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Lamellae

8. ZUSAMMENFASSUNG UND PERSPEKTIVE

Ordnungs-Unordnungs-Überganges typisch ist (kurze PS-Zylinder in einer S/B-Matrix ohne ausgeprägte Fernordnung).

Aufgrund der modifizierten Architektur wird in einem asymmetrischen verschmierten Styrol/Butadien-Sternblockcopolymer (ST2-S74) mit SBS-Ästen eine „Zwei-Komponenten-Drei-Phasen-Morphologie“ gefunden. Die sich innerhalb von PB-Lamellen befindenden Styrol-Domänen wirken als „Füllstoff“ und verstärken zugleich die zähigkeitssteigernde Wirkung der Kautschukschichten. Ein anderes Sternblockcopolymer (ST1-S74) ohne verschmierten Übergang zeigt ebenfalls eine lamellenartige Morphologie.

3. Im Allgemeinen lassen sich die in untersuchten Systemen auftretenden Deformationsmechanismen und die resultierenden mechanischen Eigenschaften über die mikrophasenseparierten Morphologien diskutieren.

Aufgrund des Vorhandenseins der PS-Matrix verformt sich ein lineares symmetrisches SBS-Triblockcopolymer mit 74 % Volumenanteil Polystyrol (LN1-S74) durch Ausbildung crazeartiger Deformationszonen. Diese crazeartigen Deformationszonen unterscheiden sich aber grundsätzlich von den in klassischen Diblockcopolymeren wegen der durch Lochbildung (Cavitation) der Kautschukphase ausgebildeten Deformations-strukturen. Es handelt sich bei SBS-Triblockcopolymeren um eine Cavitation der Styrolphase, die möglicherweise durch Termination der Kettenenden an der PS-Matrix begünstigt wird.

Die Deformation von Blockcopolymeren mit Lamellenstruktur und PS-Domänen in Styrol-co-Butadien-Matrix ist sehr stark von der Orientierung der Morphologie relativ zur Dehnrichtung abhängig. In polygranulären Proben bildet sich eine typische „Chevron“-Morphologie heraus, die durch die Deformation der quer zur Dehnrichtung liegenden mikrophasenseparierten Morphologie zustande kommt. Homogenes plastisches Fließen der PS-Lamellen und/oder Fragmentierung der PS-Domänen findet statt, wenn sich die Strukturen ursprünglich parallel zur Deformationsrichtung orientiert haben.

Die Styrol/Butadien-Blockcopolymere mit alternierenden Schichten (Lamellen) deformieren sich durch homogenes plastisches Fließen der Lamellen, ohne lokal begrenzte Deformationszonen zu bilden. Dieser Mechanismus wird als Dünnschichtfließen (Thin-Layer-Yielding) bezeichnet, welches als alternativer zähigkeitssteigernder Mechanismus in spröden Polymeren angewendet werden kann. Das Homogenfließen der glasartigen Schichten findet dann statt, wenn die Schichtdicke etwa 20 nm (= kritische Schichtdicke Dcrit) beträgt (Größenordnung wie Crazefibrillendicke im Polystyrol-Homopolymer).

Diese Schichten fließen auf ähnliche Weise wie die Crazefibrillen in PS, wobei die benachbarten PB-Schichten eine analoge Funktion wie die Mikrovoids in Crazes besitzen.

Ein exakter Wert von Dcrit kann aber nicht festgelegt werden, weil der Wert von den Eigenschaften der Grenzschicht zwischen den Lamellen, von der chemischen Struktur der Schichten und von den Belastungsbedingungen abhängen kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß sich der Wert Dcrit mit zunehmender Belastungsgeschwindigkeit und abnehmender Temperatur nach unten verschiebt. Systematische Untersuchungen an Modellsystemen sind notwendig, um diese Abhängigkeit vollständig aufzuklären.

4. Abhängig vom Molekulargewicht und von der Zusammensetzung werden in Blends aus dem Sternblockcopolymer ST2-S74 und dem Polystyrolhomopolymer (hPS) Morphologien mit und ohne Makrophasenseparation des zugemischten Polystyrols beobachtet. Beim Spritzgießen ist die Ausbildung einer gleichgewichtsnahen Morphologie aufgrund von Scherung und rascher Abkühlung unterdrückt; daher tritt keine ausgeprägte Makrophasentrennung auf.

Das mikrophasenseparierte Blend, das PS-Lamellen in vergleichbarer Dicke wie das reine Sternblockcopolymer besitzt, deformiert sich durch den „Thin-Layer-Yielding“-Mechanismus. Blends mit makrophasenseparierten hPS-Teilchen verformen sich durch plastisches Fließen der Lamellenmatrix und durch Hohlraumbildung an den Polen der PS-Teilchen, während in Blends mit Polystyrol-Matrix typischerweise fibrillierte Crazes im PS beobachtet werden.

Die in spritzgegossenen Blends aus Sternblockcopolymer und Standardpolystyrol (PS190) festgestellten Deformationsstrukturen liefern zusätzliche Beweise für den „Thin-Layer-Yielding“-Mechanismus. Bei einem PS190-Anteil von 20 Gew. % wird ein Übergang vom homogenen plastischen Fließen von PS-Lamellen zu lokal begrenzter crazeartiger Deformation beobachtet. Dieser Übergang erfolgt, wenn sich die Dicke der PS-Lamellen 30 nm nähert. Dies deutet wiederum darauf hin, dass die kritische Schichtdicke für Polystyrolschichten in Styrol/Butadien-Blockcopolymeren deutlich unterhalb 30 nm liegt.

Bei höherem PS190-Gehalt (z.B. ΦPS190 ≥ 60 Gew. %) werden neuartige, senkrecht zur Dehnrichtung liegende Deformationszonen beobachtet, die Merkmale von Crazes und Scherbändern aufweisen. Diese Deformationsstrukturen ähneln den bei lamellaren Diblockcopolymeren unter Scherdeformation auftretenden „Kink-Bands“. Die geringe Dehnung der Lamellen in diesen Deformationsbändern korreliert mit der kleinen Bruchdehnung der Proben.

Unter schlagartiger Beanspruchung verhalten sich die lamellaren Blockcopolymere, die beim Zugversuch duktiles Verhalten zeigen, sprödartig. Deren Blends mit PS verhalten sich ebenfalls spröd. Daraus kann man die Dehnratenabhängigkeit des „Thin-Layer-Yielding“-Mechanismus ableiten. Ein ähnliches Verhalten würde man bei abnehmender Temperatur erwarten.

Für die Praxis werden aber Materialien gewünscht, die sowohl bei langsamer als auch bei schlagartiger Belastung zähes Verhalten zeigen. Binäre Blends aus einem Sternblockcopolymer (ST2-S74) und einem linearen Triblockcopolymer mit elastomeren Eigenschaften (LN4-S65) ermöglichen eine Kombination aus Steifigkeit und Zähigkeit über einen breiten Zusammensetzungsbereich.

Eine sprunghafte Zunahme der Zähigkeit wurde bei einem LN4-Anteil von 20 Gew. % beobachtet. Dieser Zunahme liegt offensichtlich ein Übergang von einer hochgeordneten lamellaren Morphologie zu einer ungeordneten wurmförmigen Domänenstruktur zugrunde. Die Charakterisierung des Bruchverhaltens durch bruchmechanische Konzepte lässt zwei Übergänge erkennen: einen ersten Übergang (Spröd-Zäh-Übergang) bei einem LN4-Gehalt von 10-20 Gew. % und einen zweiten Übergang (Zäh-Hochschlagzäh-Übergang) bei einem LN4-Gehalt von 50-60 Gew. %. Die starke Zunahme der Zähigkeit bei 20 Gew. % LN4 ist verbunden mit einem prinzipiellen Wechsel im Rissausbreitungsmechanismus von dominierend instabiler Rissausbreitung durch Hohlraumkoaleszenz zu stabiler Rissausbreitung durch Scherfließen. Die binären Blockcopolymerblends könnten damit die Möglichkeit bieten, optisch transparente, thermoplastisch verarbeitbare und hochschlagzähe Werkstoffe auf der Basis von nanophasenseparierten Strukturen herzustellen.

Ausblick

Ausgehend von den im Rahmen der Arbeit erreichten Ergebnissen können folgende Vorschläge unterbreitet werden, um weitere Anhaltspunkte für Lösungen von Problemen bzw.

Antworten auf noch offene Fragen zu finden:

1. Diese Arbeit hat das Phasen- und Deformationsverhalten von Blockcopolymeren mit komplexer molekularer Architektur in einem engen Zusammensetzungsbereich behandelt.

Um eine vollständige Korrelation der molekularen Architektur, der Morphologie und der Deformationsmechanismen darzustellen, sind Untersuchungen an Modellsystemen mit

definiert erweiterten molekularen Parametern (z. B. Zahl, Zusammensetzung und Symmetrie der Äste in Sternblockcopolymeren) notwendig.

2. Durch die Einbeziehung weiterer Systeme sowie durch Variationen von Grenzschicht-strukturen, Temperatur und Belastungsgeschwindigkeit sollten zusätzliche Informationen zur Erklärung des neuartigen Mechanismus „Thin-Layer-Yielding“ gewonnen werden.

3. Für einen vermuteten Einfluß der Blockcopolymerarchitektur auf das Deformationsverhalten der Blockcopolymer/Homopolymer-Blends sollten durch weitere Untersuchungen neue Hinweise gesammelt werden.

4. Für die Ableitung konkreter Bedingungen für eine Zähigkeitssteigerung in binären Blockcopolymer-Blends sind neben den durchgeführten bruchmechanischen Analysen insbesondere weitere Analysen der mikromechanischen Prozesse der Deformation notwendig.