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Ausgangspunkt der Untersuchung war die Problematik der mangelnden Adhärenz im Setting der ambulanten Physiotherapie. Wie auch in anderen medizinischen Bereichen spielt auch in der Physiotherapie die Adhärenz des Patienten eine bedeutende Rolle. Die Beeinflussung des Übungs- und Aktivitätsverhaltens von Patienten im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung ist nicht nur eine bedeutende Aufgabe und eine therapeutische Notwendigkeit, sondern auch ein vom Gesetzgeber formulierter Auftrag.

Um das Phänomen der Adhärenz in der Physiotherapie konzeptionell bearbeiten zu können und nachfolgend eine theoriebasierte Intervention zu entwickeln, wurden aktuelle gesundheitspsychologische Theorien, die sich bereits im Forschungsfeld der körperlich sportlichen Aktivität bewährt hatten, vorgestellt. Die theoretischen Modelle wurden vor dem Hintergrund der beruflichen Rahmenbedingungen betrachtet. Somit konnte eine motivationale und eine volitionale Prozessebene zur Gestaltung von Interventionen differenziert werden.

Im Anschluss wurde der Forschungsstand der bisherigen Interventionsforschung im Bereich der ambulanten Physiotherapie dargelegt. Die Erkenntnisse deuteten auf eine widersprüchliche Effektivität der bisherigen Interventionsansätze. Weiterhin konnte hinsichtlich der Langzeiteffekte bislang keine Wirkung nachgewiesen werden (vgl. McLean et al., 2010). Es zeigte sich, dass in lediglich drei Untersuchungen (Bassett, 2005; Balser et al., 2007; Göhner, 2003) eine Intervention auf Basis einer bestehenden Theorie konzipiert und getestet wurde, wobei bislang noch keine volitionalen Inhalte Verwendung fanden. Die Analysen der Untersuchungen deuteten zudem auf eine Erfolg versprechende Integration volitionaler Elemente. Aufgrund der theoretischen Überlegungen wurde die volitionale Prozessebene zur Gestaltung einer Intervention berücksichtigt. Das Ziel der Arbeit war die Entwicklung und die Evaluation einer volitionalen Intervention zur Steigerung der Adhärenz im Rahmen einer ambulanten physiotherapeutischen Behandlung.

Um eine entsprechende Intervention zu konzipieren und deren Einfluss auf das Patientenverhalten evaluieren zu können, war aus inhaltlichen und methodischen Gründen eine Eingrenzung des Krankheitsbildes notwendig. Im Rahmen der Untersuchung wurden

Patienten mit unspezifischen akuten und subakuten Rückenschmerzen rekrutiert (N= 45).

Zur Gestaltung der Intervention wurden aktuelle Leitlinienempfehlungen analysiert, wobei hinsichtlich des angestrebten Patientenverhaltens in zwei therapeutische Säulen, einem allgemeinen Bewegungsprogramm und einem therapeutischen Übungsprogramm differenziert wurde. Die Interventionsinhalte wurden entsprechend der zugrundeliegenden volitionalen Prozessebene durch die Konstrukte des MoVo-Modells (Fuchs, 2007) und des HAPA-Modells (Schwarzer, 2004) konzipiert. Dabei wurden die prospektiven volitionalen Elemente der Handlungs- und Bewältigungsplanung sowie die handlungsbegleitende Strategie der Handlungskontrolle eingesetzt. Die Intervention wurde in Blockform während der ersten Therapiewoche durchgeführt. Zusätzlich erfolgte ein weiteres Telefonat nach einer Woche. Zur Unterstützung der Planungs- und Handlungskontrollaktivitäten wurde eine Planungsbroschüre eingesetzt.

Bei der Konzeption der Intervention wurde bewusst darauf geachtet, dass die Inhalte auch therapiebegleitend umgesetzt werden können. Um die Intervention unabhängig von den Einflüssen der Therapeutin zu testen, wurde eine externe Interventionsperson eingesetzt.

Nachfolgend werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammenfassend dargestellt:

Im Vordergrund der Arbeit stand die Frage, ob durch eine volitionale Intervention das Patientenverhalten im Rahmen einer ambulanten physiotherapeutischen Behandlung verändert werden könne und ob diesbezüglich ein nachhaltiger Effekt nachweisbar wäre.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Adhärenz des Patienten durch eine zusätzliche volitionale Intervention teilweise gesteigert werden konnte. Die Effekte fielen dabei für die beiden Bereiche unterschiedlich aus. Insbesondere im Bereich des allgemeinen Bewegungsprogramms konnte das Verhalten statistisch bedeutsam verbessert werden, was vor dem Hintergrund der zeitlich kurzen Intervention durchaus bemerkenswert ist.

Weiterhin deuten die Ergebnisse darauf hin, dass auch die Übungsminuten – wenngleich ein statistsich bedeutender Effekt ausblieb – durch eine volitionale Intervention tendenziell gesteigert werden konnten. Daraus lässt sich schließen, dass eine Implementierung der Interventionsinhalte in die Therapie durchaus Erfolg versprechend ist. Neben der Effektivität der Intervention während der Therapie konnte auch ein nachhaltiger Effekt im Zeitraum von bis zu acht Wochen nachgewiesen werden. Auch hier lagen die Aktivitätswerte der Interventionsgruppe trotz sinkender Tendenz statistisch bedeutend über

dem Niveau der Kontrollgruppe. Für den Bereich des therapeutischen Übungsprogramms wurden in der Interventionsgruppe ebenfalls höhere Werte erhoben, die auf eine klinische Relevanz deuten. Die Intervention konnte auch im Nachbehandlungszeitraum statistisch und klinisch relevante Effekte bewirken. Eine volitionale Intervention kann somit sowohl im Behandlungszeitraum als auch im Nachbehandlungszeitraum zu einer effektiven Beeinflussung der Aktivität beitragen. Aufgrund der Effekte der Intervention während des Behandlungszeitraums kann vermutet werden, dass eine Zusatzintervention im Anschluss an die Therapie einen Einfluss auf die Rückgänge des Aktivitätsniveaus im Nachbehandlungszeitraum ausüben könnte.

Die Steigerung der Adhärenz in der Interventionsgruppe ging jedoch nicht mit einer Verbesserung der Outcomes Schmerz und Funktionseinschränkung einher. Hierfür kann unter anderem ein bislang nicht ausreichend erforschter Zusammenhang zwischen Übungsform, Dosis und Schmerz verantwortlich gemacht werden. An dieser Stelle sind weitere Forschungsansätze notwendig, um Aussagen darüber zu ermöglichen, bei welchem Patienten welche Aktivitätsform in welcher Dosis eine therapeutische Wirkung erzielen kann. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit konnte im Erhebungszeitraum ebenfalls kein bedeutender Effekt der Intervention identifiziert werden. Diesbezüglich wäre für die weitere Forschung ein längerer Untersuchungszeitraum interessant, einhergehend mit der zusätzlichen Berücksichtigung der Rezidiv-Quote.

Neben der Effektivität einer volitionalen Intervention ist insbesondere auch das Integrationspotential in physiotherapeutische Arbeitsbedingungen, wie sie in Deutschland durch die Heilmittelrichtlinien vorgegeben sind, von zentraler Bedeutung. Diesbezüglich wurde die eigenständige Umsetzung, Implementierung und Weiterführung von erlernten volitionalen Strategien hinterfragt. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Patienten der Interventionsgruppe die Strategien der Handlungs- und Bewältigungsplanung und der Handlungskontrolle auch im Bereich des therapeutischen Übungsprogramms häufiger anwendeten. Die Intervention führte zu einem statistisch bedeutenden Gruppenunterschied hinsichtlich aller Kriterien während des Behandlungszeitraums. Im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung scheint eine einmalige Demonstration der Strategien ausreichend zu sein, um die Umsetzung zu gewährleisten. Dies deutet vor dem Hintergrund

der begrenzten zeitlichen Ressourcen auf eine vielversprechende Integrationsmöglichkeit.

Bezüglich der Nachhaltigkeit wurde festgestellt, dass der statistisch bedeutsame Gruppenunterschied zum Ende der Therapie auch für den Nacherhebungszeitraum konserviert werden konnte. Jedoch nahmen die Werte in beiden Gruppen wieder ab. Der verzögerte Rückgang in der Interventionsgruppe kann jedoch durchaus als Erfolg der Intervention gewertet werden. Gegebenenfalls kann durch eine Zusatzintervention in diesem Zeitraum die Nachhaltigkeit optimiert werden.