen. Dabei ist der Widerspruch, von dieser aus

betrachtet, gänzlich unaulhebbar, daja ebensowenig wie man jemals einen Pre߬

stein hat 'ich' sagen hören, man bei ihm allgemein ein Ichbewußtsein überhaupt

voraussetzt, das es einem angebracht erscheinen ließe, ihn mit 'du' anzu¬

sprechen.

Von der Idee aus betrachtet aber — das heißt von der Wirklichkeit, wie die Sprache eine darstellt — bleibt der Widerspruch nur in Hinsicht auf die alltäg¬

liche Erfahrung bestehen (insofern nämlich, als man gemeinhin weiß, daß ein

Stein — und sei es selbst ein durch die Somabereitung besonderter Preßstein — jeder gegenteiligen Behauptung zum Trotz keinerlei Bewußtsein besitzt). In der

ganz lur sich wesenden sprachlichen Wirklichkeit aber ist alles, was durch

ein Wort bezeichnet wird, was als Subjekt mit einem beliebigen Prädikat in der

ersten oder zweiten Person verknüpft werden kann — durch ein Substantiv

also —, auch fähig, Empfindungen jeglicher Art zu haben, überhaupt: Bewußt¬

sein zu besitzen, insofern nämlich, als dieses damit verknüpfte Prädikat ein solches impliziert. Während dabei die zweite Person lediglich anzeigt, daß der Sprecher — wie etwa Grimms Gänsehirtin den Pferdekopf, den sie mit „Falada, der du da hangest" anredet — den Gegenstand liir des Gehörs fähig ansieht, ihm also Bewußtsein zutraut (was eine Projektion seitens des Ich — die 'reine', das heißt von der Projektionsebene unabhängige, Reflexion — darstellen mag), zeigt die erste Person das Bewußtsein unmittelbar, das es ja voraussetzt, an , so daß, wenn in diesem Falle überhaupt noch von einer Projektion die Rede

(7)

Ein in einem selbst oder im Gegenüber befindliches, wesentliches

oder projiziertes Bewußsein wird — als Qualifikation von Agens und

Gegenstand — von diesen beiden (Personen) zum Ausdruck gebracht.

Da hier'* die aus einem Wort erfahrene Bedeutung das ist, worauf

sich die Darstellung als auf etwas Gegebenes bezieht, gibt es auch

überall (wo die erste und die zweite Person Verwendung finden) ein

'Wort-Bewußtsein'". Aus der Verbindung mit einem weiteren Wort

sein kann, diese in den vorspraehlichen Bereich — etwa in die Vorstellung des Erzählers, aufgrund welcher Faladas Kopf tatsächlich antwortet — zurückver¬

legt werden muß. Siehe weiter unten. Komm.

'* „Hier" bedeutet: In der Sprachphilosophie, in der Sprachwissenschaft.

" Heläräja weist hier — wie schon wiederholt zuvor an anderem Orte — darauf hin, daß es nicht Sache des Sprachwissenschaftlers ist, sich mit einer etwaigen fürsichseienden Realität, für die die Philosophen im engeren Sinne Sorge tragen mögen, zu befassen, vielmehr die Welt, wie sie sich als Sprache darstellt, zu beschreiben und zu deuten.

Diese seine Aussage zielt auf zweierlei ab: Einmal weist sie mögliche

Einwände aus der Seite der Logiker und Materialisten (solcher von der immer noch modernen Gattung, die aus dem in Anmerkung 14 erwähnten Widerspruch zwischen der alltäglichen Erfahrung der Realität und der idealen, sprachvermit¬

telten Wirklichkeit die Berechtigung ableiten zu dürfen glauben, natürliche

Sprachen als 'nur unvollkommene Werkzeuge zur Beschreibung der Welt'

abzutun) im voraus ab; eindeutig erklärt er, „. . . die aus einem Wort

erfahrene Bedeutung" sei „das, worauf sich die Darstellung . . . bezieht"

(und nichts weiter).

Zum andern stellt er fest, daß dieser sein Gegenstand keinesfalls ein willkür¬

lich festgelegter sei — daß also nicht etwa irgendwelche unbeweisbaren Behaup¬

tungen, die sich einzig auf die nicht nachprüfbaren Intuitionen eines Einzelnen

stützen, zum — aus diesem Grunde ungewissen — Ausgangspunkt, seiner

Beweisführung dienen —, da ja die Wortbedeutungen etwas sind, was sich

jedem als unmittelbar gegeben zeigt und der kritischen Überprüfung stellt. Es ist unerläßlich, sich bewußt zu machen, daß — selbst wenn man der auch im alten Indien in weiten Kreisen beliebten Auffassung anhängt, Wörter seien willkür¬

liche Artefakte, beliebig (in den Grenzen des innerhalb einer gegebenen Sprache

lautlich Möglichen) gestaltete Klanggebilde (als welche man etwa Päninis

Kunstwörter ansehen kann) — nicht deswegen auch die Bedeutungen als

solcherlei Kunstgebilde angesehen werden können; hat es doch nur dann einen Sinn, ein Wort zu 'erfinden', wenn man eine 'Bedeutung' (hier eher: eine Idee;

jedenfalls etwas Gegebenes) zu vermitteln trachtet, für die es, wie man festge¬

stellt zu haben meint, in der in Frage stehenden Sprache noch keinen hinläng¬

lichen Ausdruck gibt. Ein solches Kunstwort kann ja — jeder Definition zum

Trotze — nur dann verstanden und aufgenommen werden, wenn es sich auf

etwas Vorhandenes zu stützen vermag, daß heißt, wenn es im Bewußtsein der

Sprachgemeinschaft etwas auslöst, was bislang zwar unbestimmt (d.h. unge¬

staltet), aber doch in seinem Wesen durchaus anwesend gewesen war. In

diesem Sinne aber ist es zu verstehen, daß „die . . . Bedeutung das ist, worauf sich die Darstellung als auf etwas Gegebenes bezieht".

(8)

aber findet die Projektion von (real) nicht feststellbarem Bewußtsein statt'*.

Wenn sogar projiziertes Bewußtsein deren beider Bedeutung ist, was

ist dann die Bedeutung der dritten Person? — Deswegen sagte er: „. . .

rücht den Teil, an dem Bewußtsein ist". Nicht einmal ein projiziertes 5

Bewußtsein wird von der dritten Person bedeutet, da s i e „für die rest¬

lichen Fälle"" vorgeschrieben ist; deswegen aber ist deren Bedeu¬

tung das Bewußtlose, auf welches auch keinerlei Bewußtsein proji¬

ziert wird^", so zum Beispiel: 'Das Ufer sackt nach', 'der Reis verdorrt'

usw. „Teil"^' bedeutet: Derjenige mit Bewußtsein begabte Gegenstand, 10

Bringt man das Verb mit der ersten oder zweiten Personalendung — etwa

'hört!' —, welches wirkliches Bewußtsein des (unbestimmten) Subjekts bedeutet,

mit einem weiteren, etwas in der Realität nicht mit Bewußtsein Begabtes

bezeichnenden Wort — etwa 'Preßsteine' — in Verbindung, so erfolgt dadurch —

in Hinsicht auf die alltägliche Erfahrung — eine 'Übertragung von Bewußtsein'

statt. " P 1.4.108; vgl. Anmerkung 11; s. Anmerkung 20.

^° Es ist vielleicht nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, daß Päninis Regel 1.4.108 („In allen übrigen Fällen die dritte Person"), die hier schon zum dritten Male als autoritativer Beleg für die Richtigkeit der Behauptung, daß die dritte Person keinerlei Bewußtsein impliziere, angeführt wird, sich eigentlich in einem anderen Zusammenhang befindet, das heißt, daß die 'Fälle', in denen die dritte

Person angewendet wird, — zumindest primär — keineswegs im Unterschied zu

solchen anderen, die etwa Bewußtsein ausdrückten, als 'übrige' bezeichnet werden. Die drei sütra, die die richtige Verwendung der drei Personalendungen (in den je drei Numeri) regeln, lauten in der BöHTLiNGK'schen Übersetzung

(Zusätze in doppelten Klammern von mir):

1.4.105: „Wenn das Pronomen ((der zweiten Person)) yusmad (in irgend

einem Numerus) dabeisteht oder dabeistehen könnte, dann wird die Endung

der zweiten Person gebraucht, vorausgesetzt daß Personalendung und

Pronomen in einem Congruenzverhältnis stehe."

1.4.107: „Wenn das Pronomen ((der ersten Person)) asmad (in irgend einem

Numerus) dabeisteht oder dabeistehen könnte, dann wird unter den 1.4.105

angegebenen Verhältnissen die Endung der letzten (unserer ersten) Person gebraucht."

1.4.108: „In allen übrigen Fällen wird die Endung der ersten (unserer dritten) Person gebraucht."

Diese letztere Regel 'beweist' also erst insofern, daß die dritte Personalen¬

dung Bewußtlosigkeit impliziert, erstens als sie in all den Fällen, in denen

die Personalpronomina der ersten und zweiten Person sich nicht im

Kongruenzverhältnis zum Verb befinden dürfen, verwendet wird, und zweitens

als diejenigen Verbalendungen, die mit jenen kongruieren würden (aber mit

der Dritten nicht kongruieren dürfen), nach Vers 1 unseres Textes jeweils

'Selbstheit' und 'Gegenübersein' — also Bewußtsein — bedeuten.

Erst aus diesen zwei Voraussetzungen also folgt die Rechtfertigung für das

'deswegen': „deswegen aber ist deren Bedeutung das Bewußtlose" (oben

Z. 7/8). " Im Vers 2.

(9)

verschieden von den (mit dem Verb) im Kongruenzverhältnis

stehenden, ausgesprochenen oder implizierten (Pronomina der ersten

und zweiten Person) 'ich' und 'du', der da ist aufgrund der auf¬

tretenden dritten Person: 'Sie kochen', 'von dir wird gesessen', 'von

5 mir wird gelegen'so gibt es auch hier ein — allerdings aus einem

weiteren Wort zu verstehendes — Bewußtsein; insofem es also keinerlei

Berühmng mit demjenigen Teil gibt, an dem Bewußtsein ist, gibt die

dritte Person lediglich die Beziehung von Mittelbarem und Mittel zu

verstehen^'; was durchaus in Ordnung ist. Es ist hier also folgendes

10 gemeint: Die erste und die zweite Person bedeuten ein im Selbst oder im

Gegenüber befindliches Bewußtsein, Bewußtlosigkeit aber die

dritte. //2//

Da doch aus Sätzen wie 'er versteht', 'er weiß', 'er nimmt wahr' ein

durch Bewußtsein qualifizierter Agens verstanden wird, wie kommt es

^5 dann, daß „die dritte Person nicht . . . den Teil (bedeutet), an dem

Bewußtsein ist"? — Dazu sagt er:

3. Selbst mit Verben, die Bewußtsein implizieren, wie 'verstehen',

'wissen', 'wahmehmen', wird, wenn die dritte Person vorliegt, kein

Sichverhalten von Bewußtsein offenbar^''.

Der „mit Bewußtsein l)egabte Gegenstand" ist die Bedeutung der Personal¬

pronomina 'Sie', '(von) dir' und '(von) mir' (in den Beispielsätzen Z. 4). Die

Wendung „. .. im Kongruenzverhältnis stehenden, ausgesprochenen oder impli¬

zierten . . . 'ich' und 'du' ..." (samänädhikaranähhyäm sthänitvopädhikäbhyärp,

yußmadasmadbhyäm) spielt auf die oben (Anm. 20) zitierten pänineischen

Regeln 1.4.105 und 107, mit deren Wortlaut sie nahezu identisch ist (vgl.), an;

so muß „Kongruenzverhältnis" in ebenjenem eng umrissenen, bei Pänini dort

gemeinten Sinne verstanden werden (etwa: du geh-st), denn im weiteren

Sinne kongruieren '(von) dir' und '(von) mir'ja — notwendigerweise — auch mit dem Verb. Man kann demnach sagen, Heläräja verstehe hier unter 'Kongruenz' das gleichzeitige Vorhandensein von Bewußtsein (in Form von Selbstheit oder von Gegenübersein) im Personalpronomen ('ich' oder 'du') und in den Persona¬

lendungen Cgeh-e' oder 'geh-st); diese Art von Kongruenz aber liegt beim Satz 'Sie kochen' nicht vor; die dritte Person pluralis am Verb impliziert nicht das

Gegenübersein, welches aus dem Pronomen 'Sie' (Höfhchkeitsform von 'du')

hervorgeht. Dieser 'bewußte Teii' afso wird nicht von der Verbafendung

bedeutet, sondem einzig vom Pronomen (vgf. Vers 2).

" Das Personafpronomen im Instrumentaf stefft das Mittei (Instrument) dar, mittels dessen die mittelbare Wirksamkeit vermittelt wird; mehr als Mittelsein

geht aber aus einem Faktor (d.h. einem Nomen in einem adverbalen Kasus)

rücht hervor.

Gemäß Patanjalis Definition (MBh 1.258.11), Wirksamkeit sei eine

bestimmte Funktion (auch: Verhaltensweise) der Faktoren (auch: Mittel)

erklärt Heläräja im Kommentar zu VP III. 8. (Kriyäsamuddesa) 1, die Personal-

(10)

Durch Verben wie 'verstehen' usw., die Bewußtsein im|)li/.ieren,

beziehungsweise durch einen bedeuteten ursächlichen Gegcii^l:m(l'\

dessen Charakter 'Wissen' ist, wie 'er versteht', wird, wenn auch gleich

die dritte Personalendung in Erscheinung tritt, lucht das Verhalten \ ot\

Bewußtsein angedeutet^*. Hier hat nämlich die Bedeutung der Wurzel

endung am Verb bedeute das Sichverhalten des Agens (bzw., im Passiv, des

Gegenstandes); besondert aber werde das allgemeine Verhalten durch die

Wurzelbedeutung, und zwar dahingehend, daß aus der vollständigen Verbform

(etwa 'er versteht') der Agens in seiner bestimmten Weise des Vermitteins der Wirksamkeit 'verstehen' begriffen wird. Was sich also 'verhält', ist der Agens (bezeichnet durch die Endung '-t'), nicht aber das in der Bedeutung der Wurzel aus dem Verb 'verstehen' implizite Bewußtsein; es wird nur vermittelt. S.a.:

EdW, S. 54 ff.

LT.: arthena väcyena karanabhütena; 'ursächlich' wird die Bedeutung eines finiten Verbs insofern genannt, als sie im Vermitteltwerden einer (mittelbaren)

Wirksamkeit besteht, welches in deren Vermitteltsein aufgehoben wird und

darin seinen, vom Partizip präteriti oder einem anderen Verbalnomen ausge¬

drückten 'Ruhepunkt' erreicht. Dieses Erfolgtsein der Wirksamkeit (bzw.

dessen greifbare Konkretisierung, irgendein als 'wesentlich' empfundenes

Ergebnis) ist also die Wirkung — die Wirksamkeit selbst aber, und zwar in

ihrer mittelbaren, d. h. stattfindenden Gestalt als Bedeutung des finiten Verbs,

ist die Ursache. Vgl. hierzu: EdW, S 61.5 ff; Vers 2 und Kommentar, Vers 15

und Kommentar; insbesondere Verse 17 f.

^- Das Prädikat 'wird (nicht) angedeutet' ( (na) vyajyate) ist hervorzuheben, insofern es einen wichtigen Hinweis gibt auf die Weise, in welcher 'Bewußt¬

sein' aus einer Verbform der ersten oder zweiten Person hervorgeht, bzw. aus einer der dritten nicht. Es wird hier (Vers 3 und Komm.) auf den Unterschied

zwischen dem Bedeutet- und dem Angedeutetwerden hingewiesen;

ersteres vollzieht sich hauptsächlich mittels der Wurzel, insofern als es sich bei der Bedeutung um das Offenbarwerden ihrer (der Wurzel) wesentlichen Gestalt handelt. Die Bedeutung ist somit 'direkt', d. h. vermittelt und bestimmt, was ihr eine scheinbare Unumstößlichkeit verleiht, sie aber tatsächlich — da ihr voll¬

kommenes Bestimmtsein (Gegenständlichsein) sie zu einem leicht zu handha¬

benden Ding des Bewußtseins macht — ganz in den (beschränkt subjektiven)

Bereich des Wollens weist: Insofern sie ein bestimmtes Etwas ist, kann sie

gewollt werden. Darin aber befindet sich auch die Möglichkeit zur 'Lüge':

Mittels seines Wollens ist man dazu imstande, über ein reales Ding eine Aussage zu machen, die nicht mit dem tatsächlichen Verhalten desselben, wie es sich der

Wahrnehmung darbietet, übereinstimmt — also etwa von einem Berg zu

behaupten, er bewege sich (vgl. EdW, S. 127.18 ff.). Da alles Bestimmte nur

insofern es im Bewußtsein bestimmt ist, es überhaupt ist, ist das Denken

dazu imstande, aus den Bedeutungen (bzw. den Begriffen, seinen Vergegen¬

ständlichungen) willkürlich ganze, vollständige Welten zusammenzusetzen, die

mit der realen nur die nackten Dinge gemein haben, sich aber von dieser

hinsichtlich aller Sachverhalte vollkommen unterscheiden (was Wittgenstein also '(nur) mögliche, nicht tatsächliche Welten' nennt). Anders verhält es sich

mit dem, was durch die Sprache — hier: Durch die Personalendungen — ange-

(11)

den Charakter von Bewußtsein, und s i e bestimmt Agens und Gegen¬

stand; kraft ihrer also wird Bewußtsein ersichtlich, nicht aber etwa

aufgrund der Verwendung der dritten Person. Im anderen Falle nämlich

— bei Verben, deren Bedeutung 'Nichtwissen' ist — geht aus der dritten

5 Person niemals Bewußtsein hervor"; denn während aus der ersten

und zweiten Personalendung — da sie in der Bedeutung 'ich' und 'du'

vorgeschrieben sind^* — Agens und Gegenstand als durch Bewußtsein

qualifiziert hervorgehen, ist dies bei der dritten nicht der Fall; an ihr

tritt die Bestimmung des Bewußtseins nicht auf, weil sie „fiir den Rest"

deutet wird. Die Andeutung ist nicht als ein Begriff bewußt, sie ist vorerst noch ganz unbestimmt und ungreifbar. Sie besitzt keinen ihr wesentlichen Sprachkörper, keine Lautgestalt, die allein imstande wäre, sie zu vermitteln.

Es ist bedeutsam, daß Heläräja hier offensichtlich bewußt einen Begriff

{vyajyate) verwendet, der besonders in der äthetischen Literatur seit Ananda-

vardhana eine zentrale Rolle spielt, — das 'Angedeutetwerden (des 'Tons' (=

dhvani)', Jacobi). So wie — nach Anandavardhana — in der wahren Dichtung

neben der 'direkten Bedeutung' {abhidha} etwas Unbestimmtes, der 'Ton'

{dhvani} vermittelt und dadurch als Empfindung, d.h. als Bestimmung des

Bewußtseins, bestimmt wird, vor deren Hintergrund die bedeutenden Begriffe

— durch sie zusätzlich bestimmt — auftreten und begriffen werden, — ebenso

geht aus den die Person bezeichnenden Morphemen die Andeutung von

Bewußtsein aus, die gleichsam das 'Thema' der von der gesamten Verbform

mitgeteilten Wurzelbedeutung 'anstimmt'. Da die Andeutung nicht als fertiger

Begriff im Bewußtsein ist, sondern das bestimmte (empfindende)

Bewußtsein selbst ist, d.h. dessen Empfindung, unterliegt sie nicht —

oder zumindest in weit geringerem Ausmaße als die Bedeutung — dem Willen,

stellt sich vielmehr spontan als Intuition ein. Es kann deshalb eine Aussage einen Widerspruch zwischen ihrer Bedeutung (der gewollten Darstellung einer fiir real ausgegebenen aber nur möglichen Welt) und ihrer Andeutung (der spon¬

tanen Selbstdarstellung der tatsächlichen — d. h. in der vollkommenen Entspre¬

chung von Idee und Ding bestehenden — Welt) in sich tragen; 'du verstehst

nichts' etwa bedeutet (d.h. behauptet) die Verständnislosigkeit des Ange¬

sprochenen, dessen Verstehen aber zugleich — eben durch die Anrede — ange¬

deutet wird, — teilt also den Widerspruch zwischen wollendem Denken

(Behaupten, Prädizieren) und empfundenem Wissen mit. — Das 'Bewußtsein'

also, das aus der ersten und zweiten Person hervorgeht, wird vom Sprecher

empfunden und angedeutet; dasjenige aber, das aus Verben wie 'denken'

usw. hervorgeht, gewollt und bedeutet.

^' Wohl aber bei der ersten und zweiten, vgl. Anmerkung 26. Hiermit ist die

klassische Beweisführung mittels Ubereinstimmung und Abweichung {anva-

yavyatirekabhyäm) abgeschlossen: Aus der Tatsache, daß die erste und die

zweite Person an jeder beliebigen Wurzel (selbst an einer, die mittels

ihrer Bedeutung 'Bewußtlosigkeit' vermittelt) Bewußtsein andeuten, sowie aus der anderen, daß selbst Verben, die von sich aus etwas bedeuten, was Bewußt¬

sein impliziert, in der dritten Person kein Bewußtsein (des Agens) andeuten,

folgt die Richtigkeit von Vers 2. p i 4 xo5 und 107.

(12)

angezeigt ist^'. Die in der Bedeutung 'du' verwendete zweite Personal¬

endung aber deutet immer auf Bewußtsein hin'°, da 'du' nur bei bewußt¬

seinsbegabten Wesen verwendet wird". //3//

Bezüglich der Tatsache, daß die zweite Person bei Gegenübersein

verwendet wird, sagt er nur etwas im Sinne einer anderen Lehre: 5

4. Manche sagen, im Falle der zweiten Person liege immer eine

vokativische Bedeutung vor, und sehen so die Nominativform 'du'

immer als Vokativ an.

Es sind sich alle darüber einig, daß überall da, wo eine Aufforderung

beabsichtigt ist, der Vokativ — dessen Bedeutung in bezug auf Tätig- 10

keiten 'Veranlassung zur Durchfuhrung' ist — auftritt, wie etwa in den

Sätzen 'geh!', 'iß!' usw.".

" P 1.4.108; siehe aber Anmerkung 20.

^° LT.: abhidyotayati, was in seiner Bedeutung dem Verb vyanakti (deutet an) vergleichbar ist, siehe Anmerkung 26.

" Daß in diesem letzten Satz nur noch von der zweiten Personalendung die Rede ist und nicht mehr von der ersten (die ja in ebendemselben Maße Bewußt¬

sein andeutet) , kann natürlich mit dem bekannten paribhäsä: ardhamäträlägha-

vena putrotsavarn manyante vaiyäkaranäh (ParS 133) erklärt werden, d.h. mit

Heläräjas Streben nach Kürze. Es ist andererseits wahrscheinlicher, daß hier — nach der bereits erörterten gröberen Einteilung der Personen in zwei Gruppen,

je mit dem Merkmal von 'Bewußtsein' und von 'Nichtbewußtsein' — auf eine

weitere, subtilere Unterscheidung innerhalb der einen Gruppe sowohl, als auch

innerhalb der Gesamtheit der Personen hingewiesen wird.

Sprache ist ja überhaupt eine Funktion des Bewußtseins, sie ist „. . . das Organ des inneren Seyns, dies Seyn selbst, wie es nach und nach zur inneren

Erkenntnis und zur Aeusserung gelangt" (Humboldt: Sprachbau). Wenn es

sich also auch so verhält, daß das sprechende Bewußtsein, eben durch seine

Selbst-Entäußerung — etwa in Aussagen wie 'ich denke' — zum letztlich ganz

objektivierten (d.h. ent-selbsteten, also unbewußten) Gegenstand seines

Sprechens, also seiner selbst, wird, demnach vorerst mit 'du denkst' und 'er

denkt' qualitativ auf eine Stufe zu stellen und in der stattgefundenen Weise unter den zwei Oberbegriffen 'durch Bewußtsein qualifiziert' und 'lucht durch Bewußtsein qualifiziert' zu klassifizieren ist, — so bleibt doch das Bewußtsein selbst, dessen Funktion die Sprache ja ist, — also das reine Ich — als stets

außerhalb des sprachlichen Objektivationsraumes bestehen (innerhalb dessen

ja nur das begrenzte, qualifizierte Ich auftritt). So zeigt sich der weitere grundsätzliche Unterschied, nämlich der zwischen 'ich' und all dem, was 'nicht- ich' ist, der letztlich der Unterschied zwischen dem reinen Bewußtsein und der

als Sprache geordneten Gesamtheit der objektivierten Welt ist.

Es spiegelt sich in dieser Aussage die pänineische Auffassung wieder, daß

der Vokativ lediglich eine Sonderbedeutung des Nominativs darstelle, die

Vokativendung demnaclunur eine Abwandlung (bzw. ein 'Ersatz', ädesa) der

11 ZDMG 132/1

(13)

Manche wollen nun selbst in Fällen wie 'du kochst', in denen keinerlei

Aufforderung vorliegt, einen Vokativ sehen, insofern sie den Vokativ

allgemein als 'Auslösung von Zu-Wendung' ansehen"; deswegen also

ist nach deren Meinung jede Nominativform der zweiten Person aller

drei Numeri als mit Vokativendung versehen zu betrachten'''. //4//

Wenn dem nun so ist, daß die die zweite Person und der Nominativ

(des Personalpronomens) den Vokativ bedeuten, dann sollte in Sätzen

nominativischen sei (vgl. P II. 3.47 f.). Daraus folgt nun, daß — da ein Kasus entweder in adverbaler Weise (als Faktor, käraka) — oder in adnominaler ver¬

wendet werden kann, und da der Nominativ als der Agenskasus überhaupt meist in der ersten Weise auftritt — der Vokativ ebenfalls als Faktor zu gelten habe, und zwar je nachdem als Agens (in aktivischer Konstruktion) oder als Gegen¬

stand (in passivischer Konstruktion). Zur Erklärung dieser Auffassung nun, die eigentlich der sprachlichen Realität zuwiderläuft (insofern, als der Vokativ

tatsächlich als Kasus eine Sonderstellung einnimmt, aus dem Satzgefüge

heraustritt und somit wirklich keiner der zwei Verwendungsmöglichkeiten zugeordnet werden kann) , wird der Vokativ als die Transformation des Subjekts für einen Befehlssatz gedeutet, und zwar in der Weise, daß die vokativische

Endung zuerst gleichsam eine Aufforderung andeutet, dann aber ihr 'eigent¬

lich' nominativisches Wesen offenbart und nunmehr die (veranlaßte) Agentia¬

lität, bzw. Patientialität, des Angesprochenen in bezug auf die Imperativisch ausgesprochene Wirksamkeit bedeutet (eine Vorstellung, die darin ihre Berech¬

tigung findet, daß jede Wirksamkeit eine syntaktische Übereinstimmung mit

ihrem Agens — bzw. mit ihrem Gegenstand — aufweisen muß, daß also für jeden 'Zustand' der Wirksamkeit — demnach auch für den Imperativ — ein bestimmter 'Zustand' des Agens usw. bestehen muß. Ebenso aber wie z. B. die Nominativ¬

endung am Nomen den Zustand des Agens bezeichnet und mit der aktivisch-

indikativischen Personalendung am Verb in Verbindung zu bringen ist (der

Mann koch-t), muß die Endung des Imperativs eine ihr gemäße entspre¬

chende Endung am Nomen besitzen — und die ist die des Vokativs: 0 Mann,

koch!).

In diesem Sinne kann der Vokativ sogar als ganz in der Imperativendung enthalten angesehen werden (d.h. so wie z.B. pacasi 'du kochst' bedeutet,

kann paca 'o du, koch!' bedeuten), weshalb es Heläräja hier genügt, als

Beispiele fiir die Verwendung des Vokativs Sätze anzugeben, die eigentiich aus reinen Verbformen bestehen ('iß!' und 'geh!').

Dementsprechend muß jeder in einem Aussagesatz als Einschiebsel auftre¬

tende, alleinstehende (mit keinem Imperativ verbundene) Vokativ als ellip¬

tischer Befehlssatz gedeutet werden, an dem 'eigentlich' ein Imperativ — etwa 'komm!' oder 'hör!' — zu ergänzen wäre.

" Vgl. Kää zu P II.3.47.

Da im Sanskrit die ausdrückliche Nennung der Personalpronomina nicht

notwendig ist ( 'pacasi' für 'du kochst'), erfolgt diese stets nur im Sinne beson¬

deren Nachdrucks, was im gewissen Sinne tatsächlich als 'Auslösung von Zu¬

wendung (von Aufmerksamkeit)' gedeutet werden kann.

(14)

wie „Heil, als Indrafeind gedeihe!"'' und „Sei ein König, kämpfe!" das

mit der zweiten Person syntaktisch kongruente andere Wort im Nomi¬

nativ" (in Wirklichkeit) die Vokativendung tragen! Wie kommt es, daß

niehts dergleichen zu sehen ist?

Dazu sagt er: 5

5. Es kann keine Erweckung von Aufmerksamkeit'* mittels eines

erst noch darzustellenden Gegenstandes — wie in den Sätzen „Heil,

als Indrafeind gedeihe" und „Sei ein König" — erfolgen".

„Den Vokativ'"' betrachtet man als die Zu-Wendung eines Vermit¬

telten"""; wenn also etwas Mittelbares erst ausgesagt wird, gibt es 10

keinen Vokativ. Ein zuvor nicht dagewesener Gegenstand nämlich, der

erst dargestellt wird, somit noch keine Wirklichkeit erreicht hat und

keine wahrnehmbare, bestinmite Gestalt besitzt, kann keine Zu-

Wendung erfahren. Hier aber vrird sowohl das 'Indrafeindsein' als auch

das 'Königsein' erst ausgesagt, daher gibt es — der Aufforderung zum 15

Trotz"^ — keinen Vokativ; so erscheint weder die Hochstufe, noch wird

" Vgl. MaiS II.2.3 und TS 11.4.12.1.

'* Ich habe nicht feststellen können, ob es sich hierbei um ein Zitat oder um einen erfundenen Beispielsatz handelt.

" Also einmal 'Indrafeind' (indrasatmh) und einmal 'König' (räjä).

'* Mit 'Erweckung von Aufmerksamkeit' gebe ich 'sambodhana'wieder, was im

engeren (technischen) Sinne für 'Vokativ' steht, beziehungsweise für diejenige logische Funktion eines Wortes, die durch die Vokativendung gekennzeichnet ist.

" Der „erst noch darzustellende Gegenstand" ist in den zwei Sätzen jeweils

die angesprochene Person in ihrem 'Indrafeindsein', bzw. in ihrem

'Königsein'. Es gehören also diese zwei Qualifikationen jeweils zur Prädika¬

tion, was sich zumindest im Falle des ersten Satzes eindeutig aus dem (mytholo¬

gischen) Kontext erkennen läßt: „Heil, usw." ist bekanntlich der Zauberspruch,

mittels dessen der Dämon Vrtra zugleich ins Dasein gerufen und in seine

Bestimmung als 'Indrafeind' (bzw. Indras Töter) gesetzt wurde; es bedeutet die Aussage also soviel wie: 'Sei dem Indra ein Feind und gedeihe als solcher!'

Vrtra wird erst, indem er dazu 'aufgefordert' wird, zum Feind Indras, kann

also in seinem Entstehen noch nicht als solcher angesprochen werden (was ja

voraussetzte, daß er es bereits wäre und, vor allem, darum wüßte). Seine

Aufmerksamkeit könnte nicht durch den bloßen Begriff 'indraJatru'

erweckt werden, weshalb die Vokativendung sinnlos wäre.

"" Beziehungsweise: „Die Erweckung von Aufmerksamkeit" (sambodhana),

vgl. Anmerkung 38.

VP III. 7. (Sädhanasamuddesa) 163.

Der Aufforderung zum Trotz, die in den zwei Sätzen jeweils von dem Impe¬

rativen 'gedeihe' (vardhasva) und 'sei' (bhava) ausgesprochen wird.

11*

.^?äÄfc.V,^

(15)

die Elision des 'n' aufgehoben'". So liegt im Falle dieser zweiten

Person kein Vokativ vor, weswegen es auch geheißen hatte, „einige

wären der Ansicht usw.'"*". //5//

""^ LT.: gunanalopapratibodhau na bhavatah, was überhaupt keinen Sinn ergibt. Ich lese hier statt dessen '. . . prati^edhau . . .' und analysiere das Kom¬

positum als: gunas ca nalopapratisedhas ca (na bhavatah).

A. „Die Hochstufe erscheint nicht" (guno na bhavati):

P VII. 3.106: sambuddhau ca, VII. 3.108: hrasvasya gunah, (VI.1.68: . . . SU- . . .),

VI. 1.69: erihrasvät sambuddhdi; diese Regeln besagen, daß im

Vokativ singular eine Kürze im Stammauslaut durch deren jeweilige Hochstufe ersetzt wird, wobei die Endung des Nominativs (su) , die ja auch als die des Voka¬

tivs gilt (s. Anmerkung 32), nach e, o und einer Kürze elidiert wird. In unserem Falle ergäbe sich also folgende Reihe: indrasatruh — indrasatroh — indrasatro;

tatsächlich aber heißt es indrasatruh (also Nominativ!).

B. „Die Elision des n wird nicht aufgehoben" (nalopapratisedho na

bhavati) :

P VI. 4.7: nopadhäyäh,

VI. 3.111: . . . pürvasya dirgho'nah, VI. 4.8: sarvanämasthäne cäsambuddheh,

VI.1.68: halriyäbbhyo dirghät sutisyaprktarn hat, Vni.2.7: nalopah prätipadikäntasya (padasya), VIII. 2.8: TM ihisambuddhyoh; diese Regeln besagen:

Bei einem auf n auslautenden Stamm wird ein diesem n vorangehendes a, i

oder u durch die jeweilige Länge ersetzt, wenn eine Kasusendung folgt, die den

stärksten Stamm erfordert — mit Ausnahme der Endung des Vokativs singu¬

laris; nach einem Konsonanten wird die Endung des Nominativs (su) elidiert

und es erfolgt die Elision des Stammauslauts n, wenn es als Wortauslaut auftritt

— außer im (vedischen) Lokativ singularis und im Vokativ singularis. Also:

räjan — räjäns — räjän — räjä, für den Nominativ singularis, für den Vokativ aber:

räjan (d.h. durch P VI.4. 8 wird das a an vorletzter Stelle nicht gedehnt und nach

VIII. 2.8 wird die Elision des auslautenden n aufgehoben). Tatsäch¬

lich aber heißt es räjä (also Nominativ!).

Es ist bezeichnend, daß Heläräja nicht einfach von vornherein feststellt, daß in den zwei Beispielsätzen 'Indrafeind' und 'König' eindeutig anhand ihrer Form

und der Kenntnis von Päninis Regeln als Nominative erkennbar sind (indra¬

satruh und räjä) , so daß eigentlich jede semantische Erörterung der Frage müßig

erscheinen sollte. Gemäß dem Grundsatz, daß die Bedeutung das Wort

'verursacht' (vgl. EdW, S. 55. 16fO muß er in erster Linie beweisen, daß die vokativische Bedeutung unmöghch sei, damit die zuletzt sich anschließende pänineische Erklärung der Form überhaupt ins Gewicht falle: Da der Vokativ nur als 'Nebenfunktion' des Nominativs gilt (und in vielen Fällen auch formal nicht von diesem zu unterscheiden ist) , wäre es ja schließlich (zumindest theore¬

tisch) denkbar, daß die formal für nominativisch gehaltenen Kasusendungen in

Wirklichkeit von vokativischen Bedeutungen 'verursacht' worden wären.

Im Vers 4.

(16)

Jetzt sagt er, daß es eine in den Lehrbüchern bestätigte Tatsache

sei, wenn es heißt, der Nominativ von 'du' sei (in Wirklichkeit) eine

vokativische Form:

6. Da das Pronomen der zweiten Person etwas bereits Vermitteltes

bedeutet''', hat es — wenn im Nominativ und keinem anderen Worte 5

folgend — stets den Hochton auf der ersten Silbe''*.

„Da es etwas Vermitteltes bedeutet", kann es zum Gegenstand einer

Anrufung werden; und da beim Vokativ die erste Silbe hochtonig ist,

trägt 'du' im Nominativ, wenn es nicht einem anderen Worte folgt,

unweigerlich den Hochton auf der ersten Silbe, zum Beispiel: 10

„Du, Agni, dem Voropfer und dem Nachopfer voran . . ."'",

„Du, Agni, durch die Flammen, du blinkst hervor . . .""*; wenn einem

Worte folgend aber, ist der Vokativ tieftorüg, da für den Fall der Gravis

vorgeschrieben ist", zum Beispiel:

„Göttinnen, Wasser, reine seid ihr!"'" //&// 15

'Vermittelt' kann hier in dreierlei Weise verstanden werden. Einmal ist die

Bedeutung von 'du' als ein (bewußtes) Wesen etwas Nominal-dingliches und

insofem Vermitteltes (im Gegensatz zur mittelbaren Wirksamkeit); es kann

allerdings diese Art von Vermitteltsein nicht ausreichen, um zu erklären, wann

der Vokativ angewendet werden könne, und wann nicht. 'Vermittelt' ist ande¬

rerseits die Bedeutung von 'du' insofern, als der Empfindung, die sich in diesem

Worte ausdrückt, die Refiexion des Ich auf das Gegenüber vorausgegangen ist,

in der Weise, daß das umittelbare 'ich' über das mittelbare 'ich bin' zum vermit¬

telten 'du' übergegangen ist. Schließlich kann man den BegrilT 'Vermitteltes'

allgemein als 'Gegebenes', 'Vorausgesetztes' fassen und mag darunter das

Gegenüber verstehen, welchem man Du-heit beimißt, und welches als die

Negation der Negation des Ich — also als ein das Ich negierendes bestimmtes

Etwas — aufgefaßt werden muß.

""^ Was nach P VI. 1.197, nnity ädirnityam (udättah) und 198 ämantritasya ca,

unter Hinzuziehung von VIII. 1.18, anudattam sarvam apädädau und 19, äman¬

tritasya ca, ein Merkmal des Vokativs ist.

Die Quelle ist mir lucht bekarmt (tväm agne prayäjänuyäjänäm purastät) .

RV II. 1.1 (tväm agne dyübhih tväm äsusuksänih) .

P VIII. 1.18: anudättam sarvam apädädau, 19: ämantritasya ca.

MaiS III. 10.1 (devlr äpah suddha yüyam).

Beweiskräftig scheint vorerst eigentlich nur das unbetonte yüyam zu sein. Das zweite tväm aus RV II. 1.1 (Anmerkung 48) dürfte keinen Hochton tragen, wider¬

spricht somit eindeutig Bhartrharis und Heläräjas Aussage; über die zwei

weiteren tväm am Versanfang kann eigentlich keine Entscheidung gefällt

werden, da beim einsilbigen Pronomen der Ton nicht anders als auf dem a liegen

kann. Immerhin wäre die Form Hväm (aus *tüam, Vokativ von Huäm, ent¬

standen, so wie vyäpti aus *viäpti} überzeugender gewesen. Der Leser möge

aus diesem Widerspruch zwischen Theorie und belegbarer Praxis — der übrigens

(17)

Wenn also die Bedeutung der Personalendungen derart festgelegt

ist", dann dürfte wohl in denjenigen Fällen, da (in einer Regel) die

Bedeutung (des durch diese zu bildenden Wortes) durch die dritte

Person angegeben wird — wie zum Beispiel: „Er spielt damit . . ."'^ —,

5 die in Frage stehende sekundäre Ableitung im Verein mit der ersten

und der zweiten Person nicht möglich sein, wie zum Beispiel: 'Ich bin

ein .sY//(7ÄY7-S|)ieler'. 'ich bin ein Würfelspieler' usw.'' Dazu .lagl vi:

10 7. Auch eine Bildung, die im Lehrbuch anders (angegeben wird) -

verschieden hinsichtlich dessen, was haupt- und dessen, was

nebensächlich ist'", sowie abweichend, was Person usw. angeht —

ist wegen der Ewigkeit (des Wortes) nicht unmöglich.

durch die zahlreichen Halbverse, die mit (normal endbetontem) yüyäm beginnen (z. B. RV V.54.14; 58.4; VII.37.2; VIII. 19.35; X.126.4, usw.), als der eigentliche

Regelfall ausgewiesen wird — seine eigenen Schlüsse ziehen. Zumindest der

Erwägung wert erscheint mir allerdings Dr. Depperts Theorie (mdl.), es habe seit frühester (vedischer) Zeit neben der brahmanischen Vedaüberlieferung

auch eine Tradition innerhalb der Kriegerkaste bestanden (aus welcher die

Sprachwissenschaft als selbständige Disziplin, die Sprachphilosophie und der kaschmirische (monistische) Sivaismus hervorgegangen wären), die gleichfalls die vedischen Texte — offensichtlich mit teilweise abweichender Akzentuierung

— studiert und gelehrt hat.

" „Derart festgelegt" bezieht sich auf das, was in den ersten drei Versen zur Bedeutung der Personalendung gesagt worden ist; Verse 4, 5 und 6 enthalten

dagegen spezielle technische Schlußfolgerungen aus jenen allgemeineren

Aussagen und brauchen hier nicht berücksichtigt zu werden.

" P IV.4.2: tena divyati khanati jayati jitam. Die Regel besagt, daß dasjenige Wort, welches in einem Satz, dessen Prädikat 'spielt', 'gräbt', 'siegt' oder 'ist besiegt worden' lautet, im Instrumental steht, mit dem sekundären Ableitungs- suffix ihak (*-ikä, bzw. *-kd, plus Dehnstufe der ersten Silbe) versehen werden kann, und daß die so gebildete sekundäre Ableitung 'dasselbe' bedeutet wie der ursprüngliche Satz, z. B.: aksair divyati (er spielt mit Würfeln) = akßä + thak = äksikdh (Würfelspieler).

" Es handelt sich hierbei iun eines der in der sprachwissenschaftlichen Lite¬

ratur recht zahlreichen Scheinprobleme, die sich daraus ergeben, daß eine päni¬

neische Regel allzu wörtlich genommen wird: Da nach Päruni die Bedeutung

eines Wortes wie äksikäh {Würfelspieler) aksair divyati (er spielt mit Würfeln) lautet, erscheint es unsinnig zu sagen: äk^iko'smi (ich bin ein Würfelspieler), da

dies nach der pänineischen Gleichsetzung bedeuten würde: 'Ich bin ein 'er-

spielt-mit-Würfeln"; weil aber das Wort 'Würfelspieler' — als 'Kontraktion' von 'er spielt mit Würfeln', also eines Satzes in der dritten Person — das Fehlen von Bewußtsein an der Person des Agens andeutete, dürfte es nicht mit der ersten

oder zweiten Person in Verbindung gebracht werden, die — wie ausgiebig er¬

örtert — den Agens als durch Bewußtsein qualifiziert zu verstehen geben.

'" So ist zum Beispiel die Hauptsache an der Bedeutung des Wortes 'Würfel-

(18)

Mit Hilfe des Lehrbuchs werden die ewigen Wörter nach-gebildet.

Dabei dient die abstrahierte lexikalische Bedeutung — die bei einer

solchen Feststellung von etwas allgemein Bekanntem als Untergeord¬

netes ausgesprochen wird — unter grundsätzlicher Nichtbeachtung aller

unumgänglichen (grammatischen) Bestimmungen wie Person usw. als

Richtlinie". Und deswegen, selbst obwohl die Regel anhand eines

Verbs, an dem ja Wirksamkeit die Hauptsache ist, veranschaulicht

spieler', so wie sie in der obigen Regel angegeben wird, die Wirk¬

samkeit (Mittelbarkeit), die aus dem verwendeten Verb ('er spielt', divyatij

hervorgeht, die Hauptsache an der Bedeutung des anhand der Regel

gebildeten Wortes selbst aber ist — da es sich dabei um ein Substantiv

handelt ('Würfelspieler', nLsikn) — das Dingsein {Vermitteltsein).

Zu Z. 1-6: Die Bedeutungen sind ewig und bilden gleichsam eine

'Ideenwelt", aus der sowohl das Sprechen als auch die äußere Gegenständlich¬

keit der Dingwelt gespeist werden. Von den Bedeutungen, die sich auf der

dritten (höchsten) Ebene der Sprache (der pasyanti) als räum- und zeitunab¬

hängige, bestimmte Intuitionen (pratibhä) darstellen, sind — in einem Verhältnis

uranfänglicher Abhängigkeit befangen — die Begriffe als deren Wirkungen,

ebenfalls außerzeitlich (ewig), jedoch bereits 'räumlich', d.h. durch einzel¬

sprachlich bestimmte Form festgestellt, in der zweiten Sprachstufe (der

niadhyamä) hervorgebracht; von diesen letzteren schließlich beziehen die raum- und zeitabhängigen, also veränderlichen und vergänglichen, lautlichen Wörter ihre Existenz.

Wenn also ein Sprachlehrbuch wie Päninis Astädhyäyi die korrekte Bildungs¬

weise eines bestimmten Wortes vorschreibt, so hat dies einzig den Zweck, dem

Sprecher die Mittel an die Hand zu geben, der von der dritten Stufe aus¬

gehenden, freien Selbstgestaltungskraft der Sprache helfend 'entgegenzu¬

kommen', sowie ein intellektuell faßbares Modell zu liefern, mittels dessen die spontan sich einstellenden, selbstentstandenen Formen nachvollzogen werden

können. Die Bedeutungsangaben dienen daher nicht etwa dazu, 'erfundenen'

Lautgebilden definitorisch ein Bezeichnetes zuzuordnen, sind vielmehr nur als Zeichen (als 'Richtlinie') aufzufassen, mit deren Hilfe die selbständig wesenden, ewigen Bedeutungen, die als bekannt vorauszusetzen sind, mit den — den gleich¬

falls ewigen Begriffen — nach-gebildeten Lautwörtern in Verbindung gebracht werden können. Die im Lehrbuch angegebene Bedeutung ist dabei eine bewußte Vergröberung der Idee, die lediglich — mit Hilfe des in seiner Bildungsweise vorgeführten, bereits im voraus bekannten Wortes — die wahre (eigentliche)

Bedeutung anklingen läßt, und in diesem Sinne etwas 'Untergeordnetes'

darstellt — etwas nämlich, was um eines Anderen willen auftritt. Da die (ver¬

gröberte) lexikalische Bedeutung selbst durch ein Wort vermittelt wird, ist sie —

mittels dieses — mit zahlreichen grammatischen Bestimmungen wie Person,

Tempus, Modus usw., bzw. Genus, Numerus und Kausus versehen; da diese aber

unumgänglich sind, besitzen sie in bezug auf die ewige und ganzheitliche Bedeu¬

tung, die sie andeuten helfen, keinerlei Relevanz und dürfen daher nicht als

wesentlicher Bestandteil ebendieser Bedeutung angesehen werden.

Vgl. MBh L2 12.2-7; s.a.: EdW, Einführung, S. 43f; Verse 60ff (S. I35.8fi).

(19)

wird'*, ist die sekundäre Ableitung (die sieh aus der Regel ergibt) — von

in erster Linie dinglichem Wesen und daher mit den entsprechenden

Attributen wie Genus usw. versehen — durchaus möglich. // 7 //

Selbst also wenn die Regel auf andere Weise — hinsichtlich der

5 Bestimmungen von Person, Numerus und Tempus — ausgesprochen

wird, findet stets eine Nach-Bildung des ewigen Wortes statt''; um

dieses zu bestätigen, sagt er:

8. Verhielte es sich so, daß das Lehrbuch die Bedeutungen fest¬

setzt, dann entsprächen sie genau der Angabe; da aber etwas Gege-

10 benes vorliegt, stellt diese nur eine auf ein Allgemeines gestützte

Erklärung dar.

Wenn das Lehrbuch die Wörter erzeugte, dann wäre deren Bedeu¬

tung genau so wie im Lehrbuch angegeben; es verhält sich aber nicht so,

da es ja heißt:

15 „(Wäre das Wort) künstlich, so müßte das, was gleichzeitig oder

hinzufügend-beigeordnet (in einer Regel vorgeschrieben wird), gleich¬

zeitig ausgesprochen werden"'* und:

„Es ist nicht die vermittelte Bedeutung, die angezweifelt wird"".

" P IV. 4.2; vgl. Anmerkung 52.

Das heißt also: Da an der Bedeutungsangabe ('er spielt damit') auch das

Nicht-mit-Bewußtsein-versehen-Sein des Agens — insofern, als es nur eine

spezifische Bestimmung des finiten Verbs ist — hinsichtlich der

dadurch angedeuteten ewigen Bedeutung nebensächlich ist, wird das abgelei¬

tete Wort ('Würfelspieler') als ein Substantiv nur mit der allgemeinen

Bedeutung in Verbindung gebracht, während die speziellen Bestim¬

mungen, die durch es unweigerlich an sie treten, nur 'dinglicher' (nomi¬

naler) Natur sind; da das Substantiv somit keinerlei Andeutung von Bewußt¬

sein oder Nichtbewußtsein mitteilt, kann es ohne Schwierigkeit mit einem Verb sowohl in der ersten und zweiten als auch in der dritten Person in Beziehung gebracht werden.

Vä 16 zu P 1.1.44 (MBh 1.104.20): kärye yugapad anväcayayaugapadyam.

Wären Wörter künstlich zu erzeugende Gebilde (für die also kein allgemeiner Maßstab existierte), dann müßte man — wenn etwa in einer Regel drei verschie¬

dene Sulfixe gleicher Bedeutung erwähnt werden, die an eine Verbwurzel treten können (z.B. P. III. 1.96, tavyai-tmiya-aniyarah) , wobei man, eben anhand der

doch bereits existierenden, von der Wortbildung unabhängigen Wörter, weiß,

daß jeweils nur ein Suffix auf einmal verwendet werden kann — alle drei gleich¬

zeitig an die Wurzel anfügen, um die erwünschte, im Lehrbuch angegebene

Bedeutung zu bezeichnen, so z.B.: *kärtavyatmyhntya an Stelle von kärtavya

oder karaniya (zu tuendes, Pflicht). Aus der Tatsache aber, daß niemand so

verfahrt, kann man auf die Existenz eines allgemeinen Maßstabs — eben der

ewigen Wörter — schließen.

" Vä 15 (MBh 1.104.13) zu P 1.1.44 (rm veti vibhäsä, 'Oder auch nicht' heißt

(20)

Das Lehrbuch deutet die ewigen Wörter an (ohne sie erschöpfend

zu bestimmen) ; und so — da es nicht die Bedeutung ist, die gelehrt wird,

— bezieht man sich auf eine in ihrer möglichsten Nähe (zur wirklichen

Bedeutung) allgemeine Bedeutungsgestalt als auf ein der Beschrei¬

bung eines Gegebenen Untergeordnetes, und beschreibt die (in der 5

Weise) . bestimmte Wortgestalt, lediglich nach. So stellt sich das

Erwünschte ein. //8//

Nun bespricht er ein Beispiel von Pataiijali:

9. So wie das Gegebene — 'Pferd' und 'Sitz' — im Satz 'der auf dem

Pferd, der auf dem Sitz' eine symbolische Bestimmung darstellt, so 10

verhält es sich auch mit den Bedeutungen in bezug auf die Wort-

bildung"".

Vibhäsha (Böhtlingk)): svedhäpratipattih. mit diesem värttikawiU Kätyäyana klarstellen, daß durch eine der zahlreichen Regeln, die Pänini mit den Worten vibhäsä ('nach Belieben') bzw. vä ('oder') als fakultativ ausweist, zwar die spezielle, in der bestimmten Regel vorgeliihrte Bildungsweise freigestellt

wird, keineswegs aber die Bedeutung des in der Weise gebildeten Wortes

anzuzweifeln sei: Die Bedeutung eines jeden Wortes sei über jeden Zweifel

erhaben.

'Symbolische Bestimmung' (upalaksana): Die der Identifizierung eines

Sachverhalts dienende Angabe eines Merkmals, welches vorerst nur durch

Umdeutung des Wesensbegriffes als 'Wesenszug' bezeichnet werden kann. Die

symbohsche Bestimmung bezieht sich nicht auf das allgemeine Wesen des

Begriffes des zu bestimmenden Sachverhaltes, sondern auf seine — als Wesen

aufgefaßte — jeweilige raumzeitliche Gegebenheit, und zwar in der Weise, daß der betreffende Sachverhalt, von seiner Allgemeinheit losgelöst, als vollkom¬

menes, in der Zeit seiendes Individuum — d.h, als reines 'Hier' und

'Jetzt' — dargestellt werden kann. Als reines Hier und Jetzt aber kann ein Sach¬

verhalt zweckmäßig durch ein beliebiges sinnfälliges Merkmal in seiner Iden¬

tität festgestellt werden, ohne daß sich die Frage zu stellen bräuchte, ob

derselbe Sachverhalt als ein anderes Jetzt etwa (d. h. zu anderer Zeit) durch

dasselbe Merkmal identifizierbar bliebe — ob also dasselbe Merkmal auch

dann als symbolische Bestimmung dienen könnte —, da ja im Augenblick der

Bestimmung von jeglicher Allgemeinheit, die über das augenblickliche Indivi¬

duum hinausginge, abgesehen wird. Da andererseits jedes Hier und Jetzt teil hat

am allgemeinen — über das Hier und Jetzt hinausgehende — Wesen all der am

vorliegenden Sachverhalt Beteiligten — in der Weise, daß jede solche raumzeit¬

liche Monade (jeder 'Augenblick') nur deshalb in der betreffenden Gegebenheit auftreten kann, weil es ein allgemeines Wesen gibt, das sie ermöglicht — darf der

Begriff des Symbols an der symbolischen Bestimmung nicht etwa mit der

Bestimmung der 'Zufälligkeit' in Verbindung gebracht werden; er bedeutet

vielmehr die ideale (vollkommene) Erscheinung des allgemeinen

Wesens in der vollständigen raumzeitlichen Umgrenztheit des

Augenblicks, somit die verbindlichste Bestimmtheit überhaupt.

Siehe auch EdW, Glossar: upalaksana.

(21)

„Wenn viele anwesend sind, und es stellt sich die Frage: 'Wer ist hier

Devadatta?', dann sagt man: 'Der auf dem Pferd' oder 'der auf dem

Sitz'."*' So wie hier ein Gegebenes — 'Pferd' oder 'Sitz' — zur Kenntlich¬

machung von Devadatta mit einer Endung, die Vorhandensein impli-

5 ziert, ausgesprochen verwendet wird, — ebenso auch die jeweiligen

Bedeutungen in bezug auf die (zu bildenden) Wörter*^

Und so wie die Verbindung von 'Pferd' und 'Sitz' mit der festzustel¬

lenden Namensgestalt 'Devadatta' besteht, ebenso auch von den

Bedeutungen mit den anzufügenden Suffixen usw.*'; deren Angabe

10 führt somit zu keinem logischen Fehler*". Vielmehr erfolgt die

" MBh Il.l.lSff mit Varianten.

'Pferd' und 'Sitz' sind nicht allein bezüglich ihres dinglichen Vorhanden¬

seins gegeben, sondern auch — was hier bedeutsamer ist — in ihrem begriff¬

lichen Bestimmtsein (im Bewußsein) : Insofern sie als bekannte und von jeder¬

mann wiedererkennbare Gegenstände vorausgesetzt werden dürfen, sind sie

geeignet, etwas in eine Beziehung zu ihnen gesetztes Unbekanntes — eben die

Person Devadattas — kenntlich zu machen. Dieses Gegebensein ist aber zugleich die einzige notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß der Satz 'Deva¬

datta ist der, welcher auf dem Pferd sitzt' als Mitteilung überhaupt sinnvoll sei

(insofem dagegen die Aussage '. . . der, welcher neben Yajnadatta steht' —

wobei Yajfiadatta als gleichfalls unbekannt zu gelten hätte — völlig nutzlos wäre). Dieser logische Sachverhalt des Gegebenseins drückt sich sprachlich in der Endung des Lokativs aus, die deshalb als 'Endung, die Vorhandensein impliziert' (hhütavibhaktih) bezeichnet wird: Durch den Lokativ wird der Ort

des Agens bezeichnet (zumindest in prädikativischer ((adverbaler)) Verwen¬

dung, als deren Anderssein die attributivische ((adnominale)) für den vorlie¬

genden Fall durchaus umgedeutet werden darf), der eben als Ort (d.h. als

Bezugspunkt für eine Ortung) in Raum, Zeit und Bewußtsein vorhanden

sein muß.

Nach dieser Überlegung reicht schon die Tatsache, daß Pänini die Bedeutung eines nach einer seiner Regeln zu bildenden Wortes im Lokativ angibt (vgl. etwa III. 3.18: bhäve, „im (Sinne von:) Wesen") als sprachlicher Beweis dafür aus, daß in einem solchen Falle die Bedeutung nicht gelehrt wird, vielmehr diese — in ihrem ewigen Dasein gegeben und als solche durch die lokativische

Endung gekennzeichnet — als der 'Ort', mittels dessen das zu bUdende Wort

'lokalisiert' (identifiziert) wird, vorgeführt werden soll.

Das heißt mit den Grundbestandteilen, aus denen die zu bildende Wörter erzeugt werden: Verbwurzeln, primäre und sekundäre Ableitungsmorpheme.

''^ Etwas freie Wiedergabe; i.T.: ... wa te'tra väkye bhedena vidhiyante. Unter

väkyabheda ('Satzbruch') versteht man in der Mimärjisä und allgemein in der

Logik denjenigen 'Fehler', der dann vorliegt, wenn sowohl Subjekt als auch

Prädikat eines Satzes unbekannt, d.h. nicht 'gegeben' sind, — also wenn beide

Teile der Aussage 'vidhe.ya' (Festzusetzendes) sind, dafiir aber kein Teil

'uddesya' (Aufzuzeigendes, also in sich bereits Bestimmtes) ist.

Dieser Fehler läge hier allerdings vor, wenn die pänineischen Regeln zugleich

(22)

Vorschrift der grammatischen Operation nur in bezug auf die Sufiixe

usw., wobei die Bedeutungen, die mit der Vorhandensein imphzie-

renden Lokativendung mitgeteilt werden, die gegebene Richtlinie

für die Wortbildung sind; und in dieser Weise ergibt sich stets von Fall

zu Fall das Erwünschte. //9//

Soweit aus dem von Heläräja, des Bhütiräja Sohn, verfaßten Praki-

rnakaprakäsa das zehnte Buch: Die Erörterung der Person.

Abkürzungsverzeichnis

EdW G. Bandtni: Die Erörterung der Wirksamkeit

Hx:mboldt: Sprachbau W. von Humboldt: Ueber die Verschiedenheit des

menschlichen Sprachbaues . . .

Käfi Käsikavrtti

KäS Käthakasarnhitä

MaiS Maiträyanlsarnhitä

MBh vyäkaranamahähhäsya

MSü Jaiminiyamimärnsäsütra

P Päninis Astädhyäyi

ParS Paribhäsendusekhara

BV ftgvedasamhitä

TS Taittinyasamhitä

Vä Värttika

VP Väkyapadiya

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son of Bhütiräja. Pt. II. Ed. by L. A. Ravi Vaemä. Trivandrum 1942.

Wortgestalt und -bedeutung zu bestimmen hätten (was etwa auf dasselbe

hinausliefe, als wollte man jemandem, der kein Sanskrit beherrscht, dem Dhätu¬

pätha entsprechend erklären, die Verbwurzel ad- bedeute bhaksana).

Vgl. MSü III. 1.21: sanidigdhe tu vyaväyäd väkyabhedalf, syät.

(23)

—: 3. P7^ of Bhartrhari with the Praklrnakaprakäsa of TdeläräisL. KändalU, Pt. II.

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Referenzen

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