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Mich juck ts nicht

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Academic year: 2022

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inen gewissen Abstand muss der Hausarzt haben. Vor allem dann, wenn Patienten mit Läusen kommen, was sie momentan gehäuft tun.

Wir haben die Stühle im Wartezimmer auseinander- gestellt, und wer sich kratzt, kommt sofort ins Mehr- zweck-Räumli. Es könnten ihm ja Pediculi humanis capitis zu Kopfe gestiegen sein. Echt lausig ists ennet der Grenze. Das will uns zumindest Dr. August Wolff, die Herstellerfirma des Dimeticon-haltigen Etopril, glauben machen. Geben Deutsche im Inter- net in den «Läuseatlas» die Postleitzahl ihres Wohn- ortes ein, wird ihr regionales Läuserisiko gezeigt.

Während es im Nordwesten Deutschlands vor Kopf- lausbefallenen nur so wimmelt, bewahren die An- rainer der Schweiz in Konstanz, Gottmadingen und Lörrach einen ruhigen Kopf. Jedoch unser Städtchen hier, das mit seinen «bedeutenden Köpfen» wirbt, scheint damit auch Nissen und Läuse anzuziehen.

Ständig stürmen Eltern in meine Praxis, empört da- rüber, dass nun schon wieder ein sich nicht zu er- kennen gebendes verlaustes Kind in der Klasse ist und die Behörden nicht einschreiten. Aus die Laus!, fordern sie lausstark- – äh – lautstark. Werfen mir an den Kopf, dass man diese Lausbuben und Luus- meiteli beim Namen nennen müsse. Und kahl rasie- ren. Ihnen notfalls unter Androhung von Busse oder Gefängnis die guten alten Hausmittel wie Petroleum, Alkohol und Silikon ins Haar schmieren und Kap- penzwang verhängen müsse. Doch stattdessen wür- den nur Merkblätter an alle verteilt. Auf denen stünde, dass alle Eltern ihrem Kind den Schopf kon- trollieren müssten! Dabei sei der doch stets frisch ge- waschen. «Was höchstens zu saubereren Läusen führt», murmelt der Hausarzt und versucht, elter - lichen Fantasien vom Teeren und Federn entgegen- zutreten und den Erziehungsberechtigten den Schutz der Privatsphäre in den Kopf zu setzen. Die Kopf- haut, so predigt er den alternativ Behandelnden, ist kein Hort der Erlebnisgastronomie: Olivenöl, Essig, Mayonnaise oder flüssige Butter gehören nicht ins Haar. «Und waschen Sie dem Kantonsarzt nicht den Kopf», brummelt er beruhigend und streicht sich über die Kopfhaut, die plötzlich pruriginös wird. «Er meint es nur gut mit den Merkblättern ...» Deren Qualität unterscheidet sich von Kanton zu Kanton

allerdings stark. In Zürich sind Läuse ein Tabu. Die Parasiten verstecken sich auf der Website: Mühsam klickt man sich an Lebenslauf und Foto des Gesund- heitsdirektors vorbei, durch den Stadtärztlichen Dienst, der nur auf Alte eingestellt ist, via Kantons- ärztlichen Dienst übers «Volkschulamt» zu einem schmucklosen Läuseblatt für Eltern, über das die Verantwortlichen noch mal die Köpfe zusammenste- cken sollten. Eines ist für die Behörde: Laut § 29 Abs. 2 lit a VSV können Kinder vom Schulbesuch dispensiert werden, «wenn die Läusebehandlung von den Eltern trotz wiederholter Aufforderung nicht sachgemäss durchgeführt wird». Macht die Kopflaus kopflos? Basel-Stadt hingegen hat einen amüsanten Flyer sowie eine ausführliche Publikation mit dem beissenden Titel «Ruhig Blut – die Läuse sind da». Ei der Laus, wenn das nicht kopflastig ist ... Liest man das Merkblatt – in Albanisch, Südslawisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Tamil und Türkisch –, dann sei man «den Läusen 10 Nasenlängen voraus». Um Laus- oder um Menschennasenlängen? Die Bebbis empfehlen, sich dem Umfeld zuliebe als Luus-Cheib zu outen. Nur ein Fasnachtsscherz oder Ausdruck von Transparenz und Toleranz? An die Solidarität appelliert auch der Fasnachtskanton Luzern, in dem ein Veterinär der Gesundheit und dem Sozialem vor- steht und die drei Merkblätter – zwei für Lehrer und Betreuer, eins für Eltern in zehn Sprachen – vorbild- lich sind.

Doch trotz der Bemühungen aller Kopf-Jäger: Diese Tierchen lassen sich nicht ausrotten. Sie werden pes- tizidresistent, widerstehen kiloschweren Druckbelas- tungen, sodass man sie kaum zerquetschen kann.

Sie bleiben uns treu, seit 5,5 Millionen Jahren, saugen nur bei uns und passen sogar ihre Panzerfarbe an die Haarfarbe «ihres» Menschen an. Obwohl sie – anders als Flöhe – nicht springen können, sondern nur mühsam krabbeln, verbreiten sie sich in Windes- eile weltweit. Ja, wenn Menschen sich sehr nahe kommen, profitieren davon auch Parasiten. Nun, so- lange mir keine Laus über die Leber läuft, kratzt mich das alles nicht.

arsenicum

Mich juck ts nicht

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ARS MEDICI 20 2008

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