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Die seit 2000 veröffentlichten Studien zu „rechtsextremen Einstellungen“ bzw. „Grup-penbezogener Menschenfeindlichkeit“ in der BRD kommen alle zu besorgniserre-genden Ergebnissen und müssen in Betracht gezogen werden, wenn Neonazismus in der Gesellschaft erfolgreich bekämpft werden soll. Im Folgenden werden exem-plarisch die Studien um die Forschungsgruppe von Elmar Brähler aus Leipzig und die Gruppe um Wilhelm Heitmeyer aus Bielefeld in kurzen Zusammenfassungen präsentiert.

Vom Rand zur Mitte

Die Leipziger Autoren_innen131 der Studie „Vom Rand zur Mitte“ und der Folge-studien „Ein Blick in die Mitte“ und „Bewegung in der Mitte“ definieren Rechtsex-tremismus wie folgt: „Der RechtsexRechtsex-tremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äu-ßern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsfor-men, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch anti-semitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen.“132

Aus dieser Definition wurden für die Befragung sechs Dimensionen rechts-extremer Einstellungen abgeleitet, die das mehrdimensionale Einstellungsmuster ausmachen:

• Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur

• Chauvinismus

• Ausländerfeindlichkeit

• Antisemitismus

• Sozialdarwinismus

• Verharmlosung des Nationalsozialismus

Im Folgenden werden bei der Präsentation der Zustimmungsdaten die Stufen „stim-me zu“ und „stim„stim-me voll und ganz zu“ zusam„stim-mengefasst. Insgesamt standen fünf Stufen der Ablehnung bzw. Zustimmung zur Verfügung („lehne voll und ganz ab“,

„lehne ab“, „stimme teils zu, stimme teils nicht zu“, „stimme zu“, „stimme voll und ganz zu.“133Zentrale Ergebnisse sind im Folgenden in tabellarischer Form wieder-gegeben.

Auffallend sind die hohen Zustimmungswerte zu den Einstellungsdimensionen Chauvinismus mit fast 20% und Ausländerfeindlichkeit mit über 25%. Aber auch der Antisemitismus – bei einem Zustimmungswert von 8,4% bedeutet das, dass

131Siehe: Decker/Brähler 2006 und 2008, Decker/Rothe/u.a. 2008.

132Siehe: Decker/Brähler 2006, S. 21.

133Siehe: Decker/Brähler 2006: S.22 und 36.

Tabelle 2.1: Tabelle nach Decker / Brähler 2006, S. 43, Zustimmungswerte in %

Gesamt West Ost

Befürwortung Diktatur 4,8 4,4 6,5

Chauvinismus 19,3 20,1 16,1

Tabelle 2.2: Tabelle nach Decker / Brähler 2006, S.32., Zustimmungswerte in %

Gesamt Ost West

Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen

14,8 12,5 15,4

Wie in der Natur sollte sich in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen

17,7 19,8 17,2

Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert

26,0 29,0 25,2

Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert

15,2 17,5 14,6

immerhin fast jede_r zehnte Deutsche diese Einstellung teilt – ist keineswegs als Randphänomen zu kennzeichnen.

Schaut man auf ausgewählte einzelne Fragestellungen innerhalb der sechs Di-mensionen des Rechtsextremismus wie ihn Decker/Brähler definieren, so wird be-stätigt, dass hier Einstellungsmuster zu erkennen sind, die demokratischen Werten diametral entgegenstehen.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Die Forschungsgruppe des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltfor-schung (IKG) der Universität Bielefeld unter der Leitung von Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer führt seit 2002 in einem Zeitraum von zehn Jahren Untersuchungen

Abbildung 2.1: Elemente des Syndroms Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

zum Komplex „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ durch. Die Forschungen möchten folgende vier zentrale Fragen ständig neu klären:

• In welchem Außmaßwird die Würde zahlenmäßig schwacher bzw. sog. be-schwerdearmer Gruppen angetastet durch abwertende, ausgrenzende Ein-stellungen und diskriminierendes Verhalten anderer Personen?

• Welche Erklärungen sind dafür zu finden, dass sich menschenfeindliche Mentalitäten in dieser Gesellschaft hartnäckig halten bzw. ausbreiten?

• Wo werden Veränderungen in den Ausmaßen und Zusammenhängen im Zeit-verlauf erkennbar?

Bis 2009 sind sieben Folgen der Forschungen unter dem Titel Deutsche Zustän-de134 veröffentlicht worden135.

Im Folgenden werden Ergebnisse der Studie Deutsche Zustände Folge 6 vor-gestellt136, weil dort – im Gegensatz zur aktuellen Veröffentlichung137, die einen

134Siehe: Heitmeyer 2002-2009.

135Siehe: http://www.uni-bielefeld.de/ikg/Feindseligkeit/Ergebnisse2004.htm, 09.05.2009

136Siehe: Heitmeyer 2008.

137Siehe: Heitmeyer 2009.

Tabelle 2.3: Rassismus Aussiedler sollten besser gestellt werden als

Ausländer, das sie deutscher Abstammung sind.

22 2002

21,9 2004

18,5 2007

Die Weiÿen sind zu Recht führend in der Welt

16,4 2002

13,1 2004

12,6 2007

Tabelle 2.4: Fremdenfeindlichkeit

Es leben zu viele Ausländer in Deutschland. 55,4 2002

59,8 2004

54,7 2007

Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat schicken

27,7 2002

36 2004

29,7 2007

Schwerpunkt auf den Ost-West-Vergleich legt – vergleichbare Langzeitwerte von 2002 bis 2007 dargestellt werden. Die tabellarischen Darstellungen fassen die Zu-stimmungswerte „. . . eher zu“ und „voll und ganz zu“ zu einem Wert zusammen.

Tabelle 2.5: Antisemitismus Jugend haben in Deutschland zu viel

Einuss.

21,6 2002

21,5 2004

15,6 2007

Durch ihr Verhalten sind die Juden an ihrer Verfolgung mitschuldig.

16,6 2002

12,8 2004

17,3 2007

Tabelle 2.6: Homophobie Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in

der Öentlichkeit küssen

34,8 2005

31,3 2007

Homosexualität ist unmoralisch. 16,6 2005

17,3 2007

Ehen zwischen zwei Frauen bzw. zwischen

zwei Männern sollten erlaubt sein 40,5 2005

35,4 2007

Tabelle 2.7: Abwertung von Obdachlosen Die Obdachlosen in den Städten sind

unangenehm. 38,9 2005

28,8 2007

Die meisten Obdachlosen sind arbeitsscheu. 22,8 2005

32,9 2007

Bettelnde Obdachlose sollten aus den

Fuÿgängerzonen entfernt werden. 35 2005

34 2007

Tabelle 2.8: Abwertung von Behinderten Für Behinderte wird in Deutschland zu viel

Aufwand betrieben. 8,3 2005

7,7 2007

Viele Forderungen von Behinderten nde ich

überzogen. 15,2 2005 Muslimen sollte die Zuwanderung nach

Deutschland untersagt werden. 24 2004

29 2007

Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich

manchmal wie ein Fremder im eigenen Land. 35,1 2004

39 2007

Tabelle 2.10: Etabliertenvorrechte Wer irgendwo neu ist, sollte sich erst mal mit

weniger zufrieden geben.

57,8 2002

61,5 2004

52,8 2007

Wer schon immer hier lebt, sollte mehr Rechte haben als die, die später zugezogen sind.

40,9 2002

35,5 2004

35,1 2007

Tabelle 2.11: Sexismus Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen.

29,4 2002

29,3 2004

28,5 2007

Für eine Frau sollte es wichtiger sein, ihrem Mann bei seiner Karriere zu helfen, als selbst Karriere zu machen.

25,6 20022004

18 2007

Tabelle 2.12: Abwertung von Langzeitarbeitslosen Die meisten Langzeitarbeitslosen sind nicht

wirklich daran interessiert, einen Job zu nden. 49,3 2007 Ich nde es empörend, wenn sich die

Langzeit-arbeitslosen auf Kosten der Gesellschaft ein be-quemes Leben machen.

60,8 2007

Bewertung:Einzelne Zustimmungswerte sind besorgniserregend hoch. Fremden-feindlichkeit ist eine – das zeigen auch die anderen Studien, die hier zusammenge-fasst worden sind – ganz normale Einstellung in Deutschland. Die Werte bewegen sich konstant über 50%. Auch die Islamophobie, einer der wenigen Werte, die im Rahmen dieser Studie 2004 erstmalig gemessen wurden, hat mit 30% bzw. nahezu 40 % hohe Zustimmungswerte.

Die anderen in der Tabelle einsehbaren Ergebnisse zeigen, dass Gruppenbe-zogene Menschenfeindlichkeit kennzeichnend für große Teile - bei einigen Einzel-werten sogar die Mehrheit der deutschen Bevölkerung - ist. Sachsen scheint hier kein Ausnahmeland.