Kapitel 3
Reihen, Potenzreihen und
elementare Funktionen
Inhalt
3
Reihen Definition
Absolute Konvergenz Potenzreihen
Elementare Funktionen
Anwendung: Herleitung expliziter Folgen
Reihe als Folge der Partialsummen
Definition 3.1
Es sei (a
k) eine Folge in K und f¨ ur n ∈ N sei S
n:=
n
X
k=1
a
k.
Die Folge (S
n)
n∈Nheißt Reihe und S
nist die n-te Partialsumme der Reihe. Wir schreiben
∞
X
n=1
a
nf¨ ur die Folge (S
n)
n∈N, unabh¨ angig davon, ob die Folge konvergiert oder nicht.
Konvergenz von Reihen
Definition 3.2 Eine Reihe
∞
X
n=1
a
nheißt konvergent, wenn die Folge (S
n)
n∈Nder Partialsummen konvergiert. Andernfalls heißt die Reihe divergent.
Wenn die Reihe konvergent ist, dann wird auch der Grenzwert der Reihe mit P
∞ n=1a
nbezeichnet. Ist die Reihe divergent, wird dem Symbol P
∞n=1
a
nkeine Zahl zugeordnet.
Das Symbol P
∞n=1
a
nkann also eine Doppelbedeutung haben.
Es bezeichnet immer die Folge der Partialsummen, im Konvergenzfall zus¨ atzlich auch den
Grenzwert der Folge der Partialsummen.
Nullfolge ist notwendig f¨ ur Konvergenz einer Reihe
Lemma 3.3
Wenn die Reihe P
∞n=1
a
nkonvergent ist, dann ist die Folge (a
n) eine Nullfolge.
Beweis.
∞
X
n=1
a
nist konvergent ⇒ (S
n) ist konvergent
⇒ (S
n) ist Cauchy-Folge
⇒ ∀ > 0∃n
0∈ N ∀n, m ≥ n
0: |S
m− S
n| < . Sei > 0 beliebig.
|a
n| = |S
n− S
n−1| < f¨ ur alle n ≥ n
0+ 1.
Geometrische Reihe
Es sei q ∈ C . Die Reihe
∞
X
n=0
q
n= 1 + q + q
2+ q
3+ · · ·
heißt geometrische Reihe. F¨ ur |q| ≥ 1 ist (q
n)
n∈Nkeine Nullfolge, die geometrische Reihe also divergent. F¨ ur |q| < 1 gilt jedoch
S
n=
n
X
k=0
q
k= 1 − q
n+11 − q . Daraus folgt f¨ ur |q| < 1
∞
X
k=0
q
k= lim
n→∞
S
n= 1
1 − q .
Harmonische Reihe
Die Reihe
∞X
n=1
1 n
heißt harmonische Reihe. Diese Reihe ist divergent, obwohl (
1n) eine Nullfolge ist.
F¨ ur den Beweis der Divergenz zeigen wir, dass (S
n) keine Cauchy-Folge ist. F¨ ur alle n ∈ N gilt
|S
2n− S
n| =
2n
X
k=n+1
1
k ≥ n · 1 2n = 1
2 .
Und noch ein Beispiel
Wir untersuchen die Reihe
∞
X
n=1
1 n
2.
Wegen
n12> 0 f¨ ur alle n ∈ N ist die Folge (S
n) monoton wachsend. Die Folge (S
n) ist aber auch beschr¨ ankt, denn
0 ≤
n
X
k=1
1
k
2= 1 +
n
X
k=2
1
k
2< 1 +
n
X
k=2
1 k(k − 1)
= 1 +
n
X
k=2
1 k − 1 − 1
k
= 1 + 1 − 1 n < 2.
Also ist (S
n) monoton wachsend und beschr¨ ankt und damit konvergent.
Teleskopsumme und -reihe
F¨ ur eine Folge (a
n) ist
n
X
k=1
(a
k− a
k+1)
eine Teleskopsumme. Solche Summen lassen sich leicht auswerten:
n
X
k=1
(a
k− a
k+1) = (a
1− a
2) + (a
2− a
3) + · · · + (a
n− a
n+1) = a
1− a
n+1. Eine Reihe, deren Partialsummen Teleskopsummen sind, heißt Teleskopreihe. Eine Teleskopreihe
∞
X
n=1
(a
n− a
n+1)
ist genau dann konvergent, wenn (a
n) konvergent ist (mit Grenzwert a). Der Grenzwert der
Linearkombination konvergenter Reihen
Lemma 3.4
Wenn
∞X
n=1
a
nund
∞
X
n=1
b
nkonvergente Reihen in K sind und λ, µ ∈ K ist, dann ist auch die Reihe
∞
X
n=1
(λa
n+ µb
n) konvergent und es gilt
∞
X
n=1
(λa
n+ µb
n) = λ
∞
X
n=1
a
n+ µ
∞
X
n=1
b
n.
Beweis.
Folgt durch Anwendung der Grenzwertregeln f¨ ur Folgen auf die Folgen der Partialsummen.
S
n:=
n
X
k=1
(λa
k+ µb
k), T
n:=
n
X
k=1
a
k, U
n:=
n
X
k=1
b
k. Damit folgt
∞
X
n=1
(λa
n+ µb
n) = lim
n→∞
S
n= lim
n→∞
(λT
n+ µU
n)
= λ lim
n→∞
T
n+ µ lim
n→∞
U
n= λ
∞
X
n=1
a
n+ µ
∞
X
n=1
b
n.
Beispiel 3.5
Die Reihe
∞
X
n=0
3 1
4
n+ 2 1
3
nist konvergent, denn f¨ ur die Partialsummen gilt
S
n:=
n
X
k=0
3 1
4
k+ 2 1
3
k= 3
n
X
k=0
1 4
k| {z }
→ 1
1−1 4
+ 2
n
X
k=0
1 3
k| {z }
→ 1
1−1 3
Also
∞X
n=0
3 1
4
n+ 2 1
3
n= 3 · 4 3 + 2 · 3
2 = 7.
Leibniz-Kriterium
Satz 3.6
Wenn (a
n) eine monotone Nullfolge in R ist, dann konvergiert die Reihe
∞
X
n=1
(−1)
na
n.
Beispiel 3.7
Die alternierende harmonische Reihe
∞
X
n=1
(−1)
n1 n ist nach dem Leibniz-Kriterium konvergent, denn
1nist eine monoton fallende Nullfolge.
Beweis des Leibnizkriteriums.
O.B.d.A. sei (a
n) monoton fallend. Da (a
n) außerdem eine Nullfolge ist, folgt a
n≥ 0 f¨ ur alle n ∈ N . Wie ¨ ublich sei
S
n:=
n
X
k=1
(−1)
ka
k.
Wir werden zeigen, dass die Teilfolgen (S
2n) und (S
2n+1) konvergent sind und gegen den gleichen Grenzwert konvergieren.
Weil (a
n) monoton fallend ist, folgt
S
2n+2− S
2n= a
2n+2− a
2n+1≤ 0 und S
2n+3− S
2n+1= −a
2n+3+ a
2n+2≥ 0
Damit ist die Teilfolge (S
2n) monoton fallend und (S
2n+1) monoton steigend. Weiterhin gilt
S
2n+1− S
2n= −a
2n+1≤ 0.
Fortsetzung Beweis.
Damit folgt
S
2≥ S
2n≥ S
2n+1≥ S
1.
Somit sind beide Folgen auch beschr¨ ankt und damit konvergent. Es sei s := lim
n→∞
S
2nund s
0:= lim
n→∞
S
2n+1. Damit folgt
s − s
0= lim
n→∞
S
2n− lim
n→∞
S
2n+1= lim
n→∞
(S
2n− S
2n+1)
= lim
n→∞
a
2n+1= 0.
Also gilt s = s
0.
Fortsetzung Beweis.
Wir m¨ ussen jetzt noch zeigen, dass aus der Konvergenz von (S
2n) und (S
2n+1) gegen den gleichen Grenzwert auch die Konvergenz von (S
n) folgt.
Es sei > 0 beliebig. Aus der Konvergenz von (S
2n) und (S
2n+1) gegen s folgt die Existenz von n
1, n
2∈ N mit
∀n ≥ n
1: |S
2n− s| <
∀n ≥ n
2: |S
2n+1− s| < .
Da jedes n ∈ N entweder in der Folge (2n) oder in der Folge (2n + 1) enthalten ist, folgt f¨ ur
alle n ≥ n
0:= max{2n
1, 2n
2+ 1}, dass |S
n− s | < gilt.
Absolute Konvergenz
Definition 3.8 Eine Reihe P
∞n=1
a
nheißt absolut konvergent, wenn die Reihe
∞
X
n=1
|a
n|
konvergent ist.
Beispiel 3.9
Die alternierende harmonische Reihe P
∞n=1
(−1)
n1nist zwar konvergent, aber nicht absolut
konvergent.
Dreiecksungleichung f¨ ur absolut konvergente Reihen
Satz 3.10
Eine absolut konvergente Reihe P
∞n=1
a
nist auch konvergent und f¨ ur die Grenzwerte gilt die Dreiecksungleichung
∞
X
n=1
a
n≤
∞
X
n=1
|a
n|.
Beweis.
∞
X
n=1
|a
n| ist konvergent
⇒ S
n:=
n
X
k=1
|a
k| ist eine Cauchy-Folge
⇒ ∀ > 0∃n
0∈ N ∀m ≥ n ≥ n
0: |S
m− S
n| <
⇒ ∀ > 0∃n
0∈ N ∀m ≥ n ≥ n
0:
m
X
k=n+1
a
k≤
m
X
k=n+1
|a
k| < .
Also ist auch T
n:= P
nk=1
a
keine Cauchy-Folge und damit konvergent. Aus der Dreiecksungleichung folgt auch |T
n| ≤ S
nf¨ ur alle n ∈ N und mit Satz 2.15 (v) und Satz 2.22
∞
X
n=1
a
n= lim
n→∞
|T
n| ≤ lim
n→∞
S
n=
∞
X
n=1
|a
n|.
Beispiel 3.11
Wir betrachten die Reihe
∞
X
n=0
v
n1 2
n. mit
v
n=
1 wenn n keine Primzahl ist,
−1 sonst.
Da diese Reihe absolut konvergent ist, ist sie auch konvergent.
Den zugeh¨ origen Grenzwert kennen wir f¨ ur diese Reihe aber nicht.
Majoranten- und Minorantenkriterium
Satz 3.12
Es seien (a
n) und (b
n) zwei Folgen mit |a
n| ≤ |b
n| f¨ ur alle n ∈ N . (i) Wenn P
∞n=1
b
nabsolut konvergent ist, dann ist auch die Reihe P
∞n=1
a
nabsolut konvergent.
(ii) Wenn die Reihe P
∞n=1
|a
n| divergent ist, dann ist auch die Reihe P
∞n=1
|b
n| divergent.
Aussage (i) ist das sogenannte Majorantenkriterium und Aussage (ii) das Minorantenkriterium.
Die beiden Aussagen sind semantisch ¨ aquivalent.
Beweis.
Es seien
S
n:=
n
X
k=1
|a
k| und T
n:=
n
X
k=1
|b
k|.
und > 0 beliebig. N.V. ist die Reihe P
∞n=1
b
nabsolut konvergent. Damit ist (T
n) ist eine Cauchy-Folge und es existiert ein n
0∈ N , so dass f¨ ur alle m ≥ n ≥ n
0|T
m− T
n| =
m
X
k=n+1
|b
k| <
gilt. Wegen |a
k| ≤ |b
k| folgt
|S
m− S
n| =
m
X
k=n+1
|a
k| ≤
m
X
k=n+1
|b
k| < .
Beispiel 3.13 Die Reihe
∞
X
n=0
3
n+ (−2)
n4
nist absolut konvergent.
Begr¨ undung:
3
n+ (−2)
n4
n≤ 3
n+ 2
n4
n≤ 3
n+ 3
n4
n= 2
3 4
nund
∞X
n=0
2 3
4
n= 2
∞
X
n=0
3 4
n| {z }
=4
= 8
ist absolut konvergent (geometrische Reihe).
Beispiel 3.14 Die Reihen
∞
X
n=1
1 n
ksind f¨ ur k ≥ 2 absolut konvergent.
Begr¨ undung:
F¨ ur k ≥ 2 und n ≥ 1 gilt
n1k≤
n12. Die Reihe P
∞n=1 1
n2
ist konvergent (siehe Folie 171) und wegen
n12> 0 auch absolut konvergent.
Also k¨ onnen wir P
∞ n=1 1n2
als Majorante nutzen und mit dem Majorantenkriterium folgt, dass P
∞n=1 1
nk
absolut konvergent ist.
Quotientenkriterium
Satz 3.15
Es sei (a
n) eine Folge in K mit a
n6= 0 f¨ ur alle n ≥ n
0. Weiterhin gebe es eine Zahl θ ∈ R mit 0 < θ < 1, so dass f¨ ur alle n ≥ n
0die Ungleichung
a
n+1a
n≤ θ
erf¨ ullt ist.
Dann konvergiert die Reihe P
∞n=1
a
nabsolut.
Beweis.
Beweisidee: Wir nutzen die geometrische Reihe als Majorante.
N.V. existiert ein n
0∈ N , so dass |a
n+1| ≤ θ|a
n| f¨ ur alle n ≥ n
0gilt. Damit folgt f¨ ur alle n ≥ n
0|a
n| ≤ θ|a
n−1| ≤ θ
2|a
n−2| ≤ · · · ≤ θ
n−n0|a
n0|.
Es folgt f¨ ur n ≥ n
0:
S
n:=
n
X
k=1
|a
k| = |a
1| + · · · + |a
n0−1| +
n
X
k=n0
|a
k|
≤ |a
1| + · · · + |a
n0−1| + |a
n0|
n
X
k=n0
θ
k−n0Fortsetzung Beweis.
= |a
1| + · · · + |a
n0−1| + |a
n0|
n−n0
X
k=0
θ
k| {z }
absolut konvergent
Es sei
b
k:=
|a
k| f¨ ur k < n
0|a
n0|θ
k−n0f¨ ur k ≥ n
0Dann ist P
∞n=1
b
nabsolut konvergent und eine Majorante von P
∞n=1
a
n(|a
n| ≤ |b
n| f¨ ur alle n ∈ N ).
Also konvergiert P
∞n=1
a
nnach dem Majorantenkriterium absolut.
Beispiel 3.16
Wir untersuchen die Reihe
∞X
n=1
n
22
nmit dem Quotientenkriterium auf (absolute) Konvergenz. Es ist
a
n+1a
n=
(n+1)2 2n+1
n2 2n
= (n + 1)
22
n+1· 2
nn
2= 1 2 ·
n + 1 n
2= 1 2
1 + 1
n
2.
F¨ ur n ≥ 3 gilt dann
a
n+1a
n≤ 1 2
4 3
2= 8 9 < 1.
Mit θ =
89ist das Quotientenkriterium erf¨ ullt. Also ist die Reihe absolut konvergent.
Beispiel 3.17
Wir betrachten wieder die harmonische Reihe P
∞ n=11 n
. Wir wissen, dass die Reihe divergiert. F¨ ur den Quotienten gilt
a
n+1a
n= n
n + 1 < 1.
Wegen
n→∞
lim n n + 1 = 1 gibt es aber kein θ und kein n
0, so dass
an+1
an
≤ θ < 1 f¨ ur alle n ≥ n
0gilt.
Wir sehen daran, dass die Bedingung
an+1
an
≤ θ < 1 wesentlich ist. Nur
an+1
an
< 1 reicht nicht
aus.
Beispiel 3.18
Wie wir von Folie 171 wissen, konvergiert die Reihe P
∞ n=1 1n2
(absolut). Aber auch f¨ ur diese Reihe gilt
n→∞
lim
a
n+1a
n= 1.
Damit existiert auch hier kein θ wie im Quotientenkriterium gefordert.
Dies zeigt, dass das Quotientenkriterium nur hinreichend aber nicht notwendig f¨ ur absolute
Konvergenz ist.
Folgerung 3.19 Existiert der Grenzwert
θ := lim
n→∞
a
n+1a
n, dann gilt:
(i) F¨ ur θ < 1 ist die Reihe P
∞n=1
a
nabsolut konvergent.
(ii) F¨ ur θ > 1 ist die Reihe P
∞n=1
a
ndivergent.
(iii) F¨ ur θ = 1 ist keine Aussage ¨ uber Konvergenz m¨ oglich.
Wurzelkriterium
Satz 3.20
Es sei (a
n) eine Folge in K . Weiterhin gebe es eine Zahl θ ∈ R mit 0 < θ < 1, so dass f¨ ur alle n ≥ n
0die Ungleichung
p
n|a
n| ≤ θ erf¨ ullt ist.
Dann konvergiert die Reihe P
∞n=1
a
nabsolut.
Beweis.
Die Bedingung p
n|a
n| ≤ θ ist ¨ aquivalent zu |a
n| ≤ θ
n. Damit k¨ onnen wir ab n
0die
geometrische Reihe als Majorante nutzen.
Lemma 3.21 Es gilt
n→∞
lim
√
nn = 1.
Beweis.
Setze b
n:= √
nn − 1. Wir zeigen, dass (b
n) eine Nullfolge ist.
n = √
nn
n= (1 + b
n)
n≥ 1 + n
2
b
n2“≥” ergibt sich durch die binomische Formel und weglassen der Summanden, ausgenommen f¨ ur k = 0 und k = 2. Es folgt
b
2n≤ n − 1
n 2
= n − 1
n(n−1) 2
= 2
n −→ 0.
Beispiel 3.22
Wir untersuchen die absolut konvergente Reihe P
∞ n=1 1nk
. Es gilt
n
r 1 n = 1
√
nn −→ 1.
F¨ ur festes k ≥ 2 folgt damit
n
r 1 n
k=
1
√
nn
k−→ 1.
Wir sehen, dass auch das Wurzelkriterium nur ein hinreichendes, aber kein notwendiges
Kriterium f¨ ur absolute Konvergenz ist.
Folgerung 3.23 Existiert der Grenzwert
θ = lim
n→∞
p
n|a
n| dann gilt:
(i) F¨ ur θ < 1 ist die Reihe P
∞n=1
a
nabsolut konvergent.
(ii) F¨ ur θ > 1 ist die Reihe P
∞n=1
a
ndivergent.
(iii) F¨ ur θ = 1 ist keine Aussage ¨ uber Konvergenz m¨ oglich.
Cauchy-Produkt
Definition 3.24
Es seien (a
n) und (b
n) Folgen in K . Dann heißt die Reihe
∞
X
k=1
k
X
j=1
a
jb
k−j+1
das Cauchy-Produkt der Reihen P
∞n=1
a
nund P
∞ n=1b
n.
Bemerkung: Wenn die Reihen mit n = 0 beginnen, dann lautet das Cauchy-Produkt der Reihen P
∞n=0
a
nund P
∞ n=0b
n∞
X
k=0
k
X
j=0
a
jb
k−j
.
Cauchy-Produkt und das Produkt von Reihen
Satz 3.25
Wenn die Reihen P
∞n=0
a
nund P
∞n=0
b
nabsolut konvergent sind, dann ist auch deren Cauchy-Produkt absolut konvergent und es gilt
∞
X
n=1
a
n·
∞
X
m=1
b
n=
∞
X
n=1
∞
X
m=1
a
nb
m!
=
∞
X
m=1
∞
X
n=1
a
nb
m!
=
∞
X
k=1
k
X
j=1
a
jb
k−j+1
Potenzreihe
Definition 3.26
Es sei (a
n)
n∈N0eine Folge in K und x
0∈ K . Dann heißt die Reihe
∞
X
n=0
a
n(x − x
0)
n= a
0+ a
1(x − x
0) + a
2(x − x
0)
2+ a
3(x − x
0)
3+ · · · Potenzreihe in der Variablen x mit Entwicklungspunkt x
0und Koeffizientenfolge (a
n).
F¨ ur x = x
0und n = 0 erhalten wir 0
0.
Es gilt 0
0= 1. Also ist (x − x
0)
0bei Potenzreihen immer 1.
Potenzreihen als Funktion
Wir interessieren uns zun¨ achst f¨ ur die Werte x ∈ K , f¨ ur welche die Potenzreihe P (x) :=
∞
X
n=0
a
n(x − x
0)
nkonvergiert. Es sei
D := {x ∈ K |P(x)ist konvergent}
die Menge dieser Werte. Dann k¨ onnen wir eine Potenzreihe als Funktion P : D → K
x 7→ P (x)
auffassen. Wir werden sehen, dass wir viele wichtige Funktionen durch Potenzreihen
ausdr¨ ucken k¨ onnen.
Beispiel 3.27
Wir betrachten die Potenzreihe
P (z) =
∞
X
n=0
z
nin C mit Entwicklungspunkt z
0= 0 (geometrische Reihe).
Wir wissen, dass die Reihe f¨ ur |z| < 1 konvergiert und f¨ ur |z| > 1 divergiert, also D = {z ∈ C | |z | < 1}.
Wir kennen sogar die Funktion, die von dieser Potenzreihe dargestellt wird. Es gilt n¨ amlich P (z ) = 1
1 − z .
Beispiel 3.28
Wir betrachten nun die Reihe
∞
X
n=0
(n + 1)z
n. Mit dem Quotientenkriterium erhalten wir
(n + 2)z
n+1(n + 1)z
n= n + 2 n + 1
| {z }
→1
|z| −→ |z|.
Hieraus folgt, dass auch diese Potenzreihe f¨ ur |z | < 1 konvergiert und f¨ ur |z| > 1 divergiert.
Beispiel 3.29 Die Potenzreihen
∞
X
n=0
(z − 1)
nund
∞
X
n=0
(n + 1)(z − 1)
nkonvergieren ensprechend der beiden vorangegangenen Beispielen f¨ ur |z − 1| < 1 und sind divergent f¨ ur |z − 1| > 1.
Beispiel 3.30 Es gilt
∞
X
n=0
(n + 1)z
n= 1
(1 − z)
2.
F¨ ur den Beweis nutzen wir das Cauchy-Produkt.
Beweis f¨ ur die Formel.
1
(1 − z )
2= 1
1 − z · 1 1 − z =
∞
X
n=0
z
n!
·
∞
X
m=0
z
m!
=
∞
X
k=0
k
X
j=0
z
jz
k−j
=
∞
X
k=0
k
X
j=0
z
k
=
∞
X
k=0
(k + 1)z
k.
Konvergenzradius (1)
Es ist kein Zufall, dass die Mengen D = {z ∈ C |P (z ) ist konvergent} in den vorangegangenen Beispielen alle kreisf¨ ormig sind.
Lemma 3.31
Konvergiert die Potenzreihe
∞
X
n=0
a
n(x − x
0)
nin einem Punkt x
16= x
0, dann konvergiert die sie auch in jedem Punkt x ∈ K mit
|x − x
0| < |x
1− x
0| absolut.
Beweis.
Wenn die Reihe
∞
X
n=0
a
n(x
1− x
0)
nkonvergiert, dann ist die Folge (a
n(x
1− x
0)
n) eine Nullfolge und damit konvergent.
Jede konvergente Folge ist beschr¨ ankt. Also existiert ein M > 0 mit
|a
n(x
1− x
0)
n| ≤ M
f¨ ur alle n ∈ N .
Fortsetzung Beweis.
F¨ ur x ∈ K mit |x − x
0| < |x
1− x
0| folgt dann
|a
n(x − x
0)
n| =
a
n(x
1− x
0)
n(x − x
0)
n(x
1− x
0)
n= |a
n(x
1− x
0)
n| ·
(x − x
0)
n(x
1− x
0)
n≤ Mq
nmit q :=
|x|x−x0|1−x0|
< 1.
Damit k¨ onnen wir die geometrische Reihe als Majorante nutzen.
Mit dem Majorantenkriterium folgt, dass P
∞n=0
a
n(x − x
0)
nabsolut konvergent ist f¨ ur
|x − x
0| < |x
1− x
0|.
Konvergenzradius (2)
Folgerung 3.32 Es sei P
∞n=0
a
n(x − x
0)
neine Potenzreihe. Dann liegt genau einer der folgenden F¨ alle vor:
(i) Die Potenzreihe konvergiert f¨ ur alle x ∈ K absolut.
(ii) Die Potenzreihe divergiert f¨ ur alle x ∈ K \ {x
0}.
(iii) Es existiert genau ein R ∈ R
+, so dass die Potenzreihe f¨ ur alle x ∈ K mit |x − x
0| < R absolut konvergiert und f¨ ur |x − x
0| > R divergiert.
Definition 3.33
Die Zahl R in Fall (iii) der vorstehenden Folgerung heißt Konvergenzradius der Potenzreihe.
Liegt Fall (i) vor, dann sagen wir, dass der Konvergenzradius Unendlich ist (R = ∞), im
Fall (ii) ist der Konvergenzradius Null (R = 0).
Beispiel 3.34
Die Potenzreihe
∞X
n=0
(n
2+ 7n + 12)z
nhat den Konvergenzradius R = 1.
Dies zeigen wir mit dem Quotientenkriterium. Tafel .
Man kann sogar den Grenzwert f¨ ur diese/solche Reihen exakt bestimmen. Dies machen Sie in
den ACAT- ¨ Ubungen.
Beispiel 3.35 F¨ ur die Potenzreihe
∞
X
n=0
n + 2 2
nz
ngilt R = 2.
Diesmal mit dem Wurzelkriterium begr¨ undet:
n
s
n + 2 2
nz
n= |z|
2
√
nn + 2
| {z }
→1
−→ |z | 2 Dabei zeigt man lim
n→∞ n√ n + 2 = 1 leicht mit dem Schachtelungsprinzip.
Beispiel 3.36 Die Potenzreihe
∞
X
n=0
n!
1000
nz
nhat den Konvergenzradius R = 0.
Das Quotienkriterium liefert f¨ ur alle z ∈ C \ {0}
(n + 1)!z
n+11000
n+1· 1000
nn!z
n= n + 1
1000 |z| −→ ∞.
Exponentialfunktion (1)
Satz 3.37 Die Potenzreihe
∞
X
n=0
z
nn!
konvergiert f¨ ur alle z ∈ C absolut (R = ∞).
Beweis.
Mit dem Quotienkriterium ergibt sich f¨ ur alle z ∈ C
z
n+1(n + 1)! · n!
z
n= |z |
n + 1 −→ 0.
Exponentialfunktion (2)
Definition 3.38 Die durch
exp : K → K z 7→ exp(z ) :=
∞
X
n=0
z
nn!
definierte Funktion heißt (komplexe oder reelle) Exponentialfunktion.
Bei Funktionen oder Potenzreihen im Reellen schreiben wir meist x statt z (und x
0statt z
0).
Exponentialfunktion (3)
Funktionalgleichung der Exponentialfunktion
Satz 3.39
F¨ ur alle x , y ∈ K gilt
exp(x + y ) = exp(x) · exp(y ).
Beweis.
Wir nutzen das Cauchy-Produkt:
exp(x) · exp(y) =
∞
X
n=0
x
nn! ·
∞
X
m=0
y
mm! =
∞
X
k=0
k
X
j=0
x
jj ! · y
k−j(k − j)!
=
∞
X
k=0
1 k!
k
X
j=0
k j
x
jy
k−j
=
∞
X
k=0
1
k! (x + y )
k= exp(x + y).
Eulersche Zahl
Definition 3.40 Die Zahl
e := exp(1) =
∞
X
n=0
1 n!
heißt Eulersche Zahl.
Eigenschaften der Exponentialfunktion
Satz 3.41 Es gilt:
(i) exp(0) = 1,
(ii) exp(z) 6= 0 f¨ ur alle z ∈ C , (iii) exp(−z ) =
exp(z)1f¨ ur alle z ∈ C , (iv) exp(z) = exp(z ) f¨ ur alle z ∈ C ,
(v) exp(x) > 0 f¨ ur alle x ∈ R , (vi) exp(r) = e
rf¨ ur alle r ∈ Q . Beweis.
(i) Einsetzen: 0
0= 1, 0! = 1 und 0
n= 0 f¨ ur n ≥ 1.
Fortsetzung Beweis.
(ii) Ann.: Es existiert z ∈ C mit exp(z) = 0. Dann gilt
1 = exp(0) = exp(z − z) = exp(z ) · exp(−z ) = 0 · exp(−z ) = 0.
Widerspruch!
(iii) Folgt aus 1 = exp(0) = exp(z − z) = exp(z ) · exp(−z ).
(iv) Betrachte zun¨ achst die Partialsummen:
n
X
k=0
z
kk ! =
n
X
k=0
z
kk ! =
n
X
k=0
z
kk!
Weiterhin folgt mit Lemma 2.40: Wenn eine komplexe Folge (z
n) gegen z konvergiert,
dann konvergiert die Folge (z
n) gegen z . Damit folgt die Aussage.
Fortsetzung Beweis.
(v) F¨ ur x ≥ 0 gilt exp(x) = 1 + x + P
∞ n=2xnn!
≥ 1 > 0.
Wegen (iii) gilt die Aussage auch f¨ ur x < 0.
(vi) r = 0: (i)
r > 0: Dann gilt r =
pqmit p, q ∈ N und
(exp(r))
q= exp(r · q) = exp(p) = (exp(1))
p= e
p. Also: exp(r) = √
qe
p.
r < 0: Mit (iii) und Potenzregeln folgt exp(r ) = 1
exp(−r) = 1
e
−r= e
r.
Restgliedabsch¨ atzung der Exponentialfunktion
Satz 3.42
Es sei n ∈ N
0. Dann gilt f¨ ur alle x ∈ R mit |x| ≤ 1 +
n2exp(x) −
n
X
k=0
x
kk!
≤ 2 |x|
n+1(n + 1)! .
Die Eulersche Zahl ist irrational
Folgerung 3.43
Die Eulersche Zahl e ist irrational.
Sinus und Kosinus (1)
Satz 3.44 F¨ ur x ∈ R gilt
| exp(ix)| = 1.
Beweis.
| exp(ix)|
2= exp(ix)exp(ix)
= exp(ix) exp(ix)
= exp(ix) exp(−ix)
= exp(ix − ix)
= exp(0)
= 1
Sinus und Kosinus (2)
Definition 3.45
F¨ ur x ∈ R definieren wir die Funktionen sin, cos : R → R durch sin(x) = Im(exp(ix)) cos(x) = Re(exp(ix)).
F¨ ur x ∈ R gilt also die Eulersche Formel
exp(ix) = cos(x) + i sin(x).
Sinus und Cosinus f¨ ur x ∈ R (1)
Sinus und Cosinus f¨ ur x ∈ R (2)
Potenzreihendarstellung von Sinus und Cosinus (1)
Lemma 3.46
Die beiden Potenzreihen
∞
X
n=0
(−1)
n(2n + 1)! z
2n+1und
∞
X
n=0
(−1)
n(2n)! z
2nkonvergieren absolut f¨ ur alle z ∈ C.
Beweis.
Quotienkriterium f¨ ur die erste Reihe: Sie z ∈ C beliebig, dann gilt
(−1)
n+1z
2(n+1)+1(2(n + 1) + 1)! · (2n + 1)!
(−1)
nz
2n+1.
= |z|
2(2n + 2)(2n + 3) −→ 0
Potenzreihendarstellung von Sinus und Cosinus (2)
Lemma 3.47 F¨ ur alle x ∈ R gilt
sin(x) =
∞
X
n=0
(−1)
n(2n + 1)! x
2n+1cos(x) =
∞
X
n=0
(−1)
n(2n)! x
2nBeweis.
F¨ ur gerade n ∈ N k¨ onnen wir n = 2m schreiben, f¨ ur ungerade n = 2m + 1. Wegen der Konvergenz der betreffenden Reihen gilt
exp(ix) =
∞
X
n=0
(ix)
nn!
=
∞
X
m=0
i
2mx
2m(2m)! +
∞
X
m=0
i
2m+1x
2m+1(2m + 1)!
=
∞
X
m=0
i
2mx
2m(2m)! + i
∞
X
m=0
i
2mx
2m+1(2m + 1)! .
Fortsetzung Beweis.
Wegen i
2m= (i
2)
m= (−1)
mergibt sich exp(ix) =
∞
X
m=0
(−1)
mx
2m(2m)! + i
∞
X
m=0
(−1)
mx
2m+1(2m + 1)! . Also
Re(exp(ix)) =
∞
X
m=0
(−1)
mx
2m(2m)!
Im(exp(ix)) =
∞
X
m=0
(−1)
mx
2m+1(2m + 1)! .
Potenzreihendarstellung von Sinus und Cosinus (3)
Da die Potenzreihen im vorangegangenen Lemma f¨ ur alle komplexen Zahlen konvergieren, k¨ onnen wir dies nutzen, um die Definitionen von Sinus und Cosinus auf die komplexe Ebene fortzusetzen.
Definition 3.48
F¨ ur alle z ∈ C seien die Funktionen sin, cos : C → C definiert durch sin(z) =
∞
X
n=0
(−1)
n(2n + 1)! z
2n+1cos(z) =
∞
X
n=0
(−1)
n(2n)! z
2n.
Eulersche Formel
Folgerung 3.49
F¨ ur alle z ∈ C gilt die Eulersche Formel:
exp(iz) = cos(z ) + i sin(z).
Beweis.
Analog zum Beweis von Lemma 3.47. Es ergibt sich dann die Potenzreihendarstellung exp(iz) =
∞
X
m=0
(−1)
mz
2m(2m)! + i
∞
X
m=0
z
2m+1(2m + 1)! .
Eigenschaften von Sinus und Cosinus (1)
Satz 3.50
F¨ ur alle z, w ∈ C gilt (i)
cos(0) = 1, sin(0) = 0 (ii)
cos(z) = cos(−z )
sin(z) = − sin(−z )
Eigenschaften von Sinus und Cosinus (2)
Satz 3.51
F¨ ur alle z ∈ C gilt
sin(z ) = 1
2i (exp(iz) − exp(−iz)) cos(z ) = 1
2 (exp(iz) + exp(−iz))
Additionstheoreme f¨ ur Sinus und Cosinus
Satz 3.52
F¨ ur alle z, w ∈ C gilt (i)
sin
2(z ) + cos
2(z ) = 1 (ii)
cos(z + w ) = cos(z) cos(w ) − sin(z) sin(w)
sin(z + w ) = sin(z) cos(w ) + cos(z) sin(w)
Sinus Hyperbolicus und Cosinus Hyperbolicus
Definition 3.53
F¨ ur alle z ∈ C seien die Funktionen sinh, cosh : C → C definiert durch sinh(z) = 1
2 (exp(z ) − exp(−z )), cosh(z) = 1
2 (exp(z ) + exp(−z ))
Sinus Hyperbolicus und Cosinus Hyperbolicus in R
Potenzreihendarstellung des Sinus/Cosinus Hyperbolicus
Satz 3.54
F¨ ur alle z ∈ C gilt
sinh(z ) =
∞
X
n=0
z
2n+1(2n + 1)!
cosh(z ) =
∞
X
n=0
z
2n(2n)! .
Eigenschaften des Sinus/Cosinus Hyperbolicus
Satz 3.55
F¨ ur alle z, w ∈ C und x , y ∈ R gilt (i) sinh(z) + cosh(z ) = exp(z ), (ii) cosh
2(z) − sinh
2(z ) = 1,
(iii) cosh(z ± w ) = cosh(z) cosh(w ) ± sinh(z) sinh(w ), (iv) sinh(z ± w ) = sinh(z) cosh(w ) ± cosh(z) sinh(w ),
(v) sin(iy) = i sinh(y) (vi) cos(iy) = cosh(y)
(vii) cos(x + iy) = cos(x) cosh(y ) − i sin(x) sinh(y ),
(viii) sin(x + iy) = sin(x) cosh(y ) + i cos(x) sinh(y ).
Identit¨ atssatz f¨ ur Potenzreihen
Satz 3.56 Seien
f (z) =
∞
X
n=0
a
nz
nund g (z) =
∞
X
n=0
b
nz
nzwei Potenzreihen mit positiven Konvergenzradien R
f> 0 und R
g> 0.
Gilt
f (z ) = g (z ) f¨ ur alle z mit 0 ≤ |z| < min{R
f, R
g}, dann sind die beiden Potenzreihen identisch, d. h. a
n= b
nf¨ ur alle n ∈ N
0. Anschauliche Interpretation:
Wenn zwei Potenzreihen die gleiche Funktion darstellen, sind die Koeffizientenfolgen
Mit dem Identit¨ atssatz k¨ onnen wir explizite Formeln f¨ ur rekursiv definierte Folgen begr¨ unden.
Beispiel 3.57
Wir betrachten die rekursiv definierte Folge
a
0= 1 und a
n= 2a
n−1f¨ ur n ≥ 1.
Mit dieser Folge definieren wir die Potenzreihe f (z ) =
∞
X
n=0
a
nz
n. Wegen
a
n+1z
n+1a
nz
n=
a
n+1a
n·
z
n+1z
n= 2|z |
betr¨ agt der Konvergenzradius R =
12.
Fortsetzung Beispiel.
Durch Anwendung der rekursiven Definition ergibt sich
f (z ) =
∞
X
n=0
a
nz
n= 1 +
∞
X
n=1
a
nz
n= 1 +
∞
X
n=1
2a
n−1z
n= 1 + 2z
∞
X
n=1
a
n−1z
n−1= 1 + 2z
∞
X
n=0
a
nz
n= 1 + 2z f (z ).
Wenn wir die Gleichung nach f (z ) aufl¨ osen, erhalten wir f (z ) = 1
1 − 2z .
Fortsetzung Beispiel.
Wir kennen aber noch eine andere Potenzreihe, welche die Funktion
1−2z1darstellt, denn mit der Formel f¨ ur die geometrische Reihe erhalten wir
g (z ) :=
∞
X
n=0
2
nz
n=
∞
X
n=0
(2z )
n= 1 1 − 2z .
Mit dem Identit¨ atssatz f¨ ur Potenzreihen folgt, dass die Koeffizienten der beiden Potenzreihen f (z ) und g (z) gleich sind, also
a
n= 2
n.
Damit haben wir eine explizite Formel f¨ ur die Folgenglieder.
Das letzte Beispiel war sehr einfach, auf die explizite Formel w¨ are man wohl auch durch scharfes Hinsehen gekommen. Das n¨ achste Beispiel ist ein wenig schwieriger.
Beispiel 3.58
Wir wandeln die Folge des letzten Beispiels leicht ab.
a
0= 1 und a
n= 2a
n−1+ 1 f¨ ur n ≥ 1.
Herleitung an der Tafel, u. a. wird das Cauchy-Produkt von Reihen verwendet.
Ergebnis:
a
n= 2
n+1− 1
Partialbruchzerlegung
Eine sehr hilfreiche Technik bei der Behandlung komplexerer Rekursionen ist die Partialbruchzerlegung.
Satz 3.59
Seien Z (x) und N (x) Polynome und der Grad von Z (x) sei kleiner als der Grad von N(x). Wir betrachten hier nur den Fall, dass N (x) ausschließlich reelle Nullstellen hat.
m sei die Anzahl der reellen Nullstellen von N (x), x
1, x
2, . . . , x
mseien diese Nullstellen und
r
imit i = 1, . . . , m sei die Vielfachheit der Nullstelle x
i. Dann existieren reelle Zahlen a
ij(1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ j ≤ r
i) mit
Z (x) N(x) =
m
X
i=1 ri
X
j=1
a
ij(x − x
i)
j.
Beispiel 3.60
Wir betrachten die Funktion
Z (x)
N(x) = 4x
1 − 2x − 3x
2.
Die Nullstellen von N(x) sind
13und −1 jeweils mit Vielfachheit 1. Nach dem Satz der Partialbruchzerlegung existieren also Konstanten a und b mit
4x
1 − 2x − 3x
2= −
43x
x
2+
23x −
13= a
x −
13+ b x + 1 .
Um diese Zahlen a und b zu ermitteln, machen wir die Summanden des rechten Terms gleichnamig und f¨ uhren einen Koeffizientenvergleich durch.
a
x −
13+ b
x + 1 = a(x + 1) + b(x −
13)
(x −
13)(x + 1) = (a + b)x + (a −
13b)
(x −
13)(x + 1)
Fortsetzung Beispiel.
Koeffizientenvergleich f¨ uhrt zu dem LGS:
a + b = −
43a −
13b = 0 Mit der L¨ osung a = −
13und b = −1. Also
4x
1 − 2x − 3x
2= −
13x −
13− 1 x + 1
= 1
1 − 3x − 1
1 + x .
Erzeugende Funktion
Definition 3.61
F¨ ur eine Folge (a
n)
n∈N0heißt die Funktion G (z) =
∞
X
n=0
a
nz
nerzeugende Funktion der Folge (a
n).
Schon in den Beispielen 3.57 und 3.58 haben wir erzeugende Funktionen verwendet.
Mit Ihnen gelingt der ¨ Ubergang von einer Folge zu einer Funktion.
Beispiele f¨ ur erzeugende Funktionen
Beispiel 3.62 a
n= 1:
∞
X
n=0
z
n= 1 1 − z a
n= n:
∞
X
n=0
nz
n= z (1 − z )
2a
n= n
2:
∞
X
n=0
n
2z
n= z(1 + z)
(1 − z)
3Fortsetzung Beispiel.
a
n= (−1)
n:
∞
X
n=0
(−1)
nz
n= 1 1 + z a
n= a
n:
∞
X
n=0
a
nz
n= 1 1 − az a
n= 1
n! :
∞
X
n=0
1
n! z
n= exp(z)
Vorgehen zur Herleitung expliziter Folgen
1
Zu einer rekursiv definierten Folge (a
n) stellen wir die Potenzreihe der erzeugenden Funktion auf und zeigen R > 0.
2
Durch Anwendung der rekursiven Definition von a
nauf die Potenzreihe ermitteln wir die die explizite Darstellung der erzeugenden Funktion.
3
Wir stellen die erzeugende Funktion als Linearkombination bekannter Potenzreihen dar.
Hierbei ist h¨ aufig eine Partialbruchzerlegung hilfreich.
4
Wir fassen die Linearkombination der Potenzreihen zu einer Potenzreihe zusammen. So
entsteht eine explizite Formel f¨ ur die Koeffizienten der Potenzreihe der erzeugenden
Funktion. Nach dem Identit¨ atssatz f¨ ur Potenzreihen m¨ ussen diese dann mit der rekursiven
Definition ¨ ubereinstimmen.
Beispiel: Herleitung einer expliziten Folge
Beispiel 3.63
Wir betrachten die rekursiv definierte Folge
a
0= 0, a
1= 4 und a
n= 2a
n−1+ 3a
n−2f¨ ur n ≥ 2.
Schritt 1: Mit Induktion sieht man leicht, dass (a
n) nicht negativ und damit monoton steigend ist. Das Quotientenkriterium liefert
a
n+1z
n+1a
nz
n= 2a
n+ 3a
n−1a
n|z | ≤ 2a
n+ 3a
na
n|z | ≤ 5|z |.
Die Potenzreihe G (z) := P
∞n=0
a
nz
nkonvergiert also f¨ ur |z | <
15, damit gilt R > 0 und G (z)
ist f¨ ur |z | <
15definiert.
Fortsetzung Beispiel.
Schritt 2:
G (z) =
∞
X
n=0
a
nz
n= 0z + 4z +
∞
X
n=2
a
nz
n= 4z + 2
∞
X
n=2
a
n−1z
n+ 3
∞
X
n=2
a
n−2z
n= 4z + 2z
∞
X
n=1
a
n−1z
n−1+ 3z
2∞
X
n=2
a
n−2z
n−2= 4z + 2z
∞
X
n=0
a
nz
n+ 3z
2∞
X
n=0
a
nz
n= 4z + 2zG (z ) + 3z
2G (z)
Fortsetzung Beispiel.
Wir l¨ osen nach G (z ) auf und erhalten
G (z ) = 4z 1 − 2z − 3z
2. Schritt 3: Aus Beispiel 3.60 wissen wir
4z
1 − 2z − 3z
2= 1
1 − 3z − 1 1 + z . Beide Summanden der rechten Seite sind geometrische Reihen.
1 1 − 3z =
∞
X
n=0
(3z )
n=
∞
X
n=0
3
nz
n.
1
1 + z = 1 1 − (−z ) =
∞
X
n=0
(−z)
n=
∞
X
n=0
(−1)
nz
nFortsetzung Beispiel.
Schritt 4: Aus Schritt 3 folgt
G (z) = 1
1 − 3z − 1 1 + z
=
∞
X
n=0
3
nz
n−
∞
X
n=0
(−1)
nz
n=
∞
X
n=0
(3
n− (−1)
n)
| {z }
=an