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Brigitte Dircks

Plättchengebundene Antikörper und Neutrophilen-Plättchen-Interaktionen bei verschiedenen Erkrankungen des Hundes

Thrombozyten spielen eine zentrale Rolle bei der Hämostase und Thromboseentstehung und sind maßgeblich an einer Vielzahl weiterer physiologischer und pathophysiologischer Prozesse wie Entzündungsreaktionen, Immunabwehr, Wundheilung und Tumormetas-tasierung beteiligt. Im ersten, retrospektiven Teil dieser Arbeit wurden zugrundeliegende Erkrankungen, sowie klinische und labordiagnostische Merkmale bei thrombozytopenischen Hunden mit und ohne plättchengebundene Antikörper, sowie labordiagnostische Parameter bei Hunden mit vermuteter primärer immunvermittelter Thrombozytopenie (pIMT) (d.h. ohne nachweisbare Ursache) charakterisiert. Dafür wurden die Patientendaten von thrombozytopenischen Hunden, bei denen im Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2006 ein Test zur Bestimmung von plättchengebundenen Antikörpern mittels Durchflusszytometrie durchgeführt wurde, retrospektiv ausgewertet.

Bei 37 der 83 Hunde (45%), die in die Studie aufgenommen wurden, konnten plättchengebundene Antikörper gefunden werden. Eine Vielzahl zugrunde liegender Erkrankungen wurden bei Hunden sowohl mit als auch ohne plättchengebundene Antikörper diagnostiziert. Von einer pIMT wurde bei 13 Hunden, bei denen keine Grunderkrankung gefunden werden konnte, ausgegangen.

Die Thrombozytenzahl war signifikant niedriger bei Hunden mit einem positiven Testergebnis für plättchengebundene Antikörper (16 × 103/μl; 2–119 × 103/μl, Median;

Minimum–Maximum ) im Vergleich zu Hunden mit einem negativen Testergebnis (44 × 103/μl; 3–115 × 103/μl) (P = 0,005). Hunde mit einer angenommenen pIMT hatten signifikant niedrigere Thrombozytenzahlen (14 × 103/μl; 2–44 × 103/μl) verglichen mit Hunden mit einer sekundären IMT (sIMT) (31 × 103/μl; 3–119 × 103/μl). Blutungen wurden signifikant häufiger bei Hunden mit plättchengebundenen Antikörpern gesehen (24/37 [65%] versus 18/46 [39%]).

Das mittlere Plättchenvolumen (MPV) war signifikant niedriger bei Hunden mit einem positiven Testergebnis für plättchengebundene Antikörper (12.5 fl; 7.4–20 fl versus 14.8 fl;

7.8–24 fl) (P = 0,01). Weiterhin hatten Hunde ohne plättchengebundene Antikörper (19/33 [58%] signifikant häufiger ein erhöhtes MPV (definiert als MPV > 14.3 fl) als Hunde mit plättchengebundenen Antikörpern (7/26 [27%]). Keiner der Hunde mit einer angenommenen pIMT hatte ein erhöhtes MPV.

Die Auswertung der Knochenmarksaspirate ergab eine gesteigerte Megakaryopoeseaktivität bei 14 von 21 Hunden (67%) mit plättchengebundenen Antikörpern und bei 7 von 18 Hunden (39%) ohne solche Antikörper. Dieser Unterschied war nicht signifikant. Bei allen 9 Hunden mit einer pIMT, in denen eine Knochenmarksaspiration durchgeführt wurde, konnte eine gesteigerte Megakaryopoeseaktivität festgestellt werden. Dies war ein signifikant höherer Anteil verglichen zu Hunden mit einer sIMT (6/13).

Die Ergebnisse des ersten Teils dieser Arbeit zeigen, dass der immunvermittelte Abbau von Thrombozyten ein bedeutender Pathomechanismus für eine Thrombozytopenie bei einer Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen ist. Hunde, bei denen plättchengebundene Antikörper nachgewiesen werden und die zusätzlich eine schwere Thrombozytopenie, ein niedriges bis normales MPV und eine gesteigerte Megakaryopoeseaktivität im Knochenmark haben, sind verdächtig für eine pIMT. Das MPV scheint ein hilfreiches diagnostisches Mittel bei der Aufarbeitung thrombozytopenischer Hunde zu sein, die Bedeutung im Hinblick auf die Megakaryopoeseaktivität ist jedoch unklar.

Der zweite Teil dieser Arbeit befasste sich mit Plättchen-Neutrophilen-Aggregaten (PNA) beim Hund. In der Humanmedizin konnte eine vermehrte Aggregatbildung bei Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen nachgewiesen werden, jedoch gibt es bisher keine In-vivo-Daten zum Vorkommen von PNA bei Hunden. Daher war das Ziel der eigenen Arbeit der Nachweis von PNA bei Hunden mit systemisch-entzündlichen Erkrankungen. Zur Erarbeitung pathophysiologischer Grundlagen sollte der Einfluss verschiedener Plättchen- und Neutrophilenagonisten auf die Bildung von PNA in vitro untersucht werden. Weiterhin sollte eine Untersuchung der Formveränderungen der neutrophilen Granulozyten als Indikator für eine Aktivierung dieser Zellen bei systemisch-entzündlichen Erkrankungen sowie nach Stimulation mit den unterschiedlichen Agonisten erfolgen.

Zwanzig Hunde mit systemischen inflammatorischen Response-Syndrom (SIRS), von denen 6 eine Sepsis und 12 eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) hatten, wurden in die Studie aufgenommen. Das Blut von 10 klinikeigenen, gesunden Beaglehunden diente als Kontrollblut sowie für die Inkubation mit den Agonisten in den folgenden Endonzentrationen und Kombinationen: Phorbol-myristat-azetat (PMA) (5 µmol/L), Kollagen (COL) (20 µg/mL), Adenosindiphosphat (ADP) (20 µmol/L), Epinephrin (EPI) (20 µmol/L), COL (20 µg/mL) + ADP (20 µmol/L), EPI (20 µmol/L) + ADP (20 µmol/L), Lipopolysaccharid (LPS) (1, 2, 5, and 10 µg/mL), und Arachidonsäure (Arachidonic acid, AA) (0.5, 1, and 2 mmol/L).

Für den Nachweis der PNA-Bildung wurde ein einfacher und reproduzierbarer Test entwickelt, bei dem durch die Separation der Thrombozyten von den neutrophilen Granulozyten mittels Ficoll-Dichtegradientenzentrifugation direkt nach der Blutabnahme (bzw. nach der Inkubation mit den Agonisten) eine artifizielle Formation von PNA weitgehend verhindert werden sollte. Die Messung der Aggregatbildung basierte auf dem durchflusszytometrischen Nachweis von CD61 assoziiert mit neutrophilen Granulozyten.

Zusätzlich zur Bestimmung des prozentualen Anteils von CD61-positiven neutrophilen Granulozyten erfolgte die Quantifizierung der PNA durch Bestimmung der mittleren Fluoreszenzintensität (MFI) der Zellen. Das mittlere Vorwärts- (als Maß für die Zellgröße) sowie Seitwärtsstreulicht (als Maß für die Granularität und Komplexität) wurden als Parameter für die Form der neutrophilen Granulozyten erfasst.

Bei Hunden mit SIRS wurde eine signifikant höhere MFI (5,1 1,6 Mittelwert Standardabweichung versus 3,3 0,1) (P = 0,003) und ein signifikant größerer prozentualer Anteil CD61-positiver neutrophiler Granulozyten (10,5% ± 7,9 versus 2,3% 0,2) (P = 0,003) im Vergleich zu den gesunden Kontrollhunden beobachten. Weiterhin konnte bei diesen Hunden eine Zunahme der Größe (P < 0,001) und Abnahme der Granularität (P = 0,013) der neutrophilen Granulozyten gemessen werden. Bei dem Vergleich zwischen Hunden mit und ohne Sepsis, oder mit und ohne DIC konnte jedoch kein signifikanter Unterschied im Hinblick auf die zuvor erwähnten Parameter entdeckt werden.

Nach Inkubation mit allen getesteten Agonisten wurde eine signifikant vermehrte PNA-Bildung von unterschiedlicher Ausprägung im Vergleich zu den nicht stimulierten Proben beobachtet, wobei nach Inkubation mit PMA die MFI (62,4 29,2 versus 4,2 0,5) (P >

0,001) und der prozentuale Anteil CD61-positiver neutrophiler Granulozyten (89,4% 9,8

versus 4,7% 0,6) (P > 0,001) am höchsten waren. Während die gleichzeitige Inkubation mit ADP und EPI zu einer annähernd kumulativen Antwort führte, zeigte die gleichzeitige Inkubation mit COL und ADP keine vermehrte PNA-Bildung verglichen mit der alleinigen Inkubation mit COL. Nach Inkubation mit LPS und AA in verschiedenen Konzentrationen konnte eine dosisabhängige Steigerung der MFI wie auch des prozentualen Anteils CD61-positiver neutrophiler Granulozyten gemessen werden.

Formveränderungen der neutrophilen Granulozyten, eine vermehrte Größe sowie verminderte Granularität wurden nach Inkubation mit allen Agonisten mit Ausnahme von EPI beobachtet, wobei PMA wiederum der stärkste Agonist war. Kombinationen von ADP und COL sowie EPI und ADP zeigten keine additiven Effekte auf die Größe oder Granularität der neutrophilen Granulozyten. Gleichermaßen zur PNA-Bildung resultierte die Inkubation mit verschiedenen Konzentrationen von LPS und AA in einer dosisabhängigen Größenzunahme und Granularitätsabnahme der Zellen.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse des zweiten Teils der Arbeit eine vermehrte PNA-Bildung sowie Formveränderungen der neutrophilen Granulozyten bei Hunden mit systemisch-entzündlichen Erkrankungen. Die Tatsache, dass diese Veränderungen auch nach In-vitro-Stimulation mit reinen Plättchenagonisten gesehen wurden, zeigt die Bedeutung der Plättchenaktivierung für die beobachtete Aggregatbildung. Weitere Studien sind notwendig, um die Signifikanz von PNA und Formveränderungen der neutrophilen Granulozyten in der Pathogenese der SIRS und Sepsis einzuschätzen, wie auch um den klinischen Nutzen dieser Parameter als möglichen Frühindikator bei systemisch-entzündlichen Erkrankungen zu beurteilen.