Abbbildung 5: Verteilung der Schülerleistungen der 15-Jährigen in Bremen auf die Kompetenzstufen
3.1.4 Zusammenstellung der wichtigsten Ergebnisse aus IGLU-E
Im Folgenden werden Ergebnisse aus den Ländern der Bundesrepublik Deutschland berichtet, die mit einer ausreichend großen Zufallsstichprobe mit dem Ziel einer Ver-gleichs möglichkeit an den Tests teilge nom-men haben. Das sind die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Thüringen hat seine Stichprobe erweitert, allerdings handelt es sich hier nicht um eine Zufalls-stichprobe. Deshalb werden die Ergebnisse ungewichtet berichtet (vgl. Bos, Lankes, Prenzel, Schwippert, Valtin, Walther, 2004).
Lehr-/Lernbedingungen
In der personellen und materiellen Ausstat-tung unterscheidet sich Bremen nicht von den anderen Ländern. Die Klassengrößen vari ie-ren im Schnitt zwischen 20,3 (Thüringen) und 24,6 (Bayern) Kindern.
Das Durchschnittsalter der Bremer Grund-schüler ist im Durchschnitt am höchsten.
22 Prozent der Kinder in Bremen sind älter als sie nach dem Einschulungsstichtag sein sollten.
In der Versorgung mit Kindergartenplätzen reicht Baden-Württemberg fast an die Situ-ation in den neuen Bundesländern heran: 82 Prozent der Kinder haben mehr als zwei Jahre einen Kindergarten besucht, in Bremen sind es nach Auskunft der Eltern nur 57 Prozent.
Bremen erteilt nach Brandenburg (739 Stun-den) mit 777 Stunden die geringste Jahres-unterrichtszeit. Bayern erteilt 839 Stunden.
Der Anteil des Leseunterrichts in Bremen macht lediglich 17 Prozent (= 130 Stunden) aus (Nordrhein-Westfalen = 20 Prozent = 167 Stunden). Eine Übernahme von Verant -wor tung schlechter Schülerleistungen findet in Bremen von Seiten der Lehrkräfte bezie-hungs weise der Schule nicht statt.
Schlechtes Schulversagen wird fast gänzlich als Problem der einzelnen Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern angesehen.
Insgesamt wird weniger gelesen, vor allem auch deutlich weniger durch die Lehrkraft vorgelesen, als in Staaten wie Schweden und England, die bei IGLU die Spitzenwerte in der Vermittlung von Lesekompetenz aufweisen.
Bremen weist schwache Werte hinsichtlich fortgeschrittener Schulentwicklungsprozesse und einer geregelten Kooperation zwischen den Lehrkräften aus.
„Wie bedeutsam solche Unterschiede für den Lernerfolg sind, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Die Vielschichtigkeit des Lernprozesses verbietet eine einfache kau-sale Interpretation einzelner Merkmale und macht mehrdimensionale Analysen
erforderlich.“ (Bos)16
Weitere Zusammenhänge werden dazu von Holtappels (2004) in einer speziell auf das
Bremer Grundschulsystem ausgelegten Studie (ein Vergleich von vollen Halbtags-grundschulen und verlässlichen Grundschulen im Rahmen von IGLU) wie folgt beschrieben:
„Die Bremer Grundschulen zeigen sich in der Qualität der Lernkultur durchaus als entwi-ckelt und sind in dieser Hinsicht mit Grund-schulen anderer Länder in etwa vergleichbar.
Auch werden Schulqualität und Aufgabener-füllung von Eltern tendenziell positiv bewer-tet; sowohl in Merkmalen der Schulqualität und grundschulpädagogischer Arbeitsformen als auch bezüglich spezifischer Gestaltungs-merkmale von Halbtagsgrundschulen ...
besonders die Betreuungsform ... reichen an voll ausgebaute Halbtagsschulformen anderer Länder (wie in Hamburg, Rheinland-Pfalz) nicht heran. Zudem sind lernbezogene Aktivitäten in Betreuungsphasen ... gegen-über Spiel und Freizeit unzureichend. Es er scheint daher angezeigt, die von Lehr-kräften gestaltete Lernzeit über zusätzliche Lehrerstunden sowie ggf. die Anhebung der Schülergrundstunden spürbar auszuweiten, um mehr Zeit speziell für fachliches Lernen und Lernförderung zu gewähren. Doppelbeset-zungen mit Lehr- bzw. Förderpersonal im Unter richt scheinen auch zukünftig in ange-mes senem Umfang erforderlich zu sein, um intensive Förderung für alle Grundschulkinder, vor allem für Lernschwächere, zu garantie-ren. Die Forschungsergebnisse deuten in der Gesamtschau darauf hin, dass die über den Pflichtunterricht hinaus gehenden Betreuungs-phasen offenbar nur geringe oder keine päda-gogischen Effekte für den Lernprozess und die Lernleistungen der Schüler/innen haben.“
(S. 23)
16 Im Herbst 2005 wird der dritte Bericht mit weiteren Analysen zu IGLU 2001 veröffentlicht.
Leistungsergebnisse
Die Ergebnisse der drei untersuchten Kompetenzbereiche bilden sich folgender-maßen ab:
Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler liegen in allen drei Untersuchungs-bereichen (der Lesekompetenz, in der mathe matischen Kompetenz und in natur-wissen schaftlicher Kompetenz) als einziges Bun des land signifikant unterhalb des deut-schen Mittelwertes. International kann sich Bremen in allen Untersuchungsbereichen knapp über dem internationalen Mittelwert (500) einordnen und sich mit Ländern wie Slowenien (Lesen = 502) und Rumänien (Lesen = 512) vergleichen. Der Unterschied in der Lesekompetenz umfasst 42 Punkte zu Baden-Württemberg.
In Mathematik macht der Unterschied zwi-schen Baden-Württemberg (565) und Bremen (512) in etwa ein halbes Unterrichts jahr aus.
In Naturwissenschaften entspricht der Ab stand von 50 Punkten zu Baden-Württemberg in etwa einem Leistungsunterschied zwi schen der dritten und vierten Jahrgangsstufe.
Die Mädchen haben in der Lesekompetenz gegenüber den Jungen einen Vorsprung von 12 Punkten (Deutschland = 13 Punkte).
Beteiligte Länder Lesekompetenz Streuung 5% – 95% Mathematische Kompetenz Naturwissenschaft liche Kompetenz (Sachkunde)
Baden-Württemberg 549 210 565 574
Bayern 546 220 547 566
Hessen 544 214 547 564
Deutschland 539 221 545 560
Nordrhein-Westfalen 531 227 537 549
Brandenburg 526 237 --
--Bremen 507 248 512 526
Thüringen 552 212 572 591
auf (Baden-Württemberg = 15,5 Prozent). Kin-der, die einen Kindergarten oder eine vor-schulische Einrichtung besucht haben, haben in allen drei Untersuchungsbereichen signifi-kant bessere Leistungen. Hier ist die Länge des Besuches zudem leistungsfördernd.
Bremen hat 33,5 Prozent Schülerinnen und Schüler unterhalb der Kompetenzstufe II.
Diese Schülerinnen und Schüler weisen er hebliche Defizite in ihren mathematischen Fähigkeiten auf; ihr mathematisches Wissen
Mathematische Kompetenzen (Verteilung in Prozent)
Kompetenzstufen I II III IV V
Rudimentäres schulisches Anfangswissen
Grundfertigkeiten zum Zehnersystem, zur ebenen Geometrie und zu Größenvergleichen
Verfügbarkeit von Grundrechenarten und Arbeit mit einfachen Modellen
Beherrschung der Grundrechenarten, Bewältigung von Aufgaben der räum-lichen Geometrie und begriffl iche Modellentwicklung
Problemlösen bei Aufgaben mit innermathe-matischem oder außer-mathe-matischem Kontext
Baden-Württemberg 0,4 11,3 37,0 42,0 9,3
Deutschland 1,9 16,7 39,8 35,1 6,5
Bremen 5,1 28,4 40,9 22,7 2,8
Kompetenzstufen < I I II III IV
Gesuchte Wörter in einem Text erkennen
Angegebene Sachverhalte aus einer Textpassage erschließen
Implizit im Text enthaltene Sachver-halte aufgrund des Kontextes erschließen
Mehrere Text - passagen sinnvoll miteinander in Beziehung setzen
Baden-Württemberg 0,8 6,5 25,1 46,4 21,2
Deutschland 1,3 9,0 28,6 43,0 18,1
Bremen 4,0 17,1 37,7 31,9 9,4
Leistungen nach Kompetenzstufen Lesekompetenzen (Verteilung in Prozent)
Das bedeutet, dass über ein Fünftel der Bremer Grundschülerinnen und -schüler nicht die Kompetenzstufe II erreichen. 18,8 Prozent der Bremer Grundschülerinnen und -schüler geben an, dass sie außerhalb der Schule nie zum Spaß lesen. Nur Brandenburg weist mit 20,9 Prozent einen höheren Wert
und Können geht kaum über das zweite Schuljahr hinaus. Mädchen (37,4 Prozent) schneiden zu dem schlechter ab als Jungen (29,6 Prozent).
Naturwissenschaftliche Kompetenzen (Verteilung in Prozent)
Kompetenzstufen < I I II III IV V
Vorschulisches
Baden-Württemberg 2,4 9,9 19,2 20,8 36,1 11,5
Deutschland 3,9 12,8 20,2 21,3 33,7 8,1
Bremen 8,4 18,9 26,3 19,7 22,2 4,5
In Bremen erreichen 27,3 Prozent der Schüler innen und Schüler nicht die Kompe-tenzstufe II, das bedeutet, diese verfügen nur über sehr schlechte Voraussetzungen für ein anschließen des Lernen und für ein sinnvolles Anwenden von Wissensbeständen. Die Mäd-chen sind auch in diesem Untersuchungsge-biet noch einmal schlechter als die Jungen.
Rechtschreibleistungen
Bei allen für die Erfassung der Rechtschreib-leistung verwendeten Kennwerte befindet sich Bremen deutlich unter dem Mittelwert der untersuchten Länder. Entsprechend sind die Ergebnisse bei der Kompetenzstufenzugehöri gkeit. Bremen hat 48 Prozent Schülerinnen und Schüler auf Kompetenzstufe I und II, das heißt fast 50 Prozent der Viertklässler weisen gravierende Rechtschreibprobleme (17 Pro-zent) beziehungsweise deutliche Rechtschreib-schwierigkeiten (31 Prozent) auf.
Migrationshintergrund
35,6 Prozent der Kinder in Bremen geben an, dass mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist (Deutschland = 22,2 Prozent;
Nordrhein-Westfalen = 30,5 Prozent; Bremen (PISA) 41,7 Prozent). „Die hier vorgestellten differenzierten Befunde aus dem Vergleich einiger Länder der Bundesrepublik Deutsch-land entsprechen dem für GesamtdeutschDeutsch-land festgestellten Ergebnis. Weder das Geschlecht noch der Wohnort scheinen systematische Einflüsse auf den Erwerb von Kompetenzen zu haben“. (Bos, Lankes, Prenzel, Schwippert, Valtin, Walther 2003, S. 31) Hinweise für Zusammenhänge beim Kompetenzerwerb
lassen sich hingegen sowohl in der kulturellen Tradition als auch dem Sozialstatus der Familie finden. Die vorgelegten nationalen Befunde deuten – gestützt durch internatio-nale Vergleiche – darauf hin, dass sich die Situation bezüglich der Geschlechts-, Migra-tions- und Schichteffekte in der Grundschule zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland nicht substanziell unterscheidet.
Die PISA-Ergebnisse zur sozialen Selektivität des Bildungssystems werden somit grund-legend bestätigt.
3.1.5 Zwischenfazit
PISA und IGLU beziehen sich – wie in der Untersuchungsanlage beschrieben – überwiegend auf die Primarstufe und die Sekundarstufe I, trotzdem gibt es erhebliche Auswirkungen auf und Veränderungs an sprü-che an die Qualität des Gesamtsystems Schule. Zwangsläufige Innovationen werden durch vorgegebene und nicht primär durch Schule beeinflussbare Rahmenbedingungen, unter anderem durch den Kontext der Einzel-schulen, den individuellen Lernvoraus set zun-gen und -bedingunzun-gen oder in außerschuli-schen Lernbereichen, mitbestimmt.
Perspektivisch ist primär die Frage zu stel-len: Was kann tatsächlich mit diesen empi-risch ermittelten Tatbeständen für die Schul-ent wicklung, insbesondere der einzelnen Schule angefangen werden? Die Antwort wird durch die Kooperation und Kommunikation aller an Schule Beteiligten, durch die Weiter-entwicklung der Lern- und Unterrichts kultur sowie durch die Maßnahmen zur Qualitäts ent-wicklung und Qualitätssicherung mitbe stimmt.
17 Der Projektbericht ist unter http://www.familienhandbuch.de/cms/
Familienforshung-Armut.pdf abrufbar.
3.2 Handlungsfelder und