Abwägungspflicht
DasKapiteldientzurEinführungindasvomBundesverwaltungsgerichtent- wickelteAbwägungsgebotmitseinenStufen:Erfassen,Bewerten,Einstellen, Abwägen.DieAbschnittedesErfassens,BewertensundEinstellensunterlie- genalsAbwägungsvorgangdervollständigenKontrolledurchdieGerichte.
Beider HerstellungdesAbwägungsergebnisses kommtdemPlangeberein Entscheidungsspielraumzu.Näheresdazufindetsichim9.und10.Kapitel diesesBuches.
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I. DasAbwägungsgebot
1. DieAbwägungsformeldesBundesverwaltungsgerichts
SeitderfürdiebauleitplanerischeAbwägunggrundlegendenEntscheidungdes BVerwG v.12.12.1969(4 C105/66)
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stehtgleichsamwie inStein gemeißelt fest:
„DasGebotgerechterAbwägungistverletzt,wenneine(sachgerechte)Abwä- gungüberhauptnichtstattfindet.
Esistverletzt,wennindieAbwägunganBelangennichteingestelltwird,was nachLagederDingeinsieeingestelltwerdenmuss.
Es istferner verletzt, wenn dieBedeutung derbetroffenenBelangeverkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen undprivatenBelangenineinerWeisevorgenommenwird,derzurobjektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (zum Verbot der Abwä- gungsdisproportionalitäts.Rn. 2743 ff.).
InnerhalbdessogezogenenRahmenswirddasAbwägungsgebotjedochnicht verletzt,wenn sichdiezurPlanungberufeneGemeindeinderKollisionzwi- schenverschiedenenBelangenfürdieBevorzugungdeseinenunddamitnot- wendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Innerhalb jenes Rah- mens ist nämlich das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange überhauptkeinnachvollziehbarerVorgangderAbwägung,sonderneinegera- dezu elementare planerische Entschließung, die zum Ausdruck bringt, wie und in welcher Richtung sich eine Gemeinde städtebaulich geordnet fortentwickeln will.“
Nahezu jede Gerichtsentscheidung,die sich mit derBauleitplanung und der bauleitplanerischenAbwägungbefasst, zitiertdieseKernsätzegleichsam„ge- betsmühlenartig“.
1 BVerwG12.12.1969–4C105/66–E34,301=DÖV1970,277=DVBl.1970,414.
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DieAnforderungenbeziehtdasBVerwGseitderEntsch.v.20.10.1972
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sowohl aufdenAbwägungsvorgangalsauchdasAbwägungsergebnis.
Gleichwohlsindnoch immerzahlreicheFragenoffen.NeueProbleme stellen sich. Vor allem die Anwendung des Gemeinschaftsrechts und die nationale Gesetzgebung zum Umweltrecht und zum Umweltprozessrecht stellt Planer undRechtsanwendervorimmerwiederneueProbleme.DievielfältigenAnfor- derungen,dieinsbes.beiderBerücksichtigungdervielfältigenöffentlichenBe- langezuberücksichtigensind,habeninzahlreichenVorschriftenz. B.desUm- weltrechts ihren Ausdruck gefunden. In der Wissenschaft wurden die Anforderungenzunehmendverfeinert,aufgegliedertunddurchUntergeboteer- gänzt,z. T.mit hochabstraktenDarlegungenüber das Wesen derAbwägung undhohemTheorieüberschuss.FürdiePraxiskommtesdaraufan,sowohldie vorgegebenenAnforderungenundBindungenalsauchdiemöglichenPlanungs- spielräumezuerkennen.
DerSchwerpunktbeiderpraktischenPlanungsarbeitundbeiderRechtskont- rolleliegtimAbwägungsvorgang.
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Nurwenige Bauleitplänescheitern wegen materiellrechtlicherFehlerimAbwägungsergebnis.EswardasZieldesEuropa- rechtsanpassungsgesetzes(EAGBau)von2004,denVerfahrensaspektderAb- wägung–entsprechenddenZielenderPlan-UP-RLbesondersherauszustellen.
ImAbwägungsverfahrenmussalles indieAbwägungeingestelltwerden,was nachLagederDingezumAbwägungsmaterialgehört.Diesesmussvollständig undumfassendundmitdenrichtigenMethodenermitteltwerden.ZumAbwä- gungsvorganggehörtauchdasfachlichzutreffendeBewertendesabwägungser- heblichenMaterials(Rn.279 ff.).Zwarist dieVerletzungvonmanchenFeh- lern imAbwägungsvorgang nachden§§214, 215 entweder vonvornherein odernachrügelosemAblaufeinerJahresfristunbeachtlich,dochsolltediePla- nungspraxisnichthieraufaufbauen,sondernFehlervonvornhereinvermeiden.
Die§§214,215sindinersterLinieandieRechtsprechunggerichtet.Zudem zeichnetsichinderRspr.desEuGHdieTendenzab,dieUnbeachtlichkeitsre- gelnrestriktiverauszulegen,zumindestwennesumAnforderungendesUnions- rechtsgeht.
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AuchdasBVerfGhatBedenkengegeneine„großzügige“Ausle- gungundAnwendungderVorschriftenzurPlanerhaltung.
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GleichwohlmussdieAbwägungimErgebnismateriellrechtlichenAnforderun- gengenügen.MateriellrechtlicheFehlersindstetsbeachtlich(Rn.2875).
EineVielzahlvonBelangenundsonstigenGesichtspunkten,diebeiderAbwä- gungberücksichtigtwerdenmüssen,wirdimzunehmendenMaßefachgesetz- lichdurchVorschriftendesUnionsrechtsunddesnationalenFachrechtsgere- gelt und näher ausgeformt. Dieses – aus derSicht des Städtebaurechtlers –
„Nebenrecht“hatdieBauleitplanung zuberücksichtigen.FürdenTrägerder Bauleitplanung wirdes immer wichtiger,etwavorgegebene Bindungen,aber auchbestehende Abwägungsspielräume zu erkennen und zu nutzen. Oft ist unsicher,wieweitdiefachlicheEinflussnahmereichendarfundinwieweitfach- gesetzlichausgeformteBelangeinderbauleitplanerischenAbwägungzurückge- stelltwerdendürfen.
2. DiegesetzlicheRegelungdesAbwägungsgebots
Nach AnsichtdesBVerwG ergibtsich das Abwägungsgebotaus demWesen einer rechtsstaatlichen Planung für alle Bereiche derräumlichen Gesamtpla-
2 BVerwG20.10.1972–4C14/71–E41,67=DÖV1973,345=DVBl.1973,42.
3 ZurdienendenFunktiondesAbwägungsvorgangsimHinblickaufdasAbwägungsergebnisBeck- mannBauR2016,1417.
4 Vgl.EuGH7.11.2013–C-72/12–Altrip–DVBl.2013,1597=NuR2013,878=UPR2014, 19.
5 Vgl.BVerfG16.12.2015–1BvR685/12–BremerWeserquerung–DVBl.2016,307.
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nung,unabhängigvoneinergesetzlichenRegelung.
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Das BVerwGmisstdem PlanungsermessenundderplanerischenAbwägungsogarVerfassungsrangzu.
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DerAusgleich zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Belangen mussimErgebnisdemGrundsatzderVerhältnismäßigkeitentsprechen.
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FürdenBereichderBauleitplanungist dasAbwägungsgebotbereitsseitdem BBauG 1960gesetzlich festgelegt.Es ist derzeit imBauGB anverschiedenen Stellengeregelt.Grundnormensind:
– §1Abs.7:BeiderAufstellung derBauleitplänesinddieöffentlichenund privatenBelangegegeneinanderunduntereinandergerechtabzuwägen(Ab- wägungsgebot). DieVorschrift betrifft seit demEAG Bau dieAbwägung im materiellrechtlichen Sinne. DerBauleitplan muss imErgebnis gerecht abgewogensein.
– §2 Abs.3: Die im konkretanstehenden Planungsfall abwägungserhebli- chenBelangesindzuermittelnundzubewerten.Diese„Verfahrensgrund- norm“
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betrifftdenverfahrensrechtlichenAspektderAbwägung,d. h.die ErmittlungundBewertungdesAbwägungsmaterials,früherbezeichnetals ZusammenstellungdesAbwägungsmaterials.
– §214 Abs.3 Satz1: Maßgebend für die Abwägung ist die Sach- und RechtslageimZeitpunktderBeschlussfassungüberdenBauleitplan.
DieGrundnormenwerdendurchfolgendeVorschriftenergänzt:
– §1aAbs.2Satz3:DieVorschriftstelltklar,dassdieGrundsätzederBau- leitplanungnach§1aAbs.2Satz1und2inderAbwägungzuberücksich- tigensind.
– §1aAbs.3Satz1:DieVermeidungundderAusgleichvoraussichtlicher- heblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit desNaturhaushalts inseinen in §1 Abs.6 Nr.7 Buchst.a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem BNatSchG) sind in der Abwägung nach §1 Abs.7 zu berücksichtigen (Rn.2209 ff.).
– §2Abs.2:DieVorschriftbetrifftdieAbwägungbeiderinterkommunalen Abstimmung,sofernvonderanstehendenBauleitplanungbenachbarteGe- meindenbetroffenwerden(Rn.2371 ff.).
– §2Abs.4:SindUmweltbelangenach§1 Abs.6 Nr.7betroffen,istnach Maßgabedes§2Abs.4und derAnl.1zumBauGBeineUPdurchzufüh- ren, inderdievoraussichtlichenerheblichen Umweltauswirkungenermit- teltwerdenundineinemUmweltberichtbeschriebenundbewertetwerden.
Das ErgebnisderUPist inderAbwägungzuberücksichtigen.§2 Abs.4 istimVerhältniszu§2Abs.3einspezialisierterUnterfall.
– §4aAbs.1:DieVorschriftenüberdieÖffentlichkeits-undBehördenbeteili- gungdieneninsbes.dervollständigenErmittlungundzutreffendenBewer- tungdervonderPlanungberührtenBelange.ZumBegriff„Öffentlichkeit“
s.Rn.256.
– §214Abs.1:FehlerimAbwägungsvorgangsindunbeachtlich,wennentge- gen§2 Abs.3die vonderPlanungberührtenBelange,diederGemeinde bekanntwarenoderhättenbekanntseinmüssen,inwesentlichenPunkten nichtzutreffendermitteltoderbewertetwordensindundwennderMangel
6 BVerwG30.4.1969–4C6/68–DÖV1970,64=DVBl.1969,697=BRS22Nr.3;ebenso BVerwG20.10.1972–4C14/71–E41,67=DÖV1973,345=DVBl.1973,42;seitdemst.
Rspr.
7 SozurFachplanungBVerwG14.2.1975–4C21/74–B42–E48,56=DÖV1975,605= DVBl.1975,713;BVerwG23.1.1981–4C4/78–E61,295=DÖV1981,758=DVBl.1981, 932.
8 HierzuBeckmannBauR2016,1417.
9 Begr.desRegE–BT-Drs.15/2250,S.42.
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offensichtlichund aufdas Ergebnis desVerfahrens vonEinflussgewesen ist.
– §214 Abs.3 Satz2 Halbs. 1: Mängel, die Gegenstand der Regelung in
§214 Abs.1 Satz1 Nr.1 sind,können nicht als Mängelder Abwägung geltendgemachtwerden.
– §214Abs.3Satz2 Halbs.2:„ImÜbrigen“sindMängelimAbwägungs- vorgangnurerheblich,wennsieoffensichtlichundaufdasAbwägungser- gebnisvonEinflussgewesensind.
– 215Abs.1:Eine nach§214 Abs.1 Nr.1 beachtlicheVerletzungvon§2 Abs.3sowienach§214Abs.3Satz2beachtlicheMängeldesAbwägungs- vorgangswerdenunbeachtlich,wenn sienichtinnerhalb einesJahresseit Bekanntmachung des FPlans oder der Satzung schriftlich gegenüber der GemeindeunterDarlegungdesdieVerletzungbegründendenSachverhalts geltendgemachtwordensind.
– §214 Abs.4: Mängel im Abwägungsvorgang sowie Mängel des Abwä- gungsergebnisseskönnenunterbestimmtenVoraussetzungendurcheiner- gänzendes Verfahren behoben werden. Der betr. FPlan oder BPlankann rückwirkendinKraftgesetztwerden.
3. AbwägungsgebotundPlanungsermessen
a)PlanungsermessenalsBezugspunktdesAbwägungsgebots.Wesensmerkmal jeder Planungist das Planungsermessen. MitderErteilung desPlanungsauf- tragsundderdarineingeschlossenenPlanungsbefugnisistdenGemeindenein Planungsermessen,d. h.FreiraumanGestaltungsmöglichkeitenimRahmender ZweckbindungderBauleitplanungeingeräumt.
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Der Ausübung dieses Ermessens setzt das Abwägungsgebot eine rechtliche Schranke.
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DasAbwägungsgebotistdamitnotwendigaufdasPlanungsermes- senbezogen.EsergibtsichnachAuffassungdesBVerwGunabhängigvoneiner gesetzlichenPositivierung aus demWesen der rechtsstaatlichenPlanung und giltunddemgemäßuniversal.
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Bedeutungund InhaltdesPlanungsermessensfürdie Bauleitplanunghatdas BVerwGin seinem Urt.v.12.12.1969
13
wie folgt beschrieben: „Planungser- messen bedeutet: Erstens, dass die Befugnis zur Planung einen mehr oder weni- ger ausgedehnten Spielraum an Gestaltungsfreiheit einschließt und einschließen muss, weil Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre.
Zweitens,dass sich diese planerische Gestaltungsfreiheitnicht aufeinen be- stimmtengeistig-seelischenVorgangzurückführenlässt,sondernverschiedene Elemente–insbes.desErkennens,desWertensunddesBewertenssowiedes Wollens – umfasst. Drittens, dass sich in Richtung auf die verwaltungsgerichtli- cheKontrollederPlanungausderVerbindungvonPlanungundGestaltungs- freiheitunabweisbardieBeschränkungdaraufergibt,obimEinzelfall diege-
10Allg.zumPlanungsermessenBadurainFSfürBayVerfGH(1972),S.157;RubelPlanungsermes- sen–Norm-undBegründungsstruktur(1982)SendlerinFSfürSchlichter(1995),S.55;Ossen- bühl,AbwägungimVerfassungsrecht,inAbwägungimRecht,herausgegebenvonErbguth,Oeb- becke,RengelingundSchulte(1996),S.25;BartlspergerinAbwägungimRecht,herausgegeben vonErbguth,Oebbecke,RengelingundSchulte(1996),S.79,103;Ingold,Erstplanungspflichten imSystemdesPlanungsrechts(2007),S.22;vgl.auchErbguthinSpannowsky/Hofmeister,Die Abwägung–dasHerzstückderstädtebaulichenPlanung(2010),S.1,5;kritischzumBegriff
„Planungsermessen“ Berkemann inErbguth/Kluth (Hrsg.),Planungsrecht in dergerichtlichen Kontrolle(2012),S.11,12 ff.;zumZusammenhangzwischenPlanungsbefugnisundPlanungser- messenBVerwG14.2.1975–4C21/74–E48,56=DÖV1975,605=DVBl.1975,713.
11SobereitsHoppeÖffBauR,2.Aufl.(1998)§13Rn.1 ff.
12BVerwG20.10.1972–4C14/71–E41,67=DÖV1973,345=DVBl.1973,42;BVerwG 14.2.1975–4C21/74–B42–E 48,56=DÖV1975,605 =DVBl.1975,713;BVerwG 11.12.1981–4C69/78–E64,270=NJW1982,1473=NVwZ1982,437.
13BVerwG12.12.1969–4C105/66–E34,301=DÖV1970,277=DVBl.1970,414.
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setzlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit überschritten sind oder von der Gestaltungsfreiheit in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Ge- brauch gemacht worden ist (§ 114 VwGO). Viertens endlich,dass die Pla- nungsbeteiligungandererBehördeninverschiedenartigerWeiseunddurchaus auchalseineechteBeteiligunganderjeweilsbestehendenGestaltungsfreiheit vorgesehen sein kann, sich die mit dem Genehmigungserfordernis in § 11 BBauG (1960) angeordnete Beteiligung der höheren Verwaltungsbehörde aber inderBefugnisund PflichtzurRechtskontrolleerschöpft(§ 11S. 3 BBauG,
§ 6IIBBauG(1960)).“
b)RechtsgrundlagefürdasPlanungsermessen.GrundlagefürdiePlanungsbe- fugnisunddasdarineingeschlossenePlanungsermessenist§1Abs.1.
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Dane- benwirdhäufigauchauf§1Abs.3Satz1abgestellt,obwohlessichbeidieser VorschriftdemWortlautnachnichtumeineermächtigende,sondernumeine schrankensetzendeGebots-bzw.Verbotsnormhandelt.MateriellrechtlicheFol- gen ergeben sich aus den insoweit unterschiedlichen Auffassungen nicht. In seinerEntsch.v.17.9.2003hatdasBVerwGhierzuundzumPlanungsermessen ausgeführtund insoweitseine frühereRspr.bestätigt:„§ 1Abs. 3BauGBist systematisch und inhaltlich eng mit Absatz 1 der Vorschrift, der die allgemeine Aufgabe der Bauleitplanung umschreibt, und mit § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB verbunden, der die Bauleitplanung den Gemeinden zur eigenen Verantwortung überweist.§ 1 Abs. 3BauGB setzt voraus,dassder Gemeinde mit der Pla- nungsbefugniszugleicheinPlanungsfreiraumeingeräumtwird(…). DasPla- nungsermessen derGemeinde umfasst neben dem ‚Wie‘ auch das ‚Ob‘und
‚Wann‘ planerischer Gestaltung; Planungsermessen bedeutet Entschließungs- undGestaltungsermessen.“15
Die Auffassung,mit der Ausformung desAbwägungsgebots durchdie Rspr. habederBegriffdesPlanungsermessensseineBedeutungverloren,
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trifftnicht zu;nachwievorverwendendasBVerwG,derBGHunddieOVGedenBegriff desPlanungsermessens,wennauchzumeistimHinblickauf§1Abs.3Satz1.
c)Rechtscharakter.Das Planungsermessen ist ein spezieller Unterfall desEr- messens.
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EsunterscheidetsichvonVerwaltungsermessenundvomgesetzge- berischenErmessen nichtqualitativ,sondernnurgraduell.
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DasPlanungser- messen reicht weiter als das den Verwaltungsbehörden eingeräumte Verwaltungsermessen (vgl. §40VwVfG).Dieses kannin denmeisten Fällen erst ausgeübt werden, wenn gesetzlich normierte Voraussetzungen gegeben sind.FürdieAusübungdesPlanungsermessenssindimRegelfallnurallg.Ziele vorgegeben.DasBVerwGunterscheidetdementsprechendzwischendem„ein- fachen Verwaltungsermessen“ und dem „Planungsermessen“.
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Folgerichtig hatesimHinblickaufPlanungsfehlernichtdieallg.Ermessensfehlerlehreüber- nommen,sonderneineeigenständigeAbwägungsfehlerlehreentwickelt.
14SoBenderinFSfürWeyreuther(1993),S.125 ff.
15BVerwG17.9.2003–4C14/01–GewerbeparkMühlheim-Kärlich–E119,25=NVwZ2004, 220=DVBl.2004,239;ebensoBVerwG30.4.2004–4CN1/03–DVBl.2004,1044=NVwZ 2004,1120=BauR2004,1427;st.Rspr.derOVGevgl.u. a.OVGMünster15.5.2013–2D 122/12.NE–JurionRS2013,39396.
16SoBerkemanninErbguth/Kluth(Hrsg.),PlanungsrechtindergerichtlichenKontrolle(2012), S.11.
17Koch/Hendler,Baurecht,Raumordnungs-undLandesplanungsrecht5.Aufl.(2009)§17Rn.3.
18Ibler,DieSchrankenplanerischerGestaltungsfreiheitimPlanfeststellungsbeschluss(1988),S.36;
für eine völlige Gleichsetzung Rubel, Planungsermessen – Norm- und Begründungsstruktur (1982),S.48 ff.,60;KochDVBl.1983,1125;BeckmannDÖV1987,944;Bartlsperger,inAbwä- gungimRecht,herausgegebenvonErbguth,Oebbecke,RengelingundSchulte(1996),S.79, 103 ff.
19BVerwG10.2.1978–4C25/75–E55,220=DÖV1978,410=DVBl.1979,63.
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DieAusübungdesPlanungsermessensschließt–imphänomenologischenSinne –ElementedesAbwägensein,wiejedeandereErmessensausübungauch.Der soverstandene Begriff„Abwägung“ beschreibtdie Ausfüllung des demPla- nungsermessenzugebilligtenFreiraums,um zurPlanungsentscheidungzuge- langen.
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DiesesAbwägendarfjedochnichtnotwendigmitderfürdasAbwä- gungsgebot maßgeblichen Abwägung im Rechtssinne gleichgesetzt werden.
Das in §§1 Abs.7 und §2 Abs.3 festgelegteAbwägungsgebot fungiert als rechtlicher Kontrollmaßstab der planerischen Ausübung des Planungsmes- sens.
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d)Ausübungspflicht. Der durch §1 Abs.1 eingeräumten Planungsbefugnis korrespondierteinePflichtzurAusübungdesPlanungsermessens.Diese wird akut, sobald die Gemeinde einenBauleitplan aufstellt, ändert, ergänztoder aufhebt.
e)Entschließungsermessen.DasPlanungsermessenbeiderBauleitplanungum- fasstsowohldasEntschließungsermessenalsauchdasAuswahlermessen.
BeimEntschließungsermessen
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gehtesdarum,obundwann einBauleitplan aufgestellt,ergänzt, geändertoderaufgehobenwerdensoll.
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Diese Entschei- dungdarfdieGemeindegrds.nacheigenenZweckmäßigkeitserwägungentref- fen.
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SokanndieGemeindenachplanerischemErmessenentscheiden,obsie dieRealisierungkünftigerBauwünschefürWohnzweckeunterVerstärkungei- nerinnerörtlichenGemengelage(Rn.318)hinnehmenoderobsieimAnschluss andiebebauteOrtslageeinneuesBaugebietzurVerfügungstellenwill.
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Die GemeindedarfaberauchplanerischeSelbstbeschränkungundZurückhaltung übenundsichjenachdentatsächlichenGegebenheiteninsbes.daraufverlas- sen, dass die planersetzenden Vorschriften der §§34,35 zur Steuerung der städtebaulichenEntwicklunginTeilbereichenihresGebietsausreichen.
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DasEntschließungsermessenisteingeschränkt
– beiderErst-AufstellungdesFPlans;zudieseristdieGemeindei. d. R.ver- pflichtet;
– beiVorliegeneinerPlanungspflichtnach§1Abs.3Satz1;§1Abs.3Satz1 begründet eine objektiv-rechtliche Pflicht der Gemeindenzur Bauleitpla- nung, sobald und soweit dies „erforderlich“ ist, weil wegen besonderer städtebaulicherGründeeinqualifizierterstädtebaulicherHandlungsbedarf vorliegt;
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– beiVorliegeneinesPlanungserfordernisses;diesesbetrifftdieFrage,obein VorhabenwegenseinerGrößeoderseinerAuswirkungenimVerhältniszu seinerUmgebungbewältigungsbedürftige Spannungen erzeugtund damit
20ErbguthinSpannowsky/Hofmeister,DieAbwägung–dasHerzstückderstädtebaulichenPlanung (2010),S.1,7.
21ZumAbwägungsgebotalsrechtlicherKontrollmaßstabs.Rn.31 f.
22ZumInhaltdesPlanungsermessensBVerwG17.9.2003–4C14/01–GewerbeparkMühlheim- Kärlich–E119,25=NVwZ2004,220=DVBl.2004,239;BVerwG30.4.2004–4CN1/03– DVBl.2004,1044=NVwZ2004,1120=BauR2004,1427;BVerwG15.6.2004–4BN14/04 –NordÖR2004,284.
23ZurzeitlichenDimensionBVerwG19.9.2002–4CN1/02–E117,58=DVBl.2003,204= BRS65Nr.20.
24BVerwG20.11.1995–4NB23/94–DVBl.1996,264=NVwZ1996,888=BRS57Nr.3;
BVerwG17.9.2003–4C14/01–GewerbeparkMühlheim-Kärlich–E119,25=NVwZ2004, 220=DVBl.2004,239.
25OVGMünster25.4.1997–7aD117/94.NE–Juris.
26BVerwG17.9.2003–4C14/01–GewerbeparkMühlheim-Kärlich–E119,25=NVwZ2004, 220=DVBl.2004,239.
27BVerwG17.9.2003–4C14/01–GewerbeparkMühlheim-Kärlich–E119,25=NVwZ2004, 220=DVBl.2004,239; hierzuauchGierkeinBrügelmannBauGB§178.Lfg.Mai2011) Rn.141 ff.
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einer planerischen Abwägung und Entscheidung bedarf und somit ohne Planung nach §34 bzw.§35 nicht zugelassen werden darf.Ein solches Planungserforderniskanninsbes.derZulassungeinesVorhabensnach§35 Abs.2 entgegenstehen.
28
Ein Planungserfordernis kannauchbei Störfall- Lagen (Rn.1459 ff.) in Bereichen nach §34 gegeben sein, falls die dort bestehenden Konflikte im Rahmen einer nachvollziehenden Abwägung nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots nicht bewältigt werden kön- nen.
29
Die Gemeinde kann grds. auch frei darüberentscheiden, ob sie eine bereits vorhandeneBebauungdurcheineverbindlicheBauleitplanungüberplanenwill, umden bereits entstandenen städtebaulichen Zustandrechtlich festzuschrei- ben.Das giltselbst dann,wenn sich die Bebauung weitestgehend nach§34 Abs.2bestimmt.DieGemeindeistnichtgehalten,einebisherige„potenzielle“
Bebaubarkeitaufrechtzuerhalten.
30
DieGemeindedarfebenfallsdarüberbefin- den,obsieeinbegonnenesBauleitplanverfahrenzuEndeführtoderabbricht.
31
ImRegelfallstehtesderGemeindeauchfrei,obsiedenFehlereinesBauleit- plansim ergänzenden Verfahrennach §214 Abs.4 behebtund diesemPlan mitoderohneRückwirkungnachträglichGeltungverschafft,oderabereiner inhaltlichverändertenneuenPlanungdenVorzuggibtoderesschlichtbeider infolgederUnwirksamkeitdesPlansbestehendenRechtslagenach§§34und 35,belässt.DavonunberührtbleibtdiePflicht,denRechtsscheineinesunwirk- samenBauleitplans zumindestdurchein förmliches Aufhebungsverfahrenzu beseitigen.
f)Auswahlermessen.DasAuswahlermessenerstrecktsichzumErstenaufdas
„Wo“derPlanung,d. h.dieFestlegungdesräumlichenGeltungsbereichseines Bauleitplans.
32
DieseFestlegungistzutreffenbeiderräumlichbegrenztenÄn- derung oderErgänzung eines FPlans,derAufstellung, Änderung, Ergänzung und teilweisenAufhebung eines Teil-FPlans(§5 Abs.2a)sowie derAufstel- lung,Änderung, ErgänzungundteilweisenAufhebungeines BPlansgem.§9 Abs.7. NurbeiderErstaufstellungdesFPlansist derGeltungsbereichdurch
§5Abs.1vorgegeben.DieGemeindekannunterBeachtungderGrundregeln des§1ihre planerischeTätigkeitaufdiejenigenBereichebeschränken,inde- neneinakuterplanerischerHandlungsbedarfbesteht.Dabeidarfsiesichauch vonZweckmäßigkeitserwägungenunterBerücksichtigungihrerPlanungs-und Durchführungskapazität und der Finanzierbarkeit derstädtebaulichen Maß- nahmenleitenlassen.
33
EsistderGemeindegrds.nichtverwehrt,untermehre- renfüreinebestimmtePlanunggeeignetenFlächendiejenigeFlächeauszuwäh- len, die in ihrem Eigentum steht, weil sie aus diesem Grunde für die VerwirklichungderPlanungeinschließlichdesBausdernotwendigenErschlie- ßungsanlagenbesonders geeignetist. EineGemeinde kannauchfür eineGe-
28HierzuBVerwG26.11.1976–4C69/74–NJW1977,1978=BRS30Nr.34=BauR1977, 104;BVerwG11.3.1977–4C45/75–DVBl.1977,529=NJW1977,1979=BRS32Nr.1;
BVerwG26.10.1979–4C22.77–BRS35Nr.76=BauR1980,51=DVBl.1980,494;BVerwG 12.9.1980– IV C77/77 –BauR 1981, 54=BRS36 Nr.95=ZfBR 1980, 296; BVerwG 24.10.1980–4C3/78–E61,128=DVBl.1981,401=BRS36Nr.169;BVerwG27.6.1983– 4B206/82–NVwZ1984,169=DÖV1984,294=BRS40Nr.74;BVerwG6.3.1987–4C 11/83–E77,86=DVBl.1987,901=DÖV1987,967;BVerwG22.6.1990–4C6/87–NVwZ 1991,64=BRS50Nr.84=ZfBR1990,293;BVerwG5.1.1996–4B306/95–NVwZ1996, 597=BRS58Nr.91;BVerwG1.8.2002–4C5/01–E117,25=BRS65Nr.10=DVBl.2003, 62;vgl.auchGierkeinBrügelmannBauGB§1(78.Lfg.Mai2011)Rn.137 ff.m. w. N.
29HierzuBVerwG20.12.2012–4C11/11–Mücksch/Merck–E145,290=NVwZ2013,719= ZUR2013,278;Hellriegel/FarsbotterNVwZ2013,1117.
30BVerwG16.1.1996–4NB1/96–NVwZ-RR1997,83=BRS58Nr.1=ZfBR1996,223.
31BVerwG9.10.1996–4B180/96–DÖV1997,251=NVwZ-RR1997,213=BRS58Nr.3.
32BVerwG30.4.2004–4CN1/03–DVBl.2004,1044=NVwZ2004,1120=BauR2004,1427.
33BVerwG10.10.2013–4BN36/13–ZfBR2014,147=BauR2014,57.
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meindestraße die Straßenführung (Trasse) auswählen und im BPlan festset- zen.
34
DieFestlegungderGrenzeneinesPlangebietsunterliegtallerdingsdensichaus
§1Abs.3Satz1undAbs.7ergebendenrechtlichenSchranken.Einerseitsdarf derBPlanmitseinemräumlichenGeltungsbereichnichtweiterreichen,alsdies nachderplanerischenKonzeptionderGemeindeerforderlichist.Andererseits kannesausGründenderstädtebaulichenEntwicklungundOrdnungoderzur BewältigungvonKonfliktengebotensein,denGeltungsbereichdesPlansauf Flächen auszudehnen, an deren Überplanung die Gemeinde gegenwärtig an sichnichtinteressiertist.
35
SokanndieEinbeziehungbislangnichtindenEnt- wurfaufgenommener Flächengebotensein, wennderBPlanFlächenmit der Folge ausspart, dass konkurrierende Nutzungen aufeinanderstoßen und ein Konfliktentsteht, derentspr. demGebotderProblem- und Konfliktbewälti- gung(s.Rn.2483 ff.)imRahmenderAbwägung(§1Abs.7)hättegelöstwer- denmüssen.
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InkeinemFalldarfdieAbgrenzungwillkürlicherfolgen.
37
ImRahmendesAuswahlermessenskannderPlanungsträgerggf.entscheiden, obeinstädtebaulichesGesamtprojektaufderEbenederBPlanggf.planerisch inAbschnitteaufgeteiltwerdensollundwelcherPlanungsabschnittenzunächst GegenstandderBPlanungseinsoll.EineAbschnittsbildungkommtinsbes.bei der(isolierten)PlanungvonVerkehrswegeninBetracht.ZurAbschnittsbildung s.Rn.1882 ff.
DasAuswahlermessenbeziehtsichzumZweitenauchaufdas„Wie“derPla- nung,d. h.aufdenInhaltderPlanung.WelchenInhaltundDetaillierungsgrad bauplanerischeFestsetzungenletztlichhabensollenodererforderlichenfallsha- benmüssen,isteineFragedesEinzelfalls.DasMaßgebotenerKonkretisierung hängtwesentlichvonderArtderjeweiligenFestsetzung,vondenPlanungszie- lenundinsbes.auchvondenörtlichenVerhältnissenab.Indemvon§1Abs.3 und §9 gezogenenRahmen bestimmt die Gemeinde in planerischer Gestal- tungsfreiheit,welchesMaßanKonkretisierungvonFestsetzungenderjeweili- genSituationangemessenist.DabeikanneinegewisseplanerischeZurückhal- tung(vgl.Rn.2506)durchausderFunktiondesBPlansentsprechen. Sokann dieGemeindedarüberbefinden,welcheArtderbaulichenundsonstigenNut- zung(z. B. Wohnen,Gewerbe, Verkehr,Freiraum- und Grünnutzung) ausge- wiesenwerdenundwelcheGrundflächenzahloderwelcheGeschossflächenzahl maßgebend seinsoll. ImRahmen desAuswahlermessensentscheidet die Ge- meinde u. a. auch, in welchem Umfang sie Gemeindegebietsteile zur Unter- bringung vonGewerbebetrieben zurVerfügung stellt; wünschtsie an einem bestimmten Standort keine Einzelhandelsbetriebe, Schank- oder Speisewirt- schaftensowieVergnügungsstätten,sokannsieeinGewerbegebietunterAus- schlussdieserNutzungenfestsetzen.
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DieplanerischeGestaltungsfreiheitlässt –beiabstrakterBetrachtung–auchunterschiedlicheLösungenzu,einPlange- biet durch Verkehrsflächen sachgerecht zu erschließen.
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Soweit zwingende Vorschriften(z. B.ausGründendesGesundheitsschutzes)oderdas Gebotge- rechterAbwägungnichtentgegensteht,kanndieGemeindeauchfestlegen,ob und ggf.welche Belastungen denEigentümern im Plangebietbzw.in dessen Nachbarschaftzuzumuten sind;siedarfinsoweitz. B.die Anforderungenan gesundeWohn-undArbeitsverhältnissekonkretisieren.Soweitstädtebauliche
34Vgl.OVGMünster30.12.1997–10aD41/95.NE–BRS59Nr.2.
35BVerwG20.11.1995–4NB23/94–DVBl.1996,264=NVwZ1996,888=BRS57Nr.3;
BVerwG30.4.2004–4CN1/03–DVBl.2004,1044=NVwZ2004,1120=BauR2004,1427.
36OVGLüneburg20.4.2009–1KN79/05–BauR2009,1425.
37BVerwG15.6.2004–4BN14/04–NordÖR2004,284.
38BVerwG11.5.1999–4NB15/99–NVwZ1999,1338=BRS62Nr.19=ZfBR1999,279.
39BVerwG15.2.1990–4NB5/90–Juris.
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Gründediesrechtfertigen,darfdieGemeindeimWegederBauleitplanungdas Maß hinnehmbarer (Geruchs-)Beeinträchtigungen nach den Maßstäben des Vorsorgegrundsatzesunterhalbderdurch§3Abs.1BImSchGbestimmtenEr- heblichkeitsschwelleeigenständiggebietsbezogenfestlegen.
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Das Auswahlermessen erstreckt sich zumDritten auchauf die Auswahlder inBetrachtkommendenAlternative(alternativePlanbereiche,Standorteoder Trassen,alternativePlaninhalte).
41
g)Wahlder Planform und derVerfahrensart.Entschließt sich die Gemeinde zur Bauleitplanung, kann sie im Rahmen ihres Planungsermessens zwischen verschiedenenFormendesBauleitplanswählen,soferndiegesetzlich zugelas- senunddieVoraussetzungenfürdiebetr.Planformengegebensind.
Zur SteuerungderAnsiedlung vonprivilegiertenVorhaben imAußenbereich aufderEbenedesFPlanskommeninBetracht:
– Darstellungvon„Konzentrationszonen“gem.§35Abs.3Satz3durchEr- gänzungdesgesamträumlichenFPlansgem.§5Abs.1;
– AufstellungeinessachlichenTeil-FPlansi. S. v.§5Abs.2b.
Die verbindliche Festlegung der baulichen und sonstigen Nutzung auf der EbenedesBPlanskannerfolgendurch:
– qualifiziertenBPlani. S. v.§30Abs.1;
– einfachenBPlannach§30Abs.3;
– vorhabenbezogenenBPlani. S. v.§12mitFestsetzungennach§12Abs.3 (Variante1)odernach§12Abs.3amittypisiertenbzw.allg.Festsetzungen (Variante2);
– BPlanderInnenentwicklungnachMaßgabevon§13a;
– planfeststellungersetzendenBPlan,soweiteinsolchergesetzlichzugelassen ist.
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BeiderEntscheidungüberdiezweckmäßigePlanformbeiderStraßenplanung sinddieUnterschiedederPlanformen,ihreEignungzurBewältigungderkon- kretenProbleme,ihrRegelungsumfangsowiedieRechtswirkungenzuberück- sichtigen.DemStraßenbaulastträgerdarfgegenseinenWillendurcheineGe- meinde keine Landesstraße aufgedrängt werden. Nach Auffassung des BVerwG
43
steht§1Abs.3Satz1einerkommunalenPlanungnichtentgegen, wenndieGemeindeeinenBPlanfürdenerstenAbschnitteinerOrtsentlastungs- straßefürdieOrtsdurchfahrteinerLandesstraßealsGemeindestraßeaufstellt, wennabsehbarist,dassnachderVollendungderOrtsentlastungsstraßediese zurLandesstraßeaufgestuftwird.IstfachgesetzlichdieErsetzungderPlanfest- stellungdurchBPlanzugelassen,z. B.nach§17bAbs.FStrG,kanndiebetref- fende Fläche durchBauleitplanunggesichert werden,wenn der nochausste- hendePlanfeststellungsbeschlusserwartetwerdenkann.
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SelbstindenFällen,indenengrds.der„Anstoß“durcheinenprivatenInvestor erfolgtist und darumaucheinvorhabenbezogenerBPlannach§12 möglich
40BVerwG28.2.2002–4CN5/01–DVBl.2002,1121=ZfBR2002,574=BauR2002,1348= ZUR2002,356;imErgebnisebensoBVerwG14.4.1989–4C52/87–DÖV1989,772=DVBl.
1989,1050=NVwZ1990,257.
41ZurBerücksichtigungvonPlanungsalternativenimRahmenderAbwägungs.Rn.2440 ff.
42SofürBundesfernstraßennach§17bAbs.2FStrG,Landesstraßenundplanfeststellungsbedürf- tigeKreis-undGemeindestraßennachMaßgabedesjeweiligenLandesstraßengesetzessowiefür Straßenbahnen, Hochbahnen, Untergrundbahnen, Anlagen für den Obusverkehr nach §28 Abs.3PBefGggf.i. V. m.§41Abs.1PBefG.
43BVerwG28.1.1999–4CN5/98–E108,248=DÖV1999,730=DVBl.1999,1288.
44SozurFestsetzungvonFlächenfürdieStraßenbahnOVGMünster19.2.2001–10aD65/98.NE – NVwZ-RR 2001, 571; zur Sicherung einer Trasse für eine Bundesfernstraße BVerwG 18.10.1985–4C21/80–E72,172=DÖV1986,696=BRS44Nr.96.
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