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Zur Situation des Waldnaturschutzes in Deutschland

1. EINFÜHRUNG IN DIE WISSENSCHAFTLICHE FRAGESTELLUNG

1.2 P ROBLEMAUFRISS

1.2.3 Zur Situation des Waldnaturschutzes in Deutschland

Ziele des Naturschutzes in Deutschland sind der Schutz und die dauerhafte Sicherung der biologi-schen Vielfalt, der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie der Vielfalt, Eigenart, Schönheit und des Erholungswerts von Natur und Landschaft. Dies umfasst unter anderem die Erhal-tung von wild lebenden Tieren und Pflanzen und deren Lebensstätten sowie den Schutz von Lebens-gemeinschaften und Biotopen (§ 1(1 und 2) BNatSchG). Schutzgebietsausweisungen, wie zum Bei-spiel von Natur- und Landschaftsschutzgebieten, Nationalparken, Biosphärenreservaten oder Natura 2000-Gebieten, leisten einen wichtigen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele.

Waldschutzgebiete in Deutschland

Zwischen den Jahren 2000 und 2010 hat in Deutschland der Anteil der Biodiversitätsschutzgebiete mit minimaler menschlicher Beeinflussung (MCPFE Class 1.2) um 142 % und der Biodiversitätsschutz-gebiete mit aktivem Management (MCPFE Class 1.3) um 51 % zugenommen (FOREST EUROPE 2011).

Nach POLLEY (2009) liegen insgesamt rund zwei Drittel der Wälder Deutschlands in Schutzgebieten, der Großteil davon im Bundeswald und den Landeswäldern. Dies dürfte überwiegend auf die hohen Gemeinwohlverpflichtungen der Waldeigentumsarten in öffentlicher Hand zurückzuführen sein. Ins-gesamt sind 26 % der Wälder mit intensiven (z.B. Nationalparks, Biosphärenreservate, Naturschutz-gebiete und Natura 2000-Gebiete) und 41 % mit extensiven Schutzgebietskategorien (Landschafts-schutzgebiete, Naturparke) belegt (POLLEY 2009).

Die Zunahme der Schutzgebietsfläche dürfte größtenteils den Ausweisungen von Natura 2000-Gebieten seit dem Jahr 2004 sowie, in jedoch eher geringem Maße, der Ausweisung neuer National-parke (z.B. Nationalpark Eifel und Nationalpark Kellerwald-Edersee im Jahr 2004; Nationalpark Harz im Jahr 2006) geschuldet sein (BFN 2009, 2012, 2015).

8 Das europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000

Das Schutzgebietsnetz Natura 2000 basiert auf der Richtlinie 92/43/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Mai 1992 zur „Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildle-benden Tiere und Pflanzen“ (FAUNA-FLORA-HABITAT-RICHTLINIE, kurz: FFH-RICHTLINIE) und der Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die „Erhaltung der wildlebenden Vogelarten 79/409/EWG“ (V OGEL-SCHUTZRICHTLINIE). Mit rund 24 % der Waldfläche haben Natura 2000-Gebiete hinter den Landschafts-schutzgebieten (47 %) und Naturparken (38 %) den drittgrößten Anteil an der deutschen Wald-schutzgebietskulisse. Von den intensiven Schutzgebietskategorien haben Natura 2000-Gebiete den größten Flächenanteil im Wald (POLLEY 2009).

Im Zuge der Umsetzung von Natura 2000 in Deutschland wurden 1,8 Mio. ha Waldfläche zu FFH-Gebieten (BFN 2012) erklärt. Die FFH-Richtlinie weist als Schutzobjekte Wald-Lebensraumtypen aus.

Insgesamt gibt es in Deutschland 18 Wald-Lebensraumtypen. Von der FFH-Waldfläche in Deutschland sind rund 817.000 ha bzw. 46 % als Wald-Lebensraumtypen ausgewiesen. Die flächenmäßig bedeut-samsten sind, mit zusammen rund 586.000 ha, der Hainsimsen-Buchenwald (Code 9110) und der Waldmeister-Buchenwald (Code 9130). Die restlichen 54 % der FFH-Waldfläche sind Füll- und Puffer-flächen, die entweder keinen besonderen Schutzstatus haben oder als Flächen zum Schutz bestimm-ter Pflanzen- und Tierarten sowie als Flächen zum Schutz anderer Lebensraumtypen wie u.a. Quellen, Felsen und Magerrasen dienen (BFN 2012, ROSENKRANZ et al. 2012).

Naturschutzfachliche Maßnahmenplanung in FFH-Gebieten

Gemäß Artikel 6 der FFH-Richtlinie sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen für die einzelnen Schutzgebiete zu treffen, die einer Verschlechterung der Erhaltungszustände der Lebensraumtypen und Habitate sowie erheblichen Störungen von Arten entgegenwirken. Diese Maßnahmen sind in Bewirtschaftungsplänen (Managementplänen) festzulegen und in geeigneter Form rechtlich, administrativ oder vertraglich umzusetzen (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2003).

Grundlage für die Festlegung der Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen ist die Erhaltungszu-standsbewertung der FFH-Gebiete. Die Bewertung des Erhaltungszustands von Lebensraumtypen erfolgt nach einem zweistufigen Verfahren (BURKHARDT et al. 2004). Zunächst werden die drei Krite-rien „Habitatstrukturen“, „Lebensraumtypisches Arteninventar“ und „Beeinträchtigungen“, auf Basis bestimmter Parameter und Schwellenwerte, jeweils mit den Wertstufen A, B oder C bewertet. Die Bewertungen der drei gleichwertigen Kriterien werden dann zu einem Gesamtwert zusammengefasst (BURKHARDT et al. 2004). Der Gesamtwert A bezeichnet einen sehr guten Erhaltungszustand, der Ge-samtwert B einen guten Erhaltungszustand und der GeGe-samtwert C einen mittleren bis schlechten Erhaltungszustand. Bei einer Analyse der Bewertungsschemata der Bundesländer (mit Ausnahme der Stadtstaaten) wurde deutlich, dass die Schwellenwerte zur Ermittlung des Erhaltungszustands in den

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einzelnen Bundesländern in einigen Fällen weit voneinander abweichen. Beispielhaft seien hier die Schwellenwerte für Totholz in den Lebensraumtypen „9110 Hainsimsen- Buchenwald“ und „9130 Waldmeister-Buchenwald“ genannt: Für den Erhaltungszustand B werden in Niedersachsen, Nord-rhein-Westfalen, Saarland und Sachsen 1 bis 3 Stück Totholz pro Hektar, dagegen in Hessen 5 bis 14 m³/ha und in Brandenburg 21 bis 40 m³/ha gefordert (ROSENKRANZ et al. 2012, ROSENKRANZ und WIPPEL

2012).

Auf Basis des Erhaltungszustands der Gebiete werden von den Bundesländern in FFH-Managementplänen Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen für die jeweiligen Gebiete festgelegt.

Diese werden in der Studie von ROSENKRANZ et al. (2012:63), auf Grundlage einer Auswahl von 44 FFH-Managementplänen, folgendermaßen definiert: Erhaltungsmaßnahmen sind Maßnahmen, die als nötig erachtet werden den gegenwärtigen Erhaltungszustand zu bewahren. Entwicklungsmaßnah-men hingegen sind MaßnahEntwicklungsmaßnah-men, die den Erhaltungszustand verbessern oder Lebensraumtypflächen im FFH-Gebiet vergrößern. ROSENKRANZ et al. (2012) fanden in FFH-Managementplänen für die beiden flächenbedeutsamsten Lebensraumtypen „9110 Hainsimsen-Buchenwald“ und „9130 Waldmeister-Buchenwald“ folgende, häufig genannte Erhaltungsmaßnahmen:

• Naturnahe Waldbewirtschaftung

• Erhalt/Erhöhung des Anteils von Habitatbäumen und Totholz

• Erhalt/Erhöhung des Anteils von Altholz/ Bäumen in der Reifephase

• Erhalt der lebensraumtypischen Artenzusammensetzung

• Förderung standortheimischer Arten bei der Waldpflege

• Erhalt/Förderung seltener und begleitender Baumarten

• Zurückdrängen/sukzessive Entnahme nicht standortgerechter Baumarten, dauerhafte Be-schränkung des Mischungsanteils

• Förderung der Naturverjüngung standortheimischer Baumarten

• Einzelstammweise Zielstärkennutzung oder Femelhiebe

• Strukturfördernde Maßnahmen

• Befahrung nur auf Rückegassen

• Einsatz bodenschonender Rücketechniken

Die europäische FFH-Richtlinie wurde im Jahr 1998 ins Bundesrecht umgesetzt (SIPPEL 2007). Sie ist in den §§ 32 bis 38 des Bundesnaturschutzgesetzes verankert. Für die Umsetzung und Konkretisierung der in der FFH-Richtlinie geforderten Maßnahmen sowie für die Sicherstellung der FFH-Gebiete sind die Bundesländer zuständig. Während die Gebietsausweisung inzwischen weitgehend abgeschlossen ist, war die Erstellung der Managementpläne im Jahr 2011 noch im Anfangsstadium (SEINTSCH et al.

2012).

10 Auswirkungen von FFH-Maßnahmenplanungen

Die FFH-Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen können die bisherige Waldbehandlung einschrän-ken und in Folge zu Mehraufwendungen oder Mindererträgen für Waldbesitzer führen. Nutzungs-konkurrenzen zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz sind zu erwarten. Im Rahmen einer (nicht repräsentativen) bundesweiten Online-Befragung von Forstbetrieben zu den Bewirtschaftungsein-schränkungen durch FFH-Maßnahmenplanungen wurde deutlich, dass insbesondere die Maßnahmen

„Belassen von Altholzresten bis zum natürlichen Zerfall“, „Altholzanteile belassen oder erhöhen“ und

„Erhalt der lebensraumtypischen Waldgesellschaft“ als Belastung empfunden werden (SEINTSCH et al.

2012a, b). Die zu erwartende Reduktion von Holzerntemengen aufgrund naturschutzfachlicher Maß-nahmenplanungen kann weiterhin zu Versorgungsengpässen für die Rohholzabnehmer und somit zu Nutzungskonkurrenzen zwischen Naturschutz und Holzwirtschaft führen.