• Keine Ergebnisse gefunden

Zusammenfassung: Überwachung als Management gesellschaftlicher

3.   Überwachung: Stand der Forschung und aktuelle Diskussionen

3.2 Theorie in der Praxis von Überwachung

3.2.6 Zusammenfassung: Überwachung als Management gesellschaftlicher

Der Blick auf die Erscheinungsweisen von Überwachung hat die Vielfältigkeit dieses im Kern als Tätigkeit beschriebenen Phänomens verdeutlicht. Zwischen den theoretischen Modellen, die zur Beschreibung von Gesellschaft auf das Phänomen zurückgreifen bzw. dieses in das Zentrum der Analyse stellen und den Erscheinungs-weisen ergibt sich ein sowohl praktischer als auch theoretischer Horizont, der die einzelnen Facetten und Analysemöglichkeiten aufzeigt. Was bisher noch nicht ausreichend thematisiert und klassifiziert wurde sind die Ziele von Überwachung, nämlich die Objekte der Überwachung. Grundsätzlich kann man eine Einteilung in drei Bereiche vornehmen: Raum, Menschen, andere – zu letzterem gehören nicht belebte Objekte wie etwa Gebäude, oder alles was unter die Kategorie „Natur“ fällt (Tiere, Klima, Wasser, Umwelt usw.). Die Kategorien nicht-belebte Objekte und Natur sind nur dann sozialwissenschaftlich von Interesse, wenn es eine Verbindung zu Menschen

oder Gesellschaften gibt, d.h. diese von einer Überwachung betroffen sind, weil sie sich darin aufhalten oder in irgendeiner Weise nutzen und somit zum Kollateralziel der Überwachung werden. Natur kann auch das mittelbare Ziel der Überwachung sein, um darüber vermittelt Menschen zu kontrollieren, den Zugang zu steuern oder relevante und entsprechend kontextuelle Informationen abzugreifen.

Raum als Bereich der Überwachung ist soziologisch zu verstehen, nämlich als relationale Größe, d.h. als ein belebter und von Menschen definierter Raum (vgl. Löw 2001). Von Menschen definiert heißt in diesem Fall, dass ein physisch erfahrbarer Raum durch Nutzung, Definition (und das bedeutet durch Machtverhältnisse) und Aushandlung bestimmt wird. Ob etwas ein Gefahrengebiet ist oder nicht, ist weder ontologisch feststellbar, noch ist es unveränderlich. Die Überwachung des Raums zielt mittelbar auch auf Personen, aber nur als Nutzer eines Raumes, weniger als näher bestimmte und identifizierte Individuen. Wie in Tabelle 1 bereits gezeigt, sind bestimmte Technologien und Verfahren eher dem einen oder anderen Bereich zuzurechnen. Warum aber nun Überwachung? Wie eingangs bereits geschehen, habe ich Überwachung als Mittel zur Steuerung und Schaffung von Ordnung durch das routinemäßige Sammeln und Verarbeiten von Informationen definiert. Grundsätzlich geht es also darum Personen zu verwalten, d.h. Wissen anzuhäufen, auf dem Entscheidungen eines Staates, einer Behörde, eines Unternehmens oder einzelner Personen gründen können. Dabei ist Überwachung kein Selbstzweck, sondern im Sinne einer bürokratischen, politischen oder unternehmerischen Rationalität zielgerichtet. Die Aufrechterhaltung von Sicherheit kann so ein Ziel sein. Dazu bedarf es eines Wissens über die Risiken, die Sicherheit in einem abgegrenzten Kontext bedrohen könnten.

Sofern diese Risiken von Menschen ausgehen oder diese bedrohen, ist ihre Überwachung in der Rationalität gerechtfertigt – im Sinne der binären Qualität von Überwachung, die sich an den Polen Kontrolle und Fürsorge orientiert.

Technologie dient hier als Mittel der Überwachung, die aufgrund der Notwendigkeiten eingesetzt wird, die sich aus den Rationalitäten ergeben. Videokameras zur Kriminalitätsprävention sind kein Machtmittel, eingesetzt um Bürgern auf die Nerven zu fallen oder diese in ihren Bürgerrechten zu verletzen, sondern als Mittel ein soziales Problem (Kriminalität im öffentlichen Raum) zu bekämpfen bzw. zu managen.

Überwachung bedeutet nicht die Abschaffung dieser Probleme, sondern zu allererst ist es eine Methode der Wissensgenerierung für Managementprozesse von erkannten Problemen. Erkannte oder mögliche Risiken sollen umgangen werden. Es findet eine Kontrolle von Raum oder Menschen (oder beidem) im Vorwege statt. Im Falle von Überprüfungstechnologien ist der Managementaspekt noch deutlicher, nämlich dann wenn es um Ein- oder Ausschlüsse von Personen oder Personengruppen geht.

Überwachung in diesem Sinne bedeutet die bürokratischen oder unter-nehmerischen Notwendigkeiten von Sicherheit mittels eines Managements der Risiken zu gewährleisten. In diesem Sinn ist Überwachung ein Mittel der Macht, aber nicht aus sich selbst heraus und nicht als Selbstzweck, sondern in der Anwendung als Mittel eines Managements. Die Form und der Anwendungsbereich der Technologie ergibt sich aus den formulierten Bedürfnissen. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Bedürfnisse ohne Folgen sind und die Konsequenzen immer unabsehbar bleiben.

Technologien können anders eingesetzt werden als ursprünglich geplant, Ziele können sich ändern, Rationalitäten politischen Veränderungen unterworfen sein. Deshalb ist Überwachung praktisch angewendet immer nur Mittel zum Ziel, ein Steuerungs-instrument von Politik, Unternehmen, Behörden oder in der Umkehrung der Machtverhältnisse auch von Bürgern gegen die Überwachung selbst (vgl. dazu Hempel

& Töpfer 2009; Wiedemann 2011; Boghosian 2013; Mackey 2013; Stark & Rosenbach 2014; zur sog. Sousveillance vgl. Mann et al. 2002 und Cardullo 2014; zur Countersurveillance vgl. Monahan 2006 und Wilson & Serisier 2010).

Die Zusammenhänge zwischen den Zielen, den politischen/bürokratischen Rationalitäten, den Anwendungsgebieten und den Kontrolleuren der Technologien sind die Eckpunkte für eine Bewertung von Überwachung. Außerdem ermöglichen sie die Beschreibung ihrer Steuerungsmechanismen und ihrer potenziellen Auswirkungen auf Personen, Rechte und Freiheiten.

4. Felder der Überwachung und technische Innovationen – Anwendungsfelder und Intentionen

Um eine Grundlage zur Bewertung technologischer Innovationen im Bereich Sicherheit zu haben, die prinzipiell mit Motiven der Überwachung und Kontrolle verknüpft sind, sollen hier verschiedene Anwendungsfelder beispielhaft beschrieben werden. Die oben genannten Zusammenhänge zwischen den Zielen, den politischen/bürokratischen Rationalitäten, den Anwendungsgebieten und den Kontrolleuren der Technologien sind die Eckpunkte, um Überwachung exemplarisch deutlich zu machen. Da es in der Expertise hauptsächlich um eine zivile Sicherheit geht, eignen sich als Felder der Flughafen einerseits und die Stadt andererseits. Beides sind vielfältige und komplexe Infrastrukturen, die sich in der Nutzung, Wahrnehmung und den Formen der Überwachung deutlich unterscheiden. Bei der Stadt geht es vor allem um eine Über-wachung von Infrastrukturen und von öffentlichen (und privaten) Räumen. Da im Zuge der Digitalisierung der Lebenswelten, unserer Umwelt und letztlich auch durch die Digitalisierung der Gesellschaften selbst, diese Technologien und Anwendungen eine zentrale Rolle spielen, wird in diesem Zusammenhang als weiteres Anwendungsfeld auch das so genannte Internet der Dinge thematisiert und vorgestellt. Nicht zuletzt, weil dieses in der Betrachtung des Konzeptes so genannter smart cities und damit im Hinblick auf eine Überwachung von Infrastrukturen eine wichtige Rolle spielt. Beim Flughafen handelt es sich um eine relativ abgeschlossene Umgebung, die von ihrer Bedeutung her jedoch weit über den eigentlichen Raum hinauswirkt, insbesondere wenn es um Formen und Technologien der Überwachung geht. Auch Flughäfen sind urbane Infrastrukturen, die im Sicherheitsdiskurs auch als so genannte kritische Infrastrukturen bezeichnet werden. Sie sind Teil von Städten und smart cities, dann allerdings als Ganzes, während hier der Unterschied anhand der internen räumlichen Strukturen gemacht werden soll – System Flughafen vs. System (smarte) Stadt.

Gemeinsam ist beiden Anwendungsfeldern – Flughafen und (smarte) Stadt –, dass es sich um Räume handelt, in denen der Aspekt von Menschenströmen grundlegend ist.

Damit ist aber noch nicht gesagt, wie sich diese Räume konstituieren, welche Handlungsmöglichkeiten sich den Menschen bieten, welche materiellen Grundlagen eine Rolle spielen und was diese für eine Überwachung ganz praktisch bedeuten. Bevor die Räume selbst beschrieben werden, wird deshalb zunächst als Grundlage für die weiteren Ausführungen die Bedeutung des Raumbegriffes für eine Analyse von Überwachung geklärt.