• Keine Ergebnisse gefunden

Fructane zu bilden. Die experimentelle Grundlage für die Erhebungen von 2001 bis 2003 bildete die von 2000 bis 2005 währende Freisetzung von Fructan-Kartoffeln (BVL-Kz.:

ZG 6786-01-122 und 6786-01-136) in Dahnsdorf durch das Institut für integrierten Pflanzenschutz der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Kleinmachnow.

Der umfassende Eingriff in den Kohlenhydratmetabolismus der Kartoffelsorte Désirée durch die gewebeunspezifische Integration der Fructansynthese ließ eine Veränderung der Pflanzengesundheit der transgenen Linien und daraus mögliche Konsequenzen für den Pflanzenschutz erwarten. Die Abschätzung und Bewertung dieser Auswirkungen war Ziel dieser Arbeit. Eingeschlossen waren auch Effekte auf den Bestandesaufbau, die z.B. für die Konkurrenzkraft der Kartoffel gegenüber Unkräutern von Bedeutung sind, indem Veränderungen in der Morphologie und der Phänologie der transgenen Pflanzen im Vergleich zur Ausgangssorte untersucht wurden. Die Bestimmung der Anfälligkeit gegenüber den beiden Krankheiten Kartoffelkrebs (Synchytrium endobioticum) und Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) sowie den Nematoden Meloidogyne incognita, Globodera rostochiensis und dem Kartoffelkäfer Leptinotarsa decemlineata erfolgten unter Laborbedingungen mit Pflanzenmaterial aus der Freisetzung und/oder dem Gewächshaus. Die Untersuchungen zur Auswirkung der Nahrungsqualität auf den Kartoffelkäfer erfolgten sowohl unter Labor- als auch Freilandbedingungen in extra dafür aufgebauten begehbaren Käfigen. Zur Bewertung des direkten Zusammenhanges zwischen der Anfälligkeit der transgenen Fructan-bildenden Linien und deren Kohlenhydratstatus wurden vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm die Fructose-, Glucose, Saccharose- und Fructangehalte von Blatt-, Wurzel- und Knollenproben bestimmt.

Die Untersuchungen führten insgesamt zu folgenden Ergebnissen und Schlussfolgerungen:

1) Der gentechnische Eingriff führte bei einer Reihe von Merkmalen zu teilweise signifikanten Veränderungen bei den transgenen Kartoffeln gegenüber der isogenen Ausgangssorte einerseits. Andererseits wurden auch gentechnisch begründete Unterschiede zwischen den beiden Konstrukten als auch einzelnen Linien beobachtet.

Eine eindeutige Zuordnung dieser Variabilität z.B. zum neuen Inhaltsstoff Fructan oder zu veränderten Zuckerkonzentrationen war allerdings nicht in jedem Fall möglich.

2) Die Homogenität des im Gewächshaus erzeugten Pflanzgutes war sehr gut. Der mittels ISSR-PCR nachgewiesene genetische Unterschied zwischen den transgenen Linien und dem Wildtyp, sowie der Unterschied zwischen den beiden Wildtypen (isogene Sorte)

aus der in-vitro-Vermehrung bzw. von einem Händler lassen allerdings vermuten, dass entweder die isogene Vergleichssorte aus dem Gewächshaus nicht aus dem gleichen Genpool wie die transgenen Linien stammt, oder dass vor dem Untersuchungszeitraum eine Spontanmutation (sog. somaklonale Variation) beim Wildtyp stattgefunden haben muss.

3) Alle drei SST/FFT-Linien wiesen gegenüber dem Wildtyp Verzögerungen im Feldaufgang und bei der Knospen- und Blütenbildung auf. Die Haupttrieblänge war verkürzt und der vollständige Bestandesschluss blieb über die gesamte Vegetation aus.

Ein Einfluss der Pflanzknollengröße auf die Haupttrieblänge konnte ausgeschlossen werden. Die Anzahl der Einzelblüten an der Infloreszenz 1. Ordnung war reduziert. Die Blattbehaarung der Unterseite war in Abhängigkeit von der Linie mehr oder weniger dichter im Vergleich zur isogenen Ausgangssorte. Ohne Sicherung blieben die Anzahl der Augenaustriebe und die Anzahl der Seitentriebe pro Haupttrieb, da die beobachteten Veränderungen nicht konstant über mehrere Vegetationsperioden bestätigt werden konnten. Die genetischen Veränderungen blieben ohne Auswirkung auf den Flächenertrag, die Knollengrößensortierung und die Stärkemorphologie. In Abhängigkeit von der Vegetationsperiode betrug die Reduktion des Stärkegehaltes bei den SST/FFT-Linien 2-3 %. Diese Abnahme korreliert mit dem Fructangehalt und zeigt damit an, dass die Fructanbiosynthese auf Kosten der Stärkebiosynthese stattfindet. Die o.g. Veränderungen der phänotypischen und morphologischen Merkmale traten in allen drei SST/FFT-Linien auf, so dass entweder von einem Einfluss der in diesen SST/FFT-Linien integrierten SST-Linie oder einem direkten Effekt der zweiten Transformation – der Integration des FFT-Gens - ausgegangen werden kann.

4) In den drei SST-Linien trat linienabhängig eine verzögerte Knospen- und Blütenentwicklung, eine reduzierte Anzahl Einzelblüten an der Infloreszenz 1. Ordnung, eine gesteigerte Blattbehaarung und ein reduzierter Stärkegehalt um 2-3 % im Vergleich zum Wildtyp auf. Diese linienabhängigen Veränderungen verstärken die Vermutung, dass einige phänotypische Veränderungen der SST/FFT-Linien auf das SST-Konstrukt zurückzuführen sind.

5) Die phänotypischen und morphologischen Veränderungen bei allen sechs Linien liegen im Rahmen des vom Bundessortenamt (BSA) geführten konventionellen Sortenspektrums der Kartoffeln. Aus Sicht des Pflanzenschutzes wäre ev. durch den

fehlenden Bestandesschluss die Herbizidstrategie in Fructan-Kartoffeln über eine Bevorzugung von Bodenherbiziden anzupassen.

6) In den Untersuchungen, auch der anderen Verbundpartner, konnte nicht geklärt werden, ob die beobachteten pleiotropen Effekte bei den SST/FFT-Linien entweder auf eine Veränderung des Wasserhaushaltes oder des Phytohormonhaushaltes (Gibberellinsäure) zurückzuführen sind. Es ist anzunehmen, dass die komplexen gentechnischen Eingriffe während der Transformation Auswirkungen auf ganze Metabolismuskaskaden der Kartoffel auslösten, die dann in ihrer Gesamtheit die untersuchten Merkmale sichtbar oder unsichtbar modifizierten.

7) Die Blattanfälligkeit gegenüber P. infestans war bei allen SST- und SST/FFT-Linien unverändert. Die Knollenanfälligkeit war dagegen bei den SST/FFT-Linien als Folge des Fructanvorkommens reduziert und bei den SST-Linien unverändert. Der negative Zusammenhang zwischen dem Fructangehalt der Knollen und dem Myzelwachstum konnte auch in Flüssigkultur bestätigt werden.

8) Die Knollenreaktion der SST- und SST/FFT-Linien gegenüber den Pathotyp 1 und 18 des Kartoffelkrebses (S. endobioticum) war im Vergleich zum Wildtyp unverändert.

Auch in der Anzahl der Wucherungen und deren Gewicht traten keine Unterschiede zwischen den transgenen Linien und dem Wildtyp auf.

9) Alle SST- und SST/FFT-Linien und der Wildtyp reagierten einheitlich auf den Zystennematoden (G. rostochiensis). Die Reproduktion des Nematoden blieb ebenfalls unverändert.

10) Bei den SST/FFT-Linien deutete sich aber im Vergleich zum Wildtyp und den SST-Linien eine Reduktion der Reproduktion des Wurzelgallennematoden (M. incognita) an. Als Ursache für diesen gentechnisch bedingten Effekt kommen entweder das veränderte Wurzelvolumen - als Folge des verkürzten Haupttriebes - oder das nachgewiesene Fructan in den Wurzeln in Betracht.

11) Die Entwicklung der Larven, der Larvenschlupf und die Reproduktion der Weibchen des Kartoffelkäfers (L. decemlineata) waren unter Gewächshausbedingungen weder kurz- noch langfristig durch die veränderte Nahrungsqualität in den SST- und SST/FFT-Linien beeinflusst.

12) Die langfristige Fütterung von L. decemlineata mit transgenen Pflanzen im Labor führte zur Abnahme der genetischen Ähnlichkeit (RAPD-Muster) der sieben Subpopulationen um etwa 4 %. Die große genetische Homogenität der jahrzehntelangen Laborzucht blieb davon aber unbeeindruckt.

13) Unter Freilandbedingungen konnte in der Tendenz ein Einfluss der Nahrungsqualität auf das Larvengewicht und die Wirtspflanzenpräferenz für die Reproduktion von L.

decemlineata beobachtet werden. In Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium der Pflanzen trat ein verringerter Befall an den SST/FFT-Linien sowohl durch den natürlichen Befall als auch nach künstlicher Ausbringung auf. Die Ursachen hierfür können entweder auf die veränderte Morphologie (Wuchs, Blattbehaarung) oder auf die Art und Konzentration der Inhaltsstoffe (einschließlich volatiler Substanzen) in den SST/FFT-Linien gegenüber dem Wildtyp und den SST-Linien zurückgehen. Aber auch synergistische Effekte sind denkbar (s. Punkt 1).

14) Die unterschiedliche Ausprägung in den ausgewählten Merkmalen des Kartoffelkäfers einerseits und in den Kohlenhydratgehalten zwischen Gewächshaus- und Freilandpflanzen andererseits machen deutlich, dass für eine robuste Risikoabschätzung der Fructan-Kartoffel eine Freisetzung unabdingbar ist. Auch muss die Verwendung von langjährigen diapausefreien Laborzuchten für die Biotests weiter hinterfragt werden.

Alle o.g. Veränderungen im Phänotyp und in der Anfälligkeit der drei SST/FFT-Linien gegenüber P. infestans, M. incognita, und L. decemlineata würden zu keiner Neueinstufung der Anfälligkeitsreaktion der Kartoffelsorte Désirée nach den Kriterien des Bundessortenamtes führen. Die Anfälligkeit war bei allen SST/FFT-Linien vermindert, so dass mit keinem erhöhten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beim Anbau zu rechnen wäre.

Dies geht konform mit den Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes und den Zielen des Reduktionsprogramms chemischer Pflanzenschutz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Aus dem Blickwinkel von Pflanzengesundheit und Pflanzenschutz ergeben sich durch den Anbau der Fructan-Kartoffel keine umwelt- und agrarrelevanten Bedenken, die über jene beim Anbau konventioneller Kartoffelsorten hinausgehen würden. Für das geforderte anbaubegleitende Monitoring beim Anbau von transgenen Kartoffeln reichen in diesem Fall die bei konventionellen Kartoffeln seit Jahren durchgeführten Schaderregerbeobachtungen aus.